Gewährleistung: Was tun, wenn dem Händler die Nacherfüllung unmöglich ist + Muster
Das europäische Gewährleistungsrecht stattet Verbraucher mit starken Privilegien aus. Ist ein bestellter Artikel defekt oder beschädigt, gilt zu ihren Gunsten innerhalb der ersten zwölf Monate die Vermutung, dass ein solcher Mangel schon von Anfang an vorlag. In diesem Fall haben Verbraucher grundsätzlich einen Anspruch auf Nacherfüllung, also nach ihrer Wahl Reparatur oder Neulieferung. Doch was passiert, wenn der Händler weder das eine noch das andere leisten kann? Die IT-Recht Kanzlei zeigt auf, was Händler im Falle der Unmöglichkeit der Nacherfüllung tun sollten, und stellt Händlern ein hilfreiches Musterschreiben bereit.
I. Beispiel
Zur Veranschaulichung der Ausgangsproblematik ein kurzes Fallbeispiel:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten. Innerhalb von 9 Monaten nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, das Problem zu beheben. Händler Y steht nun vor dem Problem, dass das gekaufte Automatenmodell nicht mehr hergestellt wird und am Markt auch nicht mehr zu beschaffen ist. Auch ein kompatibles Mahlwerk ist als Bauteil wegen Kompletteinstellung der Serie nicht mehr verfügbar, sodass nicht repariert werden kann.
Was ist Händler Y zu raten?
II. Angebot eines gleichwertigen Ersatzes
Freilich wird der Händler zunächst bemüht sein, den zustande gekommen Kaufvertrag aufrecht zu erhalten. Die Rückabwicklung unter gegenseitiger Rückgewähr der Leistungen (Geld und defekter Kaffeeautomat) führt nämlich für den Händler zu einem nicht unerheblichen organisatorischen, logistischen und schließlich auch zeitlichen Aufwand.
Grundsätzlich steht es dem Händler frei, dem Verbraucher bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung einen gleichwertigen Ersatz anzubieten, mit dem das Kaufinteresse befriedigt werden kann.
Verfügt Händler Y also über gleichpreisige und vom Funktionsumfang vergleichbare Kaffeeautomaten, kann er sich an den Verbraucher wenden mit der Bitte, anstelle des defekten und am Markt nicht mehr verfügbaren Gerätes ein anderes zu nehmen.
Mit Einverständnis des Verbrauchers kann so der Vertrag aufrechterhalten und das Leistungsinteresse befriedigt werden. Der Verbraucher nimmt als Erfüllung eine andere als die eigentlich geschuldete Sache an (§ 364 Abs. 1 BGB) .
Findet der Händler keinen gleichwertigen Ersatz, kann er dem Verbraucher auch einen anderen Gegenstand der gleichen Gattung anbieten, der funktional und preislich dem Kaufgegenstand nahekommt, und die Differenz zum gezahlten Kaufpreis erstatten.
Kann der Händler im Fallbeispiel nur einen deutlich günstigeren Kaffeevollautomaten mit weniger Funktionen liefern, kann er dem Verbraucher diesen zuzüglich einer Rückerstattung der Differenz zum Kaufpreis anbieten.
Festgehalten werden muss, dass den Verbraucher keine Pflicht trifft, Angebote des Händlers zur Lieferung einer anderen Sache anzunehmen. Immerhin hat sich der Händler mit Kaufvertragsschluss zur Lieferung einer bestimmten Kaufsache verpflichtet und der Verbraucher hat das vertragliche Recht, diese auch einzufordern.
Allerdings ist das Angebot eines Ersatzes eine elegante Lösung für beide Seiten und erspart den anderenfalls anfallenden Rückgewähraufwand (dazu sogleich).
Erklärt sich der Verbraucher mit der Lieferung eines Ersatzes einverstanden, darf der Händler hierfür keine Versandkosten berechnen. Rechtlich gilt die Ersatzlieferung als Nacherfüllung, deren Kosten stets der Händler zu tragen hat (§ 439 Abs. 2 BGB) .
Mit dem Einverständnis muss der Verbraucher im Gegenzug den defekten Artikel an den Händler zurücksenden. Auch die Rücksendekosten trägt wegen § 439 Abs. 2 BGB der Händler.
III. Bei Fehlschlag: Rückerstattung des Kaufpreises gegen Rückgewahr des Kaufgegenstandes
Schlagen Verhandlungen des Händlers über die Lieferung eines (gleichwertigen) Ersatzes fehl, greifen die rechtlichen Folgen, die das Gesetz an die Unmöglichkeit der Nacherfüllung knüpft.
