FAQ: Gewährleistung/Mängelhaftung 2022 (Waren ohne digitale Elemente)

FAQ: Gewährleistung/Mängelhaftung 2022 (Waren ohne digitale Elemente)
Stand: 18.11.2021 83 min 2

Ab 01.01.2022 treten Reformen im Verbrauchergewährleistungsrecht in Kraft: längere Beweislastumkehr, Rücknahmepflicht für mangelhafte Waren und neue Ausnahmen bei Rücktritt und Schadensersatz erweitern Verbraucherrechte und unternehmerische Pflichten. Die IT-Recht Kanzlei bietet hierzu umfangreiche FAQ mit Beispielen und aktualisierten Mustern an.

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines

1. Was bedeutet „Gewährleistung“?

Unter „Gewährleistung“ versteht man nach allgemeinem Sprachgebrauch die Rechte des Käufers gegen den Verkäufer, falls die Kaufsache mangelhaft ist.

Allerdings findet sich das Institut der Gewährleistung seit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 nicht mehr wortwörtlich im Gesetz. Seit der Schuldrechtsreform ist die Lieferung einer mangelhaften Kaufsache die Verletzung einer Pflicht aus dem Kaufvertrag, wodurch sog. Mängelansprüche des Käufers begründet werden.

Dennoch wird die Bezeichnung „Gewährleistung“ seit Jahrzehnten für die Mängelansprüche des Käufers verwendet und ist gleichsam bekannt und eingängig. Daher fällt es selbst Juristen häufig schwer, statt des über die Jahre liebgewordenen Begriffs „Gewährleistung“ von Mängelansprüchen und statt von Gewährleistungsfrist korrekt von deren Verjährung zu sprechen. In diesen FAQ verfallen wir dieser Bequemlichkeit ebenfalls teilweise.

Etwas vollkommen Anderes – und deshalb ganz streng und klar von der Gewährleistung bzw. Sachmängelhaftung zu unterscheiden – ist die Garantie, die etwa ein Händler, Hersteller oder Importeur seinen Kunden als freiwillige Zusatzleistung unabhängig von der gesetzlichen Mängelhaftung verspricht.

2. Ab wann gilt das neue Gewährleistungsrecht 2022?

Das neue Gewährleistungsrecht findet auf alle Verträge Anwendung, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden.

Für davor geschlossene Verträge gelten noch die Gewährleistungsvorschriften nach bisheriger Rechtslage. Maßgeblicher Zeitpunkt ist allein das Datum des Vertragsschlusses. Es kommt nicht darauf an, wann die vertraglichen Leistungspflichten erfüllt werden oder gewährleistungsbegründende Umstände erstmals zu Tage treten.

3. Kommt es für die Gewährleistung auf ein Verschulden des Verkäufers an?

Käufer können verschiedene Arten von Sachmängelgewährleistungsansprüchen („Mängelrechte“) haben. Dabei kommt es nur in manchen Fällen auf ein Verschulden des Verkäufers an.

So muss der Verkäufer die Kaufsache, die bereits bei der Übergabe an den Käufer mangelhaft ist, auf Wunsch des Käufers entweder gegen einen mangelfreien Gegenstand austauschen oder reparieren. Dies gilt völlig unabhängig davon, ob den Verkäufer ein Verschulden dafür trifft, dass die Kaufsache mangelhaft ist. Es ist somit egal, ob der Verkäufer überhaupt wusste, dass die Sache einen Mangel hat.

Unabhängig von einem Verschulden ist außerdem das Recht des Käufers, bei unterbliebener oder fehlgeschlagener Nacherfüllung unter bestimmten Umständen vom Vertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern.

Hat die mangelhafte Kaufsache jedoch einen Schaden beim Käufer verursacht, so muss der Verkäufer den Schaden nur dann ersetzen, wenn ihn ein Verschulden trifft. Allerdings gelten hier Beweiserleichterungen für den Käufer. Denn grundsätzlich vermutet das Gesetz, dass bei solchen Schäden ein Verschulden des Verkäufers vorliegt, so dass dieser nachweisen muss, dass dies nicht der Fall ist.

Beispiel: Führt ein mangelhafter Toaster zu einem Küchenbrand, so muss der Verkäufer die Schäden an den sonstigen Gegenständen (Beschädigung der Kücheneinrichtung, notwendiger Neuanstrich der Küche etc.) des Käufers nur dann ersetzen, wenn ihn bezüglich des Mangels des Toasters ein Verschulden trifft. Allerdings muss dabei nicht der Käufer dem Verkäufer das Verschulden nachweisen, sondern vielmehr muss umgekehrt der Verkäufer beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

4. Was ist der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie?

Während man unter Gewährleistung die gesetzliche Sach- und Rechtsmängelhaftung versteht, die den Kern des Kaufrechts bildet, ist eine Garantie eine freiwillige Zusatzleistung des Verkäufers, des Herstellers oder eines Dritten.

In Form eines zusätzlich zum Kaufvertrag abgeschlossenen Garantievertrags übernimmt der Garantiegeber, also meist der Verkäufer oder der Hersteller („Herstellergarantie“) die Gewähr dafür, dass die Kaufsache zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer entweder eine bestimmte Beschaffenheit hat (Beschaffenheitsgarantie) oder die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit der Kaufsache für einen festgelegten Zeitraum erhalten bleibt (Haltbarkeitsgarantie).

Die Bedingungen, die Dauer und der Umfang der Garantie können dabei vom Garantiegeber frei festgelegt werden. Für Verbraucher bedeutet eine solche Garantie eine rechtliche Besserstellung gegenüber den gesetzlichen Mängelrechten. Von einer Haltbarkeitsgarantie etwa werden nämlich häufig auch Mängel oder Schäden umfasst, die als Folge des alltäglichen Gebrauchs und Verschleißes entstehen. Zudem wirkt eine Garantie in vielen Fällen über die Zeit der Verjährung der Mängelansprüche hinaus.

Der große Vorteil einer solchen Haltbarkeitsgarantie ist, dass gemäß § 443 Abs. 2 BGB vermutet wird, dass ein während ihrer Geltungsdauer auftretender Sachmangel die Rechte aus der Garantie auslöst. Hier muss der Käufer also nicht beweisen, dass der Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Tritt ein Sachmangel auf, stehen dem Käufer die Rechte aus dem Garantievertrag zu.

Bei einer Herstellergarantie gegenüber einem Verbraucher muss dem Verbraucher im Falle einer Haltbarkeitsgarantie gemäß § 479 Abs. 3 BGB mindestens das Recht auf Nacherfüllung so eingeräumt werden, wie es das Gesetz in § 439 und § 475 BGB anordnet.

5. Schließt eine Garantie die Gewährleistungsrechte aus?

Nein. Da sich die Gewährleistungsrechte unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bestehen Garantie- und Gewährleistungsansprüche i.S.d. § 437 BGB nebeneinander. Innerhalb der Verjährungsfristen für die Sach- bzw. Rechtsmängelhaftung des Verkäufers kann der Käufer bei einer parallel hierzu bestehenden Garantie zwischen beiden Instituten frei wählen.

Gibt es beispielsweise eine Herstellergarantie, so kann sich der Käufer entscheiden, ob er Ansprüche gegen den Hersteller der mangelhaften Kaufsache (also aus der Garantie) oder gegen den Verkäufer (also aus Sach- und Rechtsmängelhaftung) geltend machen möchte.

6. Wann wird die gesetzliche Gewährleistung ausgelöst?

Ein Käufer kann Gewährleistungsrechte dann geltend machen, wenn die Kaufsache bei der Lieferung bzw. der Übergabe an den Käufer einen Sach- oder Rechtsmangel aufweist. Die Lieferung gilt auch bei einem Versendungskauf erst dann als erfolgt, wenn die Kaufsache dem Käufer tatsächlich übergeben worden ist.

7. Wie lange gelten die Gewährleistungsrechte?

Die Gewährleistungsrechte verjähren grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren ab Übergabe der Kaufsache (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) .

Neue Verjährungshemmungen bei Verbrauchsgüterkäufen zum 01.01.2022

Zum 01.01.2022 werden mit § 475e Abs. 3 und 4 BGB neue Hemmungstatbestände zugunsten von Verbrauchern für den Fall eingeführt, dass sich ein Mangel erst gegen Ende der Gewährleistungsfrist zeigt. Hier sollen Verbraucher nicht an den starren Ablauf der zweijährigen Frist gebunden sein.

Demgemäß ordnet § 475e Abs. 3 BGB bei Verbrauchsgüterkäufen an, dass die Verjährung – wenn sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist (praktisch erst gegen Ende) gezeigt hat – nicht vor dem Ablauf von 4 Monaten ab dem Auftreten des Mangels eintritt.

§ 475e Abs. 4 BGB ordnet dahingegen an, dass die Verjährung – wenn der Verbraucher die Ware zur Nacherfüllung dem Verkäufer oder auf dessen Geheiß einem Dritten übergeben hat – nicht vor Ablauf von zwei Monaten eintritt, nachdem der Verbraucher die nachgebesserte oder ersetzte Ware zurückerhält.

Bei Verbrauchsgüterkäufen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher kann diese Frist bei gebrauchten Waren auf ein Jahr verkürzt werden (§ 476 Abs. 2 BGB) , sofern
der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

Bei neuen Kaufgegenständen ist eine Verkürzung der Verjährungsfrist hingegen nicht zulässig.

Bei Verkäufen unter Privatpersonen bzw. Verbrauchern gilt diese Einschränkung allerdings nicht. Hier können die Gewährleistungsrechte sogar vollständig ausgeschlossen werden.

8. Kann die Gewährleistungsfrist beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen auch gegenüber Verbrauchern beschränkt werden?

Ja. Beim Kauf von gebrauchten Gegenständen ist eine Verkürzung der Frist auf ein Jahr durch vertragliche Vereinbarung möglich (§ 476 Abs. 2 BGB) .

Ab dem 01.01.2022 ist dies aber nur noch unter besonderen Voraussetzungen wirksam, insbesondere reicht eine Verkürzung in AGB nicht mehr aus.

Die wirksame Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf 1 Jahr bei Verbrauchsgüterkäufen setzt fortan voraus, dass der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

9. Kann ein Lieferant die Gewährleistung gegenüber dem Händler ausschließen oder verkürzen?

Dies ist teilweise möglich.

Bei Neuwaren

Anders als beim Verbrauchsgüterkauf ist es im Unternehmer-Unternehmer-Verhältnis möglich, die Gewährleistungsfrist von zwei Jahren durch eine wirksame AGB-Klausel zu verkürzen. Eine Frist von einem Jahr darf jedoch nicht unterschritten werden (vgl. §§ 309 Nr. 8 b) ff) BGB) . Insbesondere ein vollständiger Ausschluss der Gewährleistungsrechte ist nicht zulässig.

Bei Gebrauchtwaren

Die Gewährleistung für Gebrauchtwaren kann im Unternehmer-Unternehmer-Verhältnis (B2B) – etwa durch eine entsprechende AGB-Klausel – gänzlich ausgeschlossen werden.

Übersicht zu den Gewährleistungsfristen

KaufrechtGesetzliche VerjährungVerkürzung in AGB
neue Sache Unternehmer - Unternehmer2 Jahrebis auf 1 Jahr
gebrauchte Sache Unternehmer - Unternehmer2 Jahrebis auf 0, Gewährleistungsausschluss möglich
neue Sache Unternehmer – Verbraucher sog. Verbrauchsgüterkauf2 Jahrekeine Verkürzung möglich
gebrauchte Sache Unternehmer - Verbraucher2 Jahrebis auf 1 Jahr unter strengen Voraussetzungen

10. Gewährleistung auch beim Weiterverkauf durch Verbraucher?

Verkauft ein Verbraucher die Sache weiter an einen Dritten, kann dieser gegenüber dem Händler grundsätzlich keine Gewährleistungsrechte geltend machen.

Denn der Dritte und der ursprüngliche Verkäufer haben keinen Kaufvertrag geschlossen. Ist die Kaufsache nach dem zweiten Verkauf an den Dritten zum Zeitpunkt der Übergabe dann mangelhaft, so ist das somit grundsätzlich allein ein Problem zwischen diesen beiden Vertragsparteien.

Jedoch kann dafür gesorgt werden, dass der Zweitkäufer letztlich doch in den Genuss der Gewährleistung kommt.

Entweder kann der Erstkäufer die Rechte im Namen des Dritten gegenüber dem Erstverkäufer geltend machen. Oder der Zweitverkäufer und der Dritte vereinbaren in ihrem Kaufvertrag, dass die Gewährleistungsrechte, die dem Zweitverkäufer gegenüber dem Erstverkäufer (ggf.) zustehen, abgetreten werden.

Durch eine solche Abtretung wird der Dritte zur Geltendmachung gegenüber dem Erstverkäufer bemächtigt.

Eine solche spätere Abtretung der Gewährleistungsrechte an Dritte kann der Erstverkäufer auch nicht dadurch verhindern, dass er dies in seinen AGB dem Erstkäufer verbietet. Eine solche AGB-Klausel wird von der Rechtsprechung als unwirksam angesehen.

11. Gewährleistung auch bei Veränderung der Kaufsache durch den Verbraucher?

Diese Frage lässt sich am besten anhand eines Fallbeispiels beantworten:

Fallbeispiel: Ein Verbraucher bestellt in einem Webshop ein Klettergerüst aus Holz, das eigenständig nach einer Anleitung zusammengebaut werden muss. Nachdem er es erhalten hat, verpasst er sämtlichen Bauteilen einen farbigen Anstrich. Erst, als der Verbraucher nach dem Trocknen der Farbe das Gerüst zusammenbauen will, zeigt sich, dass einige Bauteile falsch zugeschnitten sind und sich daher gar nicht richtig zusammenbauen lassen. Kann der Verkäufer für diesen Fall die Gewährleistung des Käufers ausschließen?

Beweislast für den Sachmangel

Zunächst gilt: Kann der Verkäufer im ersten Jahr nach der Lieferung nicht beweisen (sog. Beweislastumkehr gemäß § 477 BGB s. u.), dass die Bauteile bei der Lieferung (noch) mangelfrei waren, kann der Käufer (Verbraucher) seine Gewährleistungsrechte geltend machen, da die Mangelhaftigkeit der Bauteile zu seinen Gunsten vermutet wird.

Im Fallbeispiel wird nicht gesagt, wie lange die Lieferung bereits zurückliegt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies weniger als 1 Jahr her ist. Somit müsste der Verkäufer beweisen, dass die Kaufsache zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer mangelfrei war. Da die Kaufsache laut Sachverhalt einen Sachmangel hat, wird dies dem Verkäufer freilich nicht gelingen.

Eine Veränderung der Kaufsache ist kein Sachmangel

Dem Käufer stehen keine Gewährleistungsrechte zu, wenn er den Sachmangel der Kaufsache selbst herbeigeführt hat, z. B. indem er ein Kleidungsstück in der Waschmaschine verfärbt hat.

Im Fallbeispiel hat der Käufer die Bauteile angestrichen, also auf diese eingewirkt. Allerdings ist der Farbanstrich nicht ursächlich für den falschen Zuschnitt der Bauteile. Da der Sachmangel, um den es geht (die Bauteile passen nicht zusammen), nicht durch den Käufer verursacht worden ist, sondern bereits bei der Übergabe der Kaufsache an den Käufer vorhanden war, sind die Gewährleistungsrechte des Käufers nicht bereits deshalb ausgeschlossen.

Kenntnis des Käufers vom Mangel

Kennt ein Käufer den Mangel der Kaufsache oder bleibt ihm der Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit verborgen, so sind die Gewährleistungsansprüche grundsätzlich gemäß § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Zwar wusste der Käufer im Fallbeispiel nicht, dass die Bauteile nicht zusammenpassten, er hätte es aber womöglich wissen können oder sogar müssen. Immerhin hätte er die Bauteile vor dem Anstrich auf ihre Tauglichkeit hin überprüfen können, sodass ihm hinsichtlich der Veränderung ein grobfahrlässiges „Nichtkennen“ des Mangels vorzuwerfen sein könnte. Beweisen muss diesen Umstand jedoch stets der Verkäufer (vgl. das Urteil des BGH vom 12.11.2010 – Az. V ZR 181/09).

Allerdings findet die Vorschrift des § 442 BGB bei Verbrauchsgüterkäufen (Verträgen zwischen einem Unternehmer einerseits und einem Verbraucher andererseits über Waren) nach § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB ab dem 01.01.2022 keine Anwendung mehr. Selbst bei Kenntnis des Verbrauchers vom Mangel verliert er damit seine Gewährleistungsrechte nicht.

