FAQ zur Ersatzfähigkeit von Deckungskäufen bei Sachmängeln + Muster für Mandanten
Bei mangelhaften Produkten besteht das Recht auf Ersatz oder Reparatur. Sind Verbraucher mit den Nacherfüllungsmaßnahmen des Händlers aber nicht zufrieden, erwerben sie mangelfreie Ware oft bei einem Dritten und verlangen vom Händler den Ersatz des neuen, meist höheren Kaufpreises. Ob, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Händler solche Deckungskäufe erstatten müssen, zeigen wir mit anschaulichen Fallbeispielen in diesen FAQ und stellen Mandanten hilfreiche Reaktionsmuster bereit.
Inhaltsverzeichnis
- I. Was meint der sog. „Deckungskauf“?
- II. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Deckungskauf bei Sachmängeln ersatzfähig?
- III. In welchen Fällen hat ein Händler ein Scheitern der Nacherfüllung zu vertreten und muss dann unter Umständen Mehrkosten eines Deckungskaufs ersetzen?
- 1.) Unbilliges Verweigern der Nacherfüllung
- 2.) Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist
- 3.) Fehlschlagen der Nacherfüllung
- IV. Ist ein mangelbedingter Deckungskauf ersatzfähig, wenn überhaupt nicht zur Nacherfüllung aufgefordert wurde?
- V. Ist ein mangelbedingter Deckungskauf ersatzfähig, wenn der Verbraucher dem Händler keine Gelegenheit zur Mängelprüfung gibt?
- VI. Bis zu welcher Summe sind Mehrkosten eines Deckungskaufs ersatzfähig?
- VII. Sind auch Versandkosten für die Lieferung des Deckungskaufgegenstandes ersatzfähig?
- VIII. Muster für Mandanten
- 1.) Muster: Ablehnung des Ersatzes eines Deckungskaufes mangels Nacherfüllungsaufforderung
- 2. Muster: Ablehnung des Ersatzes eines Deckungskaufs mangels Einsendung zur Mängelprüfung
- 3.) Muster: Ablehnung eines vollständigen Deckungskaufsersatzes wegen eines Preisexzesses
I. Was meint der sog. „Deckungskauf“?
Der „Deckungskauf“ ist ein Begriff des Kaufrechts und beschreibt bei Fällen einer nicht vertragsgemäßen Leistung die Initiative des Käufers, das gleiche Produkt bei einem dritten Verkäufer zu erwerben.
Von rechtlicher Bedeutung sind Deckungskäufe vor allem im Gewährleistungsrecht, wenn der Käufer ein (vermeintlich) mangelhaftes Produkt erhalten hat und aus seiner Sicht die Nacherfüllungsbemühungen des Händlers so gescheitert sind, dass sich der Käufer veranlasst sieht, das gleiche Produkt in mangelfreiem Zustand bei einem dritten Verkäufer zu erwerben.
Hierbei entstehen dem Käufer nicht selten Mehrkosten (etwa in Form eines höheren Kaufpreises beim Drittverkäufer), über deren Ersatzfähigkeit im Verhältnis zum ursprünglichen Käufer zu entscheiden ist.
Zur Veranschaulichung der Ausgangsproblematik ein kurzes Fallbeispiel:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten. 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, das Problem zu beheben. Händler Y sieht sich nicht in der Pflicht und meint, für den Defekt könne er selbst nichts. X solle sich direkt an den Hersteller wenden. X sieht das nicht ein, erwirbt die gleiche, aber funktionsfähige Kaffeemaschine bei Händler Z für 100€ mehr und verlangt nun von Händler Y sowohl den gezahlten Kaufpreis als auch die Mehraufwendungen von 100€ für den Deckungskauf ersetzt. Zu Recht?
II. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Deckungskauf bei Sachmängeln ersatzfähig?
Ob ein Käufer bei Vorliegen eines Sachmangels gegen den Verkäufer Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten für einen Deckungskauf hat, hängt von einer Reihe von gesetzlich festgelegten Faktoren ab.
Die gewährleistungsrechtliche Erstattungsfähigkeit von Deckungskäufen orientiert sich hierbei zunächst an den Grundsätzen des Gewährleistungsrechts:
Stellt der Käufer fest, dass ein geliefertes Produkt einen Sachmangel aufweist, steht ihm zunächst nur ein Anspruch auf Nacherfüllung (Ersatzlieferung oder Reparatur) gegen den Verkäufer zu. Diese Einschränkung korrespondiert mit dem Grundsatz des „Rechtes auf zweite Andienung“, mit welchem dem Verkäufer die Gelegenheit gegeben werden soll, den vertragskonformen Zustand noch durch hinreichenden Ersatz wiederherstellen zu können.
