Irreführend? Kennzeichnung gebrauchter Ware nur mit „Refurbished Certificate
Gebrauchte Produkte sind günstiger, bergen aber Risiken bei Funktion und Lebensdauer. Weil ein vorheriger Gebrauch im E-Commerce vor der Lieferung aber grundsätzlich nicht zu erkennen ist, besteht eine Aufklärungspflicht über einen solchen Zustand. Dass dieser der bloße Hinweis auf ein „Refurbished Certificate“ nicht hinreichend nachkommt, entschied das LG München I.
I. Der Sachverhalt
Auf der Plattform Amazon bot die Beklagte Produkte aller Art zum Verkauf an. Darunter befand sich auch ein Smartphone im gebrauchten Zustand. In der dazugehörigen Produktinformation für den Verbraucher hatte sich jedoch zunächst kein Hinweis darauf befunden. Einige Tage später, am 04.05.2017 ergänzte die Beklagte die Produktinformation um den Hinweis „Refurbished Certificate“. Fast anderteinhalb Monate später fügte sie schließlich einen ausdrücklichen Hinweis hinzu, dass es sich um ein gebrauchtes Produkt handele.
Am 09.05.2017 mahnte der Kläger, der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland, die Beklagte wegen der dargelegten Smartphone-Werbung ab. Eine Unterlassungserklärung gab die Beklagte jedoch nicht ab.
Daraufhin erhob der Kläger Klage auf Unterlassung zum LG München I und rügte eine Irreführung nach § 5a Abs. 1 UWG. Dass es sich um ein gebrauchtes Smartphone handele, stelle eine wesentliche Information im Sinne des § 5a UWG dar. Der nachträglich eingefügte Zusatz „Refurbished Certificate“ sorge nicht für die notwendige Aufklärung, da auch dieser nicht erkennen ließe, dass es sich um ein gebrauchtes Gerät handele.
Die Beklagte verlangte ihrerseits Klageabweisung, da es sich um einen bedauerlichen Ausrutscher gehandelt habe und außerdem eine ausreichende Aufklärung der Verbraucher durch den Zusatz „Refurbished Certificate“ schließlich erfolgt sei. Insbesondere sei der Begriff „Refurbished“ im Hinblick auf Elektrogeräte allgemein bekannt.
II. Die Entscheidung
Das LG München I gab der Klage mit Urteil vom 30.07.2018 (Az: 33 O 12885/17) statt. Die Beklagte wurde gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3 Abs. 1, Abs. 2, 5a Abs. 2 UWG antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Die dargestellte Ankündigung verstoße gegen §§ 3, 5a Abs. 2 UWG, da es sich um eine Vorenthaltung wesentlicher Informationen gegenüber dem Verbraucher handele.
1.) Wesentliche Information gem. § 5a Abs. 2 UWG
Ziel des § 5a Abs. 2 UWG sei die Umsetzung von Art. 7 der UGP-Richtlinie. Unlauteres Handeln liege demnach vor, wenn eine Beeinflussung der Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers gem. § 3 Abs. 2 UWG gegeben sei, also wenn eine wesentliche Information vorenthalten werde, sodass der Verbraucher keine informierte, geschäftliche Entscheidung treffen könne. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Verbraucher durch das Vorenthalten zu einer Entscheidung veranlasst werde, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
Für die Wesentlichkeit einer Information gem. § 5a Abs. 2 UWG sei das Ziel der UGP-Richtlinie bedeutend, nämlich die Schaffung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Dies werde durch Art. 7 der Richtlinie dadurch konkretisiert, dass der Verbraucher die Möglichkeit bekommen solle, eine informierte, geschäftliche Entscheidung zu treffen. Damit eine Information also wesentlich sei, müsse sie von solcher Bedeutung sein, dass sie einerseits für die Entscheidung des Verbrauchers maßgeblich sei, andererseits dies aber auch für den Unternehmer erkennbar sei. Eine unzumutbare Belastung des Unternehmers dürfe nicht erfolgen.
2.) Gebrauchtzustand als wesentliche Information
Bei dem gebrauchten Zustand des Smartphones handele es sich um eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information i.S.d § 5a Abs. 2 UWG, die für eine fundierte geschäftliche Entscheidung erforderlich sei.
Der Durchschnittsverbraucher sei daran gewöhnt, zwischen neu und gebraucht zu unterscheiden. Dies ergebe sich allein schon daraus, dass dies Informationen über den Zustand und die erwartete Lebensdauer beinhalte, Einfluss auf die Preisfindung habe und schließlich Konsequenzen bezüglich der Gewährleistung mit sich bringen könne (vgl. dazu insbesondere § 476 Abs. 2 BGB) .
3.) Kein anderes Ergebnis durch Zusatz „Refurbished Certificate“
Auch der später hinzugefügte Zusatz „Refurbished Certificate“ sei nicht geeignet, den Durchschnittsverbraucher hinreichend über den gebrauchten Zustand des Smartphones aufzuklären. Der Begriff „refurbished“ sei dem durchschnittlichen Verbraucher nicht geläufig, mithin könne er damit nicht erkennen, dass es sich um einen gebrauchten Artikel handele. Selbst wenn der Abnehmer den Begriff wörtlich übersetze zu „wiederaufbereitetes Zertifikat“, könne er auch aus dieser Übersetzung noch nicht auf den Gebrauchtzustand des Produkts schließen.
III. Fazit
Um dem Verbraucher eine möglichst informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen, müssen alle wesentlichen Produktinformationen offengelegt werden. Dazu zählt insbesondere ein etwaiger Gebrauchtzustand eines Artikels. Dieser darf den potenziellen Abnehmern nicht vorenthalten werden, da er erheblichen Einfluss auf deren Entscheidung haben kann.
Wer gebrauchte Ware anbietet, muss diese auch als solche kennzeichnen. Die Bezeichnung als „Refurbished Certificate“ reicht dazu nicht aus, da sie im Allgemeinen nicht als Beschreibung für gebrauchte Ware bekannt ist.
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