EuGH: In Werbung für energieverbrauchsrelevante Produkte ist stets auch Spektrum der Effizienzklassen anzugeben
Energieverbrauchsrelevante Produkte unterliegen diversen Kennzeichnungspflichten nicht nur in Angeboten, sondern auch in der Werbung. So schreibt eine EU-Rahmenverordnung für die Werbung sowohl die Angabe der Effizienzklasse als auch die Benennung des verfügbaren Effizienzklassenspektrums vor. Dabei verweist die Bestimmung für die korrekte Umsetzung auf die jeweilige produktspezifische Kennzeichnungsverordnung. Ist die Nennung des Effizienzspektrums aber auch bei Fehlen von Umsetzungsvorgaben in einer solchen spezifischen Verordnung erforderlich? Dazu positionierte sich nun der EuGH für Haushaltsbacköfen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Ausgangslage: Die Energieverbrauchskennzeichnung in der Werbung
- II. Der Sachverhalt
- III. Die Entscheidung des EuGH
- 1.) Pflicht zur Angabe des Spektrums selbst bei Fehlen von Anforderungen in produktspezifischer Kennzeichnungsverordnung
- 2.) Handlungsspielraum bei der Werbekennzeichnung
- IV. Fazit und Zusammenfassung
I. Ausgangslage: Die Energieverbrauchskennzeichnung in der Werbung
Für diverse Haushaltsgeräte mit umweltrelevantem Energieverbrauch sieht das EU-Recht besondere Informationspflichten über die energetische Effizienz für den Handel vor.
Der Umfang der Pflichten differenziert dabei nach der konkreten Maßnahme der geschäftlichen Kommunikation.
In der Werbung gelten weniger umfangreiche Anforderungen, in konkreten Angeboten erweiterte Pflichten.
Die Kennzeichnungsanforderungen haben ihre rechtliche Grundlage einerseits in Art. 5 und 6 der EU-Kennzeichnungsrahmenverordnung 1369/2017 und andererseits in produktspezifischen Kennzeichnungsverordnungen, welche den Pflichtumfang und die Umsetzung konkretisieren.
Nach Art. 5 der EU-Rahmenverordnung haben Händler für Angebote die Regelungen der produktspezifischen Kennzeichnungsverordnungen zur Darstellung des Effizienzetiketts und des Produktdatenblattes zu befolgen.
Nach Art. 6 lit. a der EU-Rahmenverordnung müssen Lieferanten und Händler dahingegen in jeder Werbung
- zum einen die konkrete Energieeffizienzklasse und
- zum anderen das Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen
nach Maßgabe der jeweiligen spezifischen Kennzeichnungsverordnung erlassen.
Problematisch ist nun, dass produktspezifische Kennzeichnungsverordnungen mit Vorgaben zur Darstellung des Effizienzspektrums in der Werbung nur für folgende Produktkategorien existieren:
- elektronische Displays
- kommerzielle Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion
- Haushaltsgeschirrspüler
- Haushaltskühlgeräte
- Haushaltswaschmaschinen und Trockner
- Lichtquellen
Nach diesen Verordnungen muss in der Werbung ein Pfeil in der Farbe der einschlägigen Effizienzklasse angeführt werden, der die konkrete Effizienzklasse in Weiß im Zentrum und das Spektrum in Weiß am nicht zugespitzten Pfeilende darstellt.
Hintergrund ist, dass die spezifischen Rechtsakte für die genannten Produktkategorien im Jahre 2019 reformiert wurden und im Lichte der Rahmenverordnung von 2017 konkrete Bestimmungen zur Spektrumsangabe enthalten.
Für andere Produktkategorien existieren reformierte Kennzeichnungsverordnungen aber noch nicht. Vielmehr gelten hier nach wie vor solche, die sich aufgrund ihres Alters zur Angabe des Spektrums der Effizienzklassen in der Werbung nicht positionieren.
Betroffen sind unter anderem:
- Haushaltsbacköfen und Dunstabzugshauben
- Einzelraumheizgeräte
- Raumheizgeräte, Temperaturregler, Solareinrichtungen
Im Lichte dieser Divergenz fällte der EuGH nun ein Grundsatzurteil und entschied, ob die Pflicht zur Benennung des Effizienzspektrums in der Werbung auch dann zu beachten ist, wenn eine spezifische Kennzeichnungsverordnung keine Regelungen der konkreten Umsetzung enthält.
II. Der Sachverhalt
Der deutsche Möbelhändler „Roller“ bewarb auf seiner Website unter anderem einen Haushaltsbackofen, der nur mit der einschlägigen Energieeffizienzklasse, nicht aber mit dem Spektrum der verfügbaren Klassen gekennzeichnet war.
Ein Wettbewerbsverband rügte das Fehlen der gleichzeitigen Angabe des Spektrums der verfügbaren Effizienzklassen gemäß Art. 6 lit. a der EU-Kennzeichnungsrahmenverordnung Nr. 1369/2017 und sah hierin einen Wettbewerbsverstoß.
Nach erfolgloser Abmahnung erhob der Verband Klage auf Unterlassung vor dem LG Bochum.
Roller als Beklagte hielt den Vorwürfen entgegen, dass eine Angabe des Effizienzspektrums für Backöfen nicht verpflichtend sei.
