Lieferzeitangaben: Auf welche Formulierungen sollte man besser verzichten?
Das Fernabsatzrecht bestimmt, dass Verbraucher über die Lieferzeit transparent informiert werden müssen. Für Online-Händler ist die Bestimmung und Mitteilung der Lieferzeit jedoch oftmals schwierig, da diese von externen Faktoren abhängen kann. Was bei der Lieferzeitangabe grundsätzlich zu beachten ist und welche Formulierungen auf jeden Fall vermieden werden sollten, lesen Sie in diesem hilfreichen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- I. Lieferzeitangaben müssen sein!
- II. Unzulässige Lieferzeitangaben
- 1. „Voraussichtliche“ Lieferzeiten
- 2. Lieferzeitangaben „in der Regel“
- 3. Sofortige Lieferbarkeit/Versandfähigkeit
- 4. „Lieferzeit auf Nachfrage“
- 5. „Der Artikel ist bald verfügbar“
- 6. „Lieferzeiten sind unverbindlich“
- 7. Ungenaue Angabe zum Beginn der Lieferzeitangabe: „Lieferzeit: 1-2 Werktage nach Zahlungseingang“
- III. Zulässige Lieferzeitangaben
- IV. Fazit
I. Lieferzeitangaben müssen sein!
Im Fernabsatzgeschäft wird Händlern eine Reihe von Informationspflichten auferlegt, die im Rahmen von Vertragsschlüssen mit Verbrauchern beachtet werden müssen. Eine solche Informationspflicht besteht für Online-Händler in Bezug auf Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen.
Dabei ist insbesondere der Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss, zu nennen. Dieses Erfordernis findet seinen Ursprung in Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, der lautet (Hervorhebung durch den Zitierenden):
"(1) Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: (...)
7. die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss, und gegebenenfalls das Verfahren des Unternehmers zum Umgang mit Beschwerden"
Hinsichtlich der Lieferbedingungen kommt es darauf an, auf welche Art und Weise die Bestellung zum Verbraucher gelangt. Die Leistungsbedingungen werden insbesondere im Rahmen von Dienstleistungsverträgen relevant und stellen die Einzelheiten der Erbringung der Leistungen dar.
Zu den Leistungsbedingungen gehört insbesondere auch der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Im Hinblick auf zu versendende Waren ist das die Lieferfrist. Die Angabe der Lieferzeit ist von großer Bedeutung, denn sie wird nach § 312d Abs. 1 S. 2 BGB Vertragsbestandteil, sodass mit Verstreichen der angegebenen Frist automatisch Verzug eintritt.
Entgegen des Wortlauts der Norm ist die Angabe eines genauen Termins für die Lieferung nicht erforderlich, weshalb das so ist, können Sie hier nachlesen. Die Angabe einer Frist reicht aus (z. B. „2 – 5 Tage“).
Das LG Bochum hat in einer Entscheidung (Urteil vom 03.07.2013, Az.: I-13 O 55/13) festgehalten, dass es einen Wettbewerbsverstoß darstelle, wenn für alltägliche Gegenstände im E-Commerce Lieferfristen von mehr als 3 Wochen vorbehalten werden.
Exkurs: Angabe der Lieferzeit besser in Tagen oder Werktagen?
Die Inbezugnahme von Werktagen im Zusammenhang mit Lieferzeitangaben ist kritisch, führt doch die Verwendung von Werktagen (bei der Lieferzeitangabe) unweigerlich zur Frage, welche Tage nun als Werktage gelten (sollen). So kann es vorkommen, dass in einem Bundesland ein Werktag gegeben ist, während in einem anderen Bundesland ein gesetzlicher Feiertag besteht. Grundsätzlich rät die IT-Recht Kanzlei von der Angabe von Werktagen im Zusammenhang mit Lieferzeitbestimmungen ab.
II. Unzulässige Lieferzeitangaben
Angesichts der Tatsache, dass unzulässige Lieferzeitangaben zu den „Klassikern“ der Abmahngründe zählen, hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren einige Urteile in Bezug auf zu ungenaue bzw. unzulässige Lieferzeitangaben zu Tage gefördert. Auch in Bezug auf Lieferzeitangaben gilt somit der Grundsatz, dass entsprechend kommunizierte Angaben auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen müssen.
Folgende Lieferzeitangaben wurden für unzulässig erachtet:
1. „Voraussichtliche“ Lieferzeiten
Die Rechtsprechung hat unverbindlichen oder unklare Lieferzeiten, wie z.B. „voraussichtlich“ einen Riegel vorgeschoben, sofern diese nicht mit einem Enddatum versehen sind.
So hat das OLG Bremen (Urt. v. 05.10.2012, Az. 2 U 49/12) entschieden, dass die Angabe „voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung darstellt, die wettbewerbswidrig ist. Es werde sich durch die Angabe eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung vorbehalten, die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehenden Rechte aushöhlen könne.
Der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot erschwere es dem Kunden insbesondere, das Fristende selbst zu erkennen oder zu errechnen. Wird die Angabe zur Versanddauer durch den Zusatz „voraussichtlich“ relativiert, könne der Kunde nicht selbst zuverlässig einschätzen, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Fälligkeit eintritt und er den Verkäufer in Verzug setzen kann.
