BayVGH: Öko-Wärme-Säckchen (mit Trauben- oder Johannesbeerkernfüllung) können Medizinprodukte sein

BayVGH: Öko-Wärme-Säckchen (mit Trauben- oder Johannesbeerkernfüllung) können Medizinprodukte sein
11.12.2012 | Lesezeit: 3 min

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat enschieden (Beschluss vom 7. Juni 2011 – 9 ZB 09.1657), dass mit Trauben- oder Johannesbeerkernen gefüllte "Öko-Wärme-Säckchen" Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG sind und damit der CE-Kennzeichnungspflicht unterliegen - sollten diese Säckchen - laut Werbung - der Linderung von Krankheiten und Verletzungen dienen.

 

So lägen die für das Vorliegen eines Medizinprodukts maßgeblichen Voraussetzungen vor. Das streitgegenständliche Produkt („Öko-Wärme-Säckchen“) sei zur Anwendung beim Menschen und dazu bestimmt, einem der in § 3 Nr. 1 MPG genannten Zwecke zu dienen. Zweckbestimmung sei gemäß § 3 Nr. 10 MPG die Verwendung, für die das Medizinprodukt in der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder den Werbematerialien nach den Angaben des in § 3 Nr. 15 MPG genannten Personenkreises bestimmt ist; zu diesem Personenkreis gehöre insbesondere der Hersteller (§ 3 Nr. 15 Satz 1 MPG).

Dementsprechend hat das Gericht bei der Frage, ob Wärmesäckchen Medizinprodukte darstellen können, im wesentlichen auf die Angaben der Klägerin zur Anwendung des Produkts abgestellt. Das Gericht führte in dem Zusammenhang aus:

Die Klägerin bewirbt das Produkt damit, dass die „Öko-Wärme-Säckchen“ bei Beschwerden (z.B. kalten Füßen), Krankheiten (z.B. Rheuma, Migräne) und Verletzungen (z.B. Zerrungen, Blutungen, Prellungen) unterstützend wirken, eine unkomplizierte Wärme- bzw. Kältetherapie ermöglichen und als Kältepack bei therapeutischen Anwendungen eingesetzt werden können (siehe Informationsblatt vom Dezember 2007 und Angaben im Internetshop der Klägerin Stand: 1. Quartal 2008). Das Wärmesäckchen ist demnach zwar kein Arzneimittel (zur Begriffsbestimmung vgl. § 2 AMG) , weil seine bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus, sondern vorwiegend auf physikalischem Weg, nämlich durch Einwirkung von Wärme oder Kälte, erreicht wird (vgl. zu den Abgrenzungskriterien auch OVG Münster vom 11.6.2007 PharmR 2008, 83; Rehmann/Wagner, MPG, 2. Aufl. 2010, RdNr. 1 zu § 3; Reischl RDG 2006, 180 sowie die Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14.6.1993 in der durch Art. 2 der RL 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.9.2007 geänderten Fassung). Es stellt jedoch ein Medizinprodukt dar, weil es nach seiner Zweckbestimmung jedenfalls der Linderung von Krankheiten und Verletzungen im Sinne des § 3 Nr. 1 lit. a und b MPG dient. Dies steht angesichts der Herstellerhinweise auf den Einsatz des Produkts im Rahmen einer Therapie, also zur Behandlung von Krankheiten und Verletzungen, sowie auf den ausdrücklichen Anwendungsbereich bei Krankheiten (z. B. Rheuma und Migräne) und Zerrungen, Blutungen und Prellungen außer Frage. Mit der rechtlichen Qualifizierung als Medizinprodukt scheidet gleichzeitig (auch) eine Einordnung des Produkts als Bedarfsgegenstand im Sinne des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs aus, weil gemäß § 2 Abs. 6 LFGB darunter (u.a.) keine Gegenstände fallen, die nach § 3 MPG Medizinprodukte oder Zubehör für Medizinprodukte sind.

Achtung: Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 MPG dürfen Medizinprodukte - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in Deutschland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine CE-Kennzeichnung tragen. Die CE-Kennzeichnung wiederum darf gemäß § 6 Abs. 2 MPG auf Medizinprodukten nur angebracht werden, wenn diese die grundlegenden Anforderungen des § 7 MPG erfüllen und das für sie vorgesehene Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle:
© PhotoSG - Fotolia.com

Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

0 Kommentare

Weitere News

FAQ zum Handel mit Medizinprodukten
(25.10.2024, 08:29 Uhr)
FAQ zum Handel mit Medizinprodukten
LG Dortmund: Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ für Medizinprodukte ohne wissenschaftlichen Beleg unzulässig
(24.10.2016, 10:20 Uhr)
LG Dortmund: Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ für Medizinprodukte ohne wissenschaftlichen Beleg unzulässig
OLG Hamm zu irreführenden Werbeaussagen für umstrittene kinesiologische Behandlungsmethoden
(13.08.2014, 09:41 Uhr)
OLG Hamm zu irreführenden Werbeaussagen für umstrittene kinesiologische Behandlungsmethoden
OLG Celle und LG Ulm zur Unlauterkeit der Werbung mit wissenschaftlich nicht belegten Wirkungsbehauptungen für Kinesio-Tapes
(04.04.2014, 10:28 Uhr)
OLG Celle und LG Ulm zur Unlauterkeit der Werbung mit wissenschaftlich nicht belegten Wirkungsbehauptungen für Kinesio-Tapes
Wirkungsaussagen für Kinesio-Tapes stellen nach LG Konstanz irreführende Leistungsversprechen dar
(31.10.2013, 14:09 Uhr)
Wirkungsaussagen für Kinesio-Tapes stellen nach LG Konstanz irreführende Leistungsversprechen dar
CDU/CSU und FDP treten für schärfere Medizinprodukte-Richtlinien ein
(18.12.2012, 11:30 Uhr)
CDU/CSU und FDP treten für schärfere Medizinprodukte-Richtlinien ein
© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei