LG Bochum: Große Abmahngefahr auf Amazon! Lieferfristangaben von mehr als 3 Wochen sind wettbewerbswidrig
Das LG Bochum hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 03.07.2013, Az.: I-13 O 55/13) entschieden, dass es einen Wettbewerbsverstoß darstelle, wenn für alltägliche Gegenstände im E-Commerce Lieferfristen von mehr als 3 Wochen vorbehalten werden. Dieses Urteil führt zu erheblichen Problemen in der Rechtspraxis, insbesondere auf der Plattform Amazon ist die Lieferzeitangabe „Gewöhnlich versandfertig in 3 bis 5 Wochen“ als optionaler Standardtext in einer Vielzahl von Angeboten enthalten. Die betroffenen Online-Händler laufen nunmehr Gefahr wegen dieser Angabe kostenpflichtig abgemahnt zu werden. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des LG Bochum.
1. Was war eigentlich genau geschehen
Es stritten sich zwei Händler von Kinderwägen bzw. Kinderautositze und zugehörige Zubehörartikel über die rechtliche Zulässigkeit von „Lieferzeitangaben“ auf der Plattform Amazon. Die Beklagte bot auf der Plattform Amazon eine Fußdecke für einen Kinderanhänger mit der folgenden Aussage an:
"Bestellen Sie Werktags bis 11 Uhr und wir versenden die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am selben Tag! (…)"
Räumlich direkt neben dieser Aussage hieß es weiter
"Gewöhnlich versandfertig in 3 bis 5 Wochen."
Bei letzterem Hinweis auf die Versendbarkeit handelt es sich um einen standardisierten Text, welcher von Amazon zur Verfügung gestellt wird, wenn eine Ware z.B. kurzfristig nicht lieferbar sein sollte. Amazon selbst verwendet aktuell ebenfalls diese „Lieferzeiten“-Angabe „Gewöhnlich versandfertig in 3 bis 5 Wochen“ in seinen Angeboten, wie nachstehender Screenshot belegt:
Der Kläger mahnt zuerst die Beklagte außergerichtlich wegen nicht klarer und verbindlicher Lieferfristen und des Weiteren wegen dem Vorbehalten von Lieferfristen von mehr als 21 Tagen ab. Die Beklagte gab auf die Abmahnung hin keine Unterlassungserklärung ab, woraufhin der Rechtsstreit vor dem LG Bochum zur Entscheidung landete.
2. Die Entscheidung des LG Bochum
Das LG Bochum gab der Klägerin recht und verurteilte die Beklagte zum einen, es zu unterlassen, nicht klare und verbindliche Lieferfristen anzugeben, zum anderen verbot das Gericht es der Beklagten, Lieferfristen von mehr als 21 Tagen vorzubehalten. Das Gericht argumentierte hinsichtlich der widersprüchlichen Lieferzeitangaben, dass es für die Lieferzeitangabe aus Sicht des Verbrauchers entscheidend sei, wann die Ware beim Kunden eintreffe. Aus diesem Grund heraus würde der Verbraucher auch keine keine Unterscheidung hinsichtlich der Begriffe „Lieferfrist“, „Warenverfügbarkeit“ und „Versandfertigkeit“ treffen. Das Gericht führte sodann weiter aus:
"Die Aussage der Beklagten in der Angebotsübersicht „Bestellen Sie Werktags bis 11 Uhr und wir versenden die Ware –Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am selben Tag! Sie erhalten…“ ist aus Sicht des angesprochenen nicht in Einklang zu bringen mit der Information „gewöhnlich versandfertig in 3-5 Wochen“. Der Kunde kann hieraus nicht entnehmen, wann die Ware bei ihm eintrifft. Diese widersprüchlichen Angaben erfüllen den Tatbestand einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da aus Sicht der Verbraucher die Verfügbarkeit und Lieferung nicht eindeutig zu erkennen sind."
Das Gericht verbot der Beklagten noch Lieferfristen von mehr als 21 Tagen vorzubehalten, die Begründung des LG Bochum hierzu ist eher knapp gehalten:
"Nach Auffassung der Kammer ist die Werbung der Beklagten auch insoweit irreführend i.S.d. § 5 UWG und damit wettbewerbswidrig, als der Kunde bei Gegenständen des alltäglichen Bedarfs wie einer Kinderfußdecke im Onlinehandel davon ausgeht, dass diese innerhalb absehbarer Zeit geliefert wird. Ein Zeitraum von 21 Tagen erscheint hierfür unangemessen. Da die Beklagte sich eine längere Frist vorbehält ist dies im Zusammenhang mit der Klausel „wenn die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am selben Tag“ ebenfalls irreführend."
