Vorsicht Abmahnung: Unzulässige Werbung mit Streichpreisen
Streichpreise sind Kundenmagnet und Kauflustkatalysator - sowie Abmahnfalle. Mit günstigen Angeboten in Form von Preisgegenüberstellungen gehen nicht nur kaufreudige Kunden, sondern auch wettbewerbsrechtliche Risiken aufgrund einer möglichen Täuschungseignung einher. Anhand einer aktuellen Abmahnung zeigen wir Ihnen, was Sie bei der Werbung mit Streichpreisen beachten müssen.
I. Welches Händlerverhalten wurde abgemahnt?
Im Online-Shop des Händlers wurde eine Nähmaschine zu einem Verkaufspreis von 199,- Euro angeboten. Diesem Preis wurde ein durchgestrichener Preis in Höhe von 249,- Euro gegenübergestellt, ohne dass dieser Preis zuvor vom Händler verlangt worden ist.
II. Werbung mit gegenübergestellten eigenen (zuvor verlangten) Preisen
In der Praxis werben Händler gerne mit gegenübergestellten eigenen (zuvor verlangten) Preisen. Dabei vergleicht der Verkäufer seinen neuen Preis mit dem früher von ihm selbst geforderten höheren Preis, wobei der alte Preis durchgestrichen ist („Streichpreis“).
Grundsätzlich ist die Eigenpreisgegenüberstellung zulässig. Denn der Grundsatz der Preisgestaltungsfreiheit erlaubt es dem Händler, seine Preise nach eigenem Ermessen zu erhöhen und zu senken. Dabei ist es im Sinne jedes Verkäufers, eine Preissenkung öffentlich zu verkünden.
Die Werbung mit gegenübergestellten eigenen Preisen ist jedoch nicht uneingeschränkt zulässig. Sie muss den Anforderungen an Preisermäßigungen nach § 11 Preisangabenverordnung (PAngV) entsprechen und darf keine Irreführung der angesprochenen Kundengruppe bezwecken.
1. Einhaltung der Anforderungen nach § 11 PAngV
§ 11 Abs. 1 PAngV schreibt vor:
"Wer zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, hat gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat."
§ 11 PAngV begründet seit Mai 2022 die Pflicht, bei Preisermäßigungen als Referenz den günstigsten Gesamtpreis der letzten 30 Tage anzusetzen. Nach § 11 PAngV ist (nur) sicherzustellen, dass es sich bei diesem um den günstigsten der letzten 30 Tage handelt.
Eine weitergehende Aufklärungspflicht über den Charakter des Preises besteht nicht. Es sei also kein zusätzlicher Hinweis darauf erforderlich, dass der Referenzpreis den niedrigsten, innerhalb der letzten 30 Tage geforderten Preis abbildet.
Der Zweck des § 11 PAngV besteht in der Verbesserung der Verbraucherinformation in solchen Fällen, in denen eine Preisermäßigung zu Werbezwecken genutzt wird. Insbesondere Abs. 1 der Norm soll verhindern, dass bei der Werbung mit Preisermäßigungen Gesamtpreise als Referenzwerte angegeben würden, die so zuvor nie verlangt oder kurzzeitig zuvor angehoben worden seien.
§ 11 PAngV sei das preisangabenrechtliche Instrument zur Bekämpfung von Mondpreisen und stehe komplementär neben dem § 5 UWG. Aus dem Wortlaut des § 11 PAngV erfolge keine Vorgabe, wie der Referenzpreis anzugeben sei.
Detaillierte FAQ zu den PAngV-Pflichten bei Preisermäßigungen sowie beispielsorientierte Umsetzungshinweise für den Online-Handel stellt die IT-Recht Kanzlei hier bereit.
2. Streichpreis darf keine irreführende Werbung darstellen
Um eine Abmahnung zu vermeiden, darf bei der Streichpreis-Werbung auch keine Irreführung des angesprochenen Kundenkreises betrieben werden.
- Eine solche Irreführung liegt insbesondere vor, wenn der vermeintlich geforderte, frühere Preis tatsächlich nie zuvor oder nicht ernsthaft verlangt wurde.
- Irreführende Werbung wird ebenfalls betrieben, wenn der Preis systematisch erhöht bzw. gesenkt wird, um einen Preisnachlass vorzutäuschen („Preisschaukelei“). Gerade an diese beiden ersten unzulässigen Praktiken knüpfen die Pflichten aus § 11 Abs. 1 PAngV an. Für den durchgestrichenen Preis im Rahmen der Streichpreis-Werbung ist daher stets der tatsächlich geforderte Tiefstpreis der vergangenen 30 Tage anzugeben und als Referenzpreis heranzuziehen.
- Ebenso irreführend ist es, wenn der frühere Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert wurde („Mondpreise“).
- Ferner ist eine sonstige Irreführung über den Umfang der Preissenkung wettbewerbswidrig. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Werbung nicht erkenntlich macht, welche Preise für welche Artikel gelten sollen.
