Health-Claims-Verordnung

Der nachfolgende Beitrag der IT-Recht Kanzlei setzt sich ausführlich mit den wichtigsten Regelungsbereichen und Inhalten der Verordnung 1924/2006 („Health-Claims-Verordnung“ oder auch „HCVO“) auseinander. Zudem wird mit laufendem Aktualitätsbezug die gerichtliche Spruchpraxis der letzten Jahre umfassend dargestellt und gewährt so eine Übersicht über typische Fehlerbeispiele und relevante Abmahngründe. Wie dürfen Lebensmittel nach Inkrafttreten der ersten Liste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben zum 14.12.2012 noch beworben werden? Wo ist diese Liste einsehbar? Was gilt für nährwert- oder krankheitsbezogene Angaben? Welche speziellen Werbeverbote und Kennzeichnungspflichten sind zu beachten?

Wir informieren Sie gerne!

Allgemeine Fragen zur Health-Claims-Verordnung

Frage: Was bedeutet der englische Begriff „Health-Claim“?

Darunter wird nach wörtlicher Übersetzung die gesundheitsbezogene Angabe (nähere Begriffserläuterung hierzu s.u. Thema „Begriffsbestimmungen“) verstanden. Allerdings ist die Bezeichnung als „Health-Claims-Verordnung“ insoweit missverständlich, als impliziert wird, dass die einschlägigen Vorschriften Zulässigkeitsvoraussetzungen ausschließlich für derlei gesundheitsbezogene Angaben aufstellen. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr umfasst der Regelungsbereich der HCVO auch nährwertbezogene Angaben (s. ebenfalls unten bei den Definitionen) und legt die Mindestanforderungen für deren rechtmäßigen Einsatz fest.

Frage: Betrifft die Health-Claims-Verordnung überhaupt deutsche Online-Händler?

Natürlich, sie wirkt gegenüber jedem, der Lebensmittel (dazu gehören auch Nahrungsergänzungsmittel) innerhalb der EU in Verkehr bringt, kennzeichnet oder bewirbt.

Frage: Warum gibt es die Health-Claims Verordnung?

Hierzu führt das Bundesinstitut für Risikobewertung (vgl. FAQ vom 25.05.2007 ) aus:

"Bisher gab es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterschiedliche Regelungen zur Verwendung von Health Claims. Mit der neuen Verordnung sollen sie vereinheitlicht werden. Durch die Positivliste der EU werden in allen Mitgliedstaaten die gleichen Standards gelten. Lebensmittelhersteller dürfen künftig EU-weit nur nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben machen, die wissenschaftlich abgesichert sind. Nur so werden Verbraucher nicht in die Irre geführt und können eigenverantwortliche Entscheidungen für eine gesunde und ausgewogene Ernährung treffen."

Die Health-Claims-Verordnung verfolgt dabei zwei Ziele (Quelle: IHK Schleswig Holstein):

  • Zum einen soll ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher gewährleistet werden, was heißen soll, dass in Zukunft »Gesundheitsversprechen« nur noch dann zulässig sind, wenn sie auch eingehalten werden.
  • Zum anderen soll eine europaweit einheitliche Regelung den freien Warenverkehr gewährleisten, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden. Damit stellt die Verordnung umgekehrt aber auch Rechtssicherheit für die Unternehmen her.

Frage: Was regelt die Health-Claims-Verordnung?

Sie regelt (als erste EU-Verordnung überhaupt) die zulässige Verwendung von nährwert- und gesundheits- aber auch krankheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden. In Anlehnung an ein hohes Verbraucherschutzniveau dürfen derartige Angaben ausschließlich dann gemacht werden, wenn sie den verschiedenen Zulässigkeitsanforderungen der Verordnung genügen.