Erst dann, wenn dem Nacherfüllungsverlangen des Käufers innerhalb einer angemessenen Frist nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß entsprochen wird, kann sich der Käufer zurecht veranlasst sehen, sein Leistungsinteresse durch Erwerb bei einem Dritten zu befriedigen und die (Mehr)kosten dem ursprünglichen Verkäufer in Rechnung zu stellen.
Rechtlich ordnet sich der mangelbedingte Anspruch auf Ersatz eines Deckungskaufes als sog. „Schadensersatz statt der Leistung“ ein und unterliegt den besonderen Voraussetzungen des § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB.
Für die Ersatzfähigkeit eines Deckungskaufs bei Sachmängeln gelten insofern die nachfolgenden generellen Voraussetzungen:
- 1.) Das erworbene Produkt ist mangelhaft i.S.v. § 434 BGB.
- 2.) Der Käufer hat den Verkäufer zur Nacherfüllung aufgefordert.
- 3.) Der Verkäufer erbringt die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß
- 4.) Der Verkäufer hat den Umstand der nicht ordnungsgemäßen Nacherfüllung zu vertreten, hat diesen also vorsätzlich oder fahrlässig verschuldet, § 276 BGB
- 5.) Der Käufer tätigt einen Deckungskauf über ein gleichartiges Produkt bei einem Dritten
Im Folgenden sollen anhand von Fallbeispielen die obigen Voraussetzungen weiter aufbereitet und rechtliche Grenzfälle eingeordnet werden. Hierbei beschränken sich die Ausführungen auf Vertragsverhältnisse zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (B2C).
III. In welchen Fällen hat ein Händler ein Scheitern der Nacherfüllung zu vertreten und muss dann unter Umständen Mehrkosten eines Deckungskaufs ersetzen?
Maßgebliches Verschuldensmoment für Ersatzansprüche des Verbrauchers im Zusammenhang mit Deckungskäufen ist immer das Ausbleiben einer (fristgemäßen) Nacherfüllung durch den Händler.
Für den eigentlichen Mangel kann der Händler, der regelmäßig nicht selbst Hersteller ist, nämlich grundsätzlich nicht verantwortlich gemacht werden.
Die Umstände, unter denen ein Verschulden des Händlers für eine gescheiterte Nacherfüllung in Betracht kommt und Raum für eine Ersatzpflicht von Deckungskäufen besteht, lassen sich daher in 3 Gruppen unterteilen:
- Die Nacherfüllung wird ohne Rechtsgrund und damit zu Unrecht verweigert
- Die Nacherfüllung erfolgt nicht binnen einer angemessenen Frist
- Die Nacherfüllung schlägt fehl
1.) Unbilliges Verweigern der Nacherfüllung
Die erste Gruppe bilden Fälle, in denen der Verbraucher den Händler zur Nacherfüllung auffordert, der Händler diese aber ablehnt oder verweigert.
Geschieht dies zu Unrecht (hätte der Verbraucher also eigentlich einen Anspruch auf Nacherfüllung), trifft den Händler ein Verschulden für das Ausbleiben der Nacherfüllung.
a) Verkennung der Nacherfüllungspflicht
Besonders relevant sind Konstellationen, in denen der Händler meint, für die Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes nicht verantwortlich zu sein.
Tatsächlich hat der Händler als verkaufende Partei des maßgeblichen Kaufvertrages bei Mängeln immer Abhilfe zu schaffen, unabhängig davon, ob er den Mangel verursacht hat oder nicht. Ist der Fehler im Produkt auf eine Verursachung durch den Hersteller oder Lieferanten zurückzuführen, ist im Verhältnis zum Verbraucher der Händler zur Mängelbeseitigung verpflichtet und kann beim Verursacher in der Lieferkette allenfalls Regress nehmen.
Verkennt der Händler insofern seine Nacherfüllungspflicht und lehnt eine solche (ggf. sogar unter Verweis auf einen Hersteller oder Lieferanten) ab, trifft ihn für die unterbliebene Nacherfüllung ein Verschulden.
