LG Münster: Werbung mit Selbstverständlichkeiten - Werbung mit „100 % Original“ wettbewerbswidrig
Ein richtiger „Abmahn-Klassiker“ ist die Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Gegenüber anderen Irreführungstatbeständen kommt es im Rahmen der Werbung mit Selbstverständlichkeiten insbesondere auf die konkrete Aufmachung der Werbung an. Denn nicht jede angesprochene „Selbstverständlichkeit“ ist automatisch eine unlautere Werbung. Anhand einer aktuellen Entscheidung des LG Münster erläutern wir die Grundprinzipien der Werbung mit Selbstverständlichkeiten.
Werbung mit Selbstverständlichkeiten
Die Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 UWG. Verbraucher sollen damit vor irreführenden Werbeangaben geschützt werden. Der springende Punkt: Auch objektiv richtige Angaben können unzulässig sein, wenn diese bei einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise einen unrichtigen Eindruck erwecken.
So liegt der Fall bei der Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Ein unrichtiger Eindruck bei Verbrauchern entsteht, wenn Werbeaussagen etwas Selbstverständliches in der Weise hervorheben, dass Verbraucher darin eine besondere Eigenschaft der beworbenen Ware bzw. Dienstleistung sehen – die tatsächlich jedoch „selbstverständlich“ ist. In Wahrheit jedoch handelt es sich um Merkmale, die das Produkt des Werbenden gegenüber anderen nicht auszeichnet und somit auch nicht Besonderes sind.
Wichtig zu wissen: Eine Werbung mit Verbraucherrechten (= Rechts des Verbrauchers, die ihm von Gesetzes wegen bereits zustehen) ist immer unzulässig (Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG) , es kommt hierbei nicht auf eine etwaige Irreführung des Verbrauchers an!
Wann liegt eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten vor?
Die Abgrenzung zwischen erlaubter Erwähnung von Selbstverständlichkeiten und wettbewerbswidriger Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist nicht immer einfach. Grundsätzlich muss es Online-Händlern erlaubt sein, in geeigneter Form auch auf Selbstverständlichkeiten hinzuweisen. Die Frage, ob eine verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten vorliegt, beurteilt sich nach der konkreten Gestaltung der Werbung und der Wahrnehmung der Verbraucher.
Die Werbung muss insgesamt als irreführend wahrgenommen werden. Eine solche Irreführung ist anzunehmen, wenn der Verkehr das Selbstverständliche der Eigenschaft nicht (er-)kennt und deshalb zu Unrecht von einem Vorzug der beworbenen Ware vor vergleichbaren Angeboten der Mitbewerber ausgeht. Die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit kann sich bereits aus der Art und Weise ihrer konkreten Darstellung ergeben. Entscheidend ist auch hier, dass der angesprochene Kunde in den herausgestellten Eigenschaften irrtümlich einen Vorteil zu erkennen glaubt, den er nicht ohne Weiteres, insbesondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware bei einem Mitbewerber, erwarten kann.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19.03.2014 – Az. I ZR 185/12) kommt es jedoch nicht zwingend darauf an, ob die Werbeaussage besonders hervorgehoben ist, damit die Grenze zur unzulässigen Werbung mit Selbstverständlichkeiten überschritten ist. Vielmehr ist es nach dem BGH ausreichend, wenn der Werbende den Eindruck erweckt, das beworbene Recht sei eine Besonderheit und unterscheide den Werbenden somit von anderen Mitbewerbern. Es kommt bei dieser Beurteilung somit immer auf die Umstände des Einzelfalles an.
Lesetipp: Wenn Sie weitere Informationen zum Thema Werbung mit Selbstverständlichkeiten erfahren möchten, dürfen wir Ihnen unseren Online-Beitrag Werbung mit Selbstverständlichkeiten: Was ist erlaubt, was nicht? als Lektüre empfehlen!
LG Münster: „100 % Original“ ist unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten
In einer aktuellen Entscheidung des LG Münster (Beschluss vom 06.05.2020, Az.: 22 O 31/20) ging es um die Werbeaussage „100 % Original“. Ein Händler bewarb mit dieser Aussage sein Warenangebot (Textilien) im Internet. Der Händler wurde nach erfolgloser Abmahnung im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Das LG Münster erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß und stellte damit die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung mit „100 % Original“ fest. Der Verfügungsanspruch folgte aus §§ 5, 8 UWG i. V. m. Nr. 10 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, weil sich die Werbung der Antragsgegnerin mit dem Hinweis „100 % Original“ als wettbewerbswidrig darstelle. Das LG Münster führte aus, dass für den Verbraucher der irreführende Eindruck entstehen konnte, dass es sich bei dem Versprechen (dass die Kleidungsstücke Originalware und mithin keine Fälschungen sind) um eine Besonderheit des Angebotes handele.
Den Umstand, dass es sich bei den beworbenen Kleidungsstücken um „100 % Original“-Ware handele, sei als gesetzlich bestehendes Recht anzusehen, so das Gericht. Begründet wurde dies damit, dass im Falle des Verkaufs „gefälschter“ Kleidungsstücke kaufrechtliche Gewährleistungsrechte bestünden. Auch die Aufmachung der Werbung war problematisch. Denn die abgegrenzte Darstellung der Werbung mittels Trennlinien zum übrigen Angebotstext, durch vorangestellte sog. Checkboxen und durch eine größere Schriftart sei als Besonderheit der Leistung des Händlers angepriesen und von den Verbrauchern als besondere Leistung verstanden worden.
Fazit
Der Grat zwischen erlaubter Erwähnung von Selbstverständlichkeiten und irreführender Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist oft sehr schmal und erfordert jeweils die Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Von einer Werbung mit „100 % Original“ sollten Händler jedoch grundsätzlich Abstand nehmen, genauso wie zum Beispiel von „24 Monate Gewährleistung“ oder „Sie erhalten eine Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer“, da es sich hierbei um gesetzlich bestehende Rechte handelt.
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