Geht doch: Keine automatische Erstattung von Patentanwaltskosten bei Markenabmahnung
Betroffene einer Markenabmahnung kennen das: Neben den ohnehin schon hohen Anwaltskosten werden gerne auch die Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwalts geltend gemacht. Lange Zeit war sich die Rechtsprechung hier einig und hat die Erstattungsfähigkeit bejaht. Der BGH brachte im Jahr 2022 Bewegung in die Sache - nur noch zweckentsprechende Rechtsverfolgungskosten sollten erstattungsfähig sein. Die Einschaltung eines Patentanwalts muss also tatsächlich notwendig gewesen sein. Davon ging nun auch das OLG Frankfurt in einer aktuellen Entscheidung (21.08.23, 6 W 24/20) aus.
Darum ging es: Markenabmahnung und deren Kosten
Hier ging es um markenrechtliche Unterlassungs- und Folgeansprüche, bei denen der Beklagte die Berufung eingelegt hatte. Der Senat wies die Berufung zurück und legte die Kosten dem Beklagten auf. Im Zuge eines außergerichtlichen Vergleichs einigten sich die Parteien auf eine abschließende Regelung, einschließlich der Kostenerstattung, wobei die Beklagte zur Erstattung der Kosten der zweiten Instanz verpflichtet wurde.
Der Kläger stellte daraufhin einen Antrag auf Kostenfestsetzung für die erste Instanz. Dieser Betrag umfasste unter anderem Gebühren für Rechtsanwälte und Patentanwälte.
Der Beklagte legte Beschwerde ein und argumentierte insbesondere, dass die außergerichtliche Einigung sämtliche Ansprüche abdecke und Patentanwaltskosten nicht erstattungsfähig seien.
Erstattung Patenanwaltskosten?
Im vorliegenden Fall wurde neben prozessualen Themen die Frage der Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten eingehend geprüft. Kurz zur Geschichte der Erstattungsfähigkeit von Patentanwaltskosten bei Markenabmahnungen: Früher wurde davon ausgegangen, dass gemäß § 140 Abs. 4 MarkenG die Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwalts ohne Prüfung der Notwendigkeit erstattungsfähig sind. Dies bedeutete, dass die Kosten des Patentanwalts automatisch erstattet wurden, ohne dass geprüft werden musste, ob die Mitwirkung tatsächlich notwendig war.
Diese Auffassung hat sich jedoch geändert. Das Gericht verwies auf europäische Richtlinien, insbesondere auf Artikel 3 und Artikel 14 der Richtlinie 2004/48/EG. Nach diesen Richtlinien müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Kosten der Rechtsdurchsetzung angemessen und vernünftig sind. Dies bedeutet, dass die Kosten, die der obsiegenden Partei durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts tatsächlich entstanden sind, "angemessen" sein müssen.
In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wegweisende Entscheidung (Beschl. v. 13.10.2022 – I ZB 59/19) getroffen - nachdem der EuGH (Urteil vom 28.04.2022 – Az. C-531/20) die Regelung nicht mit EU-Recht vereinbar hielt. Der BGH hat betont, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Patentanwalts im Einzelfall zu prüfen ist. Es reicht nicht aus, dass es sich um eine komplexe oder bedeutsame Angelegenheit handelt. Vielmehr muss die Mitwirkung eines Patentanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sein. Hierfür wurden klare Kriterien aufgestellt: Die Kosten müssen aus der Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei als zweckmäßig und notwendig anzusehen sein. Die Darlegungslast dafür liegt auf der Anspruchstellerseite.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die vom Kläger geltend gemachten Tätigkeiten des Patentanwalts, wie die Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung, des Rechtsbestands und der Schutzhindernisse, Tätigkeiten sind, die auch von einem Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz erbracht werden könnten. Es wurde betont, dass es viele Rechtsanwälte gibt, die über besondere Kenntnisse im Kennzeichenrecht verfügen und in der Lage sind, ihre Mandanten umfassend zu beraten, ohne einen Patentanwalt hinzuziehen zu müssen.
Das Gericht entschied daher, dass die Kosten des Patentanwalts nicht dem unterlegenen Beklagten auferlegt werden können, da die Mitwirkung des Patentanwalts im vorliegenden Fall nicht als notwendig und damit nicht erstattungsfähig angesehen wurde, was im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht.
Es wird vom Gericht darauf hingewiesen, dass die vorgebrachten Argumente des Klägers nicht ausreichen, um die Mitwirkung eines Patentanwalts als notwendig zu begründen.
