Wann haften Händler für Mangelfolgeschäden?

Wann haften Händler für Mangelfolgeschäden?
30.12.2021 | Lesezeit: 9 min

Verursacht ein mangelhaftes Produkt Schäden an anderen Rechtsgütern, steht für den Händler eine Haftung für Mängelfolgen im Raum. Wir klären, unter welchen Voraussetzungen der Händler hier Ersatz leisten muss und welche Unterschiede zwischen Geschäftsbeziehungen im B2C- und im B2B-Bereich bestehen.

I. Der Begriff des Mangelfolgeschadens

Der Mangelfolgeschaden ist eine Figur des zivilrechtlichen Schadensrechts, unter welcher all solche Vermögenseinbußen zusammengefasst werden, die dem Erwerber bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht an dieser selbst, sondern aufgrund des Mangels an anderen Rechtsgütern entstehen, die mit der Kaufsache in irgendeiner Weise in Verbindung gekommen sind.

Beim Mangelfolgeschaden liegt die Vermögenseinbuße also nicht in der mangelbedingten Entwertung des Kaufgegenstandes selbst, sondern in der Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter gerade durch den Mangel am Kaufgegenstand.

Aus dem Grund kann der Mangelfolgeschaden nie durch eine Nacherfüllung beseitigt werden.

Auf Grundlage dieses Gedankens wird der Mangelfolgeschaden als Posten des sogenannten "Schadensersatzes neben der Leistung" qualifiziert, der neben die ursprüngliche Pflicht des Händlers zur ordnungsgemäßen, mangelfreien Leistung nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt und hier unabhängig von dessen Nacherfüllungspflicht verlangt werden kann.

Der Ersatz von Mangelfolgeschäden ist vom kaufvertraglichen gewährleistungsrechtlichen Haftungsregime des § 437 BGB erfasst und erfolgt nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB.

Daneben ist jedoch regelmäßig auch Raum für eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB gegeben, sofern infolge des Mangels andere im Eigentum befindliche Gegenstände des Käufers oder dessen Gesundheit verletzt werden.

Typische Beispiele für Mangelfolgeschäden sind:

  • verdorbenes Essen in einem defekten, nicht kühlenden Kühlschrank
  • in Mitleidenschaft gezogene Kleidung bei Waschgang mit defekter Waschmaschine
  • im Wege eines Computer-Kabelbrandes zerstörte Einrichtung
  • unfallbedingte Verletzungen bei Fahrt mit bremsdefektem PKW

II. Die Ersatzfähigkeit von Mangelfolgeschäden im B2C-Gewerbe

Will der Verbraucher im Rahmen einer B2C-Geschäftsbeziehung einen mangelbedingten Folgeschaden gegenüber dem Händler geltend machen, kommen sowohl gewährleistungsrechtliche als auch deliktische Schadensersatzansprüche in Betracht.

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1.) Gewährleistungshaftung

Geht der Verbraucher aufgrund eines ihm entstandenen Folgeschadens gegen den Händler auf Grundlage des Gewährleistungsrechts vor, so muss neben einen wirksamen Kaufvertrag zunächst ein solcher anspruchsbegründender Sachmangel nach § 434 BGB im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs (die Übergabe an den Verbraucher i.S.d. § 446 BGB) vorgelegen haben. Zwar ist für diesen Umstand grundsätzlich der Käufer beweispflichtig.

Im B2C-Gewerbe, also im Verhältnis zwischen Händlern und Verbrauchern, greift jedoch zugunsten der letzteren regelmäßig die Beweislastumkehr des § 477 BGB, nach der das Vorliegen eines Sachmangels ab Gefahrenübergang bei Nachweis eines Defekts ab dem 01.01.2022 innerhalb eines Jahres ab der Übergabe bis zu einer Widerlegung durch den Händler vermutet wird.

Die für den Schadensersatzanspruch relevante Pflichtverletzung wird hierbei ausschließlich durch den Sachmangel selbst begründet, der sich schädigend auf andere Rechtsgüter des Verbrauchers ausgewirkt hat.

Zu beachten ist, dass der Ersatz von Mangelfolgeschäden als Schadensersatz neben der Leistung nicht von dem Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung abhängt. Geltend gemacht wird insofern nämlich gerade kein Schaden am mangelhaften Produkt selbst, der durch eine zweite Andienung des Händlers beseitigt werden könnte, sondern ein von etwaigen Nacherfüllungsbemühungen unabhängige Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter.

Um jedoch die Haftung des Händlers nicht über Gebühr auf jegliche mangelbedingten Ausfallerscheinungen und Schadensentwicklungen zu erstrecken, kann der Händler nur in Anspruch genommen werden, wenn er den haftungsbegründenden Mangel des Kaufgegenstandes auch zu vertreten hat.

