Angebotene Ware nicht lieferbar – Welche Handlungsoptionen hat der Händler?
Händler, die Waren online zum Kauf anbieten, sollten sicherstellen, dass sie die angebotene Ware im Falle eines Vertragsschlusses auch tatsächlich innerhalb der angegebenen Lieferzeit liefern können. Anderenfalls drohen schuldrechtliche und ggf. auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen. Ein erhöhtes Risiko besteht insbesondere in solchen Fällen, in denen kein elektronisches Warenwirtschaftssystem eingesetzt wird oder die Ware (z. B. im Wege des Dropshipping) über einen Dritten versendet werden muss. Denn gerade in solchen Fällen hat der Händler ggf. nicht die notwendige Kontrolle über seinen Warenbestand. Im folgenden Beitrag beleuchten wir die Rechtslage bei Lieferengpässen und zeigen mögliche Handlungsoptionen des Händlers auf.
Inhaltsverzeichnis
- I. Rechtslage bei Lieferengpässen
- 1) Grundsatz: Verträge sind einzuhalten
- 2) Vertragliche Lösungsmöglichkeit: Selbstbelieferungsvorbehalt
- 3) Lösungsmöglichkeit wegen Unmöglichkeit der Leistung
- 4) Rechtsfolgen bei subjektiver Unmöglichkeit
- 5) Wettbewerbsrechtliche Konsequenzen
- II. Handlungsoptionen für Online-Händler
- 1) Warenwirtschaftssystem verwenden
- 2) Warenbestand von Drittlieferanten regelmäßig abfragen
- 3) Vertragsschluss hinauszögern
- 4) Selbstbelieferungsvorbehalt in AGB regeln
- 5) Lieferzeiten realistisch angeben
- 6) Beschwichtigung des Kunden (Aufhebungsvertrag)
I. Rechtslage bei Lieferengpässen
1) Grundsatz: Verträge sind einzuhalten
Sofern bereits ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen wurde, kann der Händler sich hiervon grundsätzlich nicht einseitig lösen. Ein „Recht auf Stornierung“ sieht das Gesetz für den Händler nicht vor. Es gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) und eine Möglichkeit zur einseitigen Lösung von bereits geschlossenen Verträgen sieht das Gesetz nur in wenigen Fällen und nur unter engen Voraussetzungen vor.
Grundsätzlich sind in diesem Zusammenhang etwa folgende Fälle denkbar:
a) Anfechtung der Vertragserklärung aufgrund eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums
Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde (§ 119 I BGB) . Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung (§ 120 BGB) .
Nun könnte man auf die Idee kommen, die eigene Vertragserklärung anzufechten, weil man sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die Lieferbarkeit der Ware geirrt hat. Denn bei Vertragsschluss war man ja schließlich noch davon ausgegangen, dass die angebotene Ware auch lieferbar sein würde. Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Im Interesse der Rechtssicherheit gestattet das BGB eine Anfechtung wegen Irrtums nur in folgenden 4 Fällen:
- Irrtum in der Erklärungshandlung (z. B. Versprechen oder Vertippen)
- Irrtum über den Erklärungsinhalt (z. B. Irrtum über die Person des Vertragspartners oder über den Vertragsgegenstand)
- Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften (z. B. Echtheit eines Kunstwerkes oder Fahrleistung eines Kfz)
- Übermittlungsirrtum (z. B. falsche Übersetzung eines Dolmetschers oder fehlerhafte Preisauszeichnung wegen eines Softwarefehlers)
Der Irrtum über die Lieferbarkeit der angebotenen Ware gehört aber nicht dazu. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum, für den der Händler das Risiko trägt.
b) Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Zahlungsverzugs des Käufers
Ist der Käufer nach dem Inhalt des Vertrages zur Vorausleistung (Vorkasse) verpflichtet und zahlt er den geschuldeten Kaufpreis trotz einer Zahlungsaufforderung unter angemessener Fristsetzung des Händlers nicht, kann der Händler vom Kaufvertrag zurücktreten (vgl. § 323 I BGB) .
Dieser Fall kommt zwar auch in der Praxis vor, setzt aber sowohl die Pflicht zur Vorauskasse für den Käufer als auch dessen beharrliche Zahlungsunwilligkeit voraus. Dabei kommt es also gar nicht darauf an, ob der Händler liefern kann oder nicht. Er kann sich hier allein aus dem Grund vom Vertrag lösen, dass der Käufer sich nicht vertragstreu verhält.
c) Ausschluss der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit der Lieferung
Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist (§ 275 I BGB) .
Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 275 II BGB) .
