Wenn Kunden zu oft widerrufen: Welche Rechte haben Händler?
Wie können sich Händler rechtlich gegen unverhältnismäßig häuige Widerrufe einzelner Kunden schützen? Unsere Tipps und Musterformulierungen helfen weiter.
Inhaltsverzeichnis
- Hohe Widerrufsfrequenz: Der rechtliche Rahmen
- Maßnahmen gegen übermäßige Retouren: Zulässigkeit und Umsetzungserfordernisse
- 1. Bearbeitungs- und Strafgebühren für übermäßige Widerrufsbegehren
- 2. Keine Erstattung der Versandkosten
- 3. Umlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher
- 4. Ausschluss von Teilwiderrufen
- 5. Bonusprogramme für die Retourenvermeidung
- 6. Hausrecht: Ablehnung künftiger Vertragsverhältnisse
- a) Unzulässig: Sperren von Kundenkonten bei übermäßigen Retouren
- b) Zulässig: Individuelle Mitteilung der Abstandnahme von künftigen Vertragsverhältnissen
- c) Muster: Ablehnung zukünftiger Geschäftsbeziehung inkl. Aufforderung zur Unterlassung von Bestellungen bei übermäßiger Ausübung von Widerrufsrechten
- Fazit
Hohe Widerrufsfrequenz: Der rechtliche Rahmen
Das Widerrufsrecht ermöglicht es Verbrauchern, im Fernabsatz geschlossene Verträge innerhalb einer vorgegebenen Frist (bei Warenlieferungen 14 Tage nach Erhalt der Ware, s. § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB) per Erklärung zu widerrufen.
Rechtsfolge ist die Pflicht zur gegenseitigen Rückgewähr der empfangenen Leistungen. Der Verbraucher muss die erhaltene Ware an den Händler zurückführen, der Händler muss den gezahlten Kaufpreis und grundsätzlich auch die für den ursprünglichen Hinversand gezahlten Versandkosten erstatten.
Weil es sich beim Widerrufsrecht um ein gesetzliches Verbraucherschutzrecht handelt, sind Händler an dessen Regeln gebunden. Sie dürfen also das Widerrufsrecht nicht gesetzeswidrig beschränken oder ausschließen, vgl. auch § 361 BGB.
Dafür, dass Verbraucher sich in auffälligem hohen Maße auf das Widerrufsrecht berufen, sieht das Gesetz keine besonderen Privilegien des Händlers vor.
Insbesondere sind häufige Widerrufsbegehren kein Ausschlussgrund für das Widerrufsrecht als solches.
Die Anzahl von Möglichkeiten, einem übermäßiges Retoureverhalten von Verbrauchern wirksam und rechtskonform vorzubeugen, sind also bereits von Gesetzes wegen stark begrenzt.
Dennoch werden unter Händlern verschiedenste Lösungsansätze diskutiert. Eine Auswahl und soll nachfolgend auf Zulässigkeit und Umsetzbarkeit bewertet werden.
Maßnahmen gegen übermäßige Retouren: Zulässigkeit und Umsetzungserfordernisse
1. Bearbeitungs- und Strafgebühren für übermäßige Widerrufsbegehren
Fallen Verbraucher durch ein übermäßiges Retoureverhalten negativ auf, wird von vielen Händlern erwogen, für künftige Widerrufsbegehren Bearbeitungs- und/oder Strafgebühren anzudrohen und zu erheben.
Damit soll allein aufgrund der bisherigen Retourenquote eine Pauschale vom rückzuerstattenden Kaufpreis abgezogen werden können.
Was auch Sicht des Händlers als geeignete Maßnahme erscheint, ist nach eindeutiger gesetzlicher Anordnung des § 361 Abs. 2 BGB allerdings absolut unzulässig.
Bearbeitungs- oder Strafgebühren für die Ausübung des Widerrufsrechts sind gesetzlich nicht vorgesehen und können daher auch nicht wirksam geltend gemacht werden.
Von der Auferlegung von Bearbeitungs- oder Strafgebühren für übermäßige Widerrufe sollte unbedingt abgesehen werden.
Derartige Maßnahmen sind unzulässig und bergen ein erhebliches Abmahnpotenzial.
