Jugendschutzbeauftragter: Die wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen

Jugendschutzbeauftragter: Die wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen
von Dr. Bea Brünen
26.02.2020 | Lesezeit: 7 min

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder (JMStV) soll Kinder und Jugendliche vor Inhalten im Internet schützen, die ihre Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden können. Unter bestimmten Umständen müssen Anbieter entwicklungsbeeinträchtigender oder jugendgefährdender Inhalte zudem einen Jugendschutzbeauftragten bestellen. Auch die Rechtsprechung positioniert sich regelmäßig zur Notwendigkeit der Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten. Die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zu dieser Thematik stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

A. Vorab: Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten

Der Jugendschutzbeauftragte fungiert als Ansprechpartner für die Nutzer und berät den Anbieter in Fragen des Jugendschutzes. Ob eine Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten besteht, richtet sich nach dem JMStV. Dieser Vertrag soll - in Verbindung mit dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) – Kinder (bis 14 Jahre) und Jugendliche (von 14 bis 18 Jahre) vor schädlicher Einflussnahme auf ihre Entwicklung und Erziehung durch elektronische Informations- und Kommunikationsmedien schützen.

Konkret trifft die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten alle geschäftsmäßigen „Anbieter“ von „allgemein zugänglichen Telemedien, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten“ (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV). „Allgemein zugänglich“ sind Telemedien grundsätzlich dann, wenn sie von einem unbestimmten Personenkreis abgerufen werden können. Welche Inhalte entwicklungsbeeinträchtigend oder jugendgefährdend sind, richtet sich nach § 4 und § 5 JMStV. Dabei differenziert das Gesetz zwischen

  • absolut unzulässigen Angeboten (vgl. § 4 Abs. 1 JMStV),
  • relativ unzulässigen Angeboten (vgl. § 4 Abs. 2 JMStV) und
  • entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten (vgl. § 5 JMStV).

Darüber hinaus regelt § 7 Abs. 2 JMStV noch Ausnahmen von der Bestellungspflicht eines Jugendschutzbeauftragten. Konkret heißt es dort: „Anbieter von Telemedien mit weniger als 50 Mitarbeitern oder nachweislich weniger als zehn Millionen Zugriffen im Monatsdurchschnitt eines Jahres sowie Veranstalter, die nicht bundesweit verbreitetes Fernsehen veranstalten, können auf die Bestellung verzichten, wenn sie sich einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen und diese zur Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten verpflichten sowie entsprechend Absatz 3 beteiligen und informieren.“

B. VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2012, Az.: 27 K 603/11

In dem zugrundeliegenden Streitfall veröffentlichte der Kläger auf einer von ihm betriebenen Internetseite im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bundeseinsatz in Afghanistan Bilder von verstümmelten Leichen deutscher Bundeswehrsoldaten. Dem Kläger wurde per Beanstandungs- und Untersagungsverfügung aufgegeben, das genannte Angebot in dieser Fassung nicht weiter zu verbreiten.

Das VG Düsseldorf entschied, dass die jederzeit zeitlich und personell frei zugängliche Darstellung verstümmelter Leichen deutscher Bundeswehrsoldaten aus dem Afghanistankrieg in einer Domain regelmäßig gegen Jugendschutzrecht verstößt, da diese Bilder geeignet sind, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Deshalb ist eine solche Darstellung regelmäßig zu untersagen, wenn der Inhaber der Domain nicht dafür Sorge trägt, dass der Zugang für diese durch technische und sonstige Mittel unmöglich gemacht wird.

Als „Anbieter“ dieser Inhalte hätte der Kläger entweder einen Jugendschutzbeauftragten oder sich einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen und diese zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Jugendschutzbeauftragten bestellen müssen. Das Gericht stellte diesbezüglich fest, dass „Anbieter“ auch jemand ist, der auf seiner Webseite Werbebanner schaltet und dafür ein Entgelt erhält.

Achtung: Bestellen Anbieter keinen Jugendschutzbeauftragen, drohen nicht nur aufsichtsrechtliche Verfügungen mit dem Inhalt, das Angebot nicht weiter zu verbreiten. Anbieter begehen darüber hinaus eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 8 JMStV, welche mit einem Ordnungsgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Zudem drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen. Denn: Die Nicht-Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten stellt einen spürbaren Wettbewerbsverstoß dar, der kostenpflichtig abgemahnt werden kann (vgl. dazu auch https://www.it-recht-kanzlei.de/Abmahnung-fehlender-Jugendschutzbeauftragter.html).

Jugendschutzbeauftragter

C. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.05.2017, Az.: 4 L 103/16

In seiner Entscheidung setzte sich das OVG ausführlich mit der Auslegung des „geschäftsmäßigen Anbieters“ auseinander. So stellte es fest, dass als geschäftsmäßig im Sinne des § 7 JMStV nicht nur ein Angebot zu sehen ist, welches zumindest wirtschaftlichen Zwecken dient. Vielmehr ist der Begriff in Anlehnung an § 3 Nr. 10 Telekommunikationsgesetz (TKG) auszulegen. Dementsprechend ist als „geschäftsmäßig“ ein fortgesetzt und planmäßig betriebenes Angebot anzusehen. Lediglich (private) Gelegenheitsanbieter sollen nicht vom Anbieterbegriff erfasst werden.

Auch der Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV spricht – so das OVG – dafür, dass nicht nur wirtschaftlichen Zwecken dienende Internetangebote erfasst werden sollen. Mit dieser Regelung soll nämlich sichergestellt werden, dass bei allgemein zugänglichen Telemedien, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten und die regelmäßig aktualisiert werden, unabhängig von einer wirtschaftlichen Zielsetzung des Anbieters schon im Vorfeld ein umfassender Jugendschutz sichergestellt wird.

