Frage des Tages: Ausschluss des Widerrufrechts bei Sammelkarten- und Booster-Packs nach Öffnung?
„Trading-Card-Games“ wie Pokémon, Yu-Gi-Oh und Co. sind zunehmend nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei erwachsenen Sammlern und Fans relevant. Der Online-Handel mit Booster-Packs, also Sätzen von Sammelkarten mit zufallsgeneriertem Inhalt, boomt. Händler, die solche Packs anbieten, stehen im Angesicht des Verbraucherwiderrufsrechts aber vor einem Problem: soll ein Pack nach Öffnung zurückgegeben werden, kann der Händler nicht mehr überprüfen, ob der Verbraucher etwaige Karten ausgetauscht und besonders wertvolle Inhalte vielleicht behalten hat. Wie mit dem Verbraucherwiderrufsrecht bei Bestellung von Booster-Packs zu verfahren ist und ob dieses gegebenenfalls sogar ausgeschlossen werden kann, klären wir in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
I. Geöffnete Booster-Packs: Gesetzlicher Ausschluss des Widerrufsrechts?
Online-Händler, die Sammelkarten-Booster anbieten, haben großes Interesse daran, Verbrauchern im Falle des Öffnens der Umverpackungen ihr Widerrufsrecht zu versagen.
Befürchtet wird nämlich, dass sich findige Verbraucher aus den zufällig zusammengestellten Kartensätzen besonders seltene oder werthaltige einzelne Sammelkarten herauspicken, diese durch andere Exemplare aus dem eigenen Fundus ersetzen und dann im Rahmen des Widerrufsrechts ein Booster-Pack mit verfälschtem Inhalt, also nicht in Original-Zusammensetzung zurückgeben.
1.) Widerrufsausschluss wegen Entsiegelung
Vielfach sind im Internet daher Passagen in der Widerrufsbelehrung zu finden, nach denen das Widerrufsrecht für Sammelkarten-Booster nach deren Öffnung wegen „Entsiegelung“ ausgeschlossen sein soll.
Derartige Ausschlüsse sind allerdings mit dem geltenden Widerrufsrecht nicht zu vereinbaren und unzulässig, weil sie dem gesetzlichen Leitbild zuwiderlaufen.
Das Gesetz sieht einen Ausschlusstatbestand für geöffnete Sammelkarten-Booster mit Zufallsinhalt nämlich gerade nicht vor.
Wegen „Entsiegelung“, also dem Bruch eines Siegels auf oder an der Verpackung durch den Verbraucher, darf nach geltendem Recht ein Widerrufsrecht nur ausgeschlossen werden bei
- Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind (§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB)
- Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung (§ 312g Abs. 2 Nr. 6 BGB)
Einen Ausschlusstatbestand für die „Entsiegelung“ von Booster-Packs, die weder Hygieneprodukte noch physische Datenträger sind, kennt das Gesetz nicht.
Sehen Händler einen solchen Ausschluss dennoch vor, verstoßen sie gegen Verbot von Abweichungen vom gesetzlichen Widerrufsregime nach § 361 Abs. 2 BGB und verhalten sich abmahnbar wettbewerbswidrig.
2.) Widerrufsausschluss wegen Vermischung mit anderen Karten
Ein anderer Teil von Online-Kartenhändlern versucht, einen Ausschluss des Widerrufsrechts für Booster-Packs nach deren Öffnung über das Argument der „Vermischung“ mit anderen Kartensätzen des Bestellers zu konstruieren.
Auch ein solcher Ausschluss ist selbst für den Fall, das Verbraucher Karten aus geöffneten Boostern in ihre Decks einverleiben, aber gesetzlich nicht vorgesehen und damit unzulässig.
Einen Widerrufsausschluss unter dem Gesichtspunkt der Vermischung oder Vermengung von Waren sieht das Gesetz in § 312g Abs. 2 Nr. 4 BGB nämlich nur bei Untrennbarkeit vor. Voraussetzung ist also, dass die Vermischung unter Rückführung in die Einzelbestandteile nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.
Dies ist bei Sammelkarten nicht der Fall. Vielmehr könnten diese problemlos wegen der eindeutigen Identifizierbarkeit auch nach der Vermengung mit einem vorhandenen Kartenbestand wieder ausgesondert werden.