2. Keine Erstattung der Versandkosten
Als weitere Maßnahme gegen übermäßige Retouren wird diskutiert, dem Verbaucher ab einem bestimmten Widerrufsvolumen nur den Kaufpreis zu erstatten, die Erstattung von Hinversandkosten aber zu verweigern.
Auch dieses Vorgehen steht allerdings mit den gesetzlichen Widerrufsvorschriften, von denen gemäß § 361 Abs. 2 BGB nicht zulasten des Verbrauchers abgewichen werden darf, nicht im Einklang und ist rechtswidrig.
Nach § 357 Abs. 2 Satz 1 BGB müssen Online-Händler bei wirksamem Verbraucherwiderruf auch die gezahlten Versandkosten zurückerstatten.
Die einzige Ausnahme besteht für Mehrkosten, die entstehen, wenn der Verbraucher sich für eine andere als die günstigste Standardversandmethode (also etwa für einen Expressversand) entscheidet, § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Ein Einbehaltungsrecht für Versandkosten bei übermäßigen Retouren kennt das Gesetz aber nicht, sodass es auch nicht geltend gemacht werden darf.
3. Umlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher
Viele Unternehmen bieten mit dem Ziel einer besonderen Kundenfreundlichkeit den kostenlosen Rückversand in Widerrufsfällen an und übernehmen damit die Retourkosten.
Kann ein unliebsames Retourverhalten eingedämmt werden, indem man dem Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung auferlegt?
a) Allgemeine Umstellung der Rücksendekostenpolitik
Soll die Rücksendekostenpolitik aufgrund hohen Retourenvolumens allgemein geändert werden, ist dies grundsätzlich zulässig, weil bereits das Gesetz von einer originären Rücksendekostentragungspflicht des Verbrauchers ausgeht, § 357 Abs. 5 BGB.
Händler können davon zugunsten des Verbrauchers durch Übernahme der Kosten abweichen (§ 361 Abs. 2 BGB greift hier wegen der günstigen Abweichung nicht), aber jederzeit mit Wirkung für die Zukunft auch wieder auf ein Kostentragungsmodell nach gesetzlichem Vorbild umstellen.
Sollen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung (künftig) Verbrauchern auferlegt werden, ist eine Anpassung der Widerrufsbelehrung erforderlich. Diese muss mit der Umstellung des Kostenmodells zwingend die Tragung der Rücksendekosten durch den Verbraucher abbilden.
b) Verbraucherindividuelle Änderung der Rücksendekostentragung
Um die Rücksendekostenpolitik in Widerrufsfällen nicht allgemein zu ändern, kann die Tragung der Rücksendekosten in Widerrufsfällen auch nur einzelnen Verbrauchern mit einem auffällig hohen Retoureaufkommen auferlegt werden. .
Weil das Gesetz von einer grundsätzlichen Rücksendekostentragung des Verbrauchers ausgeht, darf diese in zulässiger Weise auch nur gegenüber bestimmten Verbrauchern geltend gemacht werden.
Für die rechtskonforme Umsetzung sind allerdings die folgenden Handlungserfordernisse zu beachten:
- 1.) Der Verbraucher muss per individueller Kontaktaufnahme darüber informiert werden, dass aufgrund seines bisherigen Retourenaufkommens die Übernahme der Rücksendekosten in Widerrufsfällen für ihn außer Kraft gesetzt wird und er bei Widerruf künftiger Verträge die unmittelbaren Rücksendekosten trägt.
- 2.) Dem Verbraucher muss in Zusammenhang mit diesem Anschreiben eine für ihn geltende Widerrufsbelehrung übermittelt werden, die – anders als die allgemeingültige – auf die Tragung der unmittelbaren Rücksendekosten durch den Verbraucher verweist
- 3.) Bei allen künftigen Bestellungen des Verbrauchers ist diesem nach Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger (etwa als PDF-Anhang in der Bestelleingangsbestätigungsmail) neben den AGB diese alternative Widerrufsbelehrung zu übermitteln, die auf die Tragung der unmittelbaren Rücksendekosten durch den Verbraucher lautet.
