Frage des Tages: Sind Strafmaßnahmen für übermäßige Retouren zulässig?
Retouren sind im Online-Handel keine Seltenheit. Betroffenen Händlern entstehen hierdurch zusätzliche Kosten durch zusätzlichen Arbeits- und Verwaltungsaufwand. Außerdem führen Retouren nicht selten zu einem Wertverlust der Ware und somit zu einem wirtschaftlichen Schaden des Händlers. Kein Wunder also, dass einige Händler nach legalen Wegen suchen, Retouren einzudämmen. Uns wurde in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob man Kunden jedenfalls dann mit Strafmaßnahmen drohen dürfe, wenn diese für übermäßig viele Retouren verantwortlich sind. Dieser Frage gehen wir im folgenden Beitrag auf den Grund.
I. Rechtlicher Hintergrund
Retouren können im Online-Handel auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen. Als gesetzliche Grundlagen kommen insoweit das Widerrufsrecht für Verbraucher sowie die Mängelhaftung (Gewährleistung) in Betracht.
1) Widerrufsrecht
Mit Ausnahme der in § 312g Abs. 2 und 3 BGB geregelten Fälle (z. B. personalisierte Waren oder versiegelte Hygieneartikel), steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Übt der Verbraucher dieses form- und fristgerecht aus, so sind die empfangenen Leistungen wechselseitig zurückzugewähren. Sofern die Ware bereits an den Verbraucher geliefert wurde, muss er diese an den Händler zurücksenden.
Dieses Recht steht dem Verbraucher grundsätzlich bei jedem Vertrag zu, der in den vorgenannten Anwendungsbereich fällt, unabhängig von der Anzahl der so geschlossenen Verträge.
2) Mängelhaftung (Gewährleistung)
Gemäß §§ 434, 437 BGB stehen dem Käufer bei Lieferung einer mangelhaften Sache bestimmte Gewährleistungsrechte zu. Zwar muss dem Händler hier grundsätzlich die Möglichkeit zur Nacherfüllung (Nachlieferung oder Nachbesserung) gegebenen werden. Erfolgt diese aber nicht innerhalb einer vom Käufer gesetzten Frist oder ist die Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich (etwa bei strikter Verweigerung des Händlers), kann der Käufer gemäß §§ 437 Nr. 2 BGB i.V.m. §§ 323, 346 BGB vom Vertrag zurücktreten. Rechtsfolge des Rücktritts ist ebenso wie beim Widerruf die Rückabwicklung des Vertrages, also die Rückgabe der Kaufsache gegen Rückerstattung des Kaufpreises.
II. Denkbare Maßnahmen zur Eindämmung von Retouren
Dem Händler entstehen mit jeder Retoure zusätzliche Kosten durch zusätzlichen Arbeits- und Verwaltungsaufwand. Außerdem führen Retouren nicht selten zu einem Wertverlust der Ware und somit zu einem wirtschaftlichen Schaden des Händlers. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verwunderlich, dass einige Händler nach Wegen suchen, Verbraucher von der übermäßigen Ausübung ihrer Rechte abzuhalten.
Dabei kommen unterschiedliche Maßnahmen in Betracht:
1) Virtuelles Hausverbot
Denkbar wäre eine Regelung etwa in den AGB des Händlers, wonach dem Kunden bei übermäßiger Verursachung von Retouren ein virtuelles Hausverbot erteilt werden kann, er also von weiteren Vertragsschlüssen mit dem betreffenden Händler ausgeschlossen werden kann.
a) Maßstab Widerrufsrecht
Im Hinblick auf das gesetzliche Widerrufsrecht liefe eine solche Regelung dem gesetzlich vorgesehenen Verbraucherschutz zuwider und wäre aufgrund der impliziten Drohung sogar geeignet, den Verbraucher davon abzuhalten, gegenüber dem Händler in Zukunft von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.
Hierin wäre bereits ein Verstoß gegen § 361 Abs. 2 BGB zu sehen, wonach von den gesetzlichen Vorschriften zum Widerrufsrecht grundsätzlich nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf.
Eine entsprechende Regelung wäre zudem nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr.1 BGB unwirksam, da sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt.
Schließlich könnte eine entsprechende Regelung auch nach § 305c BGB unwirksam sein, wenn sie nicht hinreichend deutlich erkennen ließe, ab welcher Zahl von Retouren pro Kunde eine übermäßige Verursachung von Retouren vorläge.
Hinweis:
In der Praxis sind auch Fälle denkbar, in denen der Verbraucher sein Widerrufsrecht missbraucht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht bewusst geltend macht, um dem Händler zu schaden. Die Anzahl der ausgeübten Widerrufe allein lässt noch nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen, zumal das Gesetz dem Verbraucher insoweit keine zahlenmäßige Grenze setzt. Sollte sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls aber ergeben, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht missbräuchlich einsetzt, so könnte ein vom Händler verhängtes virtuelles Hausverbot durchaus zulässig sein.
b) Maßstab Mängelhaftung
Was für widerrufsbedingte Retouren gilt, ist auslegungsgleich auch für den Kundenausschluss infolge von mängelbedingten Rücksendungen zu folgern.
Erklärt der Käufer auf Grundlage einer berechtigten Mängelrüge und unter Einhaltung des grundsätzlich geltenden Fristsetzungserfordernisses den Rücktritt vom Vertrag, darf er für die begründete Wahrnehmung seiner Rechte nicht durch Ablehnung zukünftiger Vertragsverhältnisse sanktioniert werden.