Selbst aber, wenn § 442 BGB anwendbar wäre, bezöge sich die Vorschrift auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht auf ein erst späteres Erkennen des Mangels. Ein Verbraucher ist gerade nicht verpflichtet, die Kaufsache nach Übergabe durch den Verkäufer auf Mängel hin zu überprüfen, um die eigenen Mängelrechte zu wahren. Schließlich müssen Verbraucher bei Online-Käufen regelmäßig von der Mangelfreiheit und vollständigen Funktionstüchtigkeit der Kaufsache ausgehen können, wenn dies in der Artikelbeschreibung nicht ausdrücklich anders vermerkt ist (z. B. „Defektes Radio günstig zu verkaufen“).

Im Fallbeispiel hätte der Käufer also nicht erst überprüfen müssen, ob die Kaufsache mangelfrei ist, bevor er sie mit Farbe anmalte.

Käufer behält seine Mängelrechte, Verkäufer trägt den Schaden

Die Mängelrechte des Käufers bleiben somit bestehen, wenn der Mangel mit der Veränderung der Kaufsache in keiner Verbindung steht. Auch sind Ansprüche des Verkäufers gegen den Käufer auf Schadensersatz oder anteilige Kostentragung wegen der Veränderung der Kaufsache ausgeschlossen. Den Käufer trifft keine Überprüfungspflicht der Sache, sodass die mittelbaren und unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen des Mangels letztlich in die Risikosphäre des Verkäufers fallen. Daher ist auch ein Ausschluss der Gewährleistung wegen einer Veränderung der Kaufsache in den AGB des Verkäufers nach § 309 Nr. 8 lit. b lit. aa Variante 1 BGB unwirksam.

Somit trägt auch im Fallbeispiel der Verkäufer das Risiko dafür, dass die angestrichenen Bauteile im Nachhinein unbrauchbar oder unverkäuflich sind. Wären sie nämlich mangelfrei geliefert worden, hätte der Käufer diese nach dem Anstrich ordnungsgemäß verbauen können und der Verkäufer müsste sich nicht mit den angestrichenen Bauteilen herumärgern.

Ausgleich für den Verkäufer

Entscheidet sich der Käufer bei einer mangelhaften Kaufsache für die Lieferung einer neuen Sache, so muss er die alte, mangelhafte Kaufsache gemäß § 439 Abs. 6 BGB dem Verkäufer zurückgeben. Hat der Käufer die Kaufsache umgestaltet, muss er nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Variante 5 BGB dem Verkäufer den entsprechenden Wert ersetzen. Kann der Käufer allerdings beweisen, dass sich der Mangel erst während oder nach der Veränderung bzw. Umgestaltung der Kaufsache gezeigt hat, entfällt die Pflicht zum Wertersatz gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB.

Somit muss der Käufer im Fallbeispiel keinen Wertersatz leisten, wenn er gegenüber dem Verkäufer beweisen kann, dass er den Mangel der Kaufsache (falscher Zuschnitt der Bauteile) erst während der Verarbeitung bzw. Veränderung festgestellt hat.

II. Sachmängel (Ware ohne digitale Elemente)

1. Wann liegt ein Sachmangel vor?

Zum 01.01.2022 wird der Begriff des Sachmangels für bewegliche Sachen ohne digitale Elemente gemäß § 434 BGB grundsätzlich reformiert. Diese Reform betrifft alle Formen von kaufrechtlichen Geschäften und mithin sowohl B2B-, C2C- als auch B2C-Handelsbeziehungen.

Nach bisherigem Mängelrecht waren für die Beurteilung eines Sachmangels primär subjektive Anforderungen der Kaufsache und damit maßgeblich, ob zwischen Käufer und Verkäufer bestimmte Vereinbarungen über die Beschaffenheit/Eigenschaften der Sache getroffen wurden. Ein Sachmangel lag daher primär vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht.

Nur sekundär und für den Fall, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wurde, bemaß sich ein Sachmangel nach objektiven Anforderungen danach, ob sich die Sache für die vertraglich vorausgesetzte oder zumindest die gewöhnliche Verwendung eignete (und in letzterem Fall eine Beschaffenheit aufwies, die bei gleichartigen Sachen üblich ist und die der Käufer erwarten kann).

Dieser Vorrang subjektiver Anforderungen vor der objektiven Beschaffenheit wird durch das neue Mangelrecht ab dem 01.01.2022 aufgehoben.

Fortan ist eine Sache nur mangelfrei, wenn sie sowohl den subjektiven als auch den objektiven Anforderungen kumulativ entspricht. Der bisherige Vorrang subjektiver Anforderungen weicht einem Gleichrang zwischen subjektiven, objektiven und Montage-Anforderungen.

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1.) Subjektive Anforderungen

Die subjektiven Anforderungen bemessen sich nach vertraglichen Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer.

So entspricht eine Sache ab dem 01.01.2022 nach § 434 Abs. 2 BGB den subjektiven Anforderungen, wenn sie

- die vereinbarte Beschaffenheit hat und
- sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verwendung eignet und
- mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen übergeben wird

Als „Beschaffenheit“ sind nach gesetzgeberischer Begründung all solche Merkmale einer Sache zu verstehen, die der Sache selbst anhaften oder sich aus ihrer Beziehung zur Umwelt ergeben.

Zu der Beschaffenheit gehören insbesondere

  • Art
  • Menge
  • Qualität
  • Funktionalität
  • Kompatibilität
  • Interoperabilität
  • sonstige Merkmale der Sache, für die Anforderungen vereinbart worden sind

Im Umkehrschluss liegt eine Mangelhaftigkeit schon vor, wenn vertragliche Vereinbarungen über die Beschaffenheit, die Verwendungsvoraussetzungen, den Umfang des Zubehörs oder mitgelieferte Anleitungen bzgl. des Produkts nicht oder unzureichend eingehalten werden.

Beispiele:

Mangel wegen Abweichung von einer vereinbarten Beschaffenheit: Kauf einer Sonnenbrille, die in der Produktbeschreibung einen UV-Schutz ausweist, diesen aber tatsächlich gar nicht hat

Mangel wegen fehlender Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung: Ein Staubsauger saugt nicht.

2.) Objektive Anforderungen

Um frei von Sachmängeln zu sein, muss eine Kaufsache neben den subjektiven Anforderungen künftig grundsätzlich aber auch objektive Anforderungen einhalten, die sich nicht an vertraglichen Vereinbarungen, sondern am Maßstab vergleichbarer Güter und werblichen Aussagen des Verkäufers orientieren.

Eine Kaufsache entspricht nach § 434 Abs. 3 BGB den objektiven Anforderungen, wenn sie

  • sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und
  • eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache einerseits und der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett abgegeben wurden, andererseits erwarten kann und
  • der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
  • mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

Zu der üblichen Beschaffenheit gehören

  • Menge
  • Qualität
  • sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit

Beispiel für die Abweichung von der üblichen Beschaffenheit: Ein Kleidungsstück hat ein Loch, es ist aber nicht vereinbart worden, dass es Löcher haben soll.

Hinweise zur Auslegung in Bezug auf die „Haltbarkeit“:

Zu der „üblichen Beschaffenheit“ wird künftig auch die „Haltbarkeit“ gehören. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Händler eine bestimmte Haltbarkeit der Kaufsache für eine bestimmte Dauer garantieren muss. Laut Gesetzgeber muss die Kaufsache zum Zeitpunkt der Lieferung/Übergabe bloß die Fähigkeit besitzen, ihre erforderlichen Funktionen bzw. Leistung bei normaler Verwendung zu behalten. Im Umkehrschluss haftet ein Händler aber nicht dafür, dass die Sache tatsächlich ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung auch tatsächlich behält

3.) Angaben in der Werbung

Zur Beschaffenheit nach den objektiven Anforderungen gehören gemäß § 434 Abs. 3 BGB auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, eines anderen Glieds der Vertragskette oder in deren Auftrag erwarten kann.

Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Eigenschaft der Kaufsache, die auf der Verpackung oder in der Werbung erwähnt wird, tatsächlich gar nicht besteht.

Bzgl. der Äußerungen eines Verkäufers in Bezug auf ein Produkt, welche eine übliche Beschaffenheit begründen können, fallen solche Äußerungen bei der Bemessung der Mangelhaftigkeit allerdings nicht ins Gewicht, die

  • der Verkäufer selbst nicht kannte und nicht kennen konnte,
  • bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derselben oder in gleichwertiger Weise korrigiert worden sind oder
  • die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

Auch das Vorhandensein einer Herstellergarantie gehört zur Beschaffenheit einer Kaufsache, so dass das Fehlen einer Herstellergarantie einen Sachmangel darstellt, wenn eine Herstellergarantie laut Beschaffenheitsvereinbarung bestehen soll (Urteil des BGH vom 15.6.2016 – Az. ZR VIII 134/15).

4.) Montageanforderungen

Schließlich kann ein Sachmangel unabhängig vom Vorliegen der subjektiven und objektiven Anforderungen bei Notwendigkeit und Durchführung einer Montage begründet werden.

Eine zu montierende Kaufsache ist nach § 434 Abs. 4 BGB nur frei von Sachmängeln, wenn die Montage

  • sachgemäß durchgeführt worden ist oder
  • zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht

Im Umkehrschluss ergibt sich – wie bereits nach bisherigem Recht – ein Sachmangel eigenständig daraus, wenn

  • eine vereinbarte Montage durch den Verkäufer unsachgemäß durchgeführt worden ist
  • eine vereinbarte Montage vom Käufer unsachgemäß durchgeführt worden ist und dies auf Fehlern der Montageanleitung beruht

Vom Wortlaut nicht ausdrücklich erfasst, nach Angaben des Gesetzgebers aber ebenfalls mit einzubeziehen, sind Erfüllungsgehilfen des Verkäufers (also Handwerksunternehmen etc.), für deren Verhalten der Verkäufer ebenso verantwortlich ist.

Beispiele für fehlerhafte und mangelbegründende Montageanleitungen:

  • Die Montageanleitung eines ausländischen Herstellers ist so schlecht übersetzt, dass sie unverständlich ist.
  • Nach der Anleitung soll der Käufer an einer (falschen) Stelle ein Loch bohren, so dass das Äußere des Möbelstücks verschandelt wird.
  • Die Anleitung bezieht sich nicht auf die gekaufte, sondern auf eine andere Ware usw.

5.) Falsch- und Teillieferungen

Auch gilt die Lieferung von anderen Sachen als der vereinbarten Kaufsache oder von zu geringen Mengen als Sachmangel, § 434 Abs. 5 BGB.

Hingegen liegt kein Sachmangel vor, wenn der Verkäufer bei Lieferung klarmacht, dass es sich bloß um eine (erste) Teilleistung handelt und der Rest später nachgeliefert wird.

6.) Mängelrechte auch bei unwesentlichen Mängeln

Im Gegensatz zur früheren Gesetzeslage spielt die Wesentlichkeit des Mangels kaum eine Rolle. Der Käufer kann auch bei unwesentlichen Mängeln alle Gewährleistungsansprüche geltend machen, mit Ausnahme des Rücktrittsrechts (§ 323 Absatz 5 BGB, s. u.).

2. Gibt es bei der Annahme von Sachmängeln Ausnahmen von den genannten Grundsätzen?

Ja. Beispielsweise liegt im Zusammenhang mit Werbeaussagen trotz Abweichung der Eigenschaften der Kaufsache von den Werbeversprechungen (z. B. TV-Spot, Werbebroschüren, Angaben auf der Webseite des Herstellers im Internet) kein Sachmangel vor, wenn der Verkäufer darlegen (und ggf. beweisen) kann, dass er die Werbeaussagen nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen (§ 434 Absatz 3 Satz 3 BGB) . In der Praxis ist dies in solchen Konstellationen denkbar, in denen der Hersteller der Kaufsache in der Werbung Äußerungen getätigt hat, die dem Verkäufer nicht bekannt sind.

Gleichermaßen begründen fehlerhafte Werbeaussagen keinen Sachmangel, wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – gleichwertig kommuniziert – schon korrigiert war oder wenn die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte (etwa, weil der Käufe sie gar nicht wahrgenommen hatte).

Darüber hinaus ist eine selbst montierte Sache trotz fehlerhafter Anleitung dann nicht mangelhaft, wenn sie im Ergebnis fehlerfrei montiert worden ist.

3. Wann liegt kein Sachmangel vor?

Ein Sachmangel - und damit auch ein Gewährleistungsanspruch - ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Mangelhaftigkeit der Kaufsache auf einer unsachgemäßen Handhabung durch den Käufer oder durch andere Personen nach Erhalt der Kaufsache beruht.

Beispielsweise ist ein Drucker nicht mangelhaft, wenn falsche oder inkompatible Patronen verwendet worden sind; ferner sind die Patronen ihrerseits nicht mangelhaft, wenn sie nicht gemäß der Anleitung eingesetzt und betrieben werden.

Auch der nicht ordnungsgemäße oder mit Hilfsmitteln (z. B. Klebeband etc.) erfolgte Einbau oder eine sonstige mechanische, nicht vorgesehene Einwirkung (Umbiegen, Bearbeiten) schließen einen Sachmangel der Kaufsache aus, sofern die Fehlerhaftigkeit der Kaufsache auf einer solchen „falschen“ Behandlung beruht. Anders sieht es natürlich aus, wenn die Anleitung fehlerhaft war und der Ein- oder Aufbau der Kaufsache deshalb nicht gelingt – dann liegt ein Sachmangel vor.

Zudem stehen dem Käufer auch im Falle des normalen Verschleißes oder bei typischen Abnutzungserscheinungen keine Mängelrechte zu.

4. Bestehen auch Gewährleistungsrechte für Verschleißteile?

Gewöhnliche (also normale alters- oder nutzungsbedingte) Verschleißerscheinungen stellen keine Mängel dar und begründen daher auch keine Mängelrechte des Käufers.

Allerdings kann die Abgrenzung zwischen Verschleiß und Mangel im Einzelfall schwierig sein. Grundsätzlich muss der Käufer beweisen, dass es sich bei vermeintlichen Mängeln nicht um gewöhnliche Verschleißerscheinungen handelt.

Im Verbrauchsgüterkauf allerdings – wenn also ein Verbraucher die Kaufsache bei einem Unternehmer kauft – trifft den Unternehmer innerhalb des ersten Jahres nach Übergabe der Kaufsache die Beweislast bezüglich der Mangelfreiheit der Kaufsache. Somit muss hier der Unternehmer nachweisen, dass kein Mangel vorliegt, sondern lediglich üblicher Verschleiß (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2016 – Az. VIII ZR 103/15).

  • Insbesondere bei PKW bereitet die Abgrenzung zwischen mangelhaftem Bestandteil und Verschleißteil oft Schwierigkeiten. Für eine bessere Abgrenzung anhand von in der Vergangenheit bereits ergangenen Gerichtsurteilen hat der ADAC eine Übersicht erstellt.
  • Auch beim Kauf von Schuhen fällt die Unterscheidung zwischen Mangelhaftigkeit und gewöhnlichem Verschleiß nicht leicht, da Schuhe dazu bestimmt sind, getragen und benutzt zu werden. Handelt es sich um Schuhe von durchschnittlicher Qualität und Güte, ist ein Mangel wohl dann anzunehmen, wenn der Schuh schon innerhalb der ersten sechs Monate untragbar geworden ist.
  • Je höherwertiger das Produkt ist, desto höhere Erwartungen sind an dessen Langlebigkeit zu stellen. Im Einzelfall ist für eine Abgrenzung zwischen Mangel und Verschleiß dennoch ein Gutachten erforderlich.

5. Sonderfall: Wie verhält es sich mit der Gewährleistung bei Antiquitäten?

Grundsätzlich haftet auch der Verkäufer von Antiquitäten dem Käufer für etwaige Sachmängel.

Eine Einschränkung hiervon ist nach neuen Recht bei Verbrauchsgüterkäufen nur wirksam, wenn eine negative Soll-Beschaffenheit mit dem Verbraucher ausdrücklich vereinbart wurde.
Insoweit sieht § 476 Abs. 1 BGB ab dem 01.01.2022 die Möglichkeit vor, dass von den objektiven Anforderungen nach § 434 Absatz 3 BGB vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden kann, wenn der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und diese Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

Da Antikes und andere Gegenstände aus einem Antiquariat aufgrund ihres Alters und langzeitigen Gebrauchs häufig ihre ursprüngliche Funktionsfähigkeit bereits verloren haben, kann sich der Verbraucher dann unter den o.g. Voraussetzungen nicht auf einen Mangel berufen.

Die bloße Kenntnis eines Mangels bei Vertragsschluss (§ 442 BGB) führt bei Verbrauchern ab dem 01.01.2022 aber nach § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht mehr zum Verlust der Gewährleistungsrechte.

Es kommt allein auf das „eigens in Kenntnis Setzen“ und die „gesonderte Vereinbarung“ an.

Beim Verkauf von Antiquitäten ist es deshalb für die Verkäufer empfehlenswert, auf sämtliche Defekte sowie gebrauchs- bzw. altersbedingte Eigenschaften ausdrücklich hinzuweisen und sich die Abweichung im Checkout erneut per Checkbox ausdrücklich bestätigen zu lassen, um für diese Abweichungen einen Gewährleistungsausschluss zu erreichen.

