Die Rückgewährpflichten von Unternehmern und Verbrauchern im Falle des Widerrufs

Die Rückgewährpflichten von Unternehmern und Verbrauchern im Falle des Widerrufs
19.03.2014 | Lesezeit: 4 min

Das deutsche Recht sieht für den Handel im Fernabsatz ein generelles Widerrufsrecht des Verbrauchers innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Ware vor. Dieses lässt ein Rückgewährschuldverhältnis entstehen, in welchem die empfangenen Leistungen jeweils an die andere Partei wieder herausgegeben werden müssen. So ist der Unternehmer verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuzahlen, wohingegen der Verbraucher die erhaltene Ware zurückgeben muss.

Bisher sah das Gesetz im Widerrufsrecht unmittelbar jedoch weder eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung für die Rückgewähr auf beiden Seiten vor, noch war geregelt, wenn die Rückleistungspflicht zuerst traf.
Zum 22.11.2011 jedoch wurde die EU-Richtlinie über die Rechte des Verbrauchers (2011/83/EU) verkündet, deren Umsetzung in Deutschland zum 13.06.2014 in Kraft tritt und hinsichtlich des „wie“ und „wann“ der Rückführung von Leistungen im Falle des Widerrufs klare Vorgaben macht.

In diesem Beitrag wird die derzeitige Rechtslage den neuen Regelungen vergleichend gegenübergestellt.

Die gesetzliche Status Quo und seine Probleme

In der aktuellen Fassung des Widerrufsrechts sind sowohl der Unternehmer als auch der Verbraucher gehalten, die empfangen Leistung bei Widerruf durch den Verbraucher „Zug-um-Zug“ zurück zu gewähren.

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1. Rückerstattung des Kaufpreises durch den Unternehmer

Widerruft der Verbraucher, hat der Unternehmer diesem den Kaufpreis der Ware zu erstatten, § 357 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB. Die EU-Richtlinie über den Fernabsatz (97/7/EG) sah hierfür in Art. 6 Abs. 3 zwar eine maximale Frist von 30 Tagen vor, allerdings erfuhr diese Regelung im deutschen Recht keine Umsetzung.

Vielmehr wird in Anlehnung an die gesetzlichen Vorschriften über den Verzug davon ausgegangen, dass die Rückzahlung grundsätzlich sofort fällig ist, der Unternehmer aber bei unterbleibender Bereitschaft nach 30 Tagen gemäß §286 Abs. 3 BGB automatisch in Zahlungsverzug gerät.

Eine Ausdehnung der Rückzahlungsfrist in den AGB des Unternehmers über den Zeitraum von 30 Tagen hinaus soll nach §308 Nr. 1 BGB zudem unwirksam sein

2. Rücksendung der Ware durch den Verbraucher

Zwar ist der Verbraucher nach § 357 Abs. 2 S. 1 BGB zur Rücksendung der Ware verpflichtet, jedoch entbehren sämtliche derzeit geltende Vorschriften einer Regelung über die Rücksendungsfrist. So ist es dem Verbraucher zurzeit noch möglich, nach Belieben über den Zeitpunkt der Warenrücksendung zu entscheiden. Etwas anderes gilt nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Maßgabe des §286 Abs. 1 BGB in Verzug setzt und somit zur unverzüglichen Leistung anmahnt.
Die vertragliche Vereinbarung einer Rücksendefrist und einer Erstleistung durch den Verbraucher ist dem Unternehmer nur sehr begrenzt möglich, da §309 Nr. 2 a) BGB eine Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts des Verbrauchers in den AGB grundsätzlich untersagt.

3. Das Problem der Leistung „Zug-um-Zug“

In Anbetracht der fehlenden eindeutigen Vorschriften zu den Leistungsfristen beim Widerruf ergibt sich das eigentliche Problem beim Ablauf der Rückgewähr.

§348 Satz 1 BGB verpflichtet beide Parteien zur Leistung „Zug-um-Zug“ und räumt so praktisch sowohl dem Unternehmer als auch dem Verbraucher das Recht ein, die eigene Leistung solange zurückzubehalten, bis der jeweils andere Teil geleistet hat.

Allerdings wird ein Unternehmer in den seltensten Fällen den Kaufpreis zurückerstatten, bis er die versandte Ware wieder erhalten hat, da ein Vertrauen in die generelle Rückgewährbereitschaft des Verbrauchers nicht erwartet werden kann und auch keine Sicherheit darüber besteht, ob die widerrufene Ware überhaupt noch vorhanden ist.

Andererseits könnte der Verbraucher berechtigte Zweifel daran haben, den vollen Kaufpreis zurückzuerhalten, und so befürchten, dass der Unternehmer etwaige Minderungen durch vermeintliche Schäden an der Kaufsache geltend zu machen versucht.

Dem sich hier ergebenden „Henne-Ei-Dilemma“ hinsichtlich der Rangfolge der Leistungspflichten konnte bisher nur durch ein persönliches Treffen von Unternehmer und Verbraucher und einer somit gleichzeitig erfolgenden Rückgewähr begegnet werden. Auch der Gebrauch von Treuhandmodellen, bei welchen zunächst ein Dritter beide Leistungen erhält und diese dann weiterleitet, gewann so zunehmend an Popularität .

Die Lösung per Gesetz ab 13.06.2014

1. Rückerstattung des Kaufpreises durch den Unternehmer

Nach der neuen Gesetzeslage wird der Unternehmer nunmehr verpflichtet, den Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen an den Verbraucher zurückzuerstatten. Diese Frist läuft ab dem Tage, an dem die Widerrufserklärung des Verbrauchers dem Unternehmer zugeht.

2. Rücksendung der Ware durch den Verbraucher

Für die Rückgewähr der Kaufsache wird in der neuen Fassung des Widerrufsrechts eine Frist eingeführt, die den Verbraucher verpflichtet, die Ware innerhalb von 14 Tagen nach Absenden der Widerrufserklärung an den Unternehmer zurückzusenden.

3. Klare Reihenfolge der Leistungspflichten

Fortan werden die jeweiligen Zurückbehaltungsrechte die Rückgewähr nicht mehr gegenseitig behindern.
In der Neufassung des §357 BGB wird in Abs. 4 dem Unternehmer ausdrücklich das Recht zugesprochen, die Zahlung solange zu verweigern, bis er die widerrufene Ware zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Rücksendung in Auftrag gegeben hat (etwa durch die Übermittlung einer Sendungsnummer oder einer Besttätigung des Versandunternehmens). Umgekehrt besteht nunmehr aber kein Recht des Verbrauchers mehr, die Rücksendung zu verweigern, bis er die Zahlung erhalten hat.
Insofern wird fortan der Verbraucher verpflichtet sein, zuerst zu leisten.

Für eine detaillierte Darstellung der neuen Regelungen zum Widerruf vgl. auch den entsprechenden Beitrag der IT-Recht-Kanzlei.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

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1 Kommentar

G
Gerd Wieberg 16.01.2018, 16:26 Uhr
Rückgewährpflichten bei unklarem Paketverbleib
Nehme an, dass die obigen Ausführungen auch für den Rücktritt vom Kaufvertrag gelten. Für die Rückerstattung des Kaufpreises durch den Unternehmer in

Neufassung des §357 BGB wird in Abs. 4 dem Unternehmer das Recht zugesprochen,
die Zahlung solange zu verweigern, bis er die widerrufene Ware zurückerhalten hat: Wie leigt der Fall, wenn ein Paket nicht zugestellt wurde und Verbleib wochenlang unklar ist. Hier kann ein Kunde, der im voraus bezahlt hat, die Waren nicht zurückschicken, weil diese nie in seinen Händen war. Darf der Händerl die Erstattung des Kaufpreises trotzdem verweigern. Liegt das Transportrisiko nicht beim Händler?

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