Dem Verbraucher steht dann einerseits das Recht zu, vom Kaufvertrag zurückzutreten (§§ 437 Nr. 2 i.V.m. § 326 Abs. 5 i.V.m. § 346 BGB) . Hierfür muss der Verbraucher keine Frist setzen, weil der Händler ja endgültig nicht nacherfüllen kann und die Fristsetzung damit ins Leere ginge.
Andererseits kann der Verbraucher Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB verlangen. Auch hier ist eine Fristsetzung wegen Unmöglichkeit entbehrlich.
Beide Rechte haben im Falle der Unmöglichkeit der Nacherfüllung die gleiche Rechtsfolge: der Verbraucher hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und muss gleichzeitig die defekte Sache an den Händler zurückgeben.
Hinweis zum Ersatz eines Deckungskaufs:
Unter gewissen Umständen kann der Verbraucher im Wege des Schadensersatzes wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung anstelle der Rückforderung des gezahlten Kaufpreises auch (höhere) Kosten eines Ersatzkaufes geltend machen, mit dem er die vertraglich geschuldete Ware bei einem Dritten erworben hat.
Die Versandkosten muss auch hier der Händler tragen. Allerdings kann er die Rückerstattung so lange verweigern, bis er die defekte Sache auch wirklich zurückerhalten hat.
Hat der Verbraucher an einer Ersatzlieferung kein Interesse, sollte der Händler aus Kundenfreundlichkeit von sich aus die Rückerstattung des Kaufpreises anbieten und den Verbraucher bitten, die defekte Sache auf Kosten des Händlers zurückzuschicken. Dabei sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Geld freigegeben wird, sobald die Sache beim Händler angekommen ist.
IV. Fazit
Kann der Händler aus tatsächlichen Gründen eine defekte Kaufsache weder reparieren noch eine neue liefern, sollte er dem Verbraucher zunächst einen Ersatzartikel anbieten, mit dem das Kaufinteresse befriedigt werden kann. Dies glättet die Wogen und bringt schnellen Rechtsfrieden.
Erst, wenn feststeht, dass der Verbraucher an einer Ersatzlieferung kein Interesse hat, ist der Händler verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuerstatten. Sowohl bei einer Ersatzlieferung als auch bei einer Rückerstattung ist im Gegenzug der Verbraucher verpflichtet, die defekte Sache an den Händler zurückzuschicken.
V. Muster: Angebot einer Ersatzlieferung bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung
Die IT-Recht Kanzlei stellt ihren Mandanten kostenlos das Muster "Angebot einer Ersatzlieferung bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung" zur Verfügung.
Das Muster kann verwendet werden, wenn der Händler bei Mangelhaftigkeit eines Produktes kein neues beschaffen kann und auch eine Reparatur ausgeschlossen ist. Dies kann vor allem der Fall sein, wenn andere Exemplare oder Ersatzteile für ein Produkt am Markt nicht mehr verfügbar sind. In diesem Fall sollte der Händler dem Käufer vorrangig – soweit möglich – ein gleichwertiges Produkt als Ersatz und nachrangig die Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgewähr der defekten Kaufsache anbieten.
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8 Kommentare
Was ist die Rechtslage in diesem Fall?
Wie ist es wenn der Verkäufer vom Kaufvertrag zurücktreten möchte weil er keine Ersatzteile bekommt aber nicht den vollen Preis zurück erstatten will da es ja 9,2 Monate genutzt wurde. Er beruft sich auf Paragraf 346 BGB.
Ich habe ein Produkt ( ca. 3 Jahre alt) bei dem ist ein kleiner Teil kaputt. Jetzt warte ich schon seit 2 Monaten auf Ersatzteil und es ist nicht in Sicht wann das Teil kommen könnte.
Problem ist dass ohne das Teil ist mein Produkt nutzlos. Was hab ich für Möglichkeiten? Danke
was passiert, wenn der Hersteller seiner Nacherfüllung der Gewährleistung nicht nachkommt, da die Reparatur unwirtschaftlich erscheint und er dem Kunden deshalb einen angeblichen unsachgemäßen Gebrauch vorwirft? Kann der Kunde dann immer noch vom Kaufvertrag zurücktreten und wer muss der Hersteller den Vorwurf des unsachgemäßen Gebrauchs beweisen?
was passiert wenn der Hersteller das Ersatzteil während der Gewährleistung nicht lieferbar hat ?
eine wichtige Sache bleibt hier unberücksichtigt.
Beispiel: Artikel, 6 Monate alt, defekt - gekauft im Sonderangebot
Der Artikel (Smartwatch) wurde inzwischen durch das Folgemodell ersetzt (fast identisch). Händler verweigert Ersatz mit Verweis darauf das gleiche Modell nicht mehr liefern zu können. Möchte den Kaufpreis erstatten.
Die Wiederbeschaffungskosten des Artikels sind inzwischen um das Doppelte gestiegen. Wer bezahlt den daraus entstandenen Schaden für den Käufer?