Neben allgemeinen Bedingungen in Art. 3 bis Art. 7, die zur Vermeidung von Irreführungen bestimmte Vorgaben für die Deutlichkeit, den Aussagegehalt und die wissenschaftliche Belegbarkeit der Angaben sowie die Zusammensetzung des Lebensmittels aufstellen, sind insbesondere die spezifischen Voraussetzungen für nährwertbezogene (Art. 8) und gesundheitsbezogene Angaben (Art. 10) zu beachten. Daneben gelten Spezialregelungen für krankheitsbezogene Aussagen und solche, die auf neuen (nach dem Verordnungserlass gewonnenen) wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.

Frage: Warum kursieren im Internet verschiedene Versionen der Health-Claims-Verordnung?

Weil die ursprünglich aus dem Jahr 2006 stammende Verordnung mittlerweile mehrfach geändert (und übrigens auch berichtigt) worden ist.

Geändert wurde die ursprüngliche Fassung durch

  • die Verordnung (EG) Nr. 107/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008
  • die Verordnung (EG) Nr. 109/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008
  • die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010

Die jeweils aktuellste Version der Health-Claims-Verordnung kann hier bezogen werden.

Frage: Was hat es mit den Listen der nach der Health-Claims-Verordnung zugelassenen Angaben auf sich?

Nach der HCVO ist neben den allgemeinen Verwendungsbedingungen der Einsatz von jeglichen Angaben mit Nährwert-, Gesundheits- oder Krankheitsbezug nur dann zulässig, wenn die spezifische Aussage für eine bestimmte Substanz von der Kommission explizit genehmigt wurde. Diese legislative Vorgabe soll zum einen die Kontrolle der verwendeten Aussagen vereinfachen und zum anderen verhindern, dass Unternehmen mit immer neuen Angaben ein intransparentes weites Feld an Health Claims schaffen, welches das Risiko des willkürlichen Einsatzes und der Verbraucherirreführung in sich birgt. Insofern geht der europäische Gesetzgeber hierbei von der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Health Claims aus und gestattet diese nur bei vorangegangener inhaltlicher Überprüfung und einer anschließenden Aufnahme in Zulassungslisten. Nur Angaben aus diesen Listen sind zulässig, wobei stets der konkret vorgegebene Wortlaut übernommen werden muss. Allerdings steht es Unternehmen frei, die Zulassung weiterer Angaben durch ein behördliches Verfahren zu beantragen.

Dabei weisen die Listen nicht nur die konkret zu verwendende Angabe aus, sondern postulieren auch die lebensmittelspezifischen Anwendungsvoraussetzungen.

Je nach Art der Angabe gehen die zulässigen Aussagen aus unterschiedlichen Listen hervor, die teilweise in separaten Rechtsakten verabschiedet wurden.

a) nährwertbezogene Angaben

Nährwertbezogene Angaben sind nach Art. 8 nur zulässig, wenn sie je nach ihrem Aussagegehalt den dafür vorgesehenen Kriterien im verordnungseigenen Anhang entsprechen. Entspricht das in Bezug genommene Lebensmittel den materiellen Anforderungen nicht, ist die Angabe unzulässig.

b) gesundheitsbezogene Angaben

Nach Art. 10 Abs. 1 dürfen – mit einer Ausnahme in Art. 13 – gesundheitsbezogene Angaben nur gemacht werden, sofern sie von der Kommission in einer eigens erstellten Liste zugelassen worden. Dabei sollten die Aussagen stets den in der Liste aufgeführten Wortlaut ausweisen, sind aber wohl auch noch zulässig, wenn sie sinngemäß mit dem normierten Wortlaut bedeutungsgleich sind (Erwgr. 9 HCVO) . Grenze ist das Irreführungsverbot. Die Normierung der zugelassenen Angaben in einer vorgegebenen Aufstellung sollte unter Einführung von EU-weiten Maximen zum einen die Willkür im Umgang mit gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben verhindern und zum anderen der unwirtschaftlichen prozessualen Einzelfallkontrolle von verwendeten Aussagen vorbeugen. Gleichzeitig soll insofern gewährleistet sein, dass die Aussagen keine täuschungsrelevanten Über- oder Untertreibungen enthalten.