3.) Zwischenfazit
Einen gesetzlichen Ausschluss des Widerrufsrechts für Sammelkarten-Booster nach deren Öffnung sieht das geltende Recht nicht vor.
Händler sind daher zwingend verpflichtet, auch für geöffnete Booster-Packs ein Verbraucherwiderrufsrecht einzuräumen.
Selbst erdachte Formulierungen, die ein Verbraucherwiderrufsrecht auszuschließen gedenken, sind nach derzeitigem Stand unzulässig.
II. Lösung über Wertersatzansprüche
Wenn für Sammelkarten-Booster nach der Öffnung auch ein Widerrufsrecht zwangsweise einzuräumen ist, so können Händler über ein anerkanntes Rechtsinstitut immerhin finanzielle Einbußen des Verbraucherwiderrufs kompensieren.
Möglich ist nämlich die Geltendmachung von Wertersatzansprüchen nach § 357 Abs. 7 BGB, soweit darüber standardisiert in der Widerrufsbelehrung des Händlers belehrt wird.
Dieser Vorgehensweise liegt die Überlegung zugrunde, dass das Öffnen eines Sammelkarten-Boosters kein Umgang ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften oder Funktionsweise des Boosters notwendig war. Um dessen Vertragsgemäßheit nämlich zu prüfen, genügt eine Inspektion von außen, also im ungeöffneten Zustand.
Gleichzeitig erleidet das Booster-Pack nach dessen Öffnung durch einen Verbraucher einen erheblichen Wertverlust, weil es durch die Öffnung unverkäuflich wird und nicht mehr als Original mit zufällig ausgewählten Karten weiterverkauft werden kann. Gleichzeitig wirkt sich auch die nicht überprüfbare Möglichkeit eines Kartenaustauschs durch den Verbraucher wertmindernd aus.
Der Wertverlust berechnet sich als betragsmäßige Differenz zwischen Booster-Kaufpreis und der Summe der marktüblichen Einzelverkaufspreise für die retournierten Karten.
Händler, die im Falle eines Widerrufs also geöffnete Booster-Packs zurückerhalten, können wegen des weitgehenden Wiederverkäuflichkeitsverlustes einen Wertersatz nach folgender Formel ansetzen und vom rückzuerstattenden Kaufpreis abziehen:
Wertersatzbetrag = Preis des Booster-Packs – Summe der marktüblichen Einzelpreise für alle zurückerhaltenen Karten
Für die Geltendmachung von Wertersatzansprüchen stellt die IT-Recht Kanzlei hier ein hilfreiches Muster bereit.
III. Fazit
Ein gesetzlicher Ausschluss des Verbraucherwiderrufsrecht für vom Verbraucher geöffnete Sammelkarten- und Booster-Packs ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ein Widerrufsrecht muss beim Online-Verkauf solcher Waren also zwingend gewährt werden.
Händler können finanzielle Verluste aber dadurch ausgleichen, dass sie dem Verbraucher die Differenz zwischen Kaufpreis und Marktpreis der zurückerhaltenen Einzelkarten berechnen und vom Rückerstattungsbetrag abziehen.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
3 Kommentare
Ja, falsch verstanden. Der WERTERSATZ errechnet sich aus Verkaufspreis abzügl. Wert der zurückerhaltenen Karten. Im von Ihnen konstruierten Falls würde die Erstattung 0,50 EUR betragen. 4,50 EUR sind Ihr einbehaltener Wertersatz.
Dass Sie keine hypothetischen 100 EUR ansetzen können liegt auch schon darin begründet, dass Sie ursprünglich auch nur 5 EUR vom Käufer erhalten haben, Ihr Schaden also höchsten 5 EUR beträgt. Zudem können Sie nicht wissen, ob tatsächlich so eine wertvolle Karte enthalten war.
Ein Pokemon Booster wird für 5€ verkauft. Der Käufer öffnet das Päckchen und holt sich die Wertvolle Karte (mit glück bis zu 100€ Kartenwert) raus und schick die restlichen 10 Karten zurück. Der Kartenwert dieser 10 Karte beträgt 5 Cent pro Stück!! Der Händler zieht also 50Cent ab und erstattet 4,50 € zurück?? Ich hoffe inständig das ich es falsch verstanden habe....