Nach allgemeiner Auffassung kann vom Händler nämlich eine gewisse Kenntnis seiner gewährleistungsrechtlichen Verantwortung und bei Unklarheiten verlangt werden, soweit erforderlich Rechtsrat einzuholen (BGH, Urteil v. 11.01.1984 – VIII ZR 255/82).
Weist er die Verantwortung aus Unkenntnis von sich, muss er sich Fahrlässigkeit i.S.v. § 276 BGB vorwerfen lassen.
Im Ausgangsfall unter I. hat der Y den X zu Unrecht auf den Hersteller verwiesen und seine eigene Nacherfüllungspflicht verkannt, sodass X den Deckungskauf berechtigterweise tätigen und von X Kaufpreis sowie Mehrkosten erstattet verlangen durfte.
b) Verkennung der Voraussetzungen einer berechtigten Ablehnung
Das zweite Gebiet unberechtigter Nacherfüllungsverweigerungen bilden Fälle, in denen der Händler die Voraussetzungen einer berechtigten Ablehnung verkennt.
Nach § 439 Abs. 4 BGB kann der Käufer die Nacherfüllung insgesamt zurecht verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Eine solche absolute Unverhältnismäßigkeit wird vermutet, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150 % des Werts der Sache im mangelfreien Zustand oder 200 % des Werts der Sache im mangelhaften Zustand übersteigen.
Kosten, die unterhalb der etablierten Prozentsätze bleiben, sind vom Händler hinzunehmen und berechtigen ihn nicht zur Nacherfüllungsverweigerung.
Fallbeispiel:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten zum Preis von 350,00€ (Wert: 300,00€). 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Eine Reparatur ist ausgeschlossen. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, Ersatz zu liefern. Händler Y lehnt die Ersatzlieferung ab, weil er eine gleichartige Kaffeemaschine am Markt nächstgünstig nur für 440,00€ beschaffen kann. X sieht das nicht ein, erwirbt die gleiche, aber funktionsfähige Kaffeemaschine bei Händler Z für 150,00€ mehr und verlangt nun von Händler Y sowohl den gezahlten Kaufpreis als auch die Mehraufwendungen von 150,00€ für den Deckungskauf ersetzt. Zu Recht?
Unter Berufung auf § 439 Abs. 4 BGB hätte Y die Ersatzlieferung im Wege der Nacherfüllung zurecht verweigern können, wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung den Wert der Kaffeemaschine im mangelfreien Zustand (300,00€) um 150% überstiegen hätten. Dies wäre erst ab einem Ersatzbeschaffungspreis von 450,00€ der Fall gewesen.
Y hätte also die Ersatzmaschine für 440,00€ beschaffen und mit dieser nacherfüllen müssen. Die Nacherfüllung hat er vorliegend zu Unrecht verweigert und mithin das Ausbleiben der Nacherfüllung wegen der Verkennung der gesetzlichen Ablehnungsvoraussetzungen verschuldet.
Aufgrund der unberechtigten Verweigerung der Nacherfüllung sah sich X rechtmäßig zur Tätigung des Deckungskaufes veranlasst und hat Anspruch auf Ersatz von Kaufpreis und Mehrkosten.
Y steht damit finanziell schlechter, als er gestanden hätte, wenn er die Nacherfüllung nicht zu Unrecht verweigert hätte.
2.) Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist
Die zweite Fallgruppe bilden Konstellationen, in denen der Händler die Nacherfüllung nicht rechtzeitig erbringt.
Gemäß § 475 Abs. 5 BGB und § 475d Abs. 1 BGB sind Verbraucher im Rahmen von Verbrauchsgüterkäufen grundsätzlich nicht mehr gehalten, für die Nacherfüllung eine angemessene Frist zu setzen.
Es genügt, dass sie den Händler über den Mangel unterrichten, wodurch dieser initial gehalten ist, die Nacherfüllung binnen angemessener Frist zu erbringen.
Wann eine Frist als angemessen gilt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
In der Regel werden – je nach Schwere des Mangels – Fristen zwischen einer Woche und drei Wochen angemessen sein.
Wird der Händler über einen Nacherfüllungsbedarf informiert, ist er gehalten, diese fristgemäß zu organisieren und hierbei alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fruchtlosen Ablauf der Frist zu verhindern.
Eigene Säumnis oder ein zu spätes Tätigwerden gehen zu seinen Lasten und rechtfertigen die Annahme eines Verschuldens für die nicht fristgerechte Nacherfüllung.