Diese Regelungen sollen den Schuldner vor der Inanspruchnahme auf eine unmögliche Leistung schützen. Der Schuldner soll also von seiner Leistungspflicht befreit werden, wenn die Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung unmöglich ist. Das Gesetz kennt verschiedene Arten der Unmöglichkeit und knöpft unterschiedliche Rechtsfolgen hieran, je nachdem, ob der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht.
2) Vertragliche Lösungsmöglichkeit: Selbstbelieferungsvorbehalt
Der so genannte Selbstbelieferungsvorbehalt setzt eine vertragliche Vereinbarung zwischen Händler und Käufer voraus, nach der sich der Händler unter bestimmten Voraussetzungen durch Rücktritt vom bereits geschlossenen Kaufvertrag lösen darf. Üblicherweise wird eine solche Vereinbarung in den AGB des Händlers geregelt.
Insoweit ist zunächst die Regelung des § 308 Nr. 3 BGB zu beachten. Danach ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen, unwirksam. Allerdings ergibt sich aus § 308 Nr. 8 BGB, dass ein solcher Rücktrittsvorbehalt bei Nichtverfügbarkeit der Leistung ausnahmsweise doch zulässig ist, wenn sich der Verwender verpflichtet, den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten.
Die vorgenannten Voraussetzungen alleine reichen indes noch nicht für die wirksame Vereinbarung eines Selbstbelieferungsvorbehalts. So hat der BGH hierzu klargestellt, dass ein solches Lösungsrecht im nichtkaufmännischen Verkehr nur zulässig ist, wenn der Händler ein konkretes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und von seinem Lieferanten im Stich gelassen wird, wobei Verkaufs- und Einkaufsvertrag kongruent, also deckungsgleich sein müssen. Hieraus ergibt sich zudem, dass der Händler die verspätete, mangelhafte oder unterbliebene Lieferung selbst nicht verschuldet haben darf.
Ein wirksamer Selbstbelieferungsvorbehalt in AGB muss demnach folgende Punkte berücksichtigen:
Der Händler
- wird selbst nicht richtig oder nicht ordnungsgemäß beliefert;
- hat die Nichtlieferung nicht zu vertreten;
- hat ein konkretes Deckungsgeschäft mit dem Zulieferer abgeschlossen;
- verpflichtet sich, den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten.
Wurde ein Selbstbelieferungsvorbehalt wirksam vereinbart und liegen die vorgenannten Voraussetzungen vor, so kann der Händler mittels einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Käufer vom bereits geschlossenen Kaufvertrag zurücktreten.
Durch den Rücktritt erlischt die Pflicht zur Lieferung des Händlers ebenso wie die Pflicht des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises. Hat der Käufer den Kaufpreis bereits gezahlt, kann er diesen ggf. inklusive bereits gezahlter Versandkosten vom Händler zurückfordern. Darüber hinaus hat der Käufer aber keine Zahlungsansprüche gegen den Händler. Insbesondere verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche kommen nicht in Betracht.
3) Lösungsmöglichkeit wegen Unmöglichkeit der Leistung
Hat der Händler keinen Selbstbelieferungsvorbehalt vereinbart oder liegen die Voraussetzungen für ein vertragliches Rücktrittsrecht nicht vor, so bleiben ihm lediglich die oben genannten gesetzlichen Möglichkeiten, sich von einem bereits geschlossenen Vertrag zu lösen. Insoweit kommt insbesondere ein Ausschluss der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit der Lieferung in Betracht.
Wird der Händler etwa von seinem Lieferanten im Stich gelassen, könnte für den Händler subjektive Unmöglichkeit in Betracht kommen. Diese liegt vor, wenn der Schuldner zur Leistung außerstande ist. Dies ist nur der Fall, wenn der Schuldner auch zur Beschaffung oder Wiederbeschaffung und zwar auch unter Mithilfe Dritter, nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand in der Lage ist. Könnte der Händler die geschuldete Ware also mit verhältnismäßigem Aufwand noch von anderen Quellen beziehen, läge keine Unmöglichkeit vor und er würde nicht von seiner Leistungspflicht befreit.
4) Rechtsfolgen bei subjektiver Unmöglichkeit
Liegen die vorgenannten Voraussetzungen der subjektiven Unmöglichkeit vor, wird der Händler gemäß § 275 I BGB bzw. § 275 II BGB (Einrede erforderlich) frei von seiner Lieferpflicht. Der Käufer kann seinen Lieferanspruch also nicht mehr gegen den Händler durchsetzen. Zugleich verliert der Händler nach § 326 BGB seinen Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises. Hat der Käufer den Kaufpreis bereits gezahlt, muss der Händler diesen erstatten.