- Schließlich darf die Preissenkung auch nicht bereits derart lange zurückliegen, dass die angesprochenen Kundenkreise über die Aktualität der Preissenkung getäuscht werden.
Eine einheitliche Antwort auf die Frage, in welchem Zeitraum eine solche Aktualität gewahrt ist, gibt es leider nicht. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine generelle Festlegung, wie lange der Zeitraum zurückliegen darf, in dem der höhere Preis gefordert worden ist, nicht möglich. Ebenso können keine starren Fristen aufgestellt werden.
Der zulässige Zeitraum ist vielmehr für den jeweiligen Einzelfall nach dessen konkreten Umständen zu bestimmen.
Er ist je nach Verkaufsmedium und Produkt unterschiedlich lang. In die Abwägung fließen dabei neben der Art des Produkts auch Verhältnisse des werbenden Verkäufers und die jeweilige Marktsituation mit ein. Aufgrund der Schnelllebigkeit des Internets, ist der zulässige Zeitraum für den Online-Handel im Vergleich zum stationären Handel kürzer anzusetzen.
Beispiele für Irreführung über die Aktualität des Preisnachlasses aus der Rechtsprechung:
- beim Verkauf von langlebigen Wirtschaftsgütern im Online-Handel: Produktbewerbung mit aktuellem, als „jetzt nur“ bezeichneten Preis länger als vier Wochen, wobei früherer Preis gegenübergestellt wird, unzulässig (LG München I, Urteil v. 01.04.2010, Az. 17HK O 19517/09)
- beim Verkauf von Waren des täglichen Bedarfs: Produktbewerbung mit gegenübergestellten, früherer „Statt-Preis“, der vor über drei Monaten gefordert wurde, unzulässig (LG Bochum, Urteil v. 24.03.2016, Az. I-14 O 3/16)
- beim Verkauf von langlebigen Wirtschaftsgütern im Online-Handel: Produktbewerbung mit gegenübergestellten Preisen sechs Monate lang vertretbar, wenn diese Preise unmittelbar zuvor im Online-Shop verlangt wurden (LG Bielefeld, Urteil v. 01.09.2020, Az. 15 O 9/20)
- beim Verkauf von Sportartikeln im Online-Handel: Produktbewerbung mit einem Streichpreis, der seit mehr als sechs Monaten tatsächlich nicht mehr gefordert wurde, irreführend (OLG Nürnberg, Urteil v. 19.12.2023, Az. 3 U 2007/23).
Grundsätzlich ist stets darauf zu achten, dass der Charakter als zeitlich begrenzte besondere Verkaufsveranstaltung gewahrt wird, d.h. die Eigenpreisgegenüberstellung nur für eine bestimmte, begrenzte Zeit beworben wird.
Lesetipp: Interessiert an weiteren Formen der Werbung mit Streichpreisen? Informieren Sie sich in folgenden Beiträgen über Werbung mit der ehemaligen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers sowie über Werbung mit Preisen der Konkurrenz.
III. Fazit
Händler können sich nach wie vor über kauflustige Kunden aufgrund von attraktiven Streichpreis-Angeboten freuen. Abmahnsicher werben Sie mit Eigenpreisgegenüberstellungen, wenn Sie die Vorgaben bei Preisermäßigungen nach § 11 PAngV einhalten und keine Irreführung des angesprochenen Kundenkreises betreiben.
Den Verkäufer trifft dabei zum einen die Pflicht, gegenüber Verbrauchern den niedrigsten Gesamtpreis der letzten 30 Tage anzugeben und als Berechnungsgrundlage für den Preisnachlass anzusetzen (§ 11 Abs. 1 PAngV) .
Zum anderen darf die Werbung mit dem gegenübergestellten eigenen Preis nicht irreführend sein. Hier ist u.a. darauf zu achten, dass der angegebene frühere Preis tatsächlich in dieser Höhe gefordert wurde. Vermeiden Sie insbesondere eine Täuschung über die Aktualität der Ermäßigung oder über den Preisvorteil selbst durch systematisches Senken bzw. Erhöhen des Preises.
IV. Sie haben eine Abmahnung erhalten - so reagieren Sie richtig!
Lassen Sie die Abmahnung trotz der regelmäßig kurzen Fristen anwaltlich von einem Spezialisten überprüfen – in diesen Abmahnungen geht es oft um hohe Zahlungsforderungen, hier sollte der Betroffene nicht vorschnell handeln. Auch die vorformulierte Unterlassungserklärung ist in den uns vorliegenden Fällen fast immer einseitig und zudem gefährlich vorformuliert und sollte in dieser Form nicht abgegeben werden!
Profitieren Sie von der Expertise der Anwälte der IT-Recht Kanzlei, die über eine langjährige Erfahrung aus der Vertretung in Abmahnverfahren verfügen!
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