Zudem ist für Verkäufer von besonderem Interesse: bei Antiquitäten kann die Gewährleistungsfrist (für Verbraucher unter strengen Voraussetzungen) auf insgesamt ein Jahr verkürzt werden.

6. Welcher Zeitpunkt ist für die Mangelhaftigkeit der Kaufsache maßgeblich?

Der Sachmangel muss bereits bei der Übergabe bzw. Lieferung (sog. Gefahrübergang) vorgelegen haben. Für den Gefahrübergang ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Kaufsache dem Käufer tatsächlich übergeben wird (§ 446 BGB) .

Im Falle eines Versendungskaufes wird der Gefahrübergang grundsätzlich vorverlegt. Es kommt auf den Zeitpunkt der Auslieferung der Kaufsache an die Transportperson/Transportunternehmen an (§ 447 Abs. 1 BGB) .

Dies gilt jedoch wiederum nicht für Versendungsverkäufe zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Hier trägt der Unternehmer das Transportrisiko (wenn nicht der Verbraucher selbst die Transportperson beauftragt hat), § 475 Abs. 2 BGB. Für den Gefahrübergang maßgeblich daher auch hier der Zeitpunkt, an dem die Kaufsache dem Käufer tatsächlich übergeben wird.

7. Wer muss das Vorliegen des Sachmangels beweisen?

Grundsätzlich ist nach Erhalt der Kaufsache der Käufer beweislastpflichtig. Bei Verbraucherverträgen gilt allerdings die Sonderregelung des §477 BGB, wonach von Gesetzes wegen grundsätzlich vermutet wird, dass eine Kaufsache mangelhaft ist, wenn sich binnen eines Jahres ein Mangel oder eine Mangelfolge zeigt.

III. Die Beweislastumkehr nach § 477 BGB

1. Was besagt die Beweislastumkehr?

Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache (sog. Verbrauchsgüterkauf), so gilt zu Lasten des Verkäufers ab dem 01.01.2022 nach § 477 BGB die verlängerte gesetzliche Vermutung, dass Mängel, die sich innerhalb eines Jahres ab Gefahrübergang zeigen, bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben. In diesem Fall muss also der Verkäufer nachweisen, dass der Mangel nicht schon bei Gefahrübergang vorlag.

Achtung: die Mängelvermutung gilt bei einem Verbrauchsgüterkauf über lebende Tiere (wegen deren Mängelentwicklungspotenzials als lebende Organismen) nur innerhalb von 6 Monaten ab Gefahrübergang.

Beispiel: Ein Verbraucher kauft bei einem Unternehmer im Ladengeschäft einen Fernseher und nimmt ihn gleich mit. Zwei Wochen später steht der Käufer wieder im Geschäft des Unternehmers und macht Mängelrechte geltend, da das Gerät nicht funktioniere. Nun muss der Unternehmer beweisen, dass der Fernseher zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer mangelfrei war. Dies dürfte ihm nicht gelingen, es sei denn der mangelhafte Fernseher hat etwa Schäden, die unzweideutig auf eine unsachgemäße Behandlung durch den Kunden schließen lassen.

2. Was, wenn ein Verbraucher nach Ablauf des Jahres einen Mangel geltend macht, sich aber darauf beruft, dass der Mangel schon vor dem Ablauf der Zeitspanne vorhanden war?

In diesem Falle muss der Verbraucher beweisen (etwa durch einen Schnappschuss des Mangels mit automatischem Datumsverweis durch eine Digitalkamera), dass der Mangel bereits innerhalb von einem Jahr nach Übergabe aufgetreten ist. Gelingt ihm dies nicht, hat er Pech gehabt: die Vermutungswirkung greift dann jedenfalls nicht mehr zu seinen Gunsten ein. Dies bedeutet, dass nun der Verbraucher beweisen muss, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat.

3. Gibt es Ausnahmen von der gesetzlichen Vermutung bei Auftreten von Mängeln innerhalb von einem Jahr?

Ja. Nach § 477 BGB versagt die Beweislastumkehr dann, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder der Art des Mangels unvereinbar ist.

Der Ausschluss der Vermutungswirkung wegen der Art der Sache greift vor allem bei leicht verderblichen Waren, also insbesondere Lebensmitteln da bei diesen davon ausgegangen werden kann, dass sie sich erst nach Gefahrübergang durch natürliche Prozesse beim Käufer verschlechtert haben.

Beispiel: Kauf von Gemüse, das ungekühlt nach kurzer Zeit verdirbt.

Zudem ist die gesetzliche Vermutung auch dann ausgeschlossen, wenn ein Mangel der Kaufsache vorliegt, der auch einem fachlich nicht besonders versierten Käufer bei der Übergabe hätte auffallen müssen – etwa aufgrund sichtbarer äußerer Abnutzungen der Kaufsache, vor allem bei fabrikneuen Waren

Beispiel: Kauf eines PKW mit offensichtlich zerkratztem Kotflügel.

Im Übrigen gilt die Beweislastumkehr nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 4.6.2015, Az. C-497/13) und BGH (Urteil vom 12.10.2016, Az. VIII ZR 103/15) grundsätzlich aber bei jedem mangelhaften Zustand, selbst wenn dieser ganz offensichtlich erst nach Übergabe der Kaufsache eingetreten ist, aber auf einem vorherigen Mangel als Ursache des mangelhaften Zustandes beruht.

Beispiel: Ein Verbraucher kommt mit einem Auto mit Totalschaden zurück zum Autohändler und behauptet, die Bremsen des Autos seien bereits bei Übergabe mangelhaft gewesen (weshalb dann anschließend wegen Versagens der entsprechenden Bremsen der Totalschaden am Auto entstanden sei). Innerhalb von einem Jahr nach der Übergabe des Autos greift auch in diesem Fall die Beweislastumkehr des § 477 BGB, so dass der Verkäufer nachweisen muss, dass die Bremsen damals mangelfrei gewesen sind bzw. der Unfall nicht auf den Mangel zurückzuführen ist.

4. Gilt die Vermutungswirkung selbst dann, wenn originalverpackte Waren verkauft werden, die nur stichprobenartig kontrolliert werden können?

Ja. Zwar knüpft die Beweislastumkehr u. a. an die typischerweise besseren Erkenntnismöglichkeiten des Verkäufers an, der die Waren nach Eingang im eigenen Lager fachmännisch überprüfen kann. Allerdings setzt die Vermutung nicht einen tatsächlich bestehenden Wissensvorsprung des Verkäufers in Bezug auf mögliche Mängel voraus, sondern dient ausschließlich einem hohen Verbraucherschutzniveau. Selbst wenn also der Verkäufer bei einer Lieferung aufgrund deren großen Umfangs eine komplette Überprüfung nicht gewährleisten kann, greift die Vermutungswirkung zu Gunsten des Verbrauchers.
Somit gilt die Beweislastumkehr nach § 477 BGB auch bei mangelbehafteten Mengenbestellungen.

5. Muss im ersten Jahr jede Verschlechterung des Produkts als Mangel anerkannt werden?

Nein. Gewöhnlicher Verschleiß (z. B. abgenutzte Sohlen bei Schuhen), Abnutzung oder Defekte, die regelmäßig vor allem durch unsachgemäße Behandlung der Kaufsache entstehen (z. B. Scheuerstellen bei Kleidung) sind von der Gewährleistung ausgeschlossen. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel nicht um Sachmängel, die bereits beim Verkauf vorlagen. Der Beweis, dass kein Mangel vorliegt, obliegt dennoch dem Verkäufer – er dürfte jedoch in diesen Fällen häufig leicht zu führen sein.

6. Wie ist die Vermutungswirkung zu beurteilen, wenn der Käufer (mechanisch) auf die Kaufsache eingewirkt hat?

Wirkt der Kunde mechanisch auf die Kaufsache ein – etwa durch Veränderung elektrischer Anschlüsse – und macht dann innerhalb von einem Jahr einen Mangel geltend, ist die Gewährleistung ausgeschlossen, sofern der Mangel auf einem Fehler beruht, der mit der mechanischen Einwirkung in Zusammenhang steht. Die Einwirkung innerhalb von einem Jahr ab Gefahrübergang muss allerdings der Verkäufer nachweisen.

Geht es jedoch um einen Mangel, der mit der Einwirkung auf die Kaufsache in keinerlei Verbindung steht, bleibt die Sachmangelhaftung des Verkäufers bestehen.

Beispiel: Der Käufer (Verbraucher) einer Digitalkamera setzt im Wechsel mit dem Original-Akku des Herstellers auch den Akku eines anderen Herstellers in die Kamera ein. Drei Monate nach Erhalt der Kamera funktioniert sie nicht mehr, unabhängig davon, ob der Original- oder der Ersatz-Akku verwendet wird. Der Käufer macht daraufhin Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer geltend. Der Verkäufer behauptet, die Kamera sei durch die Verwendung des fremden Ersatz-Akkus beschädigt worden, kann das aber nicht nachweisen. Somit muss er den Gewährleistungsansprüchen des Käufers nachkommen. 

IV. Die Rechte des Käufers

1. Welche Rechte kann ein Käufer im Rahmen der Sachmängelhaftung („Gewährleistung“) geltend machen?

Der Katalog der Gewährleistungsansprüche bzw. Mängelrechte des Käufers findet sich in § 437 BGB.

Danach hat der Käufer im Falle eines Sachmangels, der zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache an ihn vorliegt, folgende Rechte:

  • Nacherfüllung, bestehend aus: Reparatur (Nachbesserung) oder Umtausch (Nachlieferung)
  • anteilige Kaufpreiserstattung (Minderung)
  • vollständige Kaufpreiserstattung gegen Rückgabe der Kaufsache (juristisch: Rücktritt), allerdings ist der Rücktritt nur bei wesentlichen Mängeln möglich
  • Ausgleich von Folgekosten und entgangenem Gewinn (Schadensersatz), allerdings nur bei Verschulden des Verkäufers
  • Ersatz vergeblicher Aufwendungen, wie zum Beispiel Wartungen (Aufwendungsersatz), ebenfalls nur bei Verschulden des Verkäufers

2. Kann ein Käufer zwischen den Ansprüchen nach freiem Belieben wählen?

Nein. Der Käufer muss den Verkäufer zunächst zur Nachlieferung („Umtausch“) oder Nachbesserung („Reparatur“) auffordern. Grundsätzlich darf der Käufer dabei frei wählen, für welche der beiden Optionen er sich entscheidet.

Achtung: Verbraucher müssen Unternehmern ab dem 01.02.2022 keine angemessene Frist mehr für die Nacherfüllung setzen, um nach Fristablauf sodann Sekundärrechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) geltend machen zu können. Es muss vielmehr nur noch eine angemessene Frist ablaufen, § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Dem Verkäufer soll hierdurch ein sog. „Recht zur zweiten Andienung“ eingeräumt werden, das ihm ermöglicht, das Vertrauen des Käufers zu erhalten. Gerade in den Fällen, in denen der Verkäufer nicht für die Mangelhaftigkeit der Kaufsache verantwortlich ist, bekommt er auf diese Weise die zweite Chance, den Vertrag vollständig zu erfüllen. Zudem kann er auf diese Weise die Kaufsache auf ihre Mangelhaftigkeit hin untersuchen und etwaige Beweise sichern, so dass er Mängel bei anderen Produkten durch diese Erkenntnisse besser vermeiden kann.

Erst, wenn für die Nacherfüllung eine angemessene Frist erfolglos abgelaufen ist (Verbraucher müssen diese gegenüber Unternehmern ab dem 01.01.2022 nicht mehr aktiv setzen), also der Verkäufer die Kaufsache nicht repariert oder umgetauscht hat, kommen die anderen Sachmängelansprüche in Betracht.

Beispiel: Der Käufer bestellt im Internet eine DVD. Beim Auspacken stellt er fest, dass die DVD in der Mitte durchgebrochen ist. Nun muss der Käufer dem Verkäufer zunächst die Möglichkeit einräumen, innerhalb einer angemessenen Frist (etwa ein bis zwei Wochen) die DVD umzutauschen. Erst wenn der Verkäufer dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt, kann der Käufer weitere Rechte geltend machen, etwa vom Kaufvertrag zurücktreten und das Geld zurückfordern, oder (ggf. auch zusätzlich) bei Verschulden des Verkäufers Schadensersatz verlangen, z. B. die Mehrkosten die dadurch entstanden sind, dass der Käufer die DVD zu einem höheren Preis bei einem anderen Händler erworben hat.

3. Können die Rechte des Verbrauchers beschränkt oder gänzlich ausgeschlossen werden?

Nein, da die Rechte der Verbraucher gesetzlich abgesichert sind und nicht zur Disposition freier Vertragsverhandlungen stehen können (§ 476 Abs. 1 BGB) . Die Rechte des Käufers können dabei weder in AGB noch individualvertraglich beschränkt werden.
Bloß beim Verkauf von gebrauchten Sachen (sog. Gebrauchtwaren) kann die Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche des Käufers (ab dem 01.01.2022 unter strengen Voraussetzungen) auf ein Jahr verkürzt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Waren im Ladengeschäft oder per Fernabsatzvertrag an den Verbraucher verkauft werden.

Selbst, wenn der Verbraucher den Mangel bei Vertragsschluss kennt oder grob fahrlässig nicht erkennt, sind seine Gewährleistungsrechte ab dem 01.01.2022 nicht mehr nach § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. § 442 BGB findet nämlich für Verbrauchsgüterkäufe dann nach § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB keine Anwendung mehr.

Will der Unternehmer Gewährleistungsrechte wegen Mängelmerkmalen ausschließen, muss er den Verbraucher hierüber ab dem 01.01.2022 nach § 476 Abs. 1 BGB eigens in Kenntnis setzen und die abweichende Beschaffenheit gesondert vereinbaren.

4. Ist ein Gewährleistungsausschluss bei verspäteter Mängelanzeige des Verbrauchers möglich?

Immer wieder kann es im Online-Versandhandel vorkommen, dass Verbraucher aufgrund von internen Fehlern bei der Bestellabfertigung zu geringe Produktmengen erhalten oder aber versand- oder transportbedingte Beschädigungen an der Ware feststellen müssen. In derlei Fällen stehen ihnen grundsätzlich die kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte mit besonderen Privilegien zu. Doch muss sich der Händler hierauf einlassen, wenn der Verbraucher die Fehlerhaftigkeit erst nach geraumer Zeit anzeigt? Besteht möglicherweise sogar eine Pflicht zur fristgerechten Mängelrüge, nach deren Ablauf die Gewährleistungsrechte erlöschen?

(1). Beispielsfall

Bevor die Frage nach den Auswirkungen einer späten Mängelanzeige von Seiten des Verbrauchers einer rechtlichen Bewertung unterzogen wird, soll zum besseren Verständnis eingangs die Problematik anhand eines kurzen Falls skizziert werden:

Verbraucher V kauft auf der Webseite des Weinhändlers H eine Kiste mit 10 Flaschen Rotwein. H liefert nach vorangehender Bezahlung des V alsbald und geht, als er in der Folgezeit nichts mehr von V hört, von einer ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung aus. Anderthalb Monate nach der Paketzustellung meldet sich nun aber der V bei H, merkt an, dass die Kiste anstatt der bezahlten 10 Weinflaschen nur 8 enthalten habe, und bittet ihn um eine Nachlieferung der fehlenden 2 Flaschen.

H hält das Begehren des V für verspätet. Immerhin hätte V die unzulängliche Lieferung deutlich früher anzeigen und ihm dadurch Gelegenheit geben können, die fehlerhafte Bestellabwicklung betriebsintern nachzuvollziehen. In dem Glauben, die Geltendmachung des Anspruchs gegen ihn sei aufgrund der Verletzung einer Pflicht zur rechtzeitigen Mängelanzeige ausgeschlossen, lehnt er die Nachlieferung ab. Zu Recht?

(2). Sachmängel und das Gewährleistungsrecht des Verbrauchers

Grundsätzlich stellen sowohl negative Beschaffenheitsabweichungen der Kaufsache als auch sogenannte verdeckte Mankolieferungen, bei denen der Käufer eine Mindermenge erhält und dies erst nach Annahme der Bestellung bemerkt, Sachmängel im Sinne von §434 BGB dar.

Ist die Kaufsache also entsprechend mangelhaft und lag der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (bei Verbrauchergeschäften stets der Zeitpunkt der Übergabe) vor, kann der Käufer nach seiner Wahl die in §437 BGB abschließend aufgezählten Rechte und Ansprüche geltend machen.

Ihm steht es insofern zu, den Verkäufer entweder im Rahmen der Nacherfüllung zur Nachbesserung der mangelhaften oder zur Nachlieferung einer neuen Sache anzuhalten, oder aber nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Anstelle des Schadenersatzes gewährt das Gesetz ihm darüber hinaus das Recht auf Rücktritt oder Minderung.

