LG Arnsberg: Fehlende Telefonnummer in Widerrufsbelehrung begründet kein verlängertes Widerrufsrecht
Verbraucher sind im Fernabsatz mit einer rechtskonformen Widerrufsbelehrung inkl. Muster-Widerrufsformular über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren des Widerrufs zu informieren. Eine fehlende oder unzureichende Belehrung führt zu einer erweiterten Widerrufsfrist von 12 Monaten und 14 Tagen für den Verbraucher. Dass die Nichtangabe einer verfügbaren Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung eine solche Fristverlängerung aber nicht auslöst, entschied jüngst das LG Arnsberg.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Der Kläger, ein Verbraucher, hatte bei der Beklagten, dem Automobilhersteller Tesla, am 11.03.2022 unter Nutzung eines Online-Konfigurators für Merkmale und Spezifikationen einen Neuwagen bestellt, der am 12.08.2022 ausgeliefert und am selben Tag zugelassen wurde.
Tesla hatte bei Vertragsschluss eine Widerrufsbelehrung mit gesetzeskonformem Muster-Widerrufsformular verwendet und darin unter anderem wie folgt informiert:
Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Tesla Germany GmbH, Ludwig-Prandtl-Straße 27 – 29, 12526 X., xyz@tesla.com) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.
Am 07.08.2023, also ein knappes Jahr nach der Zustellung des Fahrzeugs, erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des Neuwagen-Kaufvertrages, den Tesla wegen deutlichen Ablaufs der 14-tägigen Widerrufsfrist ab Auslieferung als verspätet zurückwies.
Dem hielt der Kläger entgegen, dass ihm vorliegend das verlängerte Widerrufsrecht von 12 Monaten und 14 Tagen seit der Lieferung gemäß § 356 Abs. 3 BGB zustehe, weil Tesla als Beklagte es versäumt hätte, in der Widerrufsbelehrung die auf der Tesla-Website an anderer Stelle, darunter auch im Impressum, angeführte Telefonnummer anzugeben.
Gemäß § 356 Abs. 3 BGB gilt:
Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Aufforderung erhob der Kläger schließlich Klage auf widerrufsbedingte Rückzahlung des Kaufpreises zum Landgericht Arnsberg.
II. Die Entscheidung
Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 22.02.2024 (Az. 4 O 273/23) ab und entschied, dass eine fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung eine Verlängerung der Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 BGB nicht auszulösen vermöge.
Zwar sei durch den BGH (Urteile vom 24.09.2020 – Az. I ZR 169/17 und vom 21.01.2021 – Az.: I ZR 17/18) die Pflicht zur Angabe einer verfügbaren Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung höchstrichterlich verbeschieden worden und im Übrigen seit dem 28.05.2022 auch gesetzlich ein fest vorgeschriebener Bestandteil der Pflichtangaben der Widerrufsbelehrung.
Anlass zur Rechtsprechung hätten aber wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz und entsprechenden Informationspflichten gegeben, an deren Nichteinhaltung die Urteilsfindung wettbewerbsrechtliche Konsequenzen knüpfte.
Zu den möglichen zivilrechtlichen Rechtsfolgen einer unterlassenen Telefonnummer-Angabe in der Widerrufsbelehrung habe die Rechtsprechung dahingegen gerade keine Stellung bezogen. Sie seien mithin durch Auslegung zu ermitteln.
Die Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer im Fernabsatz ergebe sich aus Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB.
Auf diese Vorschrift nehme § 356 Abs. 3 BGB aber gerade keinen Bezug, sondern knüpfe die Verlängerung der Widerrufsfrist ausschließlich an die fehlende oder unzureichende Umsetzung des Art. 246a § 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB.
Allein maßgeblich sei somit, ob der Verbraucher (mit der Widerrufsbelehrung) hinreichend über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert und ihm das Muster-Widerrufsformular gemäß gesetzlicher Konzeption übermittelt worden sei.
Die Form der Widerrufserklärung sei ausdrücklich nicht in Katalog der zwingenden Widerrufsinformationspflichten aufgenommen worden, was der gesetzgeberischen Intention entspräche, den Widerruf in jeder denkbaren Form einer ausdrücklichen Erklärung zuzulassen.
Die Nichtangabe der Telefonnummer lasse daher auch nicht den Eindruck entstehen, ein telefonischer Widerruf sei unmöglich, zumal die Kommunikationswege im amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB nicht abschließend, sondern nur beispielhaft seien.
Schließlich spreche auch die Systematik des Gesetzes gegen Konsequenzen der Nichtangabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung für die Widerrufsfrist.
So würde § 356 Abs. 3 BGB bei Finanzdienstleistungen auf die ordnungsgemäße Information nach Artikel 246b § 2 Absatz 1 EGBGB verweisen. Jener Paragraph wiederum nehme auf Art. 246b § 1 Abs. 1 EGBGB Bezug und inkludiere mithin die allgemeinen Fernabsatz-Pflichtinformationen in den zwingenden Belehrungsumfang im Rahmen des Widerrufsrechts.
Für einen identischen Verweis und Miteinbezug habe sich der Gesetzgeber bei übrigen Fernabsatzverträgen aber bewusst nicht entschieden, sodass dort die Verfügbarkeit einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung die Verlängerung der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 BGB nicht bewirken könne.
III. Fazit
Die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist zwar zwingend erforderlich. Dies gilt seit dem 28.05.2022 selbst dann, wenn die Telefonnummer ansonsten in Verbindung mit Verbraucherverträgen nicht ausdrücklich, etwa im Impressum oder in Kontaktinformationen, kommuniziert wird.
Folge einer fehlenden Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist nach aktueller Rechtsprechung aber allein eine abmahnbare Verletzung des Wettbewerbsrechts.
Auf die Länge der Widerrufsfrist wirkt sich die Nichtangabe einer Rufnummer in der Widerrufsbelehrung dahingegen nicht aus und führt insbesondere nicht zu einer Fristverlängerung auf 12 Monate und 14 Tage nach der Warenlieferung gemäß § 356 Abs. 3 BGB.
Zur selbigen Auffassung gelangten auch das Landgericht Münster mit Urteil vom 14.09.2023 (Az. 2 O 101/23) sowie das Landgericht Paderborn mit Urteil vom 31.01.2024 (Az: 4 O 279/23).
Tipp:
Eine rechtskonforme Widerrufsbelehrung, die selbstverständlich auch ordnungsgemäß über die Telefonnummer informiert, ist Bestandteil eines jeden Schutzpaketes der IT-Recht Kanzlei für den Online-Handel.
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