Anknüpfungspunkt für das Vertretenmüssen können hierbei

  • sowohl die Verursachung des Mangels durch den Händler selbst
  • als auch die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Mangelhaftigkeit

sein.

Schädlich und haftungsbegründend sind jede Fahrlässigkeit und Vorsatz, § 276 BGB.

Ein Vertretenmüssen des Händlers kommt primär bei fahrlässiger Unkenntnis des Mangels in Betracht, die aus der Verletzung von Prüfpflichten resultieren kann.

Insofern besteht eine Pflicht des Händlers dahingehend, Neuwaren stichprobenartig auf ihre Funktionsfähigkeit und Integrität zu überprüfen, ohne jedoch zu einer intensiven Inspektion jedes einzelnen Artikels gehalten sein.

Bei Gebrauchtwaren muss dahingegen eine individuelle Sichtprüfung auf ggf. vorhandene Mängel erfolgen, s. BGH, Urteil vom 19. Juni 2013, Az. VIII ZR 183/12)

Zu beachten ist, dass ein etwaiges Wissen/Wissenmüssen des angestellten Personals dem Händler über § 278 BGB zugerechnet werden kann.

Ein Vertretenmüssen des Händlers wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Will der Händler einen Schadensersatzanspruch bezüglich Mangelfolgeschäden abwehren, muss er sich aktiv exkulpieren und beweisen, den Mangel weder verursacht noch in zurechenbarer Weise Gelegenheit dazu gehabt zu haben, von ihm Kenntnis zu nehmen.

Für Händler empfiehlt es sich daher, die Ergebnisse von stichprobenartigen Überprüfungen stets zu dokumentieren und zu archivieren, um sie im Streitfalle dem Ersatzbegehren des Verbrauchers entgegen halten zu können.

2.) Deliktische Produkthaftung

Anstatt unter dem Aspekt der Mangelhaftigkeit einen etwaigen Mangelfolgeschadensersatz auf die Gewährleistung des Händlers zu stützen, kann der Ersatzanspruch regelmäßig auch über das Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1 BGB verfolgt werden. Dieses gewährt einen Ausgleich für rechtswidrige Eingriffe in fremde Rechtsgüter wie das Eigentum, die körperliche Unversehrtheit oder das Leben.

Immer dann, wenn aufgrund eines Mangels andere im Eigentum des Verbrauchers stehende Gegenstände oder gar seine Gesundheit beeinträchtigt werden, liegt eine nach § 823 Abs. 1 BGB tatbestandliche Rechtsgutsverletzung vor.

Diese kann dem Händler aber wiederum nur dann angelastet werden, wenn er sie auch kausal verursacht hat, wobei der Anknüpfungspunkt wiederum entweder die Herbeiführung des Mangels durch den Händler selbst oder aber die Verletzung der stark begrenzten Prüfpflichten (s.o.) ist.

Anders als beim gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruch kommt der anspruchsstellende Verbraucher allerdings nicht in die Gunst einer Beweislastumkehr für das ebenfalls erforderliche Verschulden. Insofern wird hier dem Händler gerade keine zur Anspruchsabwehr notwendige Exkulpation auferlegt, die ihm den Nachweis abverlangt, für den Mangel nicht verantwortlich zu sein.

Vielmehr muss der Verbraucher aktiv und originär beweisen, dass der Mangelumstand, der zur Beeinträchtigung weiterer seiner Rechtsgüter führte, in der Herrschaftssphäre des Händlers entstanden und diesem auch zurechenbar ist.

Einen solchen Beweis wird der Verbraucher, weil er nicht in die betriebliche Organisation und die Abläufe des Händlerunternehmens eingegliedert ist, meist kaum erfolgreich führen können.

Daher erweist sich ein Vorgehen des Verbrauchers aus Deliktsrecht regelmäßig als ungemein weniger erfolgsversprechend.

Eine besondere Konstellation der deliktischen Haftung für Mangelfolgeschäden stellen die sogenannten "Weiterfresserfälle" dar, bei denen der Mangel innerhalb desselben Produkts auf bisher intakte Teile übergreift und diese beschädigt oder zerstört. Problematisch ist hier die für das Deliktsrecht erforderliche Rechtsgutsverletzung, denn der Geschädigte hat mit dem Produkt nie mangelfreies Eigentum erworben, das sodann hätte verletzt werden können.