Beachte: schlägt die Nacherfüllung fehl (zeigt sich der Mangel trotz Nacherfüllungsversuch weiter) oder ist dem Händler die Nacherfüllung unmöglich oder verweigert er diese berechtigter- oder unberechtigterweise, entfällt das Fristablaufserfordernis auf Seiten des Verbrauchers.

Zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus, das dem europäischen Gesetzgeber seit jeher als Motiv für die kontinuierliche Stärkung und Ausweitung von Verbraucherrechten dient, gelten auf dem Gebiet der Verbrauchsgüterkäufe, also Kaufverträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern, in Ansehung des Gewährleistungsrechts allerdings spezielle Privilegien für kaufende Verbraucher

So wird nach §477 BGB die Mangelhaftigkeit ab Gefahrenübergang vermutet, wenn sich der Mangel innerhalb von einem Jahr ab der Übergabe beim Verbraucher zeigt. Es erfolgt mithin eine Beweislastumkehr, welche den Unternehmer zur Führung des Beweises zwingt, dass der Mangel erst in der Sphäre des Verbrauchers aufgetreten ist.

Gleichzeitig darf der Unternehmer nach §476 BGB nicht zu Lasten des Verbrauchers von den gesetzlichen Gewährleistungsrechten abweichen. Anspruchsbeschränkungen, Ausschlüsse oder sonstige Vereinbarungen, mit denen eine Geltendmachung erschwert werden würde, sind demnach grundsätzlich unwirksam.

Überträgt man diese Grundsätze auf den Beispielsfall, so ergibt sich aufgrund der Zu-Wenig-Lieferung ein Sachmangel im Sinne des §434 Abs. 3 BGB, dessen Vorliegen bei Gefahrenübergang zugunsten des Verbrauchers nach §477 BGB vermutet wird. Dieser Sachmangel begründet prinzipiell den Anspruch auf Lieferung der zwei verbleibenden Weinflaschen in Form der Nachbesserung gemäß §§437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB.

Problematisch ist einzig, ob der Verbraucher hier bis zu seiner Mängelrüge unangemessen viel Zeit hat verstreichen lassen und ob ihm deswegen eine Berufung auf seine Gewährleistungsrechte verwehrt bleiben muss.

(3) Pflicht des Verbrauchers zur rechtzeitigen Mängelrüge?

Maßgeblich für den Umfang des Pflichtenprogramms des Händlers in Fällen, in denen der Verbraucher auf eine mangelhafte Lieferung erst nach geraumer Zeit reagiert, ist die Frage, ob eine Verbraucherpflicht zur unverzüglichen Mängelanzeige angenommen werden kann.

Zur Beantwortung muss mangels einer einschlägigen gesetzlichen Regelung auf allgemeine Grundsätze sowie auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen Bezug genommen werden.

a.) Aus Mängelprüfrecht des Händlers?

Anerkannt ist, dass die Gewährleistungspflicht des Händlers mit dem Recht korrespondiert, die vermeintliche mangelhafte Sache auf ihren Defekt hin zu überprüfen (Leiturteil des BGH vom 10.3.2010 – Az. VIII ZR 310/08, bestätigt durch Urteil des BGH vom 19.12.2012 – Az. VIII ZR 96/12 und fortgeführt vom BGH durch Urteil vom 1.7.2015 – Az. VIII ZR 226/14). Ab dem 01.01.2022 ist dieses Recht auch in § 439 Abs. 5 BGB gesetzlich verankert. Dem Verkäufer muss insofern grundsätzlich die Gelegenheit gegeben werden, die mangelbedingenden Ursachen und Umstände festzustellen, um zukünftige ordnungsgemäße Geschäftsabwicklungen zu gewährleisten und nicht zuletzt die Beweisführung gegen den Vorwurf der anfänglichen Mangelhaftigkeit zu leisten.

Die Wahrnehmung dieses Prüfrechts wäre dem Händler indes wesentlich erschwert, wenn die Geltendmachung des Mangels erst zu einer Zeit erfolgt, in welcher die wesentlichen Schritte der Bestellabwicklung und damit die vermeintliche Ursache der Schlechtleistung nicht mehr nachvollziehbar sind. Die Einräumung eines allzu großen Zeitfensters zwischen Übergabe der Sache und Inanspruchnahme des Händlers liefe faktisch nicht selten darauf hinaus, dass dem Händler die Möglichkeit genommen würde, den ihm nach §477 BGB auferlegten Gegenbeweis zu erbringen.

Dies spricht zwar augenscheinlich für die Annahme einer Pflicht des Verbrauchers zur unverzüglichen Mängelanzeige. Allerdings hat der Gesetzgeber für den Ausschluss der Gewährleistungsrechte eindeutige Verjährungsfristen vorgesehen (regelmäßig 2 Jahre ab Übergabe der mangelhaften Sache, §438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) , vor deren Ablauf die Geltendmachung von Mängelrechten grundsätzlich möglich sein soll. Der insofern eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung einer langzeitigen Rechtewahrnehmung liefe eine frühzeitige Sperre aufgrund einer nicht eingehaltenen Anzeigepflicht zuwider.

b.) Aus dem Gebot von Treu und Glauben, §242 BGB?

Zu erwägen wäre weiterhin, die Mängelrügeobliegenheit des Verbrauchers und einen mit einer Vernachlässigung einhergehenden Gewährleistungsausschluss aus dem grundlegenden Rechtsprinzip der Leistung nach Treu und Glauben gemäß §242 BGB abzuleiten.

In der Tat können nach der im Rahmen von § 242 BGB anerkannten „Verwirkung“ dem Gläubiger eigentlich zustehende Ansprüche dann ausgeschlossen sein, wenn seit der Möglichkeit ihrer Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und sich die spätere Inanspruchnahme des Schuldners als illoyales Verhalten des Gläubigers erweist, weil dieser in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hat, sein Recht nicht mehr geltend zu machen.

In Anlehnung an den Grundsatz der Verwirkung ließe sich die Pflicht des Verbrauchers herleiten, entdeckte Mängel unverzüglich dem Händler anzuzeigen, um jenen nicht später im geschaffenen Vertrauen auf das Ausbleiben von Gewährleistungsbegehren zu enttäuschen. Im Umkehrschluss könnten für den Fall, dass der Verbraucher trotz Kenntnis des Mangels zusätzliche Zeit verstreichen lässt, seine Gewährleistungsansprüche nach §242 BGB ausgeschlossen sein, weil die bewusste Verzögerung als illoyale Rechtsausübung zu Lasten des Händlers zu qualifizieren wäre.

Gegen die Herleitung einer zeitnahen Rügepflicht mit daran anknüpfenden Sperrfolgen spricht indes, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG), auf welcher die verbraucherschützenden Bestimmungen des Kaufrechts maßgeblich basieren, in Art. 5 Abs. 2 für die nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit vorsah, zumindest für offenkundige Mängel eine Ausschlussfrist von 2 Monaten zu bestimmen.

In Deutschland wurde diese Bestimmung aber gerade nicht umgesetzt, was auf den Willen des Gesetzgebers schließen lässt, im Verbraucherrecht etwaige Ausschlussfristen wegen unterbliebener Mängelanzeigen gerade nicht vorzusehen.

Die Konstruktion einer Gewährleistungssperre über §242 BGB liefe insofern wesentlichen gesetzgeberischen Intentionen zuwider.

c.) Für offensichtliche Mängel wegen §309 Nr. 8 b) ee)?

Möglicherweise kann zumindest für bestimmte Arten von Mängeln eine Mängelrügepflicht des Verbrauchers mit anknüpfender Ausschlussfrist in Anlehnung an das AGB-Klauselverbot des §309 Nr.8 b) ee) BGB hergeleitet werden.

Zwar sind nach dieser Vorschrift solche Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten, welche dem Empfänger für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzen, die kürzer ist als ein Jahr.

Im Umkehrschluss könnte es aber gerade zulässig sein, immerhin für offensichtliche Mängel kürzere Mängelanzeigefristen vorzusehen.

aa) Unterscheidung nach der Offensichtlichkeit des Mangels?

Offensichtliche Mängel sind solche, die sich dem Käufer aufgrund ihrer Art oder ihres Umfangs gewissermaßen aufdrängen und sich ohne die Notwendigkeit einer irgendwie gearteten Funktions- oder Beschaffenheitsprüfung optisch hervortun. Unter offensichtliche Mängel fallen insbesondere Zu-Wenig-Lieferungen, Aliud-Gegenstände und äußere Beschädigungen von gewissem Ausmaß.

Eine Differenzierung zwischen offensichtlichen und nicht offensichtlichen Mängeln erscheint für die Annahme von Rügepflichten zunächst deswegen sachgerecht, weil erstere den kaufenden Verbraucher aufgrund ihrer deutlichen Erkennbarkeit in die Lage versetzten, Gewährleistungsansprüche grundsätzlich sofort zu erheben. Konsequent wäre es insofern, wenn ihm eine Berufung auf seine gesetzlichen Rechte nach dem Ablauf einer angemessenen Frist versagt wäre.

Dahingegen besteht bei nicht offensichtlichen Mängeln von vornherein die Gefahr, dass der Verbraucher sie zunächst überhaupt nicht bemerkt und erst dann auf eine Mangelhaftigkeit der Kaufsache schließen kann, wenn sich der dem Mangel inhärente Defekt bemerkbar macht.

Hier würden pauschale Rügefristen und darauf aufbauende Gewährleistungssperren im Zweifel eine unbillige Härte für den Verbraucher darstellen, der ohne eigenes Verschulden erst nach Fristablauf Kenntnis von der Mangelhaftigkeit erlangt.

bb) Entgegenstehen des §476 BGB

Zu bedenken ist - auch wenn sich die Unterscheidung grundsätzlich als geeignet darstellt - allerdings, dass §476 Abs. 1 BGB unabhängig von den Klauselverboten der AGB-Kontrollvorschriften jegliche Abweichungen von den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften zu Lasten des Verbrauchers verbietet und entsprechende Vereinbarungen eigenständig für unwirksam erklärt.

In Anlehnung an diese Generalschutznorm des Verbraucherrechts ist es nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung stets unzulässig, Anzeigepflichten des Verbrauchers mit Ausschlussfristen für Gewährleistungsansprüche vorzusehen – und zwar unabhängig von der Offensichtlichkeit des Mangels (OLG Hamm, Urteil v.24.05.2012 - Az. I-4 U 48/12; OLG Koblenz, Beschluss vom 03.12.2008 - Az.4 W 681/08)

Rügepflichten würden stets zu Ungunsten des Verbrauchers vom gesetzlichen Status Quo abweichen, mithin die ungehinderte Ausübung der Gewährleistungsrechte gefährden und den Verbraucher in der Wahrnehmung seiner Ansprüche spürbar einschränken. Zwar erklärt §309 BGB Ausschlussfristen nur bei nicht offensichtlichen Mängeln für unwirksam. Allerdings handle es sich hierbei um bloßes dispositives AGB-Recht, das im Anwendungsbereich von Verbrauchergeschäften von der unabdingbaren Vorschrift des §476 BGB überdeckt werde.

Hätte der Gesetzgeber Rügepflichten und Ausschlussfristen für Mängel vorsehen wollen, hätte nur die Vorlage des Art. 5 Abs. 2 der europäischen Verbrauchsgüterkaufsrichtlinie implementiert werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, wichen sämtliche Mängelanzeigepflichten entgegen §476 BGB von den Grundzügen des Gewährleistungsrechts ab.

d.) Ergebnis

Nach den geltenden Prinzipien des Verbrauchergewährleistungsrechts kann eine Mängelrügepflicht des Verbrauchers ebenso wenig angenommen werden wie ein Gewährleistungsausschluss bei verspäteter Anzeige von Defekten an der bestellten Ware.

Zwar kann für den Händler ein besonderes Interesse daran bestehen, über etwaige Eintrittspflichten so schnell wie möglich aufgeklärt zu werden. Das Abweichungsverbot des §476 BGB verbietet aber jedwede gesetzlich nicht vorgegebene Benachteiligung des Verbrauchers bei der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen.

Dasselbe Ergebnis liefert auch ein wertender Vergleich zu der Regelung des §377 des Handelsgesetzbuches (HGB). Dieser schreibt eine Prüf- und Mängelrügepflicht mit anknüpfendem Gewährleistungsausschluss ausdrücklich dann vor, wenn der Kauf für beide Seiten ein Handelsgeschäft ist. Nach der gesetzgeberischen Intention kann aufgrund der besonderen Expertise und Routine von Kaufleuten dem Handelskäufer hier eine Rügepflicht zugemutet werden, um einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien herbeizuführen und den Verkäufer vor Beweisnöten zu schützen.

Im Umkehrschluss aber zeigt sich, dass ein Verbraucher als wirtschaftlicher Laie ohne gewerbliche Hintergründe gegenüber Kaufleuten gerade privilegiert werden muss.

(4) Fazit

Verbraucher können in Bezug auf die Ausübung von Gewährleistungsrechten nicht verpflichtet werden, dem Händler die Mangelhaftigkeit einer Kaufsache binnen eines gewissen Zeitraums anzuzeigen. Dies gilt selbst dann, wenn zwischen der Übergabe und der Inanspruchnahme des Händlers ein augenscheinlich unangemessen langer Zeitraum liegt.

Vielmehr stehen dem Verbraucher in derlei Fällen seine gesetzlichen Mängelansprüche in vollem Umfang weiterhin zu.

Demgemäß sind auch Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die einen Gewährleistungsausschluss nach Ablauf einer Mängelrügefrist vorsehen, grundsätzlich unwirksam.

Verweigert ein Händler in der Annahme, der Verbraucher hätte einen Mangel früher anzeigen müssen, die Nacherfüllung, kann der Verbraucher im Folgenden ohne das Erfordernis einer erneuten Fristsetzung Ersatz für den mangelbedingten Minderwert und weitere Schäden geltend machen.

Auch wenn allzu späte Gewährleistungsbegehren stets einen bitteren Beigeschmack hinterlassen und sich auf zukünftige Geschäftsbeziehungen alles andere als förderlich auswirken, ist Händlern stets zur Kooperation zu raten. Anderenfalls können meist aussichtslose Rechtsstreitigkeiten und möglicherweise gar weiterreichende Schadensersatzforderungen drohen.

V. Ansprüche des Käufers: Nacherfüllung (Nachlieferung und Nachbesserung), §439 BGB

1. Besteht ein Rangverhältnis zwischen der Nachlieferung und der Nachbesserung?

Nein, der Käufer kann grundsätzlich zwischen beiden Arten der Nacherfüllung frei wählen (§ 439 Abs. 1 BGB) . Sollte eine Art der Nacherfüllung allerdings unmöglich sein (etwa die Reparatur), so kann der Käufer selbstverständlich nur die andere Art der Nacherfüllung verlangen. Dasselbe gilt für den Fall, dass eine Art der Nacherfüllung mit vergleichsweise weit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Hat der Verkäufer den Mangel durch Reparatur behoben, obwohl der Käufer eine Neulieferung wünscht, kann der Käufer immer noch die Neulieferung verlangen (OLG Nürnberg, Urt. v. 20.2.2017 – Az. 14 U 199/16).

2. Kann eine Nachlieferung auch beim Verkauf eines Einzelstücks gefordert werden?

Grundsätzlich ist anerkannt, dass in einem solchen Falle das Leistungsinteresse des Käufers ebenfalls durch Lieferung eines gleichwertigen und vertretbaren Ersatzgegenstandes erfüllt werden kann und daher eine Nachlieferung bei Einzelstücken nicht von vorneherein ausgeschlossen ist.

Beispiel: Kauf eines gebrauchten 3er-BMW in schwarz.

Nur, wenn bestimmte Individualisierungsmerkmale zum Inhalt des Kaufvertrags gemacht wurden, scheidet eine Ersatzlieferung aus.

Beispiel: Kauf einer bestimmten chinesischen Vase aus der Ming-Dynastie.

Ob der Käufer jedoch überhaupt eine Nachlieferung möchte, oder eher eine Reparatur des Einzelstücks wünscht, darf er frei für sich entscheiden.

3. Wer hat die bei der Nacherfüllung entstehenden Nebenkosten zu tragen?

Nebenkosten, die im Rahmen der Nacherfüllung entstehen, hat der Verkäufer zu tragen. Hierunter fallen zum Beispiel Versandkosten des Käufers sowie alle Reparaturkosten. Sie gelten nicht als „Schaden“, sondern als „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderliche Aufwendungen“ im Sinne des § 439 Absatz 2 BGB. Dies gilt auch für die Kosten von aufwendig gesicherten Werttransporten bei besonders hochwertigen Gegenständen.

4. Muss der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung auch die Kosten für den Ausbau der alten und Einbau der neuen Sache (z.B. bei festen Küchenbestandteilen wie dem Herd oder festen Bodenbelägen) tragen?

