Bewerbung von Lebensmitteln mit "Low Carb" unzulässig?
Aktuell werden Online-Händler abgemahnt, die Lebensmittel vertreiben und diese mit der Angabe "Low Carb" bewerben. Warum diese Werbung tatsächlich problematisch ist, betroffene Händler sich aber dennoch sehr genau überlegen sollten, ob sie eine Unterlassungserklärung abgeben, beleuchtet die IT-Recht Kanzlei in ihrem aktuellen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- I. Bewerbung von Lebensmittel mit "Low Carb" = in der Regel wettbewerbswidrig
- 1. "Low Carb" ist eine nährwertbezogene Angabe
- 2. Nährwertbezogene Angaben müssen grundsätzlich im Anhang der HCVO aufgeführt sein
- 3. "Low Carb" nicht im Anhang der HCVO aufgeführt
- 4. Fazit: Aussage "Low Carb" ist unzulässig
- II. Fallstricke bei Abgabe einer Unterlassungserklärung, wenn (auch) auf Amazon verkauft wird
- 1. Anhängen an fremde Angebote mit "Low Carb-Werbung
- 2. Nachträgliche Anpassung der Artikelbeschreibung eigener Angebote bzw. von Angeboten, denen man „anhängt“
- 3. Verschmelzung von Angeboten durch Amazon
- 4. Amazon.de selbst sitzt es gerne aus
- 5. Texte der Hersteller als Falle
Update vom 20.02.2019:
Wie wir erst kürzlich erfahren haben, hatte das LG München I bereits am 08.05.2018 im Rahmen einer Gerichtsverhandlung (Az. 1 HK O 1318/18) folgende Rechtsauffassung zum Thema "Low Carb" geäußert:
"Die Vorsitzende weist darauf hin, dass die streitgegenständliche Werbung auf dem Flyer von (...) für das "low carb Müsli" keine nährwetbezogene Angabe im Sinne des Art. 8 HCVO darstellt, sondern nur eine Bezeichnung, die ein Produkt im Rahmen eines allgemeinen Ernährungstrends bewirbt. Es kommt nicht auf die korrekte grammatikalische Übersetzung an, sondern darauf, wie die angesprochenen Verkehrskreise "low carb" verstehen."
Dies geht aus einem Protokoll der Verhandlung vom 08.05.2018 zum o. a. Aktenzeichen hervor, welches uns in Kopie vorliegt.
In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte ein Wettbewerbsverband einen Online-Händler auf Unterlassung verklagt, da dieser mit der Bezeichnung "Low Carb" für ein Lebensmittel geworben hatte. Auf Empfehlung des Gerichts nahm der klagende Verband seine Klage aufgrund der vorgenannten Rechtsauffassung des Gerichts zurück. Zu einem Endurteil kam es daher nicht.
Nach unserer Kenntnis sind derzeit zahlreiche Abmahnungen in Umlauf, die sich auf die Auffassung stützen, dass die Bezeichnung "Low Carb" im Zusammenhang mit der Bewerbung von Lebensmitteln einen Verstoß gegen die HCVO darstelle. Wie aus dem Protokoll des LG München I vom 08.05.2018 ersichtlich, kann dies aber durchaus auch anders gesehen werden. Dabei sei jedoch darauf hingewiesen, dass zu diesem Thema nach unserer Kenntnis bisher noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt. Auch ist nicht abzusehen, ob sich weitere Gerichte der Rechtsauffassung des LG München I anschließen werden. Daher stellt die Bewerbung von Lebensmitteln mit der Bezeichnung "Low Carb" derzeit immer noch ein potenzielles rechtliches Risiko dar. Wer dieses Risiko vermeiden möchte, sollte bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Frage auf die Bewerbung von Lebensmitteln mit der Bezeichnung "Low Carb" verzichten.
I. Bewerbung von Lebensmittel mit "Low Carb" = in der Regel wettbewerbswidrig
1. "Low Carb" ist eine nährwertbezogene Angabe
Bei der Angabe "Low Carb" handelt es sich um eine nährwertbezogene Angabe im Sinne der Health-Claims Verordnung (nachfolgend "HCVO"), da die Angabe "Low Carb" auf eine geringe Menge von Nährstoffen - hier Kohlehydrate - hinweist (so auch OLG Hamburg mit Urteil vom 24.04.2014, Az. 3 W 27/14).