2. Lieferzeitangaben „in der Regel“
Auch die Angabe der Lieferfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit „in der Regel (…)” ist nicht hinreichend bestimmt und somit unzulässig, so das OLG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 27.7.2011, Az. 6 W 55/11) sowie das KG (Beschl. v. 03.04.2007, Az. 5 W 73/07).
Nach dem OLG Bremen (Beschl. v. 08.09.2009, Az. 2 W 55/09) ist die Angabe, dass die „Lieferzeit in der Regel 1–2 Tage bei DHL-Versand“ betrage, für den Kunden nicht mit hinreichender Genauigkeit bestimmbar, wann er dem Verwender eine Nachfrist zur Leistung oder Nacherfüllung setzen kann. Eine solche Klausel ohne Benennung einer Endfrist für die Lieferung sei daher unwirksam.
3. Sofortige Lieferbarkeit/Versandfähigkeit
Das LG Aschaffenburg (Urt. v. 19.08.2014, Az. 2 HK O 14/14) erachtete die Lieferzeitangabe „sofort lieferbar“, wenn die so beworbenen Produkte tatsächlich nicht zum Versand am nächsten Werktag bereitgehalten werden, als irreführend und damit unzulässig.
Im Allgemeinen sind Angaben wie „sofort versandfähig“ problematisch. Denn Verbrauchern gegenüber wird dadurch nicht deutlich gemacht, wie lange der Versand dauern wird. Denkbar ist nämlich, dass es sich beispielsweise um eine im Ausland gelagerte Ware handelt, die demgemäß eine längere Lieferzeit als im Inland gelagerte Ware aufweisen kann.
4. „Lieferzeit auf Nachfrage“
Daneben ist auch die Angabe „Lieferzeit auf Nachfrage” unzulässig, denn diese stellt eine wettbewerbswidrige Irreführung dar, wenn das beworbene Produkt wegen einer Liefersperre des Herstellers nicht zuverlässig lieferbar ist, so das OLG Hamm (Urt. v. 17.3.2009, Az. 4 U 167/08).
Der Kunde verstehe diese Aussage lediglich dahingehend, dass es Lieferfristen gibt. Der Hinweis schränke das Angebot aber nicht derart ein, dass eine Lieferung überhaupt fraglich ist. Eine Irreführung des Verbrauchers liege somit vor, wenn der Händler nicht sicher auf Vorräte bei sich oder anderen Firmen zugreifen kann.
5. „Der Artikel ist bald verfügbar“
Eine Werbung mit der Angabe „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar“ genügt den gesetzlichen Informationsanforderungen nicht, wie das OLG München (Urt. v. 17.05.2018, Az. 6 U 3815/17) festgestellt hat. Mit dieser Angabe verbinde der angesprochene Verbraucher zwar die Vorstellung, dass eine Lieferung der Ware in naher Zukunft versprochen werde.
Einem Termin im Wortsinne der gesetzlichen Regelung entspreche die Angabe „bald“ allerdings nicht, da der Verbraucher nicht darüber in Kenntnis gesetzt werde, bis zu welchem Zeitpunkt spätestens mit einer Lieferung gerechnet werden könne.
6. „Lieferzeiten sind unverbindlich“
Das OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 10.11.2005, Az. 1 U 127/05) hält eine AGB-Klausel, mit der Aussage, dass Angaben über die Lieferfristen unverbindlich sind, für unzulässig. Die Klausel benachteilige die Vertragspartner des Unternehmers wider Treu und Glauben unangemessen, denn die Lieferzeit werde offengehalten.
7. Ungenaue Angabe zum Beginn der Lieferzeitangabe: „Lieferzeit: 1-2 Werktage nach Zahlungseingang“
Es wurden Online-Händler bereits abgemahnt, weil diese zur Lieferzeit wie folgt informiert haben:
"Lieferzeit: 1-2 Tage nach Zahlungseingang"
Da der Verbraucher in die Lage versetzt werden muss, sich das Ende der Lieferfrist auszurechnen, muss für den Beginn der Lieferfrist auf ein Ereignis abgestellt werden, welches der Verbraucher kennt.
Um den Verbraucher transparent aufzuklären, muss bei der Berechnung der Lieferzeit danach differenziert werden, welche Zahlungsmethode der Verbraucher wählt. Eine Handlungsanleitung für die korrekt Angabe haben wir für unsere Mandanten weiter unten verlinkt.
III. Zulässige Lieferzeitangaben
Aus oben genannten Beispielen wird deutlich, dass bei rechtssicherer Gestaltung der Lieferzeitangabe eine Vielzahl von Besonderheiten beachtet werden muss. Daraus folgt jedoch nicht, dass sämtliche Lieferzeitangaben-Konstellationen unzulässig sind.
Durchaus zulässig ist die Angabe einer circa-Lieferzeit. Das OLG München (Beschluss vom 08.10.2014, Az. 29 W 1935/14) hat etwa hat den Hinweis „Lieferzeit: ca. 2-4 Werktage“ als zulässig erachtet.