Ja! Im Wege der Umsetzung der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gelten seit 2018 neue Regelungen im deutschen Gewährleistungsrecht. Die wohl wichtigste Neuerung ist, dass von nun an der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet ist, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften Sache und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen, § 439 Absatz 3 Satz 1 BGB. Dabei muss der Verkäufer entweder den Ein- und Ausbau selbst vornehmen bzw. organisieren, oder die dafür anfallenden Kosten erstatten.

Auf den ersten Blick inhaltlich nichts Neues, denn diese Pflicht bestand zwischen Unternehmern und Verbrauchern bereits seit 2011 seit der Weber/ Putz-Rechtsprechung des EuGH. Neu ist jedoch, dass diese Pflicht nun auch im B2B-Bereich, also zwischen Unternehmern untereinander gilt. Dies ergibt sich aus der Stellung der Regelung im allgemeinen Kaufrecht.

Neu ist auch, dass es dem Wortlaut nach nicht darauf ankommt ob der Käufer die Sache selbst bei sich eingebaut hat. Dies hat zur Folge, dass nun auch ein Werkunternehmer der bei seinem Kunden eine mangelhafte Sache verbaut hat, von seinem Lieferanten Ersatz verlangen kann. § 439 Absatz 3 BGB ist somit gleichzeitig zu einer Regelung im Bereich des Unternehmerregress geworden (siehe unten Nr. 6 zum Kapitel "Die Gewährleistung im Händler-Händler oder Hersteller-Händler-Verhältnis").

5. Ist vorgeschrieben, wer den Ein- und Ausbau der mangelhaften Kaufsache durchführen muss?

Grundsätzlich nicht. Der Käufer kann wählen, durch welchen Werkunternehmer er den Ein-/Ausbau vornehmen lässt, oder ob er ihn selbst durchführt.

Wird die mangelhafte Kaufsache jedoch im Rahmen eines Werkvertrages, nach dem die einzubauende Sache auch geliefert wird, eingebaut, ist auch der Aus- und Wiedereinbau von dem gleichen Werkunternehmer vorzunehmen.

6. Schuldet der Händler auch dann den Ausbau der alten Sache, wenn der Käufer den Beweis der Mangelhaftigkeit der Sache zum Übergabezeitpunkt nicht erbringen kann, der Hersteller aber aus Kulanz die Lieferung einer neuen Sache gewährt?

Grundsätzlich nicht. Wurde die Kulanz nur vom Hersteller und nicht auch vom Verkäufer gewährt, muss sich der Verbraucher an den Hersteller halten. Gegenüber dem Verkäufer – nur dieser ist Vertragspartner des Käufers - müsste hingegen ein Sachmangel tatsächlich nachgewiesen werden, um Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können.

Zugunsten von Verbrauchern wird die Mangelhaftigkeit allerdings im ersten Jahr nach der Übergabe gemäß § 477 BGB vermutet.

7. Schuldet der Händler dem Verbraucher einen Vorschuss für die ersatzfähigen Aufwendungen für die Mangelbeseitigung?

Ja. Im Falle eines Verbrauchsgüterkaufes hat der Verbraucher sowohl für die Aufwendungen im Rahmen des Aus- und Wiedereinbaus nach § 439 Absatz 3 BGB als auch für die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen (Transport; Wege-, Arbeits- und Materialkosten) nach § 439 Absatz 2 BGB einen Anspruch auf Vorschuss. Dieser Anspruch ergab sich bis 2018 aus der Rechtsprechung des BGH und ist in der Vorschrift des § 475 Absatz 4 BGB kodifiziert.

8. Kann der Käufer Kostenersatz für Aus- und Wiedereinbau verlangen, wenn er zum Zeitpunkt des Einbaus vom Mangel der Sache Kenntnis hatte?

Nein. Ein Aufwendungsersatz ist ausgeschlossen, wenn der Käufer die Sache eingebaut hat, obwohl der Mangel bereits offenbar geworden ist.

9. Wie verhält es sich, wenn die gewählte Art der Nacherfüllung mit größeren Kosten für den Verkäufer verbunden ist als die andere?

Grundsätzlich kann ein Verkäufer § 439 Absatz 4 Satz 1 BGB die gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn diese mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist (= relative Unverhältnismäßigkeit). Der Verkäufer muss dann die andere Art der Nacherfüllung erbringen. Von einer relativen Unverhältnismäßigkeit kann regelmäßig dann ausgegangen werden, wenn die Kosten der Nacherfüllung ca. 5 bis 25 % des Wertes der Sache in mangelfreien Zustand übersteigen.

Sollte die andere Art der Nacherfüllung ebenfalls mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sein, kann er gemäß § 439 Absatz 4 Satz 3 BGB auch diese verweigern (= absolute Unverhältnismäßigkeit). Diese liegt regelmäßig dann vor, wenn die Kosten der Nacherfüllung ca. 100 bis 150 % des Wertes der Sache in mangelfreien Zustand übersteigen würden.

Achtung: diese Totalverweigerung ist ab dem 01.01.2022 auf bei Verbrauchsgüterkäufen (Kaufvertrag über Ware zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher) möglich. Die Vorschrift des § 475 Abs. 4 BGB, die den Unternehmer bei unverhältnismäßig hohen Kosten beider Nacherfüllungsvarianten zu einer verpflichtete, ist ersatzlos gestrichen worden

10. Ist der Verkäufer berechtigt, die Kaufsache vom Käufer zur Überprüfung der Mängel herauszuverlangen?

Ja. Die Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs umfasst die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen (vgl. das Leiturteil des BGH vom 10.3.2010 – Az. VI ZR 310/08, siehe auch das Urteil des BGH vom 1.7.2015 – Az. VIII ZR 226/14). Dies ist ab dem 01.01.2022 auch in § 439 Abs. 5 BGB ausdrücklich festgelegt. Die Bereitschaft zur Untersuchung darf der Verkäufer dabei nicht davon abhängig machen, dass sich der Verkäufer mit der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung einverstanden erklärt.

11. Wo muss die Überprüfung erfolgen?

An welchem Ort die Überprüfung einer Kaufsache im Hinblick auf mögliche Mängel und damit möglicherweise einhergehende Nacherfüllungsansprüche zu erfolgen hat, ist im BGB nicht speziell geregelt worden.

Grundsätzlich gilt damit die allgemeine Vorschrift des § 269 Absatz 1 BGB, wonach die Leistung (der Nacherfüllung) zunächst grundsätzlich an dem Ort zu erfolgen hat, den die Kaufvertragsparteien hierfür vertraglich vereinbart haben. Fehlt es an einer solchen vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien, so ist derjenige Ort der Leistungsort (der Nacherfüllung), der sich aus der „Natur des Schuldverhältnisses“ ergibt. Folgt auch daraus nichts, so ist der Sitz des Schuldners der Leistungsort, also in diesem Fall der Sitz des Verkäufers. Aus diesen recht allgemein gehaltenen gesetzlichen Grundsätzen kann sich der juristische Laie im Einzelfall jedoch keinen Reim machen.

Auch die Rechtsprechung hat bislang nicht für endgültige Klarheit sorgen können. Der BGH nimmt für die Feststellung des Überprüfungs- und Erfüllungsortes der Nacherfüllung eine Einzelbetrachtung vor, d.h. er legt sich nicht von vornherein auf einen Ort fest, sondern stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab (vgl. etwa das Urteil des BGH vom 13.4.2011 – Az. VIII ZR 220/10, Urteil des BGH vom 19.12.2012 – Az. VIII ZR 96/12 und den Beschluss des BGH vom 16.4.2013 – Az. VIII ZR 67/12). Demnach soll etwa bei Einkäufen des täglichen Bedarfs in Ladengeschäften das jeweilige Ladengeschäft der Erfüllungsort für die Nacherfüllung sein (der Käufer muss den Gegenstand also wieder in das Geschäft bringen), während beispielsweise bei einem eingebauten Kaufgegenstand (wie etwa bei Fließen, die in einem Baumarkt gekauft und anschließend privat zu Hause im Badezimmer eingebaut worden sind) der Belegenheitsort der Kaufsache (also in diesem Fall: das Badezimmer des Käufers) der Nacherfüllungsort sein soll. Bei einem Neuwagen kann es auch das Autohaus sein (OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.1.2016 – Az. 5 U 49/15).

Diese Einzelbetrachtung des BGH wird von anderen Juristen stark kritisiert, vor allem deswegen, weil weder Käufer noch Verkäufer sich im Einzelfall sicher sein können, wer von beiden nun von der anderen Seite was fordern darf und was nicht. Daher gehen die meisten Juristen davon aus, dass stets der Belegenheitsort der Kaufsache der Erfüllungsort für die Nacherfüllungsansprüche sein muss, also stets der Ort, an dem sich die Kaufsache (bestimmungsgemäß) befindet.

Solange der BGH jedoch bei seiner Einzelbetrachtung bleibt und noch nicht der eigentlich in letzter Instanz zuständige EuGH darüber entschieden hat, kann nicht – zumindest nicht pauschal – gesagt werden, wo die Überprüfung stattzufinden hat.

12. Wer trägt die Kosten für die Einsendung und Überprüfung der vermeintlich mangelhaften Sache?

Die Kosten für die Einsendung und Überprüfung hat nach ständiger Rechtsprechung der Verkäufer zu tragen. 

13. Muss der Verkäufer auch dann die Kosten der Einsendung und Überprüfung der Kaufsache tragen, wenn ein gerügter Mangel gar nicht vorliegt?

Ergibt sich bei der Überprüfung einer als mangelhaft gerügten Kaufsache, dass ein Mangel nicht besteht oder bestanden hat oder auf gewöhnlichem Verschleiß oder unsachgemäße Behandlung durch den Käufer beruht, ist der Käufer dem Verkäufer zum Ersatz der Einsende- und Überprüfungskosten nach § 280 Absatz 1 BGB verpflichtet (vgl. das Urteil des LG Essen vom 27.04.2010, Az. 12 O 393/08). Dies gilt allerdings nur, solange der Käufer wusste oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass die Kaufsache nicht mangelhaft ist, sondern die Ursache für das, was er für den Mangel hält, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt.

Aber: Eine AGB-Klausel, durch die dem Käufer bereits im Vorfeld die Kosten für die Untersuchung der Kaufsache sowie weitere Maßnahmen für den Fall auferlegt werden, dass sich nach der Überprüfung kein relevanter Mangel herausstellt, ist unwirksam. Durch eine solche AGB-Klausel würde der Käufer unzulässig abgeschreckt, überhaupt Mängelansprüche geltend zu machen (so das Urteil des BGH vom 02.09.2010, Az. VII ZR 110/09).

Weitere Informationen können dem einschlägigen Beitrag der IT-Recht-Kanzlei entnommen werden.

14. Was geschieht, wenn die Überprüfung eines Einbauteils dazu führt, dass das gesamte Gerät vorübergehend nicht genutzt werden kann (Beispiel: Auto während einer Scheinwerferüberprüfung)?

Ein etwaige vorübergehender Nutzungsausfall des Autos muss der Käufer hinnehmen, kann aber im Zweifel einen Mangelfolgeschaden wegen der Unmöglichkeit der Nutzung geltend machen; dies ist aber nur möglich, wenn den Verkäufer ein Verschulden trifft (siehe dazu auch weiter unten die Rubrik „Schadensersatz“).

15. Ist der Verkäufer auch dann zur sofortigen Nacherfüllung verpflichtet, wenn der Käufer die Untersuchung verweigert?

Nein. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung die Gelegenheit zur Untersuchung der betroffenen Kaufsache und damit zur Überprüfung der geltend gemachten Ansprüche gegeben hat (vgl. das Urteil des BGH vom 19.12.2012 – Az. VIII ZR 96/12 und das Urteil des BGH vom 1.7.2015 – Az. VIII ZR 226/14).

Ein Beharren auf die vorherige Untersuchung durch den Verkäufer darf vom Käufer nicht als Verweigerung der Nacherfüllung, die zum sofortigen Rücktritt oder zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigen würde, gedeutet werden.

16. Beginnt im Fall der Reparatur oder Umtausch der Kaufsache die Gewährleistungsfrist von neuem (sog. Kettengewährleistung)?

Das kommt auf die weiteren Umstände an. Grundsätzlich lassen Umtausch (Nachlieferung) oder Reparatur (Nachbesserung) keine neue Gewährleistungsfrist entstehen (vgl. das Urteil des OLG Celle vom 20.06.2006, Az. 16 U 287/05).

Etwas anderes ergibt sich, wenn der Verkäufer seine Pflicht zur Nacherfüllung ausdrücklich oder stillschweigend anerkennt. In diesem Fall beginnt die Gewährleistungsfrist von vorne. Eine solche Anerkennung ist dem Verkäufer jedoch im Regelfall nicht nachzuweisen, es sei denn, er gesteht dem Käufer die Mangelhaftigkeit der Sache ausdrücklich zu oder man kann wegen der Höhe der Kosten, der Dauer der Reparatur oder sonstiger Umstände auf ein solches Anerkenntnis schließen (vgl. Urteil des OLG Frankfurt vom 25.08.2008, Az. 16 U 200/07). Alleine in der Übernahme der Überprüfungs- oder Gutachterkosten ist jedoch nicht zwingend ein solches stillschweigendes Anerkenntnis zu sehen (vgl. Urteil des OLG Naumburg vom 07.02.1995, Az. 1 U 125/94). Beruft sich der Verkäufer ausdrücklich darauf, lediglich aus Kulanz gehandelt zu haben, beginnt die Gewährleistungsfrist Frist nicht von neuem.

Der Zeitraum der Reparatur wird nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. In der Zeit ist die Frist nach §§ 203, 209 BGB gehemmt.

Mehr Informationen hierzu finden Sie auch in dem entsprechenden Beitrag der IT-Recht-Kanzlei. 

17. Kann der Käufer Kostenersatz vom Verkäufer verlangen, wenn er die Reparatur selbst durchführt oder durchführen lässt?

Grundsätzlich nicht. Im Gegenteil kann der Käufer, wenn er ohne Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist die Reparatur selbst vornimmt oder auf eigene Veranlassung durchführen lässt, seine Gewährleistungsansprüche verlieren. Immerhin soll dem Verkäufer die Chance gewährt werden, sich selbst und auf eigene Verantwortung um die Mangelfreiheit der Sache zu kümmern (vgl. hierzu das Leiturteil des BGH vom 23. 2. 2005, Az. VIII ZR 100/04).

Leistet der Verkäufer auf ein Nacherfüllungsbegehren des Käufers hin die Nacherfüllung jedoch nicht binnen angemessener Frist und lässt der Käufer die mangelhafte Ware erst im Anschluss hieran reparieren, ist der Verkäufer ihm zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet.

18. Was geschieht im Fall der Nachlieferung mit der mangelhaften Sache?

Liefert der Verkäufer eine mangelfreie Sache, muss er im Gegenzug die mangelhafte Sache zurücknehmen und die Herausgabe vom Käufer nach § 439 Absatz 6 BGB verlangen. Die Rücksendekosten hat dabei der Verkäufer zu tragen. 

19. Der Verkäufer hat nachgeliefert und der Käufer schickt die mangelhafte Sache zurück. Allerdings fehlt das Zubehör. Was nun?

Wird eine mangelhafte Sache nach erfolgreicher Nachlieferung durch den Käufer zurückgeschickt, muss diese grundsätzlich alle Komponenten enthalten, die beim ursprünglichen Erhalt der Kaufsache vom Lieferumfang umfasst waren.

Fehlen einige Dinge wie etwa Zubehör, so muss der Käufer für dieses nach Maßgabe des § 346 Absatz 2 Satz 1 BGB Wertersatz leisten.

20. Kann der Verkäufer bei der Nachlieferung die Herausgabe der Nutzungen oder Ersatz für die bisherige Nutzung der Sache vom Verbraucher verlangen?

Nein. Derartige Ansprüche bestehen zumindest bei Verbrauchergeschäften gemäß § 475 Absatz 3 Satz 1 BGB nicht. Diese Vorschrift schließt bei Verbrauchergeschäften den nach § 439 Abs. 6 BGB vorgesehenen Nutzungsersatz aus.

21. Gibt es Fälle, in denen der Verbraucher trotz des Fristablauferfordernisses andere Gewährleistungsansprüche unverzüglich ohne Fristlauf geltend machen kann?

Ja. Dies ist ab dem 01.01.2022 nach § 475d BGB (nur) dann möglich, wenn:

  • der Händler die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat
  • sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt
  • der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt bzw. Schadensersatz gerechtfertigt ist
  • der Händler die ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert hat oder
  • es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Händler nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

Andere gesetzliche Tatbestände, nach denen eine Fristsetzung entbehrlich sein kann (§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 440 BGB) finden ab dem 01.01.2022 bei Verbrauchsgüterkäufen keine Anwendung mehr.