Gleichwohl bejaht die Rechtsprechung einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB dann, wenn der Schaden und der mangelbedingte Minderwert des Produkts nicht stoffgleich sind, wenn sich der Mangel sich also buchstäblich auf bisher funktionstüchtige Einzelteile hinaus weitergefressen hat. Eine Stoffgleichheit wird dann verneint und ein deliktischer Anspruch daher bejaht, wenn mangelhafte Teil einer Sache funktionell begrenzt, leicht austauschbar und gegenüber dem Gesamtwert der Sache von geringem Wert ist (stdg. Rspr. seit BGH, 24.11.1976 – Az. VIII ZR 137/75 – Schwimmerschalter)

III. Die Ersatzfähigkeit von Mangelfolgeschäden im B2B-Gewerbe

Bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern können Schäden, die infolge der Lieferung von mangelhaften Kaufgegenständen an anderen Rechtsgütern in der betrieblichen Sphäre eintreten, schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen bedeuteten und im Zweifel sogar den Betrieb als solchen gefährden.

1.) Ansprüche aus Gewährleistungs- und Deliktsrecht

Auch bei kaufvertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmern kommt bei Mangelfolgeschäden sowohl ein gewährleistungsrechtlicher Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB als auch ein deliktsrechtlicher Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.

Bezüglich der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen bestehen nahezu keine Abweichungen gegenüber denjenigen bei Verbrauchergeschäften.

Einzig auf die Mangelvermutung des § 477 BGB binnen einem Jahr nach der Übergabe kann sich ein unternehmerischer Käufer nicht berufen und muss selbst aktiv nachweisen, dass der schadensauslösende Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war.

2.) Der gesetzliche Gewährleistungsausschluss nach § 377 Abs. 2 HGB

Anders als bei B2C-Geschäftsbeziehungen greifen für Kaufverträge zwischen Geschäftsleuten spezialgesetzliche Justierungen aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) ein.

Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 HGB, also jeweils ein zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörendes Geschäft, so ist der Käufer nach § 377 Abs. 1 HGB verpflichtet, die erhaltene Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer auf Mängel hin zu überprüfen und dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen, wenn sich dabei ein Mangel zeigt.

Der Käufer ist demnach zwar nicht dazu verpflichtet, jedes einzelne Produkt auf seine Mangelhaftigkeit zu prüfen, muss aber die Untersuchung aussagekräftiger Stichproben vornehmen.

Wird eine Mangelhaftigkeit festgestellt, ist dies binnen 1-2 Werktagen dem verkaufenden Unternehmer mitzuteilen.

Ein bestimmtes Formerfordernis für die Mängelanzeige kann in AGB wirksam vereinbart werden und ist dann zwingend einzuhalten.

Wird die Mitteilung unterlassen, gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 3 HGB mit der Folge als genehmigt, dass Gewährleistungsansprüche (auch solche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden aus Gewährleistungsrecht) ausgeschlossen sind.

Detaillierte Informationen zur unternehmerischen Mängelrügepflicht, den einzelnen Voraussetzungen und den Rechtsfolgen stellen wir hier dar.

3.) Produkthaftung beim Kauf vom Hersteller

Beziehen Unternehmer die Produkte käuflich direkt vom Hersteller, ist darüber hinaus an Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) zu denken.

Dieses gewährt einem unternehmerischen Käufer in § 1 Abs. 1 allerdings nur Ersatzansprüche für mangelbedingte Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit, nicht jedoch für Sachbeschädigungen in der betrieblichen Sphäre.

Ausweislich § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG sind Mangelfolgeschäden an anderen Sachen nämlich nur dann vom Hersteller zu ersetzen, wenn das von ihm gelieferte Produkt vom Geschädigten hauptsächlich für den privaten und nicht den geschäftlichen Gebrauch verwendet worden ist.

IV. Fazit

Die Geltendmachung von Mangelfolgeschäden stellt Händler nicht selten vor erhebliche wirtschaftliche Probleme. Die Schadenshöhe bei der Verletzung von anderen Rechtsgütern in der Sphäre des Käufers kann nämlich weitaus höher sein als diejenige, die bei der bloßen mangelbedingten Schädigung der Kaufsache selbst anfällt.

Als maßgebliche Anspruchsgrundlagen kommen einerseits der gewährleistungsrechtliche und andererseits der deliktische Schadensersatz in Betracht.

Sofern ein Händler aber (z.B. durch die Vorlage von Prüfberichten oder Ergebnissen von stichprobenartigen Untersuchungen) nachweisen kann, dass er keine Kenntnis vom schadensträchtigen Produktmangel hatte und diesen Mangel bei vertretbarem Prüfaufwand auch nicht hätte erkennen können, kann er sich mit Erfolg gegen käuferische Ersatzbegehren zur Wehr setzen.

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Bildquelle:
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1 Kommentar

J
Jörg E. G. 21.04.2023, 21:28 Uhr
Lemberg, LL.M.
Herzlichen Dank für Ihre vorzüglichen Ausführungen!

Beste Grüße, Jörg Lemberg

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