Auch verschuldete Verzögerungen in der Sphäre des von ihm für die Nacherfüllung gewählten Transportunternehmens oder Lieferanten muss er sich als eigene gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.
Fallbeispiel:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten. 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Eine Reparatur ist ausgeschlossen. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, Ersatz zu liefern. Händler Y vergisst den Vorfall und wird nicht tätig. Nach 3 Wochen, in denen X noch immer keine funktionsfähige Kaffeemaschine von Y erhalten hat, kauft er eine gleiche bei Händler Z für 100,00€ mehr und verlangt nun von Händler Y sowohl den gezahlten Kaufpreis als auch die Mehraufwendungen von 100,00€ für den Deckungskauf ersetzt. Zu Recht?
Im obigen Beispiel hat Y aufgrund des Vergessens die nicht fristgerecht erfolgte Nacherfüllung verschuldet und haftet nun gegenüber X auf Erstattung des Kaufpreises und der Mehrkosten für den Deckungskauf.
3.) Fehlschlagen der Nacherfüllung
Schließlich kommen als dritte Gruppe Fälle in Betracht, in denen der Händler die Nacherfüllung zwar fristgemäß vornimmt, aber damit den Mangel nicht behebt.
Derartige Konstellationen ereignen sich vorrangig, wenn als Art der Nacherfüllung die Reparatur gewählt wird.
Gemäß § 475d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB sind Verbraucher bei einem solchen Fehlschlagen der Nacherfüllung nicht gehalten, auf einen erfolgreichen zweiten Nacherfüllungsversuch zu warten, sondern können sofort von Sekundärrechten wie Rücktritt oder Schadensersatz Gebrauch machen.
Ein Verschulden für den Fehlschlag trifft den Händler, wenn er entweder selbst vorsätzlich oder fahrlässig die Mangelbeseitigung nicht nach den einschlägigen anerkannten Regeln der Technik vorgenommen oder ein Unternehmen beauftragt hat, das seinerseits die Behebung des Mangels vorsätzlich oder fahrlässig vereitelt. Das Verschulden von zur Mangelbeseitigung beauftragten Dritten muss sich der Händler über § 278 BGB nämlich zurechnen lassen.
Fallbeispiel:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten. 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Der Defekt ist reparierbar. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, fristgemäß zu reparieren. Händler Y beauftragt Firma G mit der Reparatur. Diese tauscht aber das mangelverursachende Bauteil falsch aus, sodass der Mangel weiterhin auftritt. X, der immer noch über keine funktionsfähige Kaffeemaschine verfügt, kauft eine gleiche bei Händler Z für 100,00€ mehr und verlangt nun von Händler Y sowohl den gezahlten Kaufpreis als auch die Mehraufwendungen von 100,00€ für den Deckungskauf ersetzt. Zu Recht?
Im Beispielsfall hat G fahrlässig ein Bauteil falsch ausgetauscht und so den Mangel nicht korrekt beseitigt. X ist nicht verpflichtet, weitere Nacherfüllungsversuche zuzulassen. Die Fahrlässigkeit von G muss sich Y als eigenes Verschulden gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, sodass Y die von X geltend gemachten Positionen (Kaufpreis und Mehrkosten für Deckungskauf) zu ersetzen hat.
IV. Ist ein mangelbedingter Deckungskauf ersatzfähig, wenn überhaupt nicht zur Nacherfüllung aufgefordert wurde?
Fallbeispiel zur Veranschaulichung:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten. 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk aufgrund eines Herstellungsfehlers defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Verbraucher X wendet sich allerdings nicht an Händler Y und fordert ihn unter Hinweis auf den Mangel zur Nacherfüllung auf, sondern erwirbt eine neue Maschine direkt bei Händler Z für 100€ mehr und verlangt nun von Händler Y sowohl den gezahlten Kaufpreis als auch die Mehraufwendungen von 100€ für den Deckungskauf ersetzt. Zu Recht?
Hat ein Verbraucher ein mangelhaftes Produkt erhalten, muss er sich für seine Gewährleistungsrechte zunächst an den Händler halten und ihn – unter gleichzeitiger Anzeige des Mangels – zur Nacherfüllung auffordern.
Tut er dies nicht und tätigt er einen Deckungskauf, ohne dem Händler überhaupt die Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben zu haben, ist der Deckungskauf grundsätzlich nicht ersatzfähig.