22. Was geschieht, wenn die nachgelieferte Ware beim Transport verloren geht?

Verschickt der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine neue Sache an den Käufer und geht diese verloren, ist der Verkäufer nach Ansicht der IT-Recht-Kanzlei zur erneuten Nachlieferung verpflichtet.
In diesem Fall kann der Käufer jedoch nicht sofort den Kaufpreis zurückverlangen (aufgrund von Rücktritt oder im Rahmen des Schadensersatzes), es sei denn, der Verkäufer verweigert die erneute Nachlieferung nach Maßgabe des § 439 Absatz 4 BGB zu Recht wegen Unverhältnismäßigkeit oder die Kaufsache ist beim Transport des bereits zweiten Nacherfüllungsversuchs verloren gegangen.

Hintergrund ist, dass die Ausnahmetatbestände des Fristablaufserfordernisses nach § 475d Abs. 1 BGB nicht eingreifen, wenn der Verkäufer die Nachlieferung zwar vorgenommen hat, sie den Käufer aber wegen Umständen außerhalb der Sphäre des Verkäufers nicht erreicht.

Dem Verkäufer steht in den Fällen des Untergangs auf dem Transportweg jedoch in aller Regel ein Regressanspruch gegen das verantwortliche Versandunternehmen zu.

23. Wann gilt eine Frist zur Nacherfüllung als „angemessen“ im Sinne des Gesetzes?

Ab dem 01.01.2022 ist es nicht mehr erforderlich, dass der Verbraucher eine ausdrückliche Frist zur Nacherfüllung setzt.

Vielmehr muss der Verkäufer die Nacherfüllung von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist erbringen, § 475 Abs. 5 BGB.

Verstreicht eine solche Frist fruchtlos, kann der Verbraucher sofort den Rücktritt erklären oder Schadensersatz geltend machen, § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Es genügt ab dem 01.01.2022 also, dass der Verbraucher den Verkäufer zur Nacherfüllung auffordert. Bereits dadurch wird eine angemessene Frist in Gang gesetzt.

Die tatsächliche Dauer der Frist richtet sich dann nach den Umständen des Einzelfalls und hängt insbesondere davon ab, mit welchem Aufwand die Nacherfüllung für den Verkäufer verbunden ist. Anhaltspunkte können die Dauer der Suche nach der Ursache des Mangels oder Schwierigkeit sowie der zeitliche Aufwand der Beschaffung eines Ersatzteils sein. Im Streitfall hat das Gericht über die Angemessenheit zu entscheiden.

VI. Ansprüche des Käufers: Rücktritt, §437 Nr. 2 Alt. 1 BGB in Verbindung mit §§323, 346 BGB

1. Was bedeutet „Rücktritt“ im juristischen Sinne?

Durch den Rücktritt des Käufers wird der ursprüngliche Kaufvertrag in ein sogenanntes „Rückgewährschuldverhältnis“ umgewandelt, im Rahmen dessen der Käufer verpflichtet ist, die Kaufsache zurück an den Verkäufer zu geben, und der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis erstatten muss.

Vor der Schuldrechtsreform 2002 wurde der Rücktritt noch unter vergleichbaren gesetzlichen Voraussetzungen als „Wandelung“ bezeichnet.

2. Welche Voraussetzungen hat der gesetzliche Rücktritt?

Der Käufer kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorliegen:

a. Regelmäßig muss zunächst eine angemessene, vom Käufer gesetzte Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen sein, d. h. der Verkäufer muss nach der Meldung des Sachmangels durch den Käufer eine für die Nacherfüllung ausreichende Zeit untätig geblieben sein.

Daneben steht dem Käufer auch dann ein Rücktrittsrecht zu, wenn die Nacherfüllung gescheitert ist, d. h. wenn der Verkäufer bereits zwei Mal ohne Erfolg versucht hat, nachzuerfüllen (§ 440 S. 1, S. 2 BGB) . Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung in Form der Reparatur oder des Umtausches verweigert (§§ 323 Abs. 2 Nr. 1, 440. S. 1 BGB) oder die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist. Bei einem sog. Montagsauto, bei dem eine ganze Reihe verschiedener Mängel immer wieder auftritt, ist die Frage der Unzumutbarkeit nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (Urteil des BGH vom 23.1.2013 – Az. VIII ZR 140/12).

Achtung: Besonderheiten bei Verbrauchsgüterkäufen ab dem 01.01.2022

Liegt ein Verbrauchsgüterkauf (Kaufvertrag über Waren zwischen Unternehmer und Verbraucher vor), gelten für den Verbraucher ab dem 01.01.2022 besondere Privilegien:

Ab dem 01.01.2022 ist es nicht mehr erforderlich, dass der Verbraucher eine ausdrückliche Frist zur Nacherfüllung setzt.

Vielmehr muss der Verkäufer die Nacherfüllung von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist erbringen, § 475 Abs. 5 BGB.

Verstreicht eine solche Frist fruchtlos, kann der Verbraucher sofort den Rücktritt erklären, § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Ein Fristablauf ist ferner entbehrlich, wenn

  • sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt
  • der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist
  • der Händler die ordnungsgemäße Nacherfüllung (berechtigt oder unberechtigt) verweigert hat oder
  • es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Händler nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

Wann ein Mangel derart schwerwiegend ist, dass er zum sofortigen Rücktritt berechtigen soll, führt das Gesetz nicht aus und wird durch die Rechtsprechung zu konkretisieren sein.

Andere gesetzliche Tatbestände, nach denen eine Fristsetzung entbehrlich sein kann (§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 440 BGB) finden ab dem 01.01.2022 bei Verbrauchsgüterkäufen keine Anwendung mehr.

b. Weiter muss der Käufer gemäß § 349 BGB eine Rücktrittserklärung abgeben, d. h. er muss gegenüber dem Verkäufer irgendwie deutlich machen, dass er sich von dem Kaufvertrag wieder lösen will. Eine bestimmte Form ist hierfür nicht vorgesehen, d. h. die Erklärung kann etwa per E-Mail, Fax oder auch mündlich (z. B. telefonisch) erfolgen.

c. Letzte Voraussetzung ist, dass der Mangel nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist (Beispiel für einen unerheblichen Mangel: Bei einer Kommode fehlen zwei Schrauben zur Montur der Griffe). Ist der Mangel tatsächlich nur unerheblich, so kann der Käufer zwar nicht zurücktreten, allerdings den Kaufpreis mindern. Tut er dies, so muss ihm der Verkäufer einen entsprechenden Teil des Kaufpreises zurückerstatten. Haben Käufer und Verkäufer eine bestimmte Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, welche Eigenschaften die Kaufsache haben soll, so bedeutet das Fehlen dieser Eigenschaften nicht nur einen Sachmangel, sondern in der Regel auch dessen Erheblichkeit i.S.d. § 323 Abs. 5. S. 2 BGB (Urteil des BGH vom 6.2.2013 – Az. ZR VIII 374/11).

3. Bleibt beim Rücktritt das Wahlrecht des Käufers bezüglich der möglichen Gewährleistungsansprüche bestehen?

Nein, das Wahlrecht des Käufers fällt weg. Allerdings erhält der Käufer vom Verkäufer den vollständigen Kaufpreis zurück. Zudem hat der Käufer einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, den der Mangel bzw. die mangelhafte Kaufsache ggf. verursacht hat, wenn den Verkäufer ein Verschulden trifft. Nach § 325 BGB kann der Käufer auch neben dem Rücktritt weitergehenden Schadensersatz verlangen.

4. Kann der Verkäufer beim Rücktritt die Herausgabe der Nutzungen oder Ersatz für die bisherige Nutzung der Sache vom Verbraucher verlangen?

Anders als im Falle der Nachlieferung muss der Verbraucher im Falle des Rücktritts Wertersatz für die Nutzungen leisten. Dies gilt gemäß § 347 Absatz 1 Satz 1 BGB selbst dann, wenn er die Nutzungen tatsächlich nicht gezogen hat, aber hätte ziehen können.
Praktisch bedeutet dies, dass dem Verkäufer für die Zeit, in der die mangelhafte Sache vor dem Rücktritt des Käufers tatsächlich genutzt wurde, ein Anspruch auf Zahlung zusteht.

5. Wie ist ein solcher Nutzungsersatzanspruch zu berechnen?

Grundsätzlich variiert die Höhe des Anspruchs je nach Dauer der tatsächlichen Nutzung und der Höhe des gezahlten Kaufpreises. Auch die übliche Nutzungsdauer der Ware ohne Mangel ist dabei von Bedeutung und muss im Streitfalle ggf. von einem Gutachter ermittelt werden.

Es gilt folgende Formel:

wertersatz

Der Verkäufer kann den Rückzahlungsanspruch des Käufers nach § 398 BGB mit seinem eigenen Wertersatzanspruch verrechnen.

Beispiel: Der Käufer hat für 600 Euro eine Waschmaschine gekauft, die deren erwartete Nutzungsdauer 6 Jahre beträgt. Sechs Monate nach Erhalt der Maschine wäscht sie nicht mehr. Eine vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Reparatur läuft ergebnislos ab, so dass er den Rücktritt erklärt. Zum Zeitpunkt der Rückabwicklung hat der Käufer die Maschine exakt sechs Monate benutzt. Demnach hat der Verkäufer einen Anspruch auf Wertersatz in Höhe von (600 Euro x 0,5 Jahre) / (6 Jahre) = 50 Euro, mit dem er gegen den Rückerstattungsanspruch des Käufers in Bezug auf den Kaufpreis aufrechnen kann. Somit muss der Verkäufer dem Käufer nur noch 550 Euro zurückzahlen.

6. Wie verhält es sich, wenn der Käufer die Sache nicht oder nicht vollständig herausgeben kann?

Kann der Käufer die Sache nicht herausgeben, etwa weil die Sache vollkommen zerstört, verloren gegangen oder gestohlen worden ist, so ist er nach § 346 Absatz 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet. Dieser orientiert sich am Kaufpreis.

Wertersatz hat der Käufer grundsätzlich dann zu leisten, wenn:

a. die Rückgewähr wegen der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist (etwa bei Werk- oder Dienstleistungen wie z.B. einem Konzert bzw. den entsprechenden Konzerttickets)
b. er den empfangenen Gegenstand

- verbraucht
- veräußert, oder
- verarbeitet oder umgestaltet (z.B. beim Einbau)
hat, oder

c. der Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist.

Achtung: ein Verbraucher ist im Falle der Verschlechterung oder des Untergangs der Kaufsache aber nur dann zum Wertersatz verpflichtet, wenn er die Kaufsache in einem größeren Umfang tatsächlich genutzt hat, und nicht nur überprüft hat, welche Eigenschaften das Produkt hat und ob es ordnungsgemäß funktioniert. Dies muss im Streitfall der Verkäufer nachweisen.

Zudem muss der Verkäufer den Verbraucher bei oder unmittelbar nach Vertragsschluss auf diese Rechtsfolge und die Möglichkeit, dass und wie man sie vermeiden kann, hingewiesen haben.

7. Wie unterscheidet sich der Rücktritt vom Widerruf nach Fernabsatzrecht?

Das gewährleistungsrechtliche Rücktrittsrecht ermöglicht einen Rücktritt des Käufers per Gesetz immer nur unter den spezifischen, oben genannten Voraussetzungen, also insbesondere nur dann, wenn die Kaufsache mangelhaft ist.

Im Fernabsatzhandel (vor allem also beim E-Commerce, aber auch im Fall des Vertriebs über Versandhauskataloge und Tele-Shopping) steht dem Verbraucher aber das Recht zu, den geschlossenen Kaufvertrag grundlos (also ohne Vorliegen eines Mangels und auch ohne sonstige Begründung) sowie ohne Fristablauferfordernis zu widerrufen (allerdings ist das Widerrufsrecht selbst fristgebunden).

VII. Ansprüche des Käufers: Minderung des Kaufpreises, §437 Nr. 3 Alt. 2 in Verbindung mit §441 BGB

1. Was bedeutet „Minderung“?

Der Käufer kann im Fall der Mangelhaftigkeit der Kaufsache anstatt vom Kaufvertrag zurückzutreten und die Kaufsache zurückzugeben diese auch behalten und dafür den Kaufpreis mindern.

Dabei wird der Kaufpreis in dem Verhältnis herabgesetzt, in dem der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem Wert der mangelhaften Sache steht. Dies klingt kompliziert, ist jedoch anhand einer Faustformel recht einfach zu berechnen:

123

Mindert der Käufer den Kaufpreis, hat ihm der Verkäufer die Differenz aus tatsächlich gezahltem und gemindertem Kaufpreis zu erstatten.

Beispiel: Der Käufer kauft einen Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 700 Euro. Wie sich erst nach dem Vertragsschluss und nach der Übergabe herausstellt, hatte das Auto zu früheren Zeiten einen Unfall gehabt. Ohne den Unfall hätte das Auto einen Wert von 1.000 Euro, tatsächlich (mit Unfall) ist es jedoch nur 500 Euro wert. Der geminderte Kaufpreis berechnet sich nun wie folgt: (500 x 700) / (1.000) = 350 (Euro). Wenn nun der Käufer bereits den ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 700 Euro gezahlt hat, dann hat er nach Ausübung seines Minderungsrechts (eine Fristsetzung ist in diesem Fall nicht erforderlich, weil der Sachmangel irreparabel ist und somit auch nicht im Wege einer Reparatur – wegen des individuellen Charakters des Autos erst Recht nicht im Rahmen einer Nachlieferung – behoben werden kann) einen Rückerstattungsanspruch gegen den Verkäufer in Höhe von 350 Euro.

2. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Käufer den Kaufpreis mindern?

Die Minderung hat nach dem Gesetz dieselben Voraussetzungen wie der Rücktritt, mit dem Unterschied, dass die Minderung im Gegensatz zum Rücktritt auch dann möglich ist, wenn der Sachmangel unerheblich ist.

Somit ist eine Minderung ebenfalls nur dann möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder die Nacherfüllung (nach dem erfolglosen zweiten Versuch) endgültig gescheitert ist.

Achtung: Besonderheiten bei Verbrauchsgüterkäufen ab dem 01.01.2022

Liegt ein Verbrauchsgüterkauf (Kaufvertrag über Waren zwischen Unternehmer und Verbraucher vor), gelten für den Verbraucher ab dem 01.01.2022 besondere Privilegien:

Ab dem 01.01.2022 ist es nicht mehr erforderlich, dass der Verbraucher eine ausdrückliche Frist zur Nacherfüllung setzt.

Vielmehr muss der Verkäufer die Nacherfüllung von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist erbringen, § 475 Abs. 5 BGB.

Verstreicht eine solche Frist fruchtlos, kann der Verbraucher sofort die Minderung erklären § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 441 Abs. 1 BGB.

Ein Fristablauf ist ferner entbehrlich, wenn

  • sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt
  • der Mangel derart schwerwiegend ist, dass die sofortige Minderung gerechtfertigt ist
  • der Händler die ordnungsgemäße Nacherfüllung (berechtigt oder unberechtigt) verweigert hat oder
  • es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Händler nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

Wann ein Mangel derart schwerwiegend ist, dass er zur sofortigen Minderung berechtigen soll, führt das Gesetz nicht aus und wird durch die Rechtsprechung zu konkretisieren sein.

Andere gesetzliche Tatbestände, nach denen eine Fristsetzung entbehrlich sein kann (§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 440 BGB) finden ab dem 01.01.2022 bei Verbrauchsgüterkäufen keine Anwendung mehr.

Zudem erfolgt die Minderung ebenfalls durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Verkäufer (§ 441 Absatz 1 BGB) .

Beispiel: Der Käufer kauft ein gebrauchtes Fahrrad von privat. Entgegen der Vereinbarung mit dem Verkäufer funktioniert die Fahrradklingel jedoch nicht, weil sie „eingerostet“ ist. Der Käufer setzt dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Reparatur, die allerdings erfolglos verstreicht.

Zwar ist das Fahrrad mangelhaft im Sinne des Gesetzes, weil die Fahrradklingel nicht funktioniert. Allerdings handelt es sich um einen vergleichsweise unerheblichen Mangel, sodass der Käufer deswegen alleine nicht vom Kaufvertrag zurücktreten kann. Jedoch könnte er trotz der Unerheblichkeit des Mangels den Kaufpreis entsprechend mindern.

3. Was geschieht, wenn der Wert der mangelhaften Sache nicht oder nur mit großem Aufwand zu ermitteln ist?

In diesem Fall muss in einem Rechtsstreit vor Gericht das Gericht selbst die Minderung durch Schätzung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände ermitteln (so die gesetzliche Vorgabe aus § 441 Absatz 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 287 ZPO) .

4. Kann der Käufer auch dann den Kaufpreis mindern, wenn er schon zurückgetreten ist, oder zurücktreten, obwohl er schon gemindert hat?

Nein. Rücktritt und Minderung stehen nach § 441 Absatz 1 Satz 1 BGB in einem Exklusivitätsverhältnis, schließen sich also gegenseitig aus.