Eine Schadensersatzpflicht des Händlers kommt im Falle der Unmöglichkeit der Lieferung nur dann in Betracht, wenn der Händler die Unmöglichkeit, also das Leistungshindernis, zu vertreten hat, ihn insoweit also ein Verschulden trifft.
Der Händler hat gem. § 276 Abs. 1 BGB grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Bestanden die Lieferschwierigkeiten des Händlers bereits vor Abschluss des Kaufvertrages ist entscheidend, ob der Händler bei Vertragsschluss von diesen wusste oder bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt davon hätte wissen können, § 311a Abs. 2 BGB. Bei nach Vertragsschluss eintretenden Lieferengpässen kommt es darauf an, ob der Händler diese hätte vermeiden können, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.
Dass der Händler die Nichtleistung zu vertreten hat, wird durch Gesetz widerlegbar vermutet, § 280 Abs. 1 BGB. Für den Händler bedeutet das, dass er im Zweifel beweisen muss, die Gründe für das Leistungshindernis nicht gekannt zu haben bzw. dessen Eintritt nicht hätte verhindern zu können.
Der Anspruch ist darauf gerichtet, den durch die Nichterfüllung entstandenen Schaden auszugleichen (positives Interesse). Das heißt, der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Der Anspruch zielt in der Regel auf eine Geldzahlung ab, kann aber ausnahmsweise auch auf Beschaffung von gleichwertigen Ersatzsachen gerichtet sein. Die Höhe des Schadensersatzes hängt also vom konkreten Einzelfall ab und kann nicht pauschal beziffert werden.
5) Wettbewerbsrechtliche Konsequenzen
Neben den Problemen, die sich bei dem Verkauf nicht lieferbarer Ware mit dem Käufer ergeben können, können eventuell auch Wettbewerber Unterlassung- und/oder Schadensersatzansprüche gegen den Händler geltend machen. Das Werben mit tatsächlich nicht lieferbarer Ware ist ein sog. Lockvogelangebot gem. Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG und stellt eine in jedem Fall unzulässige Wettbewerbshandlung dar.
Im Falle von Lockvogelangeboten liegt der die Unlauterkeit begründende Umstand nicht in der mangelnden Bevorratung durch den Unternehmer, sondern in der mangelnden Aufklärung des Kunden über die Verfügbarkeit des Produkts. Entscheidend für das Vorliegen einer unlauteren Wettbewerbshandlung ist mithin, ob sich die Verfügbarkeit des Produkts mit der durch die Darstellung der Ware im Internet geweckte Erwartung des Käufers diesbezüglich deckt.
Für den Online-Handel hat der BGH festgestellt (Urteil vom 07.04.2005, I ZR 314/02), dass ein durchschnittlich informierter und umsichtiger Verbraucher davon ausgehe, dass Verfügbarkeitsangaben auf Internetseiten immer auf dem neusten Stand seien. Da Angebote im Internet anders als Angebote in Printkatalogen ständig aktualisiert werden könnten, ginge der Verbraucher bei einer entsprechenden Kennzeichnung der Ware von deren sofortiger Versandbereitschaft aus. Dementsprechend stellt nicht allein das Werben mit überhaupt nicht verfügbarer Ware, sondern auch mit nicht sofort lieferbarer Ware ohne einen Hinweis auf eventuelle Lieferungsverzögerungen einen Verstoß gegen Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG dar.
II. Handlungsoptionen für Online-Händler
Um sich vor den negativen Konsequenzen von Lieferengpässen zu schützen, sollten Online-Händler in der Praxis folgende Regeln beachten:
1) Warenwirtschaftssystem verwenden
Händler mit einem umfangreicheren Warenbestand sollten nach Möglichkeit ein Warenwirtschaftssystem verwenden, welches sie bei der Übersicht über die vorhandenen Bestände unterstützt und Online-Angebote für abverkaufte Waren automatisch sperrt. Dies verringert das Risiko von Vertragsschlüssen über Waren, die der Händler nicht mehr vorrätig hat.
2) Warenbestand von Drittlieferanten regelmäßig abfragen
Händler, die zur Erfüllung ihrer vertraglichen Lieferpflichten mit Drittlieferanten zusammenarbeiten (z. B. Dropshipping), sollten sicherstellen, dass der Drittlieferant selbst über ein Warenwirtschaftssystem verfügt, um den Händler rechtzeitig über mögliche Lieferengpässe zu informieren. Alternativ sollten die Warenbestände beim Drittlieferanten regelmäßig abgefragt werden, damit der Händler seine Angebote ggf. anpassen kann.