- 4.) Unter keinen Umständen darf dem Verbraucher im Nachgang künftiger Bestellungen die allgemeine Widerrufsbelehrung, die auf Rücksendekostenübernahme durch den Händler lautet, individuell übermittelt werden.
c) Muster: Individuelle Rücksendekostenauferlegung
Soll für einzelne Verbraucher bei künftigen Bestellungen im Widerrufsfall eine Rücksendekostenübernahme ausgeschlossen werden, ist dies nebst der Übermittlung einer abweichenden Widerrufsbelehrung individuell mitzuteilen.
Mandanten können hierfür die folgende Musterformulierung verwenden
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4. Ausschluss von Teilwiderrufen
a) Kein Recht auf Teilwiderruf
Viele Retouren haben Ihren Ursprung nicht in einem Widerruf des gesamten Vertrages, sondern beziehen sich nur auf einzelne Produkte einer Bestellung.
Um das Retoureaufkommen zu beschränken, kann es daher sinnvoll sein, das Recht des Verbrauchers auf Teilwiderruf, also auf Widerruf nur einer oder mehrerer Bestellteile anstatt der ganzen Bestellung, auszuschließen.
Das Gesetz kennt per se einen „Teilwiderruf“ nicht und geht davon aus aus, dass ein Verbraucher nur den Vertrag als Ganzes soll widerrufen können.
Daher ist ein Teilwiderruf des Verbrauchers grundsätzlich unzulässig ist und kann vom Händler allenfalls individuell vertraglich bewilligt werden.
Wird ein Teilwiderruf begehrt, kann dieser also mit bloßem Hinweis auf die Gesetzeslage als unzulässig zurückgewiesen werden.
Um den Verbraucher schon bei Vertragsschluss für diesen Umstand zu sensibilisieren, kann im Footer des Shops zusätzlich ein Hinweis auf den Ausschluss des Teilwiderrufs platziert werden, etwa in dieser Form:
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b) Muster: Ablehnung des Teilwiderrufs nach erfolgter Widerrufserklärung
Will ein Verbraucher von seinem Widerrufsrecht nur hinsichtlich eines Teils der Bestellung Gebrauch machen und möchte sich der Händler hierauf nicht einlassen, hat er jenseits eines allgemeinen Hinweises im Shop die Möglichkeit
- durch individuelle Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher auf die Unzulässigkeit des Teilwiderrufs hinzuweisen und
- den Verbraucher um Stellungnahme zu bitten, ob er den Widerruf für die gesamte Bestellung erklären oder vom Widerruf absehen möchte
Hierfür stellen wir Mandanten gerne das folgende Muster bereit:
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5. Bonusprogramme für die Retourenvermeidung
Als weiteres Mittel, um Verbraucher an ihren Bestellungen festhalten zu lassen und Widerrufsbegehren zu reduzierten, werden Bonus- oder Incentive-Programme für retourenarmes Bestellen diskutiert.
Über Drittanbieterlösungen oder durch eigene Implementierung sollen Verbraucher, welche auf die Ausübung von Widerrufsrechten für Bestellungen verzichten, nach einem Punktevergabesystem mit Punkten belohnt werden, die wiederum gegen Prämien (Rabatte, Goodies, Freiversand) eingetauscht werden.
Das Gewähren von Boni oder Prämien für Vertragstreue und mithin für den Verzicht auf die Ausübung des Widerrufsrechts ist grundsätzlich zulässig, sofern die damit verbundenen Anreize ihrem Wert nach nicht geeignet sind, den Verbraucher wirksam von der Ausübung seiner Widerrufsrechte abzuhalten.
Diese Grenze dürfte dann überschritten sein, wenn die Prämienversprechen so exzessiv sind, dass sich die Ausübung von Widerrufsrechten für den Verbraucher als unwirtschaftlich darstellen würde.
Sollen Prämien aber nur einen Anreiz dafür bieten, über die Ausübung eines Widerrufsrechts erneut zu reflektieren und zum Zwecke künftiger Einkaufsvorteile an einer Bestellung festzuhalten, steht dies mit den geltenden Widerrufsvorschriften im Einklang.