Einerseits konnte wegen der fehlenden Mangelunterrichtung überhaupt keine Nacherfüllungsfrist anlaufen, binnen derer der Händler noch ordnungsgemäß hätte erfüllen können.
Andererseits fehlt es an dem anspruchsbegründenen Vertretenmüssen des Händlers. Weil dieser keine Gelegenheit zur Nacherfüllung hatte, kann das Vertretenmüssen nicht an die unterbliebene Nacherfüllung geknüpft werden. Diese wurde ja vom Verbraucher durch den Deckungskauf vereitelt.
Für das Vertretenmüssen könnte dann nur auf den ursprünglichen Mangel abgestellt werden. Diesen hat der Händler aber nicht zu vertreten, weil er ihn weder selbst verursacht hat noch hätte kennen müssen. Ein Vertretenmüssen des Herstellers, der einen Produktionsfehler verursacht hat, muss sich der Händler nach allgemeiner Meinung nicht zurechnen lassen.
Im Beispielsfall kann X von Y weder den Kaufpreis noch die Mehrkosten für den Deckungskauf ersetzt verlangen.
V. Ist ein mangelbedingter Deckungskauf ersatzfähig, wenn der Verbraucher dem Händler keine Gelegenheit zur Mängelprüfung gibt?
Fallbeispiel zur Veranschaulichung:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten. 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, das Problem zu beheben. Händler Y ist aber der Meinung, X hätte den Defekt selbst verursacht, indem er neben Kaffee auch Schalenfrüchte inkl. Schale eingegeben habe. Y bittet X daher um Einsendung der Maschine zwecks Mängelprüfung. X sieht das nicht ein, erwirbt die gleiche, aber funktionsfähige Kaffeemaschine bei Händler Z für 100€ mehr und verlangt nun von Händler Y sowohl den gezahlten Kaufpreis als auch die Mehraufwendungen von 100€ für den Deckungskauf ersetzt. Zu Recht?
Tritt bei Verbrauchsgüterkäufen innerhalb der ersten 12 Monate nach der Lieferung ein Mangel auf, wird gemäß § 477 BGB zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass der Mangel bzw. dessen Ursache schon bei Lieferung vorhanden war und dem Verbraucher deshalb Gewährleistungsansprüche zustehen.
Der Händler muss diese Vermutung aber nicht bedingungslos gegen sich gelten lassen, sondern hat gemäß § 439 Abs. 5 BGB das Recht, den Mangel und seine Ursache zu prüfen und den Verbraucher insoweit um Bereitstellung der Ware zur Mängelprüfung aufzufordern.
Ergibt die Mängelprüfung eine Mangelverursachung durch den Verbraucher, kann der Händler Gewährleistungsansprüche zurecht ablehnen.
Bevor der Verbraucher der Bitte um Bereitstellung der Ware zur Mängelprüfung nicht nachgekommen ist, kann der Händler die Anerkennung von Gewährleistungsrechten zurecht verweigern.
Sieht der Verbraucher es nicht ein, dem Händler die Mängelprüfung zu ermöglichen, interpretiert die entsprechende Bitte als Ablehnung der Gewährleistung und tätigt daraufhin einen Deckungskauf, stehen ihm dafür keine Ersatzansprüche zu.
Immerhin steht zum Zeitpunkt des Deckungskaufes noch nicht einmal fest, ob der Händler überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet gewesen wäre. Immerhin erfolgt die Ablehnung der Anerkennung einer Nacherfüllungspflicht vor Mängeluntersuchung durch den Händler aber zu Recht und er hat das Unterbleiben einer (unbedingten) Nacherfüllung nicht zu vertreten, weil er zurecht zuvor den Mangel und dessen Ursache muss prüfen können.
VI. Bis zu welcher Summe sind Mehrkosten eines Deckungskaufs ersatzfähig?
Liegen die Voraussetzungen für einen Deckungskauf wegen verschuldeter gescheiterter Nacherfüllung vor, hat ein Verbraucher nicht das Recht, irgendeinen Kaufgegenstand zu einem beliebigen Preis zu erwerben und dem ursprünglichen Händler in Rechnung zu stellen.
Ersatzfähig sind nur Mehrkosten für solche Deckungskäufe, die sich mit dem ursprünglichen Leistungsinteresse des Verbrauchers decken.
In sachlicher Hinsicht muss das deckungsweise erworbene Produkt der Art und Güte nach mit dem ursprünglichen Kaufgegenstand grundsätzlich identisch sein, also in Marke, Typ und Modell entsprechen. Ist das ursprünglich erworbene Modell am Markt nicht mehr verfügbar, kann auch der Erwerb des Nachfolgemodells ein erstattungsberechtiger Deckungskauf sein.
Zu beachten ist bei der Beurteilung stets der Grundsatz, dass der Verbraucher durch den Deckungskauf nur so gestellt werden soll, wie er bei ordnungsgemäßer Nacherfüllung gestanden hätte. Er darf also insbesondere nicht besser gestellt werden und hat somit auch keinen Anspruch auf höherwertiges oder qualitativ besseres Produkt.
In preislicher Hinsicht sind Mehrkosten für Deckungskäufe insoweit erstattungsfähig, als deren Kaufpreis einem üblichen Marktpreis entspricht.
Der Verbraucher ist nicht gehalten, akribisch und gegebenenfalls unter Inkaufnahme von Unannehmlichkeiten wie langen Lieferzeiten oder rechtlicher Schlechterstellung (etwa beim Kauf von privat) das günstigste Angebot herauszusuchen, darf aber auch keines wählen, das den Durchschnittspreis am Markt um ein Vielfaches übersteigt.
Für eine Mehrkostenerstattung anerkannt werden Deckungskäufe bis zu einer Höhe von 150% des ursprünglichen Kaufpreises, also Mehrkosten von bis zu 50% des Kaufpreises.
Übersteigt ein Deckungskauf die Wertgrenze, wird der Händler nicht insgesamt von der Erstattungspflicht frei, sondern muss vielmehr nur die Mehrkosten eines marktüblichen Kaufpreises erstatten.
Fallbeispiel zur Veranschaulichung:
Verbraucher X kauft bei Händler Y einen Kaffeevollautomaten zum Preis von 300,00€. 2 Monate nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Mahlwerk defekt ist und die Maschine keinen frisch gemahlenen Kaffee zubereiten kann. Verbraucher X wendet sich an Händler Y mit der Bitte, das Problem zu beheben. Händler Y wird nicht tätig. Nach 3 Wochen, in denen X noch immer keine funktionsfähige Maschine erhalten hat, sucht nach vergleichbaren Angeboten und entscheidet sich für den Erwerb der gleichen Maschine mit Expresslieferung bei Händler Z zum Preis von 600,00€. X fordert nun Y zur Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz der Mehrkosten von 300,00€ auf. Zu Recht?
Zwar hat X im vorstehenden Beispielsfall grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises und der Mehrkosten für einen Deckungskauf, weil Y die Nacherfüllung verschuldet nicht rechtzeitig erbrachte. Ersatzfähig sind aber regelmäßig nur Mehrkosten bis zu 50% des ursprünglichen Kaufpreises. 50% entsprächen vorliegend 150,00€. Y kann seine Ersatzpflicht zurecht auf insgesamt 450,00€ (300,00€ für die Rückerstattung des Kaufpreises und 150,00€ für die Mehrkosten des Deckungskaufs) begrenzen. Der Restbetrag ist von X zu tragen.
VII. Sind auch Versandkosten für die Lieferung des Deckungskaufgegenstandes ersatzfähig?
Ja. Liegen die Voraussetzungen für die Erstattung von Mehrkosten eines mangelbedingten Deckungskaufes vor, kann der Verbraucher vom ursprünglichen Händler auch die Versandkosten für die Zustellung des Deckungskaufgegenstandes ersetzt verlangen.
VIII. Muster für Mandanten
Für Mandanten stellen wir nachstehend die folgenden hilfreichen Muster zur Ablehnung unberechtigter oder exzessiver Forderungen über den Ersatz von Deckungskäufen bereit:
- Muster: Ablehnung des Ersatzes eines Deckungskaufes mangels Nacherfüllungsaufforderung
- Muster: Ablehnung des Ersatzes eines Deckungskaufs mangels Einsendung zur Mängelprüfung
- Muster: Ablehnung eines vollständigen Deckungskaufsersatzes wegen eines Preisexzesses
1.) Muster: Ablehnung des Ersatzes eines Deckungskaufes mangels Nacherfüllungsaufforderung
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2. Muster: Ablehnung des Ersatzes eines Deckungskaufs mangels Einsendung zur Mängelprüfung
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3.) Muster: Ablehnung eines vollständigen Deckungskaufsersatzes wegen eines Preisexzesses
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