Gibt’s doch gar nicht: Werbung mit schadstofffrei irreführend bei Einhaltung von Grenzwerten
Schadstofffrei, das klingt in Zeiten von Bio&Öko immer gut. Aber Vorsicht: Wer damit wirbt verhält sich wettbewerbswidrig, wenn das beworbene Produkt lediglich die gesetzlichen Grenzwerte einhält. Denn: Der Verbraucher versteht die Werbung mit dem Begriff "schadstofffrei" dahingehend, dass die beworbene Ware überhaupt keinen Schadstoff enthält. Das ist irreführend - so zumindest das OLG Stuttgart (Urteil vom 25.10.2018, AZ.: 2 U 34/18).
Werbung für Matratzen: Ohne Schadstoffe weil unterhalb der Grenzwerte
Es ging ums Schlafzimmer - konkret va. um Matratzen. Diese wurden beworben ua. mit: „Kein Schadstoff in der Matratze“ und „Sicher schadstofffrei“.
Tatsächlich waren aber in der Matratze va. Antimon, aber auch Formaldehyd, Arsen und Quecksilber (worauf es hier aber gar nicht mehr ankam) enthalten. Die Werbung wurde deshalb als schadstofffrei gestaltet, weil nach externer Untersuchung der Ware festgestellt wurde, dass keine gesundheitsgefährdenden Stoffe bzw. Stoffe in gesundheitsgefährdender Konzentration nachweisbar waren. So sei der Antimongehalt, um den es hier hauptsächlich ging, in der beworbenen Matratze nach den vorgelegten Tests verschwindend gering sein. Er liege weit unterhalb sämtlicher Grenzwerte, die es für Antimon gebe – so die Werber.
Schadstofffrei: Wie darf man das bitte verstehen?
Das Gericht hat im Ergebnis geurteilt, dass eine solche Werbung irreführend ist. Denn der Verbraucher versteht die Werbung mit dem Begriff "schadstofffrei" dahingehend, dass die beworbene Ware überhaupt keinen Schadstoff enthalte, also keinen einzigen Stoff, der abstrakt geeignet sei, ihn zu schädigen. Die Werbeaussage ist auch dann irreführend, wenn dem Verbraucher die Vorstellung vermittelt wird, es wurde eine umfasssende Schadstoffprüfung vorgenommen, obwohl tatsächlich das Vorhandensein bestimmter Schadstoffe nicht überprüft wurde. Auch wenn die Ware Schadstoffe nur in einer Konzentration enthält, die gesetzliche Grenzwerte oder Vorgaben privater Institutionen, wie etwa nach dem "OEKO-TEX Standard 100", nicht überschreitet oder von Fachkreisen als vernachlässigenswert angesehen wird, ist dies irreführend, so die Richter.
Auf wen kommt‘s bei diesem Verständnis des Verbrauchers eigentlich an?
Ganz allgemein: Das Verkehrsverständnis von einer Werbeaussage bemisst sich nach der Vorstellung, die der Verbraucher aus der Werbung gewinnt. Es ist aus dem Gesamteindruck zu ermitteln, den der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher bei situationsadäquater Aufmerksamkeit erfährt. Und in Sachen Bettwaren ist der Verbraucher im Übrigen sehr genau, so die Stuttgarter Richter:
"Der maßgebende Durchschnittsverbraucher tritt der Werbung für Bettwaren und so auch für Matratzen und Stützkissen nicht mit besonders großer Aufmerksamkeit entgegen, betrachtet sie aber, wenn er an solchen Waren gerade interessiert ist, auch nicht nur flüchtig. Er kauft Bettwaren zwar üblicherweise nicht in kurzen Zeitabständen, es handelt sich dabei auch nicht um Ware mit einem Preis, der so niedrig liegt, dass sich der Verbraucher mit der Qualität der Ware gar nicht näher befasst, sondern er ist im Gegenteil gerade an deren Qualität überdurchschnittlich interessiert, weil er mit Bettwaren regelmäßig täglich stundenlang direkt in Berührung kommt."
Exkurs zur Werbung im Bereich Öko, Bio & Co.: Werbung mit Begriffen wie Öko und Bio und entsprechenden Siegeln sind en vogue - allerdings warten hier einige rechtliche Fallstricke, die es unbedingt zu beachten gilt, sofern man sich wettbewerbskonform verhalten will. Wir haben in diesem Beitrag mal alles relevante zum Thema Oekotex und in diesem Beitrag zum Thema Bio & Co. zusammengefasst.
Finger weg von: Schadstofffrei
Nach diesem Urteil dürfte davon auszugehen sein, dass die Bewerbung mit dem Schlagwort schadstofffrei kaum in zulässiger Weise möglich sein dürfte. Denn ein Produkt ohne jegliche Schadstoffe dürfte fast unmöglich sein, da die meisten Stoffe negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Allenfalls könnte man in diesem Zusammenhang mit "schadstoffgeprüft" werben - dann müssten aber auch die Prüfberichte veröffentlicht und angegeben werden.
Apropos Matratze: Gerade beim Verkauf von Matratzen lauern einige Gefahren - exemplarisch sei erwähnt: Die Werbung mit Testergebnissen oder der mögliche Ausschluss des Widerrufsrechts.
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