Denn daraus ergebe sich für den Verbraucher, dass er spätestens nach vier Tagen die Ware geliefert bekomme. Gleiches gilt für die Lieferzeitangabe „ca. 1 Woche“, so das OLG Bremen (Beschluss vom 18.05.2009, Az.: 2 U 42/09). Daneben sind auch Lieferzeitangaben mit einer Höchstdauer zulässig wie z.B.:
• Lieferzeit 3-5 Tage
• Lieferzeit max. 5 Tage
• Lieferzeit bis zu 5 Tage
Tipp: Wir haben für Mandanten der IT-Recht Kanzlei eine Handlungsanleitung für die korrekte Angabe der Lieferzeiten im Mandantenportal bereitgestellt!
IV. Fazit
Lieferzeiten müssen immer so exakt wie möglich angegeben werden. Dabei ist bei Zusätzen wie „in der Regel“, „gewöhnlich“ usw. höchste Vorsicht geboten, da derartige Formulierungen eine Lieferzeitangabe unzulässig und damit angreifbar machen können.
Die Lieferzeit kann darüber hinaus zwar durch eine Angabe zur Versandbereitschaft („sofort lieferbar“ etc.) ergänzt werden. Entscheidend ist hingegen immer, dass der Kunde erfährt, wann die Ware bei ihm (inkl. Versandlaufzeit) spätestens eintreffen wird. Deshalb sind beispielsweise circa-Angaben mit einer deutlich gemachten Höchstdauer unproblematisch.
Lieferzeitenangabe in Zeiten von Corona: Wir haben eine FAQ zu Rechtsfolgen bei Lieferengpässen für Online-Händler aufgrund der Corona-Krise verfasst. Der Beitrag geht hierbei auch auf die Frage nach der Angabe von Lieferzeiten ein.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
16 Kommentare
Lieferung max. 5 Tage nach Fertigung
In Versandhandel steckt das Wort "Versand" also werden die Waren versendet. Die meisten Versandhändler haben wohl keine eigenen Transporteure, so dass man immer auf externe Anbieter angewiesen ist. Welcher Unternehmer hat aber der Übergabe an den Transporteur Einfluss auf die weiteren Abläufe? Ob das Paket irgendwo stehen bleibt oder beschädigt wird. Alles geht zu seinen Lasten, er haftet. Vom Grundsatz nicht verkehrt, da es auch schwarze Schafe gibt. Wenn dem Postboten eine Warensendung unter den Sitz fällt, ist aber der Verkäufer verantwortlich. Verzögert sich dadurch die Lieferung, dann macht der Verkäufer Nase, obwohl er es nicht zu verantworten hat. DHL & Co ignorieren das oder formulieren ihre 36 seitigen AGB so, dass ihnen nichts passiert. Da vergeht einem die Lust zum verkaufen.
@Fleming: Exakter ist die Bezeichnung "Lieferzeit", da die "Versandzeit" so aufgefasst werden könnte, dass diese nur den Zeitraum bis zur Versendung der Ware umfasst (ohne den Transportzeitraum zu berücksichtigen).
@Lena: Die Lieferzeit muss immer schon vor dem Vertragsschluss transparent mitgeteilt werden.
@Henry Auffahrt: Eine persönliche Ansprache (in Du-Form) ist ohne rechtliche Probleme möglich.
@Sabine Kress: Die Lieferzeitangabe muss vor Abgabe der Vertragserklärung des Kunden in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung gestellt werden. Wir raten hier von einer Positionierung der Lieferzeiten in AGB ab, da der Durchschnittskunde diese Informationen wohl nicht in AGB, sondern im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Produktangebot erwarten wird.
@Candan: Eine Formulierung "1-2 Wochen abhängig vom Zielland" im Zusammenhang mit der Lieferzeitangabe dürfte unzulässig sein. Da die Lieferländer klar mitgeteilt werden müssen, können auch die diesbezüglichen Lieferzeiten genannt werden.
@Gabi L.: In Ihrem Fall muss man wohl (leider) mitteilen, dass Sie trotzdem die Lieferzeiten transparent vorab mitteilen müssen. Wenn die Auftragslage dazu führt, dass Sie weitere Bestellungen nur mit einer Lieferzeitverlängerung anbieten können, müssen die Lieferzeiten entsprechend angepasst werden.
@Gerti: Auch in Ihrem Fall müssen Sie die Lieferzeiten (vorausschauend) beurteilen und entsprechend in Ihren Angeboten mitteilen.
Ich denke ich kenne die Antwort, die Kollegen sind aber der Auffassung, dass hier Spielraum erlaubt sein könnte.
Wenn der Versand nach Zahlungseingang erfolgt, wo und wie soll man darauf hinweisen?
Dies wäre eine persönlichere Ansprache ggü. dem Kunden.
Ich schaffe es oft erst am letzten Tag der Lieferfrist die Ware zu versenden.
Zudem musste ein Bestellstop eingerichtet werden um weitere Verzögerungen zu vermeiden.
Wie kann ich das am besten formulieren ohne Abgemahnt zu werden ?
Freue mich über eine Info !