Die Liste der zugelassenen Angaben wurde mit der EU-Verordnung Nr. 432/2012 verabschiedet und ordnet in alphabetischer Reihenfolge jedem Nährstoff, jeder Substanz und jedem Lebensmittel eine (oder mehrere) zugelassene Angabe(n) zu.

Hierbei nimmt die Liste ausschließlich Bezug auf Angaben, welche die physiologische Funktion eines Nährstoffs oder einer Substanz beschreiben, z.B. „Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt.“

c) krankheitsbezogene Angaben (risk reduction claims)

Daneben schreibt die HCVO in Art. 14 aber auch die Zulässigkeitsbedingungen von krankheitsbezogenen Angaben vor, also solchen Aussagen, die einen bestimmten Stoff mit der Reduzierung eines Krankheitsrisikos oder der Vorbeugung einer körperlichen Dysfunktion in Verbindung bringen (sog. Risk Reduction Claims). Derlei Angaben sind nach Art. 14 unter anderem nur dann erlaubt, wenn sie nach einem behördlichen Zulassungsverfahren auf Antrag gemäß den Art. 15-18 HCVO genehmigt wurden. Genehmigt wurde für Calcium z.B. die Angabe

„Calcium trägt dazu bei, den Verlust an Knochenmineralstoffen bei postmenopausalen Frauen zu verringern. Eine geringe Knochenmineraldichte ist ein Risikofaktor für durch Osteoporose bedingte Knochenbrüche.“

Eine Aufführung der zugelassenen krankheitsbezogenen Angaben, die auch das jeweilige beantragende Unternehmen ausweist, geht hervor aus:

  • der EU-Verordnung Nr. 1226/2014
  • der EU-Verordnung Nr. 1228/2014]

d) Angaben, die auf neuen wissenschaftlichen Daten beruhen oder einen Antrag auf die Bewahrung geschützter Daten enthalten, Art. 13 Abs. 5

Weil die Liste der von der Kommission zugelassenen nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben nicht abschließend sein, sondern vielmehr auf neue medizinische Erkenntnisse und auch auf aktuelle wissenschaftliche geschützte Daten reagieren können soll, ist in Art. 13 Abs. 5 die Möglichkeit für Unternehmen vorgesehen, die Zulassung weiterer Health Claims nach dem Verfahren der Art. 15-18 zu beantragen und diese bei Genehmigung zu verwenden.

Eine Auflistung der in diesem Wege bereits zugelassenen Angaben für bestimmte Lebensmittel ist mit der EU-Verordnung Nr. 1229/2014 verabschiedet worden.

Frage: Existiert eine Auflistung aller nach den verschiedenen Vorschriften zugelassenen Health-Claims?

Ja. Die Auflistung wird von der Europäischen Kommission verwaltet und beinhaltet durch laufende Aktualisierungen alle Claims, die das Zulassungsverfahren erfolgreich durchlaufen haben. Auch die Ergänzungsverordnungen werden berücksichtigt.

Frage: Wer trägt die Beweislast für die Zulässigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe?

Die Beweislast für die Zulässigkeit trägt immer der Verwender.

Hierzu führte der BGH (Urteil v. 17.01.2013 – Az. I ZR 5/12 – Vitalpilze) aus:

"Der Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO (EG) 1924/2006 ist in einem Prozess über ihre Zulässigkeit nicht erst dann gehalten, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn der Kläger diese substantiiert in Frage stellt, da der Unionsgesetzgeber die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben in der VO (EG) 1924/2006 einem grundsätzlichen Verbot unterworfen hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der insoweit zentralen Bestimmung des Artikel 10 Abs. 1 der Verordnung genannt sind, muss deshalb vom Verwender dargelegt und im Streitfall auch bewiesen werden."

Frage: Wann ist die Health-Claims-Verordnung in Kraft getreten?

Die Verordnung ist seit dem 19.01.2007 in Kraft und gilt seit dem 01.07.2007 als unmittelbar anwendbares Recht.

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