3. Kritik an der Entscheidung des LG Bochum
Dem LG Bochum muss entgegen gehalten werden, dass das Gericht die verwendeten Begriffe nicht richtig eingeordnet hatte und von einer falschen Verbrauchersicht ausgeht. Hinsichtlich der Aussage
"Bestellen Sie Werktags bis 11 Uhr und wir versenden die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am selben Tag! (…)"
muss bereits festgestellt werden, dass es sich hier nicht um eine Lieferzeitangabe handelt. Die Lieferzeit umfasst den Zeitraum von der Bestellung bzw. Bezahlung bis zum Zeitpunkt der Auslieferung an den Besteller. Die streitige Aussage hingegen beschäftigt sich gerade nicht mit diesem Zeitraum, sondern mit der Mitteilung, wie schnell eine vorrätige Ware in den Versand gebracht werden könne. Die Mitteilung, wann die Ware hingegen vorrätig wäre, beantwortet die andere angegriffene Aussage
"Gewöhnlich versandfertig in 3 bis 5 Wochen"
welche sich gerade mit der Warenverfügbarkeit beschäftigt. Beide Begrifflichkeiten behandeln demnach gerade nicht die Lieferzeitangabe, sondern vorgelagerte Zeiträume bzw. Zeitpunkte. Soweit das LG Bochum die Aussage trifft, dass der angesprochene Kunde nicht zwischen den einzelnen Begrifflichkeiten unterscheiden würde, widerspricht das Gericht seiner eigenen, früheren Rechtsprechung, da das LG Bochum in einem anderen Fall (Urteil vom 22.12.2011, Az.: 14 O 189/11) sehr wohl zwischen den Begriffen „Verfügbarkeit“ einerseits und „Lieferzeit“ andererseits unterschieden hatte. Weshalb im vorliegenden Fall die Warenverfügbarkeit bzw. die Aussage über die Versendbarkeit mit der Lieferzeit gleichzusetzen sein soll, ist nicht nachvollziehbar.
Soweit das LG Bochum der Auffassung ist, dass eine „Lieferfrist“ von 21 Tagen unangemessen sei und dies damit versucht zu belegen, dass es bei Gegenständen des alltäglichen Bedarfs davon ausgegangen werden dürfe, dass diese innerhalb einer absehbaren Zeit geliefert werden, kann dies nicht überzeugen. Das Gericht geht bei seiner Beurteilung einer Irreführung von der Erwägung aus, dass der Verbraucher im Onlinegeschäft eine schnelle Lieferung erwarten dürfe. Das Gericht setzt sich leider nicht mit dem Einwand auseinander, dass die Warenverfügbarkeit im konkreten Fall transparent für den Kunden mitgeteilt worden ist. Gerade durch die transparente Mitteilung der „Lieferzeit“ steht es dem Kunden frei, zu entscheiden, ob dieser die Ware trotz längerer Wartezeit kaufen möchte oder nicht. Das LG Bochum versagt mit seiner Entscheidung allerdings generell die Angabe von Lieferzeiten von mehr als 21 Tagen.
Hierbei würden nach Ansicht des LG Bochum auch Fälle erfasst werden, in welchen z.B. Ware erst aus Asien an den Kunden versendet werden und daher eine längere Lieferfrist als drei Wochen beanspruchen können. Ebenfalls problematisch könnte es nach dieser Entscheidung sein, wenn Musik- oder Filmdatenträger vorbestellt werden, wenn diese erst 4 oder mehr Wochen nach der Bestellung veröffentlicht werden. Das Urteil des LG Bochum kann in letzter Konsequenz nicht vollständig überzeugen.
4. Fazit:
Nimmt man das LG Bochum beim Wort, ist es Online-Händlern bei Gegenständen des alltäglichen Bedarfs untersagt, Lieferfristen von mehr als 21 Tagen vorzubehalten, hierbei unterscheidet das LG Bochum nicht nach den Hintergründen, weshalb eine Ware evtl. einmal eine längere Lieferzeit haben könnte. Es ist daher Online-Händlern (vor allem auf der Plattform Amazon) anzuraten, die angegebenen Lieferzeiten dahingehend zu kontrollieren, ob diese eine Lieferzeit von mehr als 21 Tagen bei Gegenständen des alltäglichen Bedarfs vorsehen.
Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
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4 Kommentare
Die muss man bestrafen bis sie nicht ganz schwarz werden.