Final Countdown: Diese Änderungen im Gewährleistungsrecht erwarten Online-Händler zum 01.01.2022
Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "IT-Recht-Kanzlei stellt an das Kaufrecht 2022 angepasste, deutschsprachige AGB und Datenschutzerklärungen zur Verfügung!"
Zum 01.01.2022 wird das Kaufrecht in bestimmten Teilen reformiert. Auch das Gewährleistungsrecht mit Rechten und Pflichten von Händlern und Verbrauchern bei Sachmängeln ist von bestimmen Änderungen betroffen. Was sich im Bereich der Mängelhaftung gegenüber Verbrauchern zum Jahreswechsel (für normale Waren ohne digitale Elemente) konkret ändert, zeigt die IT-Recht Kanzlei hier auf.
Inhaltsverzeichnis
- I. Wesentliche Änderungen im Gewährleistungsrecht für Händler ab 2022
- 1.) Neuer Mangelbegriff
- 2.) Neue Anforderungen beim Verkauf von Mängelexemplaren
- 3.) Neue Voraussetzungen für Gewährleistungsverkürzungen bei Gebrauchtwaren
- 4.) Erweiterung der Mängelvermutung auf 1 Jahr
- 5.) Neue Verjährungshemmungen für Mängelansprüche
- 6.) Rücknahmepflicht für mangelhafte Ware bei Nacherfüllung
- 7.) Keine Fristsetzung mehr nötig
- 8.) Neue Ausnahmen vom Fristablauferfordernis
- 9.) Gesetzliches Recht des Händlers zur Mängelprüfung
- II. FAQ der IT-Recht Kanzlei zum Gewährleistungsrecht
- III. Für Mandanten: neue Gewährleistungsmuster für 2022
I. Wesentliche Änderungen im Gewährleistungsrecht für Händler ab 2022
Zum 01.01.2022 kommen auf Händler, die (normale) Waren ohne digitale Elemente verkaufen, 9 (neun) gesetzliche Neuerungen zu.
1.) Neuer Mangelbegriff
Ab dem 01.01.2022 ändern sich die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Sachmangels.
Künftig wird der Mangelbegriff untereilt in objektive, subjektive und Montageanforderungen.
Ein Sachmangel kann bereits dann vorliegen, wenn ein Produkt von nur einem dieser Anforderungsbereiche abweicht.
2.) Neue Anforderungen beim Verkauf von Mängelexemplaren
Zur Jahreswende schafft der Gesetzgeber neue Voraussetzungen für den Ausschluss einer Gewährleistung für Mängelexemplare.
Bisher galt, dass ein Verbraucher Mängelrechte wegen Fehlern im Produkt, die er bereits bei Vertragsschluss kannte, per se nicht geltend machen konnte.
Informierte also ein Händler, vor allem beim Verkauf von Mängelexemplaren, über vorhandene Defekte hinreichend auf der Produktdetailseite, konnten Verbraucher sich im Nachhinein nicht darauf berufen.
Das wird so ab dem 01.01.2022 nicht mehr funktionieren.
Fortan setzt ein Ausschluss der Gewährleistung für bereits vorhandene Mängel voraus, dass
- der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von der Soll-Beschaffenheit abweicht, und
- die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde
Wird eine dieser Anforderungen nicht umgesetzt, stehen dem Verbraucher Mängelrechte auch für solche Mängel zu, die ihm wegen einer Information des Händlers bei Vertragsschluss schon bekannt waren.
Online-Händler, die Mängelexemplare verkaufen, müssen daher ab dem 01.01.2022 besondere Vorkehrungen treffen.
Eine Anleitung mit Musterformulierung dafür stellt die IT-Recht Kanzlei hier bereit.
3.) Neue Voraussetzungen für Gewährleistungsverkürzungen bei Gebrauchtwaren
Bislang konnten Online-Händler für Gebrauchtwaren die Frist für die Mängelhaftung auf ein Jahr durch eine entsprechende Klausel in ihren AGB verkürzen.
Dies wird ab dem 01.01.2021 nicht mehr möglich sein.
Eine Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist für Gebrauchtwaren von 2 Jahren auf 1 Jahr ist künftig nur noch dann wirksam, wenn
- der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde, und
- die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
Online-Händler, die Gebrauchtwaren verkaufen und den Gewährleistungszeitraum rechtskonform einschränken wollen, müssen künftig im Checkout eine neue technische Einstellung vornehmen.
Was genau zu tun und wie zu formulieren ist, zeigt die IT-Recht Kanzlei hier auf.
4.) Erweiterung der Mängelvermutung auf 1 Jahr
Bei Verbrauchsgüterkäufen (Verträgen zwischen Händler und Verbrauchern über die Lieferung von Waren) greift zur Erleichterung der Durchsetzung von Mängelansprüchen eine gesetzliche Vermutung ein.
Derzeit gilt: zeigt sich innerhalb von 6 Monaten ab der Lieferung an den Verbraucher ein Mangel, wird vermutet, dass dieser bzw. seine Ursache bereits ab der Lieferung vorhanden war und dem Verbraucher mithin Gewährleistungsansprüche zustehen. Um sich einer Gewährleistungspflicht zu entziehen, muss der Händler aktiv das Gegenteil beweisen.
Ab dem 01.01.2022 wird der Vermutungszeitraum auf ein Jahr erhöht und ein Mangel zugunsten des Verbrauchers vermutet, wenn der sich innerhalb eines Jahres ab Lieferung zeigt.
Beim Alten bleibt alles nur bei lebenden Tieren. Wegen deren besonderen Eigenschadenspotenzials gilt hier die Vermutungswirkung weiterhin nur 6 Monate
Beispiel: Ein Verbraucher kauft bei einem Online-Händler einen Fernseher. 10 Monate nach der Lieferung meldet sich der Verbraucher beim Händler und macht Mängelrechte geltend, da das Gerät nicht funktioniere. Nun muss der Händler beweisen, dass der Fernseher zum Zeitpunkt der Übergabe an den Verbraucher mangelfrei war. Dies dürfte ihm nicht gelingen, es sei denn der mangelhafte Fernseher hat etwa Schäden, die unzweideutig auf eine unsachgemäße Behandlung durch den Verbraucher schließen lassen.
5.) Neue Verjährungshemmungen für Mängelansprüche
Beim Verkauf von Waren verjähren Gewährleistungsansprüche grundsätzlich innerhalb von 2 Jahren ab Ablieferung der Sache.
Zugunsten von Verbrauchern werden zum 01.01.2022 aber zwei Tatbestände eingeführt, die diese Verjährungsfrist hemmen können.
Die neuen Hemmungstatbestände gelten für Fälle, in denen sich ein Mangel erst gegen Ende der Gewährleistungsfrist zeigt. Hier sollen Verbraucher nicht an den starren Ablauf der zweijährigen Frist gebunden sein.
So gilt fortan bei Verbrauchsgüterkäufen, dass die Verjährung – wenn sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist (praktisch erst gegen Ende) gezeigt hat – nicht vor dem Ablauf von 4 Monaten ab dem Auftreten des Mangels eintritt.
Eine weitere Hemmung wird es derart geben, dass die Verjährung – wenn der Verbraucher die Ware zur Nacherfüllung dem Händler oder auf dessen Geheiß einem Dritten übergeben hat – nicht vor Ablauf von zwei Monaten eintritt, nachdem der Verbraucher die nachgebesserte oder ersetzte Ware zurückerhält.
6.) Rücknahmepflicht für mangelhafte Ware bei Nacherfüllung
Ab dem 01.01.2022 werden Händler gesetzlich verpflichtet, die mangelhafte Ware nach Ersatzlieferung oder Reparatur vom Verbraucher auch tatsächlich – auf ihre Kosten – zurückzunehmen.
Bisher hatten Händler nur das Recht, die Mangelware zurückzuverlangen, mussten das aber nicht tun.
Dies hatte zur Folge, dass Verbraucher teilweise die Entsorgungslast aufgebürdet bekamen und gerade größere Händler gegenüber kleinen einen Vorteil hatten, weil sie finanziell auf Rücknahmen verzichten und sich so den Aufwand sparen konnten.
Zum Jahreswechsel wird nun eine allgemeine Rücknahmepflicht für Mangelware nach geleisteter Nacherfüllung eingeführt. Kosten für die Rücknahme trägt der Händler.
7.) Keine Fristsetzung mehr nötig
Liegt ein Gewährleistungsfall vor, steht dem Verbraucher primär das Recht auf Nacherfüllung zu.
Um sich auf andere Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz statt der Leistung) berufen zu können, musste der Verbraucher bislang eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen und deren fruchtloses Verstreichen abwarten.
Dieses Fristsetzungserfordernis fällt ab dem 01.01.2022 weg.