VIII. Ansprüche des Käufers: Schadensersatz, § 437 Nr. 3 BGB in Verbindung mit §§280, 281, 283 BGB

1. Muss ein Verkäufer immer für alle Schäden aufkommen, die eine von ihm verkaufte mangelhafte Kaufsache verursacht?

Nein. Schadensersatzansprüche des Käufers im Falle eines Mangels der Kaufsache bestehen nur, wenn der Verkäufer den Sachmangel zu vertreten hat, insbesondere wenn er vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 276 BGB gehandelt oder eine (verschuldensunabhängige) Garantie übernommen hat. Allerdings vermutet das Gesetz nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Verkäufer den Schaden zu vertreten hast, sodass der Verkäufer nachweisen muss, dass ihm im Einzelfall gerade kein Verschulden zur Last fällt und auch keine Garantie zu Gunsten des Käufers greift.

Somit ist der Schadenersatzanspruch das einzige Mängelrecht, das Verschulden des Verkäufers voraussetzt – Nacherfüllung, Rücktritt und Minderung sind im Gegensatz hierzu auch dann möglich, wenn der Verkäufer den Mangel überhaupt nicht zu vertreten hat.

2. Hat der Verkäufer dem Käufer Kosten zu ersetzen, die durch eine mangelhafte Lieferung entstehen (z. B. Betriebsausfallschaden)?

Ja, jedoch nur, wenn dem Verkäufer hierfür ein Verschulden zur Last liegt.

Entstehen dem Käufer nachweislich Kosten bzw. Schäden dadurch, dass eine gelieferte Ware mangelhaft ist, ist der Verkäufer schadensersatzpflichtig – und zwar unabhängig davon, ob der Käufer (zusätzlich) nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung Schadensersatz für die mangelhafte Sache selbst verlangen kann.

Im B2B-Bereich ist dieser Schadensersatzanspruch besonders wichtig, wenn beispielsweise eine mangelhafte Maschine für einen Betriebsausfallschaden sorgt. Aber auch bei Verbrauchern kann dies eine Rolle spielen.

Beispiel: Ein Verbraucher kauft in einem Elektronikfachmarkt eine Kaffeemaschine. Die Kaffeemaschine verursacht daraufhin wegen eines Kurzschlusses einen Zimmerbrand in der Wohnung des Verbrauchers, der zu einem größeren Sachschaden führt. Da der Defekt beim Hersteller bereits bekannt geworden war, hatte dieser zuvor den Verkäufer ausdrücklich darauf hingewiesen, die Kaffeemaschinen aus dem Sortiment zu nehmen und auf keinen Fall weiterhin zu verkaufen. Da den Verkäufer somit ein Verschulden trifft, muss er für den durch den Zimmerbrand entstandenen Sachschaden nach §§ 437 Nr. 3, 280 Absatz 1 BGB aufkommen. Eine Frist muss hier nicht ablaufen, da sie in dieser Konstellation sinnlos ist.

Diesen Anspruch auf Schadensersatz kann der Käufer auch ohne Fristablauf geltend machen, da sich der Anspruch nicht auf die Mangelhaftigkeit der Sache, sondern nur auf die Konsequenzen des Mangels bezieht.

3. Ein Sachmangel wirkt sich schädigend auf eine andere Sache oder ein Rechtsgut (Gesundheit; körperliche Unversehrtheit) aus. Wer haftet für einen solchen Mangelfolgeschaden?

Mangelfolgeschäden sind Schadenseinschläge, die durch die Mangelhaftigkeit der Kaufsache an einer anderen Sache oder einem sonstigen Rechtsgut des Käufers entstehen. Mangelfolgeschäden muss der Verkäufer dann ersetzen, wenn er nicht beweisen kann, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat (vgl. § 280 Absatz 1 BGB) , insbesondere, dass ihn diesbezüglich keinerlei Verschulden trifft.

Beruht der Schaden allerdings nachweislich auf einer unsachgemäßen Handhabung durch den Käufer und somit nicht auf dem Mangel der Kaufsache, ist ein Anspruch auf Schadensersatz schon allein deshalb ausgeschlossen, weil der Mangel nicht ursächlich für den Schaden gewesen ist.

4. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Käufer den Kaufpreis in Form von Schadensersatz herausverlangen?

Bei einem mangelbedingten, auf die Kaufpreisrückzahlung gerichteten Schadensersatz handelt es sich um einen „Schadensersatz statt der ganzen Leistung“. Der Käufer möchte anstelle der Leistung seine gesamte Gegenleistung zurück.

Ein derartiger Ersatzanspruch des Käufers setzt voraus, dass dieser dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder die Nacherfüllung bereits endgültig gescheitert ist.

Achtung: Besonderheiten bei Verbrauchsgüterkäufen ab dem 01.01.2022

Liegt ein Verbrauchsgüterkauf (Kaufvertrag über Waren zwischen Unternehmer und Verbraucher vor), gelten für den Verbraucher ab dem 01.01.2022 besondere Privilegien:

Ab dem 01.01.2022 ist es nicht mehr erforderlich, dass der Verbraucher eine ausdrückliche Frist zur Nacherfüllung setzt.

Vielmehr muss der Verkäufer die Nacherfüllung von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist erbringen, § 475 Abs. 5 BGB.

Verstreicht eine solche Frist fruchtlos, kann der Verbraucher sofort Schadensersatz geltend machen, §§ 475d Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 280 Abs.1, Abs. 3, 281 BGB.

Ein Fristablauf ist ferner entbehrlich, wenn

  • sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt
  • der Mangel derart schwerwiegend ist, dass er den sofortigen Schadensersatz rechtfertigt
  • der Händler die ordnungsgemäße Nacherfüllung (berechtigt oder unberechtigt) verweigert hat oder
  • es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Händler nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

Wann ein Mangel derart schwerwiegend ist, dass er zur sofortigen Schadensersatzforderung berechtigen soll, führt das Gesetz nicht aus und wird durch die Rechtsprechung zu konkretisieren sein.

Andere gesetzliche Tatbestände, nach denen eine Fristsetzung entbehrlich sein kann (§ 281 Abs. 2, 440 BGB) finden ab dem 01.01.2022 bei Verbrauchsgüterkäufen in Bezug auf den Schadensersatz keine Anwendung mehr.

Zudem muss der Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Sache zu vertreten haben, diese also in aller Regel zumindest fahrlässig verschuldet haben.

Hierfür ist der Verkäufer beweispflichtig. Dies bedeutet, er muss nachweisen, dass ihn gerade kein Verschulden trifft. Gelingt ihm dies nicht, so vermutet das Gesetz, dass ein Verschulden des Verkäufers vorliegt.

5. Wie verhält es sich, wenn Angestellte des Verkäufers den Sachmangel herbeiführen. Hat der Verkäufer dies zu vertreten?

Zu Lasten des Verkäufers wird gemäß § 278 BGB das Verhalten von Angestellten (sog. Erfüllungsgehilfen) dem Verkäufer zugerechnet. Machen also Angestellte des Verkäufers einen Fehler, verursachen sie etwa einen Mangel an der Kaufsache, und trifft sie dabei ein Verschulden, dann verhält es sich nach dem Gesetz so, als habe der Verkäufer selbst gehandelt. Letztlich haftet so der Verkäufer für die Fehler und das Verschulden seiner Angestellten.

6. Hat der Verkäufer einen Sachmangel auch dann zu vertreten, wenn er letztlich dem Versandunternehmen zuzuschreiben ist?

Ja, zumindest beim Verbrauchsgüterkauf. Dort muss der Verkäufer gemäß § 475 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 447 BGB für das Verschulden des Versandunternehmens einstehen. Ist somit zwischen dem Verkäufer und dem Verbraucher ein Versand der Kaufsache an den Verbraucher vereinbart, schuldet der Verkäufer dem Verbraucher die Übergabe der mangelfreien Kaufsache und hat auch ein Verschulden eines unabhängigen Transportunternehmens (z. B. DHL, Hermes, UPS etc.) zu vertreten.

7. Muss der Käufer die mangelhafte Sache nach Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs herausgeben?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es kommt zum einen darauf an, um welche Art von Schadensersatz es geht. Geht es nur um einen Schaden, den die mangelhafte Kaufsache an anderen Dingen des Käufers verursacht hat, so muss der Käufer das mangelhafte Produkt nicht zurückgeben.

Beispiel: In einer fabrikneuen Waschmaschine sind Chemikalienrückstände enthalten, die nach ordnungsgemäßer Inbetriebnahme durch den Käufer im ersten Waschgang Schäden an dessen Kleidung verursacht. Hier kann der Käufer die Waschmaschine behalten, wenn er lediglich den Schaden an der Kleidung ersetzt bekommen möchte – etwa wenn die Waschmaschine nun nach einer fachgerechten Reinigung im Rahmen einer Reparatur oder durch Auswaschung von ganze alleine mangelfrei geworden ist.

Zum anderen hängt die Pflicht des Käufers zur Rückgabe der mangelhaften Kaufsache davon ab, ob der Käufer sie behalten und daher im Rahmen des Schadensersatzes lediglich den Wertunterschied zwischen dem mangelhaften und einem mangelfreien Produkt ausgeglichen bekommen möchte.

Begehrt der Käufer jedoch – etwa nach einem teureren Deckungskauf – sog. Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 BGB bzw. nach § 283 BGB, so muss er die mangelhafte Kaufsache dem Verkäufer nach § 281 Absatz 5 BGB bzw. nach §§ 283, 281 Absatz 5 BGB zurückgeben.

Es spricht viel dafür, dass diese Rückgabepflicht des Käufers mit einer Rücknahmepflicht des Verkäufers auch beim Schadensersatz statt der Leistung korrespondiert, der Verkäufer die Rückgabe der mangelhaften Sache also nicht verweigern kann. Es liegt insofern eine Analogie zu dem ab dem 01.01.2022 geltenden § 439 Abs. 6 Satz BGB nahe.

Beispiel: Der Käufer kauft ein Radio des Typs XY vom Hersteller Z beim Verkäufer für 30 Euro. Zu Hause gibt das Gerät jedoch keinen Ton von sich. Eine angemessene Frist zur vom Käufer begehrten Nacherfüllung läuft erfolglos ab. Daraufhin erwirbt der Käufer das Radio desselben Typs und Herstellers in einem anderen Geschäft für 40 Euro. Verschulden des Verkäufers vorausgesetzt, muss dieser dem Käufer nun die 40 Euro (statt der ursprünglichen 30€ in Höhe des Kaufpreises) bezahlen. Der Käufer muss dem Verkäufer das Radio zurückgeben und der Verkäufer muss es auch tatsächlich zurücknehmen.

8. Die Nacherfüllung verzögert sich, es wurde aber kein fester Termin vereinbart. Hat der Käufer einen Anspruch auf Schadensersatz?

Ja, wenn ihm durch die Verzögerung nachweislich ein Schaden entstanden ist (Verzögerungsschaden). Allerdings muss der Käufer gegenüber dem Verkäufer zunächst eine Mahnung aussprechen. Hierfür genügt eine Aufforderung zur sofortigen Lieferung.

Einen Verzögerungsschaden nach §§ 280 Absatz 1, Absatz 2, 286 BGB kann der Käufer neben einem etwaigen Schadensersatz für die mangelhafte Sache selbst geltend machen. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht jedoch gemäß § 286 Absatz 4 BGB nicht, wenn der Verkäufer beweisen kann, dass er die Verzögerung der Nacherfüllung nicht zu vertreten hat, ihn also für die Verzögerung insbesondere kein Verschulden trifft. Hat der Verkäufer dem Käufer die pünktliche Nacherfüllung – etwa im Rahmen einer Garantieerklärung – garantiert, so muss er den Verzögerungsschaden des Käufers auch dann begleichen, wenn ihn ansonsten kein Verschulden trifft.

9. Die Nacherfüllung verzögert sich trotz eines vereinbarten Termins. Hat der Käufer einen Anspruch auf Schadensersatz?

Ja, sofern ihm durch die Verzögerung der Nacherfüllung ein Schaden entstanden ist (Verzögerungsschaden).

Ist ein fester Termin für die Nacherfüllung zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart worden, so kann der Käufer den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens sofort geltend machen. Gemäß § 286 Absatz 2 Nr. 1 BGB braucht er den Verkäufer dann nicht erst zu mahnen.

Ein Schadensersatzanspruch des Käufers scheidet jedoch gemäß § 286 Absatz 4 BGB auch dann aus, wenn der Verkäufer beweisen kann, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat.

Beispiel: Der Käufer kauft am Montag ein Fahrrad. Zu Hause stellt er fest, dass die Bremsen nicht einwandfrei funktionieren, da die Bremsklötze nicht montiert worden sind. Er bringt das Fahrrad daher am nächsten Tag beim Verkäufer vorbei und fordert ihn dazu auf, dass Fahrrad bis zum Freitag zu reparieren. Als der Käufer das Fahrrad am Freitag wie vereinbart abholen will, muss er feststellen, dass das Fahrrad noch vollkommen unangetastet geblieben ist.

Nun muss der Verkäufer dem Käufer Schadensersatz für die Verzögerung der Nacherfüllung zahlen, etwa für die Kosten der Tram-Fahrkarten, die der Käufer nun aufwenden muss, um statt mit dem Fahrrad mit der Tram zur Arbeit zu kommen – allerdings nur, wenn der Verkäufer die fehlende Reparatur zum vereinbarten Zeitpunkt zu vertreten hat, so z. B. wenn er einfach keine Lust hatte, das Fahrrad zu reparieren.

Anders sieht es aus, wenn dem Verkäufer kein Verschulden zur Last liegt, beispielsweise wenn die Bremsklötze gegenwärtig nicht geliefert werden können. Dann muss er keinen Schadensersatz leisten.

IX. Die Gewährleistung im Händler-Händler- oder Hersteller-Händler-Verhältnis (Unternehmerregress), §§ 445a, 445 b, 478 BGB

1. Was ist unter „Unternehmerregress“ zu verstehen?

Der Unternehmerregress nach §§ 445a, 445b, 478 BGB soll verhindern, dass die Sachmängelhaftung des Letztverkäufers gegenüber dem Verbraucher im Ergebnis zu Lasten des Letztverkäufers geht, obwohl der Mangel der Kaufsache bereits bei Übergabe durch den Lieferanten an den Letztverkäufer vorhanden war.

In einem solchen Fall kann der Unternehmer als Letztverkäufer auf seinen Lieferanten zurückgreifen und somit in der Lieferkette gegenüber dem Lieferanten die gleichen Rechte wie der Verbraucher geltend machen, nämlich:

  • Nacherfüllung
  • Rücktritt oder Minderung des Einkaufspreises vom Lieferanten sowie
  • Schadensersatz

Bisher waren die Vorschriften über den Unternehmerregress allein dem Untertitel über den "Verbrauchsgüterkauf" zugeordnet. Die Rückgriffsmöglichkeit in der Lieferkette war nach dieser Systematik auf Fälle beschränkt, in denen am Ende ein Verbrauchsgüterkauf stand.

Die Neuregelung des Gewährleistungsrechts 2018 hat aber einen Teil der Rückgriffsregeln in das allgemeine Kaufrecht verschoben. Dies bedeutet, dass ein Unternehmerregress nun bei jedem beliebigen Kaufvertrag am Ende der Lieferkette möglich ist.

Damit soll ein Ausgleich für Unternehmer geschaffen werden, die sich nach der Neuregelung des § 439 BGB massiv erhöhten Kostenrisiken im Mangelfall konfrontiert sehen, da nun auch die Ein- und Ausbaukosten ersatzfähig sind. Die durch die Mängel entstandenen Kosten sollen, nach Willen des Gesetzberbers, nach Möglichkeit bis zu dem Unternehmer durchgereicht werden, bei dem der Mangel am Produkt entstanden ist.

Grundsätzlich gelten nun die in §§ 445a ff BGB enthaltenen Regelungen für den Unternehmerregress für alle Arten von Kaufverträgen, wohingegen die Regelungen aus § 478 BGB nur auf Lieferketten anwendbar sind, an deren Ende ein Verbrauchsgüterkauf steht. Im Folgenden wird explizit darauf hingewiesen, wenn die Anwendbarkeit einer Regelung einen Verbrauchsgüterkauf am Ende der Lieferkette erfordert.

Wichtig: Die hier dargestellten Grundsätze des Unternehmerregresses gelten nur im Falle des Verkaufs von Neuwaren, nicht auch bei Gebrauchtwaren. Auch gelten die folgenden Ausführungen nur für den Verkauf von Waren (§ 241a BGB) ohne digitale Elemente.

Über die ab dem 01.01.2022 geltenden Vorschriften für den Unternehmerregress bei
Waren mit digitalen Elementen und bei digitalen Produkten können Leser sich hier informieren.

2. Kann der Letztverkäufer den sofortigen Ersatz der entstandenen Kosten verlangen, oder ist auch hier das Setzen einer Frist zur Nacherfüllung erforderlich?