3) Vertragsschluss hinauszögern
Händler, die kein Warenwirtschaftssystem verwenden, und sich nicht vorschnell vertraglich binden möchten, sollten den Vertragsschluss in ihren AGB so regeln, dass die Bestellung des Kunden noch nicht zum Vertragsschluss führt, sondern dass es hierfür noch einer Annahmeerklärung des Händlers bedarf. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch bei dieser Regelung bereits ein Vertrag zustande kommt, wenn der Händler den Kunden zur Zahlung auffordert, da hierin eine konkludente Annahmeerklärung des Händlers zu sehen ist. Als Zahlungsaufforderung kann dabei auch gewertet werden, wenn der Kunde nach seiner Bestellung zu einem elektronischen Zahlungsdienst weitergeleitet wird, um dort seine Zahlung zu autorisieren. Vor diesem Hintergrund dürfte der Händler bei dieser Vorgehensweise nur solche Zahlungsarten anbieten, bei denen der Kunde erst nach der Annahmeerklärung des Händlers zur Zahlung aufgefordert wird. Der Einsatz von Sofortzahlungsdiensten wie etwa PayPal käme damit nicht in Betracht.
4) Selbstbelieferungsvorbehalt in AGB regeln
Der Händler sollte einen Selbstbelieferungsvorbehalt in seinen AGB regeln, der ihm ggf. die Möglichkeit eröffnet, im Falle nicht ordnungsgemäßer Selbstbelieferung vom bereits geschlossenen Kaufvertrag zurückzutreten.
Hinweis in eigener Sache:
Im Rahmen unserer Schutzpakete für Online-Händler stellen wir unseren Mandanten u. a. AGB bereit, welche einen wirksamen Selbstbelieferungsvorbehalt enthalten.
Ein Muster für eine Rücktrittserklärung unter Bezugnahme auf einen wirksam vereinbarten Selbstbelieferungsvorbehalt stellen wir in diesem Beitrag bereit.
5) Lieferzeiten realistisch angeben
Gemäß Art. 246a § 1 Nr. 7 EGBGB hat der Unternehmer den Verbraucher über den Termin zu informieren, bis zu dem er die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss. Danach muss der Unternehmer den Verbraucher über Dauer, Beginn und Ablauf der Lieferfrist informieren, innerhalb welcher der Verbraucher in jedem Fall mit dem Zugang der Ware rechnen kann. Einschränkende Zusätze bei der Lieferzeit wie etwa „voraussichtlich“ oder „in der Regel“ sind in rechtlicher Hinsicht kritisch, da dies einen unzulässigen Änderungsvorbehalt darstellen könnte. Der Verbraucher muss bereits anhand der im Internet veröffentlichten Informationen in die Lage versetzt werden, sich das Ende der Lieferfrist auszurechnen.
Aber auch die Angabe extrem langer Lieferzeiten im Online-Shop ist nach unserer Auffassung grundsätzlich unzulässig. Nach § 308 Nr. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Erbringung einer Leistung vorbehält. Dies kann auch für Fälle gelten, in denen der Händler sich eine unangemessen lange Lieferzeit vorbehält, selbst wenn er diese konkret benennt. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art der zu erbringenden Leistung und die Verkehrsanschauung. Bei der Abwägung sind die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen.
So kann für eine Einbauküche die Angabe einer Lieferzeit von 4 Wochen zulässig, die Angabe einer Lieferzeit von 6 Wochen aber schon unzulässig sein (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 87, 315). Gerade bei Artikeln, die nicht erst gesondert für den Kunden hergestellt werden müssen, dürfte daher die Angabe einer zu langen Lieferzeit unzulässig sein. Wenn man die Lieferzeit für einen Artikel aufgrund der Marktsituation also nicht genau bestimmen kann, sollte man den Artikel vorsorglich jedenfalls so lange aus dem Sortiment nehmen, bis sich die Lage am Markt wieder normalisiert hat.
6) Beschwichtigung des Kunden (Aufhebungsvertrag)
Kann der Händler sich weder auf einen Selbstbelieferungsvorbehalt, noch auf die Unmöglichkeit der Leistung berufen, da er eine Ware gleicher Gattung ggf. noch mit vertretbarem Aufwand beschaffen könnte, müsste er die vertraglich geschuldete Ware immer noch liefern. Erscheint dem Händler der Beschaffungsaufwand jedoch zu groß, könnte er alternativ versuchen, den Kunden zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen, der beide Parteien aus ihrer jeweiligen Leistungspflicht entlässt. Als Kompensation für die Unannehmlichkeiten könnte der Händler dem Kunden etwa einen Gutschein für einen Folgeeinkauf oder eine sonstige Vergünstigung in Aussicht stellen. Diese Lösung setzt freilich Einvernehmlichkeit und somit die Kooperationsbereitschaft des Kunden voraus.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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