B2B-Gewährleistung: Die Mängelrügepflicht und ihre Rechtsfolgen (+ Muster)
Im B2B-Handel gilt: Käufer müssen Waren prüfen und Mängel direkt anzeigen, sonst verfallen ihre Gewährleistungsrechte. Wir erläutern diese Pflicht näher stellen Mandanten ein Muster für die Ablehnung von Ansprüchen bei unterlassener Mängelrüge bereit.
Inhaltsverzeichnis
Die Mängelprüfungs- und Rügepflicht
Anders als bei B2C-Geschäftsbeziehungen greifen für Kaufverträge zwischen Geschäftsleuten spezialgesetzliche Justierungen aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) ein.
Insbesondere die Voraussetzungen einer kaufmännische Gewährleistungshaftung ist hier im Vergleich zu den allgemeinen Vorschriften durch § 377 HGB modifiziert.
Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 HGB, also jeweils ein zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörendes Geschäft, so ist der Käufer nach § 377 Abs. 1 HGB verpflichtet, die erhaltene Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer auf Mängel hin zu überprüfen und dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen, wenn sich dabei ein Mangel zeigt.
Dies gilt auch für Kleingewerbetreibende, s. § 2 HGB.
1. Die Untersuchungspflicht
Der gewerbliche Käufer hat die Ware nach der Ablieferung unverzüglich zu untersuchen., § 377 Abs. 1 BGB.
Die Ablieferung meint hierbei den Zeitpunkt, in welchem die Ware so in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, dass er eine tatsächliche Untersuchungsmöglichkeit erlangt (BGH, Urteil vom 30.01.1985 – Az. VIII ZR 238/83). Auch die Übergabe an zur Entgegennahme berechtigtes Personal kommt der Ablieferung gleich.
Zu beachten ist, dass die verpflichtende Untersuchung nur insoweit erfolgen muss, wie dies im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs tunlich ist. Diese Einschränkung soll verhindern, dass die Untersuchungspflicht des gewerblichen Käufers die Grenzen der Zumutbarkeit übersteigt, und wird vor allem bei Anlieferungen von großen Warenmengen relevant.
Dann kann der Käufer nicht dazu verpflichtet werden, jedes einzelne Produkt auf seine Mangelhaftigkeit zu prüfen, sondern darf sich auf die Untersuchung aussagekräftiger Stichproben begrenzen.
Im Einzelfall kann sich die Pflicht zur eingehenden Prüfung aber auch bei Großmengen auf einzelne Produkte konkretisieren, wenn dem Händler hinreichende Anhaltspunkte für die Mangelhaftigkeit von Teilen der Lieferung vorlagen.
Dem Erfordernis der Unverzüglichkeit, das § 377 Abs. 1 HGB für die Untersuchungspflicht aufstellt, genügt der