Das Erfordernis der Fristsetzung gegenüber dem Lieferanten entfällt für den Letztverkäufer gemäß § 445a Abs. 2 BGB dann, wenn:

a. er die Sache infolge ihrer Mangelhaftigkeit vom Verbraucher zurücknehmen musste, weil

  • der Verbraucher die Nachlieferung verlangt hat und der Verkäufer die mangelhafte Sache nach § 439 Absatz 6 BGB zurückgenommen hat,
  • der Verbraucher zurückgetreten ist und die mangelhafte Sache daher nach § 346 BGB zurückgegeben hat, oder
  • der Verbraucher Schadensersatz für die Sache verlangt hat und die mangelhafte Sache in der Folge gemäß § 281 Absatz 5 BGB zurückgegeben hat.

b. oder der Verbraucher den Kaufpreis nach § 441 BGB gemindert hat.

In diesen Fällen ist der Letztverkäufer berechtigt, ohne Fristsetzung vom Lieferanten unmittelbar Ersatz der Aufwendungen geltend zu machen, die ihm gegenüber dem Verbraucher entstanden sind.

Wichtig dabei ist: der Letztverkäufer muss die Sache nicht schon tatsächlich zurückgenommen oder zurückerhalten haben. Es genügt, dass der Verbraucher entsprechende Gewährleistungsansprüche bereits geltend gemacht hat und die Rückabwicklung daher noch bevorsteht.

3. Wer muss beweisen, dass der Mangel schon bei Übergabe an den Letztverkäufer vorhanden war?

Grundsätzlich muss dies der Letztverkäufer beweisen.

Allerdings greift die Beweislastumkehr des § 477 BGB innerhalb der ab dem 01.01.2022 geltenden Jahresfrist auch in diesem Fall. Dies hat zur Folge, dass nach § 478 Absatz 1 BGB von Gesetzes wegen vermutet wird, dass der Mangel der Kaufsache schon bei Übergabe durch den Lieferanten an den Letztverkäufer vorhanden war, wenn seit Übergabe der Kaufsache an den Verbraucher noch kein Jahr vergangen ist.

Beispiel: Ein Verbraucher kauft beim Letztverkäufer am 1. Januar einen Stepper, der am 08. Januar geliefert wird. 11 Monate später, also am 08. Dezember, macht der Verbraucher gegenüber dem Letztverkäufer einen Sachmangel geltend. Dieser besteht darin, dass der Stepper trotz sachgemäßen Gebrauchs an einer Stelle durchgebrochen ist. Man ist sich einig, dass dies ein Mangel der Kaufsache darstellt. Die Rückgabe des Steppers an den Letztverkäufer verzögert sich etwas, sodass der Letztverkäufer den Stepper am 08. Januar des Folgejahres vom Verbraucher zurückerhält. Im Zuge der gemeinsamen Abwicklung von ähnlichen Regressansprüchen schickt der Letztverkäufer den defekten Stepper zwei Monate später, also erst am 08. März des Folgejahres, zu seinem Lieferanten (zurück).

Für die Regeressansprüche des Letztverkäufers ist es irrelevant, dass der Lieferant nun erst 14 Monate nach der Übergabe der Kaufsache an den Verbraucher (durch den Letztverkäufer) von deren Mangel erfahren hat. Es kommt alleine darauf an, dass der Mangel sich innerhalb eines Jahres im Verhältnis zwischen dem Verbraucher und dem Letztverkäufer gezeigt hat. In diesem Fall vermutet das Gesetz, dass der Mangel nicht nur bei der Übergabe der Kaufsache vom Letztverkäufer an den Verbraucher, sondern auch bei der Lieferung an den Letztverkäufer vorhanden war.

Beachte: Die Regelung des § 478 Absatz 1 BGB über die Geltung der Beweislastumkehr gilt weiterhin nur dann, wenn am Ende der Lieferkette ein Verbrauchsgüterkauf steht.

4. Muss der Lieferant dem Letztverkäufer auch die Nebenkosten der Nacherfüllung (Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten etc.) ersetzen?

Ja, sofern der Mangel der Kaufsache bereits bei Gefahrübergang an ihn vorgelegen hat (so § 445a Absatz 1 BGB) .

5. Muss der Lieferant dem Letztverkäufer auch die Ein- und Ausbaukosten der mangelhaften Kaufsache ersetzen?

Ja. Seit dem 01.01.2018 sind auch die Ein- und Ausbaukosten, die der Letztverkäufer im Wege der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB zu tragen hat, gemäß § 445 a Absatz 1 BGB vom Lieferanten zu ersetzten, sofern der Mangel der Kaufsache bereits bei Gefahrübergang an ihn vorgelegen hat. Dies hatte der BGH im B2B-Bereich in den vergangenen Jahren abgelehnt.

6. Was gilt, wenn der "Letztverkäufer" die mangelhafte Sache im Rahmen eines Werkvertrages bei einem Verbraucher einbaut (z.B. Handwerker baut mangelhaftes Material ein)?

Beispiel: Ein Händler kauft bei einem Hersteller Parkettplanken (Kaufvertrag 1). Dieser verkauft die Planken an einen Handwerker (Kaufvertrag 2), der diese bei einem Verbraucher einbaut (Werkvertrag). Später stellt sich heraus, dass die Parkettplanken bereits bei der Lieferung an den Händler mangelhaft waren.

Nach früherer Rechtslage stand dem Verbraucher zwar ein Anspruch aus dem Werkvertragsrecht auf Mangelbeseitigung zu, der auch den Ein- und Ausbau der mangelhaften Sache umfasste. Allerdings war es dem Handwerker verwehrt, Regress beim Händler zu nehmen. Der Wortlaut § 478 BGB a.F. (heute § 445 a BGB) spricht nur von der Regressmöglichkeit eines "Verkäufers". Der Handwerker ist jedoch selbst Werkunternehmer.

Der seit 2018 geltende § 439 Absatz 3 BGB löst dieses Problem nun endlich. Demnach hat der Käufer, der die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat, bevor der Mangel offenbar wurde, einen Ersatzanspruch bezüglich der erforderlichen Aufwendungen des Ein- und Ausbaus der mangelhaften Sache. Daraus ergibt sich nun folgende Regresskette:

Werkvertrag: Anspruch Verbraucher gegen Handwerker aus § 635 BGB auf Lieferung neuer Parkettplanken inkl. Ausbau der mangelhaften Planken und Einbau der mangelfreien Ware

Kaufvertrag 2: Regressanspruch Handwerker gegen Händler aus § 439 Absatz 3 BGB auf Lieferung neuer Parkettplanken inkl. Ersatz der Kosten für den Ausbau der mangelhaften Planken und Einbau der mangelfreien Ware

Kaufvertrag 1: Regressanspruch Händler gegen Hersteller aus § 445 a Absatz 1 BGB auf Lieferung neuer Parkettplanken inkl. Ersatz der Kosten für den Ausbau der mangelhaften Planken und Einbau der mangelfreien Ware

7. Wie verhält es sich in einer Lieferkette (Hersteller → Lieferant → Letztverkäufer → Verbraucher) mit den Regressansprüchen?

Ein Rückgriff auf den jeweiligen Verkäufer nach Maßgabe der §§ 445a, 478 BGB ist gemäß § 478 Absatz 3 BGB zwischen allen Verkäufern in der Lieferkette möglich, die Unternehmer im Sinne des BGB sind.

Macht der Verbraucher Mängelansprüche gegenüber dem Letztverkäufer geltend, kann dieser auf seinen Lieferanten zurückgreifen, sofern die Sache schon bei der Übergabe durch diesen mangelhaft gewesen ist. War die Sache bereits bei der Lieferung durch den Hersteller an den Lieferanten mangelhaft, kann der Lieferant wiederum entsprechend den Hersteller in Regress nehmen. Gibt es weitere Zwischenhändler, so gilt für diese entsprechend dasselbe.

8. Kann ein Lieferant oder ein Zwischenhändler die Regressansprüche des Abnehmers ausschließen?

Durch eine wirksame AGB-Klausel oder eine sonstige individuelle Vertragsvereinbarung kann ein Lieferant die Regressansprüche seines Abnehmers grundsätzlich ausschließen.

Aber Achtung: Steht am Ende der Veräußerungskette ein Verbrauchsgüterkauf schränkt das Gesetz in § 478 Absatz 2 BGB die Möglichkeit des Ausschlusses des Regresses allerdings ein.

Demnach ist eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung nur dann zulässig, wenn der jeweilige Abnehmer einen „gleichwertigen Ausgleich“ für den Ausschluss seiner Regressansprüche erhält. Ein solcher „gleichwertiger Ausgleich“ kann etwa in einer pauschalierten Abwicklung bzw. einem pauschalierten Ersatzanspruch für die Aufwendungen in Gewährleistungsfällen liegen.

9. Wann verjähren die Regressansprüche?

Die Aufwendungsersatzansprüche nach § 445 a Absatz 1 BGB verjähren grundsätzlich gemäß § 445 b Absatz 1 BGB innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung der Kaufsache durch den Lieferanten an den Letztverkäufer (bzw. durch den Hersteller an den Lieferanten etc.).

Allerdings verjähren die Regressansprüche gemäß § 445 b Absatz 2 Satz 1 BGB in jedem Fall frühestens zwei Monate nach Erfüllung der Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers durch den Letztverkäufer (sog. Ablaufhemmung). Mit dieser Zusatzregelung will das Gesetz verhindern, dass die Regressansprüche des Letztverkäufers bereits dann verjährt sind, wenn der Verbraucher die Kaufsache noch nicht einmal erhalten hat – etwa weil die Kaufsache recht lange bei einem Zwischenhändler gelagert worden ist. Der Letztverkäufer soll nach der Erfüllung der Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers noch – zwei Monate lang – genügend Zeit haben.

Eine weitere Bestimmung, nach der die Ablaufhemmung des Verjährungseintritts nicht vor Ablauf von 2 Monaten nach Erfüllung der Gewährleistungsansprüche durch den Letztverkäufer spätestens 5 Jahre nach Ablieferung der Sache durch den Lieferanten beim Letztverkäufer endet, fällt ab dem 01.01.2022 ersatzlos weg und gilt dann nicht mehr.

10. Gelten zwischen Unternehmern besondere Vorschriften, die einen Regress ausschließen können?

Ja. Insbesondere ist die sog. Rügeobliegenheit des Kaufmanns aus § 377 HGB auch auf den Unternehmerregress anwendbar. Stellt der Kauf von Waren somit ein Handelsgeschäft dar (dient der Kauf also beispielsweise dem Weiterverkauf – an andere Händler oder Verbraucher), so muss der Käufer – wenn er Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs ist – die Ware unverzüglich, dies bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, nach der Ablieferung durch den Verkäufer untersuchen und etwaige Mängel anzeigen. Unterlässt er dies, verliert er gegenüber dem Verkäufer seine Ansprüche auf Gewährleistung und Regress.

Kaufleute im Sinne des HGB gelten dabei stets als Unternehmer im Sinne des BGB.

11. Was gilt, wenn ein vom Käufer anzuzeigender Mangel nicht offensichtlich ist?

Kann die Mangelhaftigkeit der Ware auch bei ordnungsgemäßer Untersuchung durch den Käufer nicht entdeckt werden (etwa, wenn die Ware hierfür zerlegt und damit beschädigt werden müsste), ist der Mangel nach § 377 Absatz 3 HGB unverzüglich nach dessen späterer Entdeckung vom Kaufmann anzuzeigen. Dabei gilt jedoch ebenfalls eine zweijährige Verjährungsfrist.

12. Wie verhält es sich bei großen Mengen gleichartiger Waren? Muss jedes einzelne Produkt untersucht werden?

Bei größeren Mengen gleichartiger Waren genügt eine stichprobenartige Untersuchung, sofern diese repräsentativ ist und in ausreichender Menge vorgenommen wird (vgl. hierzu das Urteil des BGH vom 20.04.1977, Az. VIII ZR 141/75).

Nach ständiger Rechtsprechung genügt bei gleichartigen Waren in aller Regel eine Untersuchung einer Menge von 10 % der Waren.

13. Muss auch originalverpackte Ware, die zur Weitergabe in verpacktem Zustand an weitere Händler oder den (End-)Verbraucher bestimmt ist, untersucht werden?

Nein. In diesem Fall wird von der Untersuchungs- und Rügepflicht abgesehen, sofern der verkaufende Lieferant weiß, dass der Käufer nur als Zwischenhändler fungiert.

14. Ist der Unternehmerregress auch beim Verkauf von Gebrauchtwaren von Bedeutung?

Nein. Werden zwischen Unternehmern Gebrauchtwaren verkauft, gelten die normalen Gewährleistungsansprüche des Kaufrechts. Dies bedeutet insbesondere, dass der Letztverkäufer sich – sofern der letzte Abnehmer ein Verbraucher ist - nicht zu seinen Gunsten auf die Beweislastumkehr des § 478 Abs. 1 BGB berufen kann.

Macht also der Verbraucher gegenüber dem Letztverkäufer einen Mangel geltend, kann dieser sich zwar seinerseits an den Lieferanten halten. Nur gelten in diesem Fall die normalen Regelungen des Kaufrechts und vor allem auch die allgemeinen Beweisgrundsätze: der Letztverkäufer muss dann gegenüber seinem Lieferanten beweisen, dass die Kaufsache zum Zeitpunkt der Übergabe an ihn bereits mangelhaft war. Dies dürfte in vielen Fällen nicht nur schwierig, sondern unmöglich sein. 

X. Musterformulierungen

Zum 01.01.2022 wird das Verbrauchergewährleistungsrecht in Teilen reformiert. Neue Vorschriften wie eine zeitliche Ausweitung der Beweislastumkehr, eine Rücknahmepflicht für mangelhafte Sachen im Gewährleistungsfall und neue Ausnahmen von der Fristsetzung bei Rücktritt und Schadensersatz sorgen für eine Ausweitung von Verbraucherrechten und unternehmerischen Pflichten.

1. Muster zu typischen Konfliktsituationen im Gewährleistungsrecht

Damit Mandanten auch ab Januar 2022 rechtskonform und zuverlässig auf Verbraucherbelange im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsrecht reagieren können, hat die IT-Recht Kanzleidie Muster für typische Konfliktsituationen des Mängelrechts aktualisiert und stellt Mandanten hier im Mandantenportal ab sofort folgende Versionen nach der neuen Rechtslage zur Verfügung.

  • Ablehnung der Gewährleistung wegen Entsorgung des Artikels durch Kunden
  • Ablehnung der Gewährleistung da Fehlfunktion/ Schaden durch Fremdeinwirkung bzw. Manipulation verursacht
  • Ablehnung der Gewährleistung wegen Verjährung
  • Ablehnung der Gewährleistung wegen Mängelrüge nach mehr als einem Jahr
  • Bitte um Einsendung zwecks Mängelprüfung und Hinweis auf Konsequenz der Untätigkeit
  • Bitte um Einsendung zwecks Mängelprüfung und Hinweis auf die Tragung der Hin- und Rücksendekosten (und evtl. der Mangelprüfungskosten) durch den Kunden, wenn ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen vorliegt
  • Ergebnislose Mängelprüfung - Ablehnung von Rechtspflichten und Aufforderung zur Rücknahme des Artikels
  • Bitte um Rückgewähr der Mangelware als Voraussetzung der Ersatzlieferung und Hinweis auf Konsequenz der Untätigkeit
  • Verweigerung der Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit / Ersatzangebot
  • Verweigerung der gewählten Nachbesserung wegen Unverhältnismäßigkeit bei grundsätzlicher Anerkennung der Mängelhaftung
  • Nachlieferung aus Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht
  • Rückgabeverlangen der mangelhaften Sache nach der Nachlieferung
  • Ablehnung der Haftung für behauptete Mangelfolgeschäden wegen beachteter Sorgfalt

Die Muster sind hier abrufbar.

2. Muster zum Unternehmerregress

Zusätzlich stellt die IT-Recht Kanzlei Mandanten zwei aktualisierte Muster für den Unternehmerregress (s. IX in diesem Beitag) bereit, die hier im Mandantenportal abrufbar sind.

Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle: Pixel-Shot / shutterstock.com

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2 Kommentare

I
IT-Recht Kanzlei 03.02.2022, 10:55 Uhr
Frage an Frau Hessmann
Hallo Frau Hessmann,
danke für Ihren Kommentar!
Könnten Sie uns bitte noch die Fundstelle des von Ihnen erwähnten Textbausteins mitteilen. Wir würden die Stelle dann ggf. korrigieren.
M
Monika Hessmann 03.02.2022, 09:10 Uhr
Update der Textbausteine
Hallo, wurden die Textbausteine bereits aktualisiert? Ich sehe, dass es den Textbaustein "Ablehnung der Gewährleistung wegen Mängelrüge nach mehr als 6 Monaten" immer noch gibt, allerdings beträgt die Beweislastumkehr inzwischen 12 Monate.

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