Wellness und Gesundheit in der Werbung: Problemfeld Wirkversprechen und Wettbewerbsrecht
Zu den Dauerbrennern unter unseren Beiträgen zählen die Urteile, mit denen Werbung für die verschiedensten Produkte mit (angeblich) gesundheitsfördernder Wirkung verboten wurde. Die sind nicht nur recht amüsant zu lesen, sondern zeigen auch immer wieder die gleiche Problematik auf: Wer mit bestimmten Wirkversprechen Werbung betreibt, sollte die Besonderheiten des Heilmittel-Werberechts und verwandter Rechtsgebiete beachten.
Inhaltsverzeichnis
Grundproblem
Werbung soll Kaufanreize schaffen – also liegt es relativ nahe, den interessierten Kunden gerade da zu locken, wo er selbst Prioritäten setzt: Bei seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden, und in letzter Zeit auch verstärkt bei seinem Umweltbewusstsein. Das Problem ist hierbei, dass Gesetzgeber und Rechtsprechung gerade nicht wollen, dass diese Themen hemmungslos in der Werbung ausgeschlachtet werden. Das Risiko ist hier schließlich recht hoch, dass der sachunkundige Bürger im Vertrauen auf falsche Werbeversprechen gerade das Gegenteil seiner guten Absichten erreicht und mit unlauter beworbenen Produkten oder Dienstleistungen seine Gesundheit, sein Wohlbefinden oder die Umwelt schädigt.
In diesem Beitrag wird die Problematik einmal etwas weiter ausgeleuchtet, wobei an den besonders spannenden Stellen zahlreiche Links auf weiterführende Texte verweisen.
Pflichten des Werbenden
In der Werbung soll zumindest grundsätzlich die Wahrheit gesagt werden – das ist keine Überraschung und auch die Kernaussage des UWG. In den angesprochenen Bereichen – Gesundheit, Wellness, Umwelt – wird nun außerdem vom Werbenden verlangt, dass er seine selbst den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen beweisen kann. Das ist einerseits in Gesetzen normiert (etwa dem HWG oder dem LFGB), andererseits auch fester Bestandteil der Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht.
Betroffene Produkte und Dienstleistungen
Um von diesen Grundsätzen betroffen zu sein, müssen die beworbenen Produkte bzw. Dienstleistungen gar nicht einmal vordergründig unter den Begriff „Medizin“ oder „Umweltschutz“ fallen; es genügt hier schon die mittelbare Wirkung auf Gesundheit, Wohlbefinden oder Umwelt. Zu den betroffenen Produkten können also unter Umständen auch Kosmetika, Lebensmittel oder Haushaltsprodukte zählen. Ein paar Beispiele aus unserer Berichterstattung:
- „Airpressure Bodyforming Concept“ (pneumatischer Fett-weg-Bauchgurt)
- „Anti aging“-Produkte
- Anti-Falten-Creme
- Anti-Kalk-Geräte mit (behauptetem) elektromagnetischem Wirkmechanismus
- Collagen -Drinks zur Faltenunterpolsterung
- Diätseminare
- Grapefruitkernextrakt (GKE)
- Heilsteine
- Hormonpräparate zur Gewichtsreduktion
- Ionen-Armbänder
- Kerzen mit vorgeblich niedrigem CO2-Ausstoß
- Lebensmittelzusätze zur „Entschlackung “
- Pheromone (bzw. pheromonhaltige Produkte)
- Tee mit vorgeblich krebs- und cholesterinhemmender Wirkung
- Ultraschall zur Fettreduktion (z.B. „Lipolyse “, „Medical Spa “)
Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis
Wissenschaftliche Nachweise, insbesondere in Form von Studien, sind vor Gericht das wertvollste Beweismittel zur Untermauerung der Werbebehauptung. Diese Nachweise müssen jedoch bestimmten Standards entsprechen, um überhaupt gerichtlich verwertet werden zu können; ausführliche Informationen hierzu finden sich in unserem Hauptbeitrag zu diesem Thema. Die wichtigsten Erkenntnisse aus der jüngeren Rechtsprechung in aller Kürze:
- Der Nachweis muss anhand unabhängiger Forschung nach wissenschaftlich anerkannten Standards erbracht werden; Studien, an denen der Hersteller (bzw. Vertreiber) selbst beteiligt war, sind kein zulässiges Beweismittel (OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.11.2011, Az. 6 U 93/11).
