OLG Hamm: Werbenachrichten über Internetportale und Social-Media-Dienste bedürfen der Einwilligung
Viele Unternehmer nutzen Social-Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp auch zur Übermittlung von Werbenachrichten an andere Nutzer dieser Dienste. Dabei gehen sie häufig davon aus, dass diese Form der Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern berechtigt sei, da Social-Media-Dienste u. a. auch zur Kontaktaufnahme zu geschäftlichen Zwecken dienten. Dass diese Annahme aus rechtlicher Sicht falsch ist, zeigt ein Hinweisbeschluss des OLG Hamm vom 03.05.2023.
I. Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Akquise-Vereinbarung vom 25.03.2020 in Anspruch.
Die Klägerin ist Dienstleisterin für Immobilienmakler. Unter anderem vermittelt sie gegen Entgelt Erstkontakte zu potentiellen Verkäufern von Immobilien. Der Beklagte ist Immobilienmakler und schloss mit der Klägerin den streitgegenständlichen Vertrag, um sein Maklergeschäft durch die Gewinnung weiterer Kunden auszuweiten.
Die Haupttätigkeit der Klägerin liegt darin, Anzeigen von potentiellen Immobilienverkäufern, die ohne Angabe einer Telefonnummer geschaltet wurden, mit der Bitte um Bekanntgabe der Telefonnummer anzuschreiben. Bei Anzeigen in Printmedien geschieht dies postalisch, bei Anzeigen im Internet über die jeweiligen Internet-Portale. Ziel ist es, in einem ggf. folgenden Telefonat die potentiellen Verkäufer nach der Erlaubnis zu fragen, ob sich der Vertragspartner, der Immobilienmakler, im Hinblick auf die beabsichtigte Veräußerung der Immobilie telefonisch melden dürfe.
Der Beklagte weigerte sich, der Klägerin die ihm in Rechnung gestellte Vergütung zu zahlen, da die Klägerin ihre Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht habe. Es seien insbesondere keine zur Erfüllung der Opt-In-Leistung erforderlichen Einwilligungen der potentiellen Immobilienverkäufer eingeholt worden. Vielmehr seien die vom Beklagten angerufenen Kontakte wiederholt massiv erstaunt gewesen, dass ein Makler sie kontaktiere. Der Beklagte sei dadurch mehrfach in kompromittierende Situationen geraten und habe sich regelmäßig der rechtlichen Gefahr ausgesetzt, eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen.
Die Klägerin erhob schließlich Zahlungsklage vor dem LG Hagen, welches die Klage jedoch als unbegründet abwies.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung zum OLG Hamm ein.
II. Entscheidung des OLG Hamm
Das OLG Hamm äußerte im Rahmen eines Hinweisbeschlusses (Beschl. v. 17.5.2023 – 18 U 154/22), die gegen die Entscheidung des LG Hagen gerichtete Berufung der Klägerin zurückzuweisen, woraufhin die Klägerin ihre Berufung zurücknahm.
Nach Auffassung des Gerichts kann die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten, weil der Vertrag nichtig ist.
Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.
1) Fehlende Einwilligung
Die Verbraucher hätten keine Einwilligung erteilt, von der Klägerin angerufen zu werden, damit diese nach einem Interesse an einer weiteren Kontaktaufnahme durch den Beklagten fragen. Mit der Angabe der Telefonnummer in den Inseraten auf entsprechenden Portalen (insbesondere Immobilienscout) erteilten die potentiellen Verkäufer nach dem Zweck des Inserats lediglich die Einwilligung, dass Kaufinteressenten oder ggf. für Kaufinteressenten tätige Makler Kontakt aufnehmen. Daher liege keine Einwilligung in eine Kontaktaufnahme durch die Klägerin vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Klauseln der Internetportale.
Auch die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstoße gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).
2) Weite Auslegung des Begriffs "elektronische Post"
Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. sei unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasse daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollten die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworteten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.
Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).
Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).
3) Immobilienportale rechtlich wie Social-Media-Dienste zu behandeln
Zwar handele es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs sei jedoch dieselbe. Auch hier würden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichten den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handele es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG könne daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).
4) Einwilligung für konkrete Werbehandlung erforderlich
Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, seien auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt.
Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).
III. Fazit
Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses klargestellt, dass Werbenachrichten, die mittels elektronischer Post über Internetportale oder Social-Media-Dienste an andere Nutzer dieser Portale/Dienste versendet werden, der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers bedürfen. Das OLG Hamm stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel weit auszulegen sei.
Daher fallen nach Auffassung des Gerichts unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp. Entsprechendes gelte für Immobilienportale, die rechtlich nicht anders zu behandeln seien.
Aus rechtlicher Sicht unterliegen solche Werbenachrichten daher den gleichen Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie etwa die E-Mail-Werbung. Ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers - egal, ob es sich dabei um einen Verbraucher oder um einen Unternehmer handelt – sind solche Werbenachrichten aus rechtlicher Sicht als Spam einzustufen und können daher zu unangenehmen Rechtsfolgen für den Versender führen.
Mit den rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für unterschiedliche Formen der Werbung befassen wir uns in diesem Beitrag.
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