Immerhin sei nach Art. 6 lit. a der Rahmenverordnung auf das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nur gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt (= der produktspezifischen Kennzeichnungsverordnung) hinzuweisen.
Für Haushaltsbacköfen existiere aber noch kein reformierter Rechtsakt, der auch die spezifischen Anforderungen der Spektrumsbenennung regele, sondern nur die ältere Kennzeichnungsverordnung Nr. 65/2014.
Diese äußere sich zum Ob der Angabe eines Effizienzspektrums in der Werbung aber nicht, weil die Rahmenverordnung erst später erlassen wurde.
Insofern sei schon dem Wortlaut der Vorschrift davon auszugehen, dass die Pflicht zur Angabe des Effizienzspektrums entfalle, wenn eine spezifische Kennzeichnungsverordnung aufgrund ihres Alters dazu keine besonderen Regelungen treffe.
Das LG Bochum sah die EU-rechtliche Auslegungsrelevanz der rechtlichen Thematik, setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH am 23.11.2022 zur Vorabentscheidung die Fragen vor, ob
- für Haushaltsbacköfen und Dunstabzugshauben in der Werbung das Spektrum der Effizienzklassen anzugeben sei, selbst wenn die produktspezifische Kennzeichnungsverordnung dazu keine Regelungen enthalte und
- falls ja, wie diese Verpflichtung in Ermangelung konkreter Umsetzungskriterien zu erfüllen sei.
III. Die Entscheidung des EuGH
Mit Beschluss vom 05.10.2023 (Az. C‑761/22) traf der EuGH die Grundsatzentscheidung, dass in der Werbung das Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen auch dann zu benennen sei, wenn eine spezifische Kennzeichnungsverordnung dazu keine Umsetzungsvorgaben enthalte.
1.) Pflicht zur Angabe des Spektrums selbst bei Fehlen von Anforderungen in produktspezifischer Kennzeichnungsverordnung
Die Verpflichtung zur Benennung des Spektrums ergebe sich unmittelbar aus Art. 6 lit. a der EU-Rahmenverordnung 1369/2017. Die in der Vorschrift ebenfalls in Bezug genommenen produktspezifischen Verordnungen könnten nur präzisieren, in welcher Weise die Benennung vorgenommen werden muss.
Der Verweis auf die spezifischen Kennzeichnungsverordnungen sei aber kein Rechtsgrund-, sondern ein bloßer Rechtsfolgenverweis.
Dies bedeute, dass in Ermangelung von Vorgaben zur Spektrumsangabe in einer spezifischen Kennzeichnungsverordnung diese Pflicht nicht entfalle.
Die Pflicht zur Angabe des Spektrums der Effizienzklassen in der Werbung setze insofern nicht voraus, dass sie in einer spezifischen Kennzeichnungsverordnung präzisiert werde.
Sie komme vielmehr immer dann uneingeschränkt zur Anwendung, wenn überhaupt eine produktspezifische Verordnung gelte, selbst wenn diese zur konkreten Umsetzung der Spektrumsbenennung keine Umsetzungsvorgaben enthalte.
2.) Handlungsspielraum bei der Werbekennzeichnung
Enthalte eine produktspezifische Verordnung Vorgaben zur Angabe des Effizienzspektrums nicht, stehe dem Werbenden ein größerer Umsetzungsspielraum zu.
Dabei sei aber stets sicherzustellen, dass die Information nach Art und Größe gut sichtbar und lesbar auf dem Trägermaterial der Werbung erscheine.
Werde eine graphische Darstellung in Farbe gewählt, so seien die typischen Farben der einschlägigen Skala und der einschlägigen Effizienzklasse zu respektieren.
Werde hingegen eine Darstellung in Textform gewählt, so könne auf das Spektrum etwa wie folgt hingewiesen werden:
Die Energieeffizienzklasse dieses Modells/Produkts ist [einschlägiger Buchstabe] innerhalb eines Spektrums von [erster Buchstabe] bis [letzter Buchstabe].
IV. Fazit und Zusammenfassung
Die EU-Rahmenverordnung 1369/2017 verpflichtet Lieferanten und Händler, in der Werbung für energieverbrauchsrelevante Produkte neben der konkreten Effizienzklasse auch das Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen zu benennen.
Für die konkrete Umsetzung dieser Pflicht verweist die Bestimmung auf die einschlägige produktspezifische Kennzeichnungsverordnung.
Für eine Reihe von Produktkategorien existieren aber noch Kennzeichnungsverordnungen mit älterem Datum, die keine Umsetzungshinweise zur Nennung des Effizienzspektrums enthalten.
Mit Beschluss vom 05.10.2023 (Az. C‑761/22) stellte der EuGH nun klar, dass ein Fehlen von Umsetzungsvorgaben in einer produktspezifischen Kennzeichnungsverordnung die Pflicht zur Nennung des Effizienzspektrums in der Werbung nicht entfallen lasse.
Selbst wenn eine spezifische Verordnung die Angabe des Spektrums nicht aufgreife, sei diese in der Werbung verpflichtend.
Betroffene Händler und Lieferanten haben in diesem Fall – mangels konkreter Umsetzungsvorgaben – lediglich einen größeren Spielraum bei der Gestaltung, müssen aber sicherstellen, dass die Pflichtinformation nach wie vor gut sichtbar und lesbar sei.
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