- „Alternative“ Forschungsansätze werden, sofern sie klassischen wissenschaftlichen Erkenntnissen (insbes. Solchen der „Schulmedizin“) widersprechen, vor Gericht in der Regel nicht als Beweismittel anerkannt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.07.2006, Az. 4 U 12/04).
- Der Nachweis muss bereits vor Beginn der Werbemaßnahmen erbracht sein; Wirkungen „auf gut Glück“ zu behaupten und später entsprechende Studien nachzuschieben ist nicht zulässig (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.03.2011, Az. I-20 U 85/10).
- Behauptete Kundenzufriedenheit, Kundenrezensionen oder auch das bloße Ausbleiben von Reklamationen können keinen wissenschaftlichen Nachweis ersetzen (OLG Hamm, Urt. v. 18.11.2010, Az. I-4 U 148/10; LG Stuttgart, Urt. v. 17.02.2012, Az. 31 O 47/11 KfH).
Zuletzt die gute Nachricht: Wer sich tatsächlich um eine Studie nach diesen Grundsätzen bemüht hat, der muss vor Gericht auch nur die eine vorlegen. Eine Mehr- oder gar Vielzahl an Studien ist nach Ansicht des BGH nicht notwendig, um eine wissenschaftliche Anerkennung nachzuweisen (BGH, Urt. v. 21.01.2010, Az. I ZR 23/07).
Sonderfall Lebensmittelrecht
Für Lebensmittel gelten mit der „Health Claims“-Verordnung (HCVO) besondere Bedingungen: Auf Grundlage der HCVO existiert eine Liste mit gesundheitsbezogenen Aussagen, die für Lebensmittel zugelassen sind. An dieser Liste haben sich Werbeversprechen mit Gesundheits- oder Wellnessbezug zu orientieren. Ausführliche Informationen hierzu können unserem Hauptbeitrag zur HCVO entnommen werden.
Sonderfall Medizinrecht
Auch Ärzte haben sich bei ihrer (ohnehin stark beschränkten) Werbung an das Werberecht zu halten – ein Arzt mag ja ein Akademiker sein, sein Wort zur eigenen Therapie gilt jedoch im Werberecht nicht als wissenschaftlicher Nachweis. Ausführliche Informationen hierzu können unserem Blog zu diesem Thema entnommen werden.
Wirkbehauptung ohne Nachweis?
Wer sich dennoch nicht davon abbringen lassen will, ein Wirkversprechen in der Werbung abzugeben, ohne einen wissenschaftlichen Nachweis vorweisen zu können, sollte sich zumindest mit einem entsprechenden Hinweis absichern. Dabei ist in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass die behauptete Wirkung wissenschaftlich nicht belegt bzw. umstritten ist (OLG Hamm, Urt. v. 18.11.2010, Az. I-4 U 148/10). Ein solcher Hinweis muss dann grundsätzlich klar und sachlich formuliert sein und darf nicht zu Missverständnissen führen (OLG Hamm, Urt. v. 30.11.2010, Az. I-4 U 88/10).
Kommentar
Ehrlich währt am längsten – das gilt insbesondere auch im Werberecht. Wenn es auch verlockend sein mag, den Verbraucher mit schönen Versprechen über die Steigerung seines Wohlbefindens oder seiner Gesundheit zu locken, solche Werbeversprechen sollten mit einem gewissen juristischen Fingerspitzengefühl formuliert werden. Wer hier nicht zumindest Grundkenntnisse des allgemeinen Werberechts und ggf. des Lebensmittel- bzw. Medizinrechts vorweisen kann, sollte im Zweifel auf Wirkversprechen in der Werbung verzichten oder einen Fachmann beauftragen.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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