Ausschluss des Widerrufsrechts: Eine Fallsammlung
In bestimmten Fällen spricht das Gesetz dem Verbraucher das Widerrufsrecht ab. Oft interpretieren Händler die Ausschlussgründe aber zu weit. Wir diskutieren die Ausschlussmöglichkeiten für viele Warenkategorien.
Inhaltsverzeichnis
- Gesetzliche Ausschlussgründe
- Widerrufsausschluss ja oder nein: Fallkonstellationen unter der Lupe
- Fallgruppe 1: Maßanfertigungen und Personalisierungen
- Fallgruppe 2: Hygienebedenken
- Fallgruppe 3: Schnelle Verderblichkeit
- Fallgruppe 4: Finanzmarktschwankungen
- Fallgruppe 5: Vermischung und Vermengung
- Tipp: Umfangreiche Informationen rund um das Widerrufsrecht
Gesetzliche Ausschlussgründe
Verbrauchern steht gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB bei im Internet geschlossenen Kaufverträgen grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu.
Dieses ermächtigt sie generell, innerhalb von 14 Tagen nach der Lieferung den Vertrag durch einseitige Erklärung grundlos rückabzuwickeln.
Das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB gilt allerdings nicht bei sämtlichen im Internet geschlossenen Verträgen.
Vielmehr erkennt der Gesetzgeber Fälle an, in denen ein Widerrufsrecht wegen Unbilligkeit ausgeschlossen ist.
Diese Ausschlusstatbestände sind in § 312g Abs. 2 BGB abschließend geregelt.
So besteht ein Verbraucherwiderrufsrecht nicht für:
- Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
- Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
- Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
- Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
- Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
- Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
- Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
- Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
- Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
- Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
- Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
- Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
- notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen allerdings nur eingeschränkt.
Widerrufsausschluss ja oder nein: Fallkonstellationen unter der Lupe
Händler werden bei der Anwendung der gesetzlichen Ausschlussgründe nicht selten kreativ, um ihre Waren darunter einzuordnen.
Ist die Einschätzung des Händlers aber rechtlich nicht haltbar und versagt er Verbrauchern unter Berufung auf einen vermeintlichen Ausschluss das Widerrufsrecht, verhält er sich abmahnbar wettbewerbswidrig.
Nachstehend zeigen wir für viele Warenkategorien durch Verweis auf spezielle Falldiskussionen, ob ein Ausschluss des Widerrufsrechts zulässig ist oder nicht.
Fallgruppe 1: Maßanfertigungen und Personalisierungen
Personalisierung nur durch vorgegebene Auswahlmöglichkeiten
Ob ein Widerrufsrecht ausgeschlossen werden kann, wenn der Verbraucher die Ware nur nach einseitig vorgegebenen Konfigurationsoptionen anpassen kann, diskutieren wir hier
Besonders relevant wird die Frage nach dem Widerrufsausschluss bei Print-on-Demand-Verkäufen.
Kann das Widerrufsrecht wegen hinreichender Personalisierung bei Kundenwahl von Farbe, Größe und Motiv ausgeschlossen werden?
Die Antwort liefern wir hier.
Personalisierter Schmuck
Ist für personalisierten Schmuck ein Widerrufsausschluss wegen Maßanfertigung möglich und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Dieser Frage gehen wir [hier] https://www.it-recht-kanzlei.de/ausschluss-widerrufsrecht-schmuck-personalisiert.html) nach.
Mystery- und Überraschungsboxen
Mystery- und Überraschungsboxen werden für den Kunden zusammengestellt und enthalten diesem bei der Bestellung noch unbekannte Ware.
Ob deswegen ein Widerrufsausschluss möglich ist, diskutieren wir hier.
Fallgruppe 2: Hygienebedenken
Unterwäsche und Dessous
Unterwäsche und Dessous kommen beim Anprobieren mit den intimsten Körperzonen in Berührung.
Kann deswegen ein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein, wenn die Wäsche vom Verbraucher aus einer versiegelten Verpackung entfernt wurde?
Diese häufig diskutierte Streitfrage führen wir hier einer Klärung zu.
Körperschmuck (Piercings, Ohrringe)
Auf für Körperschmuck wird wegen des direkten Hautkontakts vielfach ein Widerrufsausschluss aus Hygienegründen vertreten.
Doch ist das zulässig?
Hier geben wir Auskunft.
Parfüms
Einmal angebrochen, lässt sich Parfüm kaum noch gewinnbringend weiterverkaufen. Außerdem erzeugen für den Fall einer Rücknahme die Sprühstöße nah am Körper hygienische Bedenken.
Kann nach Anbruch eines Parfüms das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden?
Hier setzen wir uns damit auseinander.
Fallgruppe 3: Schnelle Verderblichkeit
Pflanzen und Schnittblumen
Lebende Pflanzen und Schnittblumen sind besonders sensibel und können insbesondere auf dem Paketversandweg leicht Schaden nehmen.
Doch rechtfertigt dies einen Widerrufsausschluss wegen schneller Verderblichkeit?
Wir lösen die Frage hier auf.
Lebende Tiere
Im E-Commerce werden mitunter auch lebende Tiere, etwa im Bereich der Aquaristik oder als Fressfutter für andere Tiere, gehandelt.
Gelten Tiere als „schnell verderblich“ mit der Folge, dass für sie kein Widerrufsrecht besteht?
Das erörtern wir hier.
Fallgruppe 4: Finanzmarktschwankungen
Schmuck aus Edelmetall
Für Edelmetalle gelten tagesaktuelle Preise am Finanzmarkt.
Darf wegen dieser Preisschwankungen das Widerrufsrecht für Schmuck aus Gold, Silber, Platin, Palladium und Co. ausgeschlossen werden?
Das klären wir hier.
Fallgruppe 5: Vermischung und Vermengung
Booster-Packs (Sammelkarten)
Booster-Packs für Sammelkartenspiele enthalten einen erst bei Öffnung einsehbaren Kartensatz, der unter anderem dafür bestimmt ist, in bestehende „Decks“ integriert zu werden.
Kann daher das Widerrufsrecht wegen der verwendungszweckmäßigen Vermischung ausgeschlossen werden?
Die Frage behandeln wir hier.
Tipp: Umfangreiche Informationen rund um das Widerrufsrecht
Eine stets wachsende Sammlung an nützlichen Informationen für Händler rund um das gesetzliche Widerrufsrecht mit
- vielen detaillierten rechtlichen Einblicken
- praxisrelevanten Falldiskussionen und
- hilfreichen Musterformulierungen
finden Interessierte hier.
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