Ab 01.01.2022: Neue Vorgaben für Verkauf von Mängelexemplaren an Verbraucher
Am 01.01.2022 tritt in Deutschland das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags in Kraft, welches u. a. auch neue Anforderungen für den Verkauf von Mängelexemplaren an Verbraucher enthält. Insoweit wird künftig eine ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung zwischen Händler und Verbraucher erforderlich sein. Welche Auswirkungen dies auf den Online-Handel hat, beleuchten wir im nachfolgenden Beitrag.
Grundsatz: Mängelrechte des Verbrauchers auch bei Kenntnis des Sachmangels
Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen sieht das neue Kaufrecht eine entscheidende Änderung vor, wenn der Verbraucher bei Abschluss des Kaufvertrags mit dem Händler weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass die Kaufsache einen Sachmangel hat.
Bislang galt auch in diesen Fällen, dass dann die kaufrechtlichen Mängelrechte des Verbrauchers grundsätzlich ausgeschlossen sind (§ 442 BGB) . Künftig wird dies aber anders sein, da diese Vorschrift nicht mehr auf Verbrauchgüterkaufverträge Anwendung finden wird (§ 475 Abs. 3 S. 2 BGB-NEU). Ein Verbraucher kann somit künftig grundsätzlich in dem Wissen, dass die Kaufsache mangelhaft ist, den Kaufvertrag abschließen und anschließend dennoch vom Händler wegen des Mangels Nacherfüllung verlangen und sonstige kaufrechtliche Sachmängelrechte geltend machen.
Dies hat insbesondere Auswirkungen auf den Verkauf von Mängelexemplaren, seien es neue oder gebrauchte Artikel, an Verbraucher.
Ausnahme: Gesonderte Vereinbarung über die Mangelhaftigkeit
Insoweit sieht § 476 Abs. 1 BGB-NEU künftig die Möglichkeit vor, dass von den objektiven Anforderungen nach § 434 Absatz 3 oder § 475b Absatz 4 (bei Waren mit digitalen Elementen) vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden kann, wenn
- der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und
- die Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
Im Erwägungsgrund (36) zur Richtlinie (EU) 2019/771 heißt es hierzu:
"Um für ausreichende Flexibilität der Vorschriften zu sorgen, beispielsweise im Hinblick auf den Verkauf von gebrauchten Waren, sollten die Parteien die Möglichkeit haben, von den in dieser Richtlinie vorgesehenen objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit abzuweichen. Eine solche Abweichung sollte nur möglich sein, wenn der Verbraucher eigens davon unterrichtet wurde und wenn er ihr gesondert von anderen Erklärungen oder Vereinbarungen und durch sein aktives und eindeutiges Verhalten zugestimmt hat."
Mit anderen Worten: Wird der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung über einen konkreten Mangel in Kenntnis gesetzt und wird dieser Zustand ausdrücklich und gesondert vereinbart, so kann der Verbraucher diesen Zustand später nicht mehr als Mangel rügen.
Praktische Umsetzung im Online-Handel mit Verbrauchern
Will ein Online-Händler künftig defizitäre Produkte verkaufen und verhindern, dass sich ein Verbraucher unter Geltung des neuen Mangelbegriffs wegen dieser Defizite auf Gewährleistungsrechte berufen kann, muss der Verbraucher eigens von Abweichungen in Kenntnis gesetzt werden und die Abweichung muss vertraglich ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.
1) Eigens in Kenntnis Setzen
Für das eigens in Kenntnis Setzen ist nach der Gesetzesbegründung, S. 42 erforderlich, dass die Abweichung von den objektiven Anforderungen (also ein Defizit der Kaufsache) besonders hervorgehoben wird.
Es genügt nicht, die negative Abweichung lediglich als eines von mehreren Produktmerkmalen darzustellen.
Ausreichend dürfte aber eine räumliche Trennung von sonstigen Produktinformationen mit graphischer Hervorhebung etwa in einer separaten Info-Box bzw. einem Textfeld auf der Produktdetailseite sein.
2) Ausdrückliche Vereinbarung
Gestalterisch schwieriger umzusetzen ist die „ausdrückliche Vereinbarung“. Ein bloßer Hinweis auf Warendefizite genügt nicht mehr.
Vielmehr soll nach gesetzgeberischer Vorstellung eine ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers in die negative Beschaffenheitsabweichung eingeholt werden.
Hierbei kommen nach unserer derzeitigen Auffassung zwei Lösungswege in Betracht:
Lösungsweg 1 (Bestätigung auf der finalen Bestellseite im Checkout)
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Fazit
Am 01.01.2022 tritt in Deutschland das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags in Kraft, welches u. a. auch neue Regelungen zur Nacherfüllung bei Kaufverträgen enthält. Die gesetzlichen Änderungen haben auch massive Auswirkungen auf den Online-Handel. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Verkauf von Mängelexemplaren, seien es neue oder gebrauchte Artikel, an Verbraucher.
Insoweit werden Online-Händler künftig eine ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung mit dem Verbraucher treffen müssen, damit dieser den konkreten Mangel nach Vertragsschluss nicht mehr wird rügen können. Dies in der Praxis rechtskonform umzusetzen stellt eine große Herausforderung dar. In unserem Beitrag zeigen wir hierzu zwei denkbare Lösungswege auf. Möglicherweise werden aber wieder einmal die Gerichte klären müssen, wie entsprechende Vereinbarungen zu treffen sind, da das Gesetz gerade im Hinblick auf die praktische Umsetzung keine konkreten Hinweise liefert.
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4 Kommentare
Mit den gesetzlichen Anforderungen wird die Nachhaltigkeit jedoch eher ausgehebelt und noch mehr brauchbare Güter werden auf dem Müll landen. Für viele Gebrauchtwarenhändler dürfte dies das AUS bedeuten.