Vergeltungsmaßnahmen des Händlers gegenüber Käufern, die als Verbraucher handeln und die berechtigte Gewährleistungsforderungen geltend machen, beschränken rechtswidrig die nach § 476 Abs. 1 BGB Verbrauchern vorbehaltslos zu gewährenden Gewährleistungsrechte und sind unzulässig.
Bei berechtigten mängelbedingten Retouren muss insofern die händlerische Vertragsfreiheit zurücktreten und Verbraucher dürfen von künftigen Vertragsschlüssen nicht ausgeschlossen werden.
2) Strafgebühren
Denkbar wäre ferner eine Regelung etwa in den AGB des Händlers, wonach dem Kunden bei übermäßiger Verursachung von Retouren eine pauschale Strafgebühr berechnet werden kann, um den zusätzlichen Arbeits- und Verwaltungsaufwand des Händlers zu kompensieren.
Allerdings liefe auch eine solche Regelung dem gesetzlich vorgesehenen Verbraucher- bzw. Käuferschutz zuwider und wäre aus den gleichen Gründen unwirksam, wie ein virtuelles Hausverbot.
3) Aufbürdung der Rücksendekosten
Für den Kunden kann es ggf. schon eine abschreckende Wirkung haben, wenn ihm im Falle von Retouren die Kosten der Rücksendung aufgebürdet werden. Im Gegensatz zu den vorgenannten Maßnahmen kann eine solche Regelung unter Umständen zulässig sein.
a) Maßstab Widerrufsrecht
Das Gesetz regelt in § 357 Abs. 5 BGB, dass der Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren trägt, wenn der Unternehmer den Verbraucher in seiner Widerrufsbelehrung korrekt von dieser Pflicht unterrichtet hat.
Dagegen trägt der Unternehmer die Kosten der Rücksendung, wenn er den Verbraucher nicht (korrekt) von dieser Pflicht unterrichtet hat oder wenn der Unternehmer sich (etwa im Rahmen seiner Widerrufsbelehrung) bereit erklärt hat, diese Kosten selbst zu tragen.
Mit den Rücksendekosten sind die Kosten gemeint, die für die Rücksendung der Ware vom Verbraucher an den Unternehmer im Rahmen des Widerrufsrechts anfallen. Dabei muss der Verbraucher aber nur die „unmittelbaren“ Kosten der Rücksendung tragen. Hierzu zählen etwa die vom beauftragten Transportdienstleister konkret berechneten Versandkosten. Nicht dazu zählen etwa Personal- oder Lagerkosten, die ggf. im Zusammenhang mit der Rückabwicklung beim Unternehmer anfallen.
Danach ist eine Regelung, wonach der Verbraucher im Falle des Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen hat, grundsätzlich zulässig.
Welche praktischen Probleme sich für den Händler hierbei insbesondere dann stellen können, wenn er auch Speditionsware anbietet und wenn er auch ins Ausland versendet, erläutern wir in diesem Beitrag.
b) Maßstab Mängelhaftung
Im Rahmen der gesetzlichen Mängelhaftung hat der Verkäufer nach § 439 Abs. 2 BGB die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Schickt der Käufer die Ware also zum Zwecke der Nacherfüllung (Reparatur oder Ersatzlieferung) an den Verkäufer zurück, muss der Verkäufer diese Kosten tragen. Handelt der Käufer als Verbraucher, so kann er hierfür nach § 475 Abs. 4 BGB sogar Vorschuss vom Verkäufer verlangen.
Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den vorgenannten Grundsätzen abweicht, kann der Unternehmer sich nach § 476 Abs. 1 BGB nicht berufen. Ferner stünde einer solchen Regelung in AGB auch § 309 Nr. 8 b cc) BGB entgegen, wonach eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 und 3 zu tragen oder zu ersetzen, unwirksam ist. Eine entsprechende Regelung in den AGB des Händlers wäre daher gegenüber Verbrauchern unwirksam.
Ist der Käufer auf Basis eines Rücktrittsgrundes wirksam vom Vertrag zurückgetreten und daher (Zug um Zug) gegen Rückzahlung des Kaufpreises zur Rücksendung der Ware verpflichtet, so muss der Verkäufer nach § 280 Abs. 1 BGB für die Kosten der Rücksendung aufkommen, wenn er diese zu vertreten hat. Auch diese Kosten dürfte der Verkäufer dem Käufer nicht durch eine eigene Regelung aufbürden, da dies eine unangemessene Benachteiligung des Käufers gemäß § 307 Abs. 2 BGB darstellen würde.
III. Fazit
Retouren können im Online-Handel auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein. Da sie Online-Händlern zusätzliche Kosten verursachen, suchen diese nach legalen Wegen, zumindest übermäßige Retouren einzudämmen. Dabei sind unterschiedliche Maßnahmen denkbar, die jedoch insbesondere im Verhältnis zu Verbrauchern in der Regel unzulässig sind, wenn sie mit einer „Bestrafung“ des Verbrauchers einhergehen.
Tipp:
Neben (zumeist unzulässigen) „Strafmaßnahmen“ kommen auch andere Maßnahmen zur Eindämmung von Retouren in Betracht, die nicht auf eine Bestrafung des Kunden abzielen. Hiermit setzen wir uns in diesem umfassenden Beitrag auseinander.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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