D. VG Kassel, Urteil vom 08.06.2017, Az.: 1 K 573/13.KS

Auch das VG Kassel setzte sich zunächst mit der Definition des Begriffs „Anbieter“ auseinander und stellte fest, dass es sich bei der Klägerin um einen solchen handelt. Eine Definition des Anbieterbegriffs ist – so das VG Kassel – im JMStV nicht zu finden. Um den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien umfassend zu gewährleisten, ist der Anbieterbegriff jedoch weit auszulegen. Maßgeblich ist insbesondere die Ermöglichung des Zugangs zu den infrage stehenden Inhalten über die eigene Webseite.

Anbieter sind daher zum einen solche Webseitenbetreiber, die Internetnutzern durch einen auf ihrer Domain befindlichen Link den Zugang zu Domains mit pornografischen Inhalten ermöglichen. Zum anderen sind Anbieter solche Webseitenbetreiber, die eine rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung des unter der eigenen Domain betriebenen Internetangebots innehaben.

Zudem stellte das Gericht fest, dass die Klägerin gegen ihre Pflicht einen Jugendschutzbeauftragten zu bestellen, verstoßen hat. Als Jugendschutzbeauftragter war zwar de Geschäftsführer der Klägerin im Impressum benannt. Der Pflicht aus § 7 JMStV wird – so das VG – jedoch nicht dadurch genüge getan, indem sich der Inhaber oder Geschäftsführer zum Jugendschutzbeauftragten bestellt. Denn: § 7 Abs. 3 Satz 1 JMStV regelt, dass der Jugendschutzbeauftragte die Anbieter „berät“.

Die Berufung des Geschäftsführers zum Jugendschutzbeauftragten widerspricht jedoch bereits begrifflich dem Erfordernis der „Beratung“. Zudem stellte das Gericht fest, dass durch die Berufung eines Geschäftsführers die notwendigen Fähigkeiten und Qualifikationen eines Beauftragten in Sachen Jugendschutz nicht erfüllt sind. Die gleichzeitige Wahrnehmung beider Positionen läuft vielmehr auf eine unvereinbare Interessenkollision hinaus.

E. VG Berlin, Beschluss vom 20.02.2018, Az.: 27 L 546.17

In dem zugrundeliegenden Streitfall wandten sich die Antragsteller gegen medienaufsichtsrechtliche Anordnungen zur Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen, die zwei Webseiten betrafen. Die Antragsteller waren in dem zugrundeliegenden Fall verheiratet und arbeiteten als Pornodarsteller. Das von ihnen produzierte Filmmaterial war auf den streitgegenständlichen Webseiten veröffentlicht.

Auch das VG Berlin setzte sich zunächst mit dem Begriff des „Anbieters“ auseinander. Es stellte fest, dass die Antragsteller zwar nicht im Impressum der Webseite aufgeführt sind. Zudem stehe nicht fest, ob sie Inhaber der streitgegenständlichen Domain sind, da die Angebote nur anonym bzw. über einen Hosting-Service. Die Einstufung einer Person als Anbieter des Telemediums setzt jedoch weder voraus, dass diese Inhaber der Domain ist noch ist eine Nennung der Person im Impressum erforderlich. Vielmehr ist entscheidend, ob ein Einfluss auf Einzelheiten der inhaltlichen Gestaltung der Angebote besteht.

Zudem ist auch ein geschäftsmäßiges Handeln zu bejahen. Darunter ist ein fortgesetztes und planmäßig betriebenes Angebot zu verstehen, was lediglich (private) Gelegenheitsanbieter ausschließt; auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.

F. VG Berlin, Urteil vom 21.05.2019, Az.: 27 K 93.17

In dem zugrundeliegenden Fall betrieb der Kläger eine Facebook-Seite. Er veröffentlichte dort mehrfach im Monat eigene Beiträge und verlinkte Beiträge anderer Quellen. Der Kläger wehrte sich vor dem VG Berlin gegen eine aufsichtsrechtliche Beanstandungs- und Untersagungsverfügung, mit der die Beklagte unter anderem auch die Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten gefordert hatte.

Auch das VG Berlin setzte sich ausführlich mit dem Begriff des „Anbieters“ auseinander. Es stellte fest, dass der Anbieterbegriff angesichts des Schutzzwecks einer weiteren Auslegung bedarf. Dementsprechend genügt für die Einstufung als Anbieter von Telemedien die Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Inhalt des Angebots. Nicht erforderlich ist, dass sämtliche Teile des Angebots vom Anbieter auch selbst gestaltet sein müssen. Unter diesen weiten Anbieterbegriff fallen – so das VG Berlin – Domaininhaber sowie die im Impressum einer Internetseite.

Doch auch der Betreiber einer Facebook-Seite ist als „Anbieter“ zu charakterisieren. Denn: Die Facebook-Seite des Klägers stellt einen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst dar, auf den er Einfluss nehmen kann, denn er selbst ist auf seiner Facebook-Seite aktiv und veröffentlicht auch eigene Beiträge. Nach eigenen Angaben hat der Kläger zudem die beanstandeten Einträge (eigene Beiträge, Gastkommentare und von ihm gesetzte Hyperlinks) selbständig gelöscht und auch hierdurch gezeigt, dass er Einfluss auf den Inhalt der Facebook-Seite hat.

G. Fazit

Die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten betrifft nicht nur Domain-Inhaber. Vielmehr ist der Begriff des „Anbieters“ angesichts dieser Rechtsprechung sehr weit zu verstehen. Es ist daher dringend anzuraten, sich vor der Bereitstellung entwicklungsbeeinträchtigender bzw. jugendgefährdender Angebote umfassend über die Bestellung eines fachkundigen Jugendschutzbeauftragten zu informieren.

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