"In Kennzeichenstreitsachen im Sinne von § 140 MarkenG kann bezüglich der Erforderlichkeit auf die Rechtsprechung des BGH zur den außergerichtlichen Kosten des Patentanwaltes zurückgegriffen werden. Danach gehören zu Tätigkeiten, die zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts zählen etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage (BGH GRUR 2011, 754 - Kosten des Patentanwalts II, GRUR 2012, 756 - Kosten des Patentanwalts III). Allerdings hat der BGH die Erstattungsfähigkeit verneint, wenn die entsprechende Tätigkeit auch von dem bereits beauftragten Rechtsanwalt hätte vorgenommen werden können, was jedenfalls dann der Fall sei, wenn es sich um einen Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz handelt (BGH GRUR 2012, 759 - Kosten des Patentanwalts IV).
Aber auch im Übrigen hat der BGH hervorgehoben, dass es bei Kennzeichenstreitsachen nicht um naturwissenschaftliche oder technische Sachverhalte gehe, sondern dass es vielmehr oft entbehrlich sein werde, zusätzlich zu einem Rechtsanwalt auch noch einen Patentanwalt zu beauftragen. Es gebe zahlreiche Rechtsanwälte, die über besondere Sachkunde im Kennzeichenrecht verfügen und in der Lage sind, Mandanten ohne Hinzuziehung eines Patentanwalts in kennzeichenrechtlichen Angelegenheiten umfassend zu beraten (BGH aaO, Kosten des Patentanwalts II). Der Umstand, dass sich bei der Sache um eine komplexe oder bedeutsame Angelegenheit handelt, reicht für sich genommen nicht aus, um das Erfordernis einer Mitwirkung eines Patentanwalts darzulegen (BGH aaO, Kosten des Patentanwalts III)."
Ganz ähnlich hatte auch bereits vor Jahren das OLG Frankfurt (Urteil vom 12.11.2009, Az.:6 U 130/09) schon mal entschieden und war seiner Zeit voraus:
"Entscheidend ist vielmehr, ob auch die in § 140 III MarkenG vorgesehene „Automatik“, die eine Prüfung, ob die Hinzuziehung des Patentanwalts erforderlich war, generell entbehrlich macht, auf den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch übertragen werden kann. Dieses Ergebnis kann allenfalls im Wege der Analogie erreicht werden. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 140 III MarkenG auf den in Rede stehenden Sachverhalt sind jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht erfüllt. …eine derartige Lücke kann jedenfalls nicht sachgerecht durch eine entsprechende Anwendung des § 140 III MarkenG auf den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geschlossen werden, weil wegen der unterschiedlichen Ausgangssituation der durch § 140 III MarkenG geregelte Sachverhalt, nämlich die Erstattung im Prozess entstandener Patentanwaltskosten im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens, mit der Frage der Erstattungsfähigkeit vorprozessualer Patentanwaltskosten auf Grund materiell-rechtlicher Vorschriften nicht vergleichbar ist.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 30.10.2007; I-20 U 52/07) hat mit Recht darauf hingewiesen, dass auch für die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten eine gesetzliche Regelung, wonach diese Kosten in Kennzeichenstreitsachen stets erstattungsfähig seien, fehlt; vielmehr beurteilt sich dort die Frage der Erstattungsfähigkeit stets nach der – wenn auch in der Regel zu bejahenden – Erforderlichkeit der Hinzuziehung. Dann kann für die vorprozessualen Patentanwaltskosten nichts anderes gelten. Denn andernfalls wären in Kennzeichenstreitsachen die durch die Einschaltung eines Patentanwalts entstandenen Kosten unter leichteren Voraussetzungen zu erstatten als die durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten. Für eine solche Privilegierung der patentanwaltlichen gegenüber der anwaltlichen Tätigkeit ist kein Grund ersichtlich."
Mehr dazu in diesem Beitrag.
Tendenziell wird eine Erforderlichkeitsprüfung also stets stattzufinden haben - bei den klassischen Markenabmahnungen dürfte in der Regel mehr gegen die Erstattung möglicher Patentanwaltskosten sprechen.
Fazit: Markenabmahnung und Patentanwaltskostenerstattung? - das wird eng....
Die früher herrschende Meinung scheint zu bröckeln und immer mehr Gerichte lehnen die Erstattung von Patentanwaltskosten ab - eine gute Entwicklung. Zumindest für den Großteil der Markenabmahnungen, bei denen es um einfach gelagerte Markenverletzungen geht. Jedenfalls sind spätestens seit der zitierten Entscheidung des BGH die Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit deutlich strenger geworden.
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