OLG Celle: Mindermengenzuschläge sind nicht in den Gesamtpreis einzurechnen
Zum Schutz des Verbrauchers sind diesem gegenüber stets Gesamtpreise anzugeben, die sowohl die Umsatzsteuer als auch sonstige Preisbestandteile enthalten. Ob Online-Händler individuelle Bearbeitungspauschalen mit einrechnen müssen oder ob es ausreichend ist, diese gesondert auszuweisen, klärte das OLG Celle mit Urteil vom 30.01.2024 (Az: 13 U 36/23) und trat damit der Rechtsauffassung der Vorinstanz entscheidend entgegen.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Der Beklagte vertrieb Staubsauger über einen Online-Shop. Auf einer dazugehörigen Unterseite gab der Beklagte für Filtertüten für einen Vorwerk-Staubsauger einen Gesamtpreis von 14,90 Euro an.
Diese Preisangabe war rechts mit einem Sternchen versehen. Darunter befand sich ein Button mit der Aufschrift „In den Warenkorb“. Rechts neben diesem Button befand sich eine weitere Schaltfläche, in weiß gehalten und mit der Aufschrift „Mehr Info“.
Wenn die Maus über den Sternchenhinweis bewegt wurde, erschien folgender Text: „inkl. MwSt. zzgl. Nebenkosten“. Die dazugehörige Preisangabe von 14,90 Euro veränderte sich dabei nicht. Klickte man den Sternchenhinweis an, wurde man auf eine allgemeine Informationsseite weitergeleitet, wo wiederum folgendes zu lesen war:
Nebenkosten
Wir berechnen keine Gebühr für die Nutzung der Zahlarten Rechnung, PayPal, Lastschrift und Kreditkarte. Vom Warenwert abhängig (ab 50,-€) wird bei uns bei Nutzung der Zahlart Vorausüberweisung ein Skontoabzug von 2% gewährt. Vom Warenwert abhängig kann eine nicht erstattungsfähige Bearbeitungspauschale zwischen 3,95 € (ab 11,-€ Warenwert) und 9 € (unter 11,-€ Warenwert) anfallen. Ab einem Warenwert von 29,-€ entfällt diese Bearbeitungspauschale generell.
Im Warenkorb erschienen schließlich zwei Positionen. Zum einen das Produkt zu dem angegeben Preis von 14,90 Euro und zum anderen ein Betrag in Höhe von 3,95 Euro, vermerkt mit der Angabe „Auf-/Abschlag Kleinstmengenaufschlag (entfällt ab 29,-€ Einkaufswert)“. Damit erhöhte sich der tatsächliche Kaufpreis auf 18,85 Euro.
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, hielt dieses Verhalten für wettbewerbswidrig und mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 08.06.2022 ab. Der Beklagte gab jedoch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und der Fall ging schließlich vor Gericht.
Der Beklagte legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.
II. Die Entscheidung
Im Berufungsverfahren hob das OLG Celle mit Urteil vom 30.01.2024 (Az: 13 U 36/23) die Entscheidung des LG Hannover auf und wies die Klage ab.
Der Beklagte habe mit der separat ausgewiesenen Bearbeitungspauschale nicht gegen die Pflicht zur Angabe von Gesamtpreisen gemäß § 3 PAngV verstoßen. Die erhobenen Mindermengenzuschläge seien nämlich keine sonstigen Preisbestandteile gemäß § 2 Nr. 3 PAngV.
1.) Mindermengenzuschlag wegen Bedingungsabhängigkeit kein sonstiger Preisbestandteil
Die Definition des Gesamtpreises in § 2 Nr. 3 PAngV beruhe auf der hierdurch umgesetzten Regelung in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG (Preisangaben-Richtlinie).
Danach bezeichne der „Verkaufspreis“ den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließe.
Dazu habe der EuGH entschieden, dass der Endpreis notwendigerweise die unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises enthalten müsse, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen seien (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – Az. C-476/14 - Rn. 37; EuGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – Az. C-543/21, Rn. 19).
Diese Definition des Endpreises sei schließlich auch für den richtlinienkonform auszulegenden Begriff des Gesamtpreises im Sinne der PAngV maßgeblich.