Fortan muss der Verbraucher von sich aus keine angemessene Frist zur Nacherfüllung mehr setzen, es muss nur noch eine angemessene Frist tatsächlich ablaufen.
Weiß ein Händler also künftig vom Nacherfüllungsbegehren des Verbrauchers, muss er von sich aus tätig werden und nicht auf eine fristgebundene Aufforderung des Verbrauchers warten.
8.) Neue Ausnahmen vom Fristablauferfordernis
Nach neuem Kaufrecht 2022 kann der Verbraucher sekundäre Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) schon dann geltend machen, wenn eine angemessene Nacherfüllungsfrist tatsächlich abläuft. Er muss sie nicht mehr explizit setzen.
Auf einen Fristablauf muss der Verbraucher ab dem 01.01.2022 aber nicht immer warten.
Der Gesetzgeber hat nämlich neue Kriterien eingeführt, nach denen anstelle der Nacherfüllung Rücktritt, Minderung und Schadensersatz sofort geltend gemacht werden können.
Das ist künftig der Fall, wenn
- sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt
- der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist
- der Händler die ordnungsgemäße Nacherfüllung (berechtigt oder unberechtigt) verweigert hat oder
- es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Händler nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird
9.) Gesetzliches Recht des Händlers zur Mängelprüfung
Bislang war nur durch die Rechtsprechung anerkannt, dass Händler das Recht haben, vor der Nacherfüllung die Zurverfügungstellung der scheinbar mangelhaften Sache für eine Mängelprüfung zu verlangen.
Dieses Mängelprüfrecht des Händlers dient insbesondere auch dazu, die gesetzliche Mängelvermutung zugunsten von Verbrauchern (bislang 6 Monate, ab Januar 2022 ein Jahr ab Lieferung) zu entkräften.
Inhaltlich ändert sich am Mängelprüfrecht zwar nichts. Sie wird aber zum 01.01.2022 in einem neuen § 439 Abs. 5 BGB gesetzlich verankert.
II. FAQ der IT-Recht Kanzlei zum Gewährleistungsrecht
Detaillierte FAQ mit allen praxisrelevanten Problemstellungen des neuen Gewährleistungsrecht und vielen Anwendungsbeispielen stellt die IT-Recht Kanzlei hier zur Verfügung.
III. Für Mandanten: neue Gewährleistungsmuster für 2022
Damit Mandanten auch ab Januar 2022 rechtskonform und zuverlässig auf Verbraucherbelange im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsrecht reagieren können, hat die IT-Recht Kanzleidie Muster für typische Konfliktsituationen des Mängelrechts aktualisiert und stellt Mandanten hier im Mandantenportal ab sofort folgende Versionen nach der neuen Rechtslage zur Verfügung.
- Muster: Ablehnung der Gewährleistung wegen Entsorgung des Artikels durch Kunden
- Muster: Ablehnung der Gewährleistung, da Fehlfunktion/ Schaden durch Fremdeinwirkung bzw. Manipulation verursacht
- Muster: Ablehnung der Gewährleistung wegen Verjährung
- Muster: Ablehnung der Gewährleistung wegen Mängelrüge nach mehr als einem Jahr
- Muster: Bitte um Einsendung zwecks Mängelprüfung und Hinweis auf Konsequenz der Untätigkeit
- Muster: Bitte um Einsendung zwecks Mängelprüfung und Hinweis auf die Tragung der Hin- und Rücksendekosten (und evtl. der Mangelprüfungskosten) durch den Kunden, wenn ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen vorliegt
- Muster: Ergebnislose Mängelprüfung - Ablehnung von Rechtspflichten und Aufforderung zur Rücknahme des Artikels
- Muster : Bitte um Rückgewähr der Mangelware als Voraussetzung der Ersatzlieferung und Hinweis auf Konsequenz der Untätigkeit
- Muster: Verweigerung der Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit / Ersatzangebot
- Muster: Verweigerung der gewählten Nachbesserung wegen Unverhältnismäßigkeit bei grundsätzlicher Anerkennung der Mängelhaftung
- Muster: Nachlieferung aus Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht
- Muster: Rückgabeverlangen der mangelhaften Sache nach der Nachlieferung
- Muster: Ablehnung der Haftung für behauptete Mangelfolgeschäden wegen beachteter Sorgfalt
Die Muster sind hier abrufbar.
Sie sind noch kein Mandant der IT-Recht Kanzlei?
Gerne können Sie sich hier über unsere Schutzpakete für Webseiten, Handelsplattformen, Shopsysteme und Social Media Präsenzen informieren.
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