Unerlässlich ist, dass
- über die Bedingungen des Bonusprogramms und Verfahren und Fristen zur Prämienvergabe und Einlösung auf der Zielpräsenz transparent und nachvollziehbar aufgeklärt wird und
- jedem Verbraucher die Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme auf individueller Basis eingeräumt wird.
6. Hausrecht: Ablehnung künftiger Vertragsverhältnisse
Weil auch im E-Commerce ein virtuelles Hausrecht grundsätzlich anerkannt wird, dürfen Online-Händler selbst darüber entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen Sie mit potenziellen Vertragspartnern kontrahieren möchten.
Relevant kann die Ausübung des virtuellen Hausrechts insbesondere dann werden, wenn Kunden in der Vergangenheit durch vertraglich missbilligtes Verhalten aufgefallen sind und der Online-Händler ein Interesse daran hat, zukünftige Verträge mit dem Kunden zu unterbinden.
Inwiefern die hausrechtliche Vertragsablehnung auch auf die übermäßige Ausübung von Widerrufsrechten gestützt werden darf, ist differenziert zu betrachten.
a) Unzulässig: Sperren von Kundenkonten bei übermäßigen Retouren
Unzulässig ist es, häufig widerrufenden Verbrauchern mit der Schließung von Kundenkonten zu drohen und/oder derartige Sperrungen tatsächlich zu bewirken, um Verbraucher technisch von künftigen Bestellungen abzuhalten.
Die Schließung von Konten wegen wiederkehrender Widerrufsbegehren würde nämlich die Wahrnehmung gesetzlich etablierter Rechte sanktionieren und ist weder unter Berufung auf primär hausrechtliche Befugnisse noch unter Bezugnahme auf die Vertragsfreiheit zulässig.
b) Zulässig: Individuelle Mitteilung der Abstandnahme von künftigen Vertragsverhältnissen
Zulässig ist es hingegen, ohne technische Drohgebärden durch individuelle Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher auf dessen übermäßiges Retourenverhalten hinzuweisen und weitere Geschäftsbeziehungen zu verweigern.
Hier ist eine unsachgemäße Beeinflussung des Verbrauchers, anders als bei der Androhung oder Umsetzung technischer Sanktionen, nicht zu befürchten (s. auch OLG Hamburg, Urteil v. 25.11.2004 – Az. 5 U 22/04).
Vielmehr ist der Entschluss des Händlers, aufgrund des hohen Retoureaufkommens und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Belastung künftige Vertragsschlüsse abzulehnen, von der Vertragsfreiheit gedeckt.
c) Muster: Ablehnung zukünftiger Geschäftsbeziehung inkl. Aufforderung zur Unterlassung von Bestellungen bei übermäßiger Ausübung von Widerrufsrechten
Wenn ein Online-Händler Kenntnis darüber erlangt, dass ein bestimmter Kunde in der Vergangenheit einen hohen prozentualen Anteil aller Bestellungen vollständig widerrufen hat, kann er durch Mitteilung weitere Geschäftsbeziehungen mit diesem verweigern und ihn auffordern, von künftigen Vertragsanbahnungen Abstand zu nehmen. Auf Grundlage einer solchen Erklärung können später vom jeweiligen Kunden herbeigeführte Verträge einseitig aufgehoben werden.
Für Mandanten stellen wir dafür das folgende Formulierungsmuster bereit:
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Fazit
Die Möglichkeiten des Händlers, bei übermäßigen Retouren bestimmter Verbraucher wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen, sind durch das starre gesetzliche Widerrufsregime begrenzt. Dieses verbietet in § 361 BGB Abweichungen von den Widerrufsvorschriften zulasten des Verbrauchers.
Während ein auffallend häufiges Widerrufsverhalten daher nicht mit Straf- oder Bearbeitungsgebühren belegt oder mit einer Einbehaltung der Versandkosten sanktioniert werden kann, stehen Händlern folgende Maßnahmen zur Verfügung:
- die (individuelle) Auferlegung von Rücksendekosten
- der Ausschlusses von Teilwiderrufen
- die Ausübung des Hausrechts zur Unterbindung künftiger Bestellungen
- die Einführung von Bonusprogrammen für den Widerrufsverzicht
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