Nach dieser Definition des Gesamtpreises gemäß der PAngV sei die Bearbeitungspauschale (Mindermengenzuschlag) nicht in den anzugebenden Produktpreis einzurechnen.
Bezüglich der einzelnen mit einem Kaufpreis von unter 29€ angebotenen Waren sei das Anfallen der Bearbeitungspauschale weder für den Verbraucher unvermeidbar noch für den Verkäufer zum Zeitpunkt der Preisangabe vorhersehbar.
Das Anfallen der Bearbeitungspauschale hänge von dem konkreten Bestellvolumen ab, welches der Verbraucher bei seiner Bestellung erreiche. Es sei nicht absehbar, ob der Verbraucher nur das fragliche Produkt nur einmal bestelle.
Es stehe ihm vielmehr frei, einen Artikel mit einem Kaufpreis unter 29€ in höherer Stückzahl zu bestellen oder diesen zusammen mit anderen Produkten zu erwerben und damit ein Bestellvolumen von mindestens 29€ zu erreichen, bei dem die Bearbeitungspauschale nicht anfalle.
Entscheidend sei, ob es sich bei der Bearbeitungspauschale um einen zwingenden oder einzelfallabhängigen Aufpreis handle.
Entgegen der Auffassung des Klägers und des LG Hannover sei nicht darauf abzustellen, ob die Bearbeitungspauschale anfallen würde, wenn der Verbraucher nur das einzelne Produkt bestellen würde. Denn dabei handle es sich nur um eine mögliche Kaufsituation, die für die Preisangabe nicht maßgeblich sein könne. Maßgeblich sei vielmehr, ob bei jedem Bestellvorgang, bei dem der „Warenkorb“ das fragliche Produkt enthalte, die Bearbeitungspauschale anfalle oder nicht.
Es könne dahinstehen, ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn der Verkäufer im Fernabsatz für jeden Bestellvorgang eine feste Kostenpauschale verlange. Allerdings neige der Senat dazu, dass auch eine feste Kostenpauschale, die bei einem Bestellvorgang – dem konkreten Fernabsatzvertrag – nur einmal anfalle, nicht bereits in den für die einzelnen Produkte anzugebenden Gesamtpreis einzurechnen sei. Der Senat begründet diese Auffassung damit, dass nicht vorhersehbar sei, in welcher Höhe sich der Preis für das einzelne Produkt kalkulatorisch durch die für die gesamte Bestellung nur einmal anfallende Pauschale erhöhen würde, solange das Preisvolumen der konkreten Bestellung noch nicht feststehe.
2.) Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit
Das dem Verbraucherschutz dienende Preisangabenrecht werde durch die zwei übergeordneten Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit bestimmt, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2 PAngV, s.a. Erwägungsgründe 1, 3 und 6 Preisangaben-Richtlinie.
Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei es nicht geboten, die Bearbeitungspauschale des Produktes bereits in den jeweils anzugebenden Gesamtpreis des angebotenen Produkts einzurechnen.
Dies hätte nämlich zur Folge, dass sich die Einzelpreise der jeweiligen Produkte – je nach erreichtem Gesamtbestellaufkommen – wieder ändern könnten.
Das wiederum würde es für den Verbraucher keinesfalls vereinfachen, bei seiner Kaufentscheidung und während des Bestellvorgangs die für ihn bei der Bestellung anfallenden Kosten zu überblicken.
Beispielsweise könne sich der Gesamtpreis für ein Produkt wieder erhöhen, wenn der Verbraucher einen anderen Artikel aus seinem Warenkorb entferne. Ein solches Szenario wäre insgesamt wenig transparent und zunehmend verwirrend für den Verbraucher.
III. Fazit
Verlangt ein Online-Händler individuelle Mindermengenzuschläge unterhalb bestimmter Bestellvolumina, sind diese nicht in die Gesamtpreise angebotener Produkte einzurechnen.
Bei derartigen Mindermengenzuschlägen handelt es sich wegen der Bedingungsabhängigkeit nicht um Preisbestandteile, sondern vielmehr um separat anzugebende sonstige Kosten im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 PAngV.
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