Nährwertbezogene Angaben sind nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO alle Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es
- liefert,
- in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder
- nicht enthält.
Zu den erfassten Nährstoffen gehören gerade auch die Kohlehydrate (Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 HCVO).
2. Nährwertbezogene Angaben müssen grundsätzlich im Anhang der HCVO aufgeführt sein
Aus Art. 8 Abs. 1 HCVO ergibt sich, dass nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden dürfen, wenn sie explizit im Anhang der HCVO aufgeführt sind und den darin vorgesehenen Bedingungen entsprechen.
3. "Low Carb" nicht im Anhang der HCVO aufgeführt
Im Anhang zur HCVO findet sich bezogen auf einen geringen - nicht geringeren - Kohlehydratgehalt von Lebensmitteln keine spezifische nährwertbezogene Angabe.
Angaben, die nicht in dem Anhang der HCVO aufgeführt sind, sind jedoch in der Regel per se unzulässig.
Etwas anderes ergebt sich - so OLG Hamburg mit Urteil vom 24.04.2014 (Az. 3 W 27/14) - auch nicht daraus, dass im Anhang zur HCVO die Verwendung der Angabe „reduzierter Kohlenhydrate-Anteil“ zugelassen wird . Insofern müsse nämlich deutlich zwischen den Begriffen „gering“ und „reduziert“ unterschieden werden. Letzterer impliziere nämlich stets einen Vergleich zu dem konkreten Nährweltgehalt anderer Produkte der gleichen Gattung, demgegenüber eine niedrigere Menge hervorgehoben werden dürfe.
Gegen einen solchen Vergleich spreche aber bereits das Verkehrsverständnis, nach dem die Angabe „low“ bzw. „gering“ nicht auf einen Vergleichsobjekt hinweise, sondern vielmehr eine generelle, individuelle Aussage über den geringen Kohlenhydrat-Anteil treffe.
Selbst aber, wenn man eine Gleichstellung der Angabe mit dem Begriff „reduziert“ annehmen wolle, erfordere Art. 9 Abs. 1 Satz 2 HCVO allerdings stets, dass ein Vergleich erfolge, also der Unterschied in der Menge des Nährstoffs im Vergleich zu Lebensmitteln derselben Kategorie und in Bezug auf dieselbe Menge angegeben werde. Dies sei nicht geschehen.
4. Fazit: Aussage "Low Carb" ist unzulässig
Nährwertbezogene Angaben müssen stets ihrem konkreten Wortlaut nach in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff nach der HCVO zugelassen sein. Verwendungen jenseits der Zulässigkeit stellen nach §4 Nr. 11 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 HCVO Wettbewerbsverstöße dar.
Die Bezeichnung eines Lebensmittels mit der Formulierung“ Low Carb“ ist in Ermangelung einer nach der HCVO genehmigten Ausweitung der Begriffe „low“ oder „gering“ auf Kohlenhydrate unzulässig. Sie kann vor allem auch nicht als zugelassene Formulierung im Sinne von „reduzierter Kohlenhydrat-Anteil“ verstanden werden, da der reduzierte Gehalt stets in Relation zu einem Vergleichsobjekt gesetzt werden muss.
Lesetipp: "Anforderungen an den Einsatz von nährwertbezogenen Angaben nach der HCVO"
Nährwertbezogene Angaben heben werbewirksam bestimmte ernährungsphysiologische Eigenschaften eines Produkts hervor und sind so geeignet, eine besondere substanzliche Werthaltigkeit zu suggerieren. Wie auch gesundheitsbezogene Angaben bergen sie allerdings die latente Gefahr von Täuschungen und Übertreibungen und können so zugunsten des Verwenders die Kaufentscheidungen von Verbrauchern über Gebühr beeinflussen. Aus diesem Grunde unterliegt ihre Zulässigkeit den strengen Voraussetzungen der Health-Claims-Verordnung (HCVO).
Welche allgemeinen und besonderen Bestimmungen es für den rechtmäßigen Einsatz von nährwertbezogenen Angaben zu beachten gilt, hat die IT-Recht Kanzlei in diesem Beitrag dargestellt.
II. Fallstricke bei Abgabe einer Unterlassungserklärung, wenn (auch) auf Amazon verkauft wird
Wer als Händler abgemahnt wird wegen einer „bösen Information“ (z.B. die unzuläsige Werbung mit "Low Carb") im Rahmen seiner Artikelbeschreibung und seine Produkte (auch) bei Amazon listet, sollte sich sehr gut überlegen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Immerhin droht bereits bei einem ersten und einzelnen Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung die Gefahr, auf Zahlung einer Vertragsstrafe im vierstelligen Bereich in Anspruch genommen zu werden. Mit anderen Worten: Schon eine kleine Nachlässigkeit kann hier schnell Kosten im Bereich von meist 1.000 bis 5.000 Euro verursachen.
Als Faustregel gilt, dass kein Amazon-Verkäufer seine Artikelbeschreibungen dort voll unter Kontrolle haben kann, es sei denn, er hat durch die Nutzung einer Eigenmarke exklusiven und ausschließlichen Zugriff auf diese. Damit keine die Abgabe einer Unterlassungserklärung langfristig schwerwiegende Konsequenzen haben.
Denn es existieren fünf ganz erhebliche Gefahrenquellen bei Amazon, die wir Ihnen nachfolgend gerne im Zusammenhang mit der derzeit abgemahnten "Low-Carb"- Werbung darstellen möchten:
1. Anhängen an fremde Angebote mit "Low Carb-Werbung
Sie verkaufen als Amazon-Händler einen bereits gelisteten Artikel und hängen sich an eine „böse“ Artikelbeschreibung an.
In der Folge haften Sie wettbewerbsrechtlich ohne weiteres für den Inhalt dieser Artikelbeschreibung, etwa für eine unlautere Werbung mit "Low Carb", da Sie sich diese Artikelbeschreibung durch das Anhängen zu Eigen machen.
2. Nachträgliche Anpassung der Artikelbeschreibung eigener Angebote bzw. von Angeboten, denen man „anhängt“
Das von Ihnen erstellte Angebot ist zunächst „sauber“. Aufgrund der Besonderheiten bei Amazon erhält ein anderer Händler, der „Ihrem“ Angebot anhängt, Schreibrechte an „Ihrem“ Angebot. Dieser kommt auf die Idee, nun eine "Low-Carb-Werbung" in die Artikelbeschreibung aufzunehmen.
In der Folge haften Sie wettbewerbsrechtlich ohne weiteres für den Inhalt dieser Artikelbeschreibung, da die Haftung auf Unterlassung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), kein Verschulden voraussetzt.
Ebenso sieht es rechtlich aus, wenn Sie sich an ein zunächst „sauberes“ Angebot anhängen, und dieses dann durch Überarbeitung eines dritten Verkäufers „böse“ wird.
3. Verschmelzung von Angeboten durch Amazon
Bei Amazon.de gilt der Grundsatz, dass ein Artikel auf der Plattform nur 1x gelistet sein soll. Es kommt aber immer wieder vor, dass Verkäufer denselben Artikel mehrfach anlegen. Amazon recherchiert solche Fälle und „vereint“ dann u.U. die zwei oder mehr Artikelbeschreibungen zu einem Artikel. Dabei ist immer wieder zu beobachten, dass eine unzulässige Werbung mit "Low Carb" mit übernommen wird.
4. Amazon.de selbst sitzt es gerne aus
Amazon.de selbst scheint es in eigenen Angeboten nicht zu stören, wenn dort Aussagen wie "Low Carb"
Hintergrund scheint zu sein, dass sich kaum jemand an Amazon selbst „rantraut“. Der Riese ist kein attraktives Abmahnziel, ist er doch bekannt dafür, sich nicht zu unterwerfen und wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten gerne bis zum BGH zu führen.
Wer als Amazon-Verkäufer also meint, Amazon mache schon alles richtig in der Beschreibung bzw. „wenn Amazon das darf, darf ich das auch“, der irrt.
Der „kleine Händler“, der sich dann Amazons Artikelbeschreibung zu Eigen macht, tappt leicht in die Abmahnfalle, wenn diese eine unlautere Werbung mit "Low Carb" beinhalten sollte.
5. Texte der Hersteller als Falle
Oftmals rutscht die Werbung mit "Low Carb" auch ganz unbemerkt in die Artikelbeschreibung, obwohl die Beschreibung vom Verkäufer selbst so erstellt wird.
Dies geschieht nach den Erfahrungen der IT-Recht Kanzlei oftmals deswegen, weil Herstellertexte von den Händlern 1:1 übernommen werden. Darin finden sich – oftmals versteckt mitten im langen Text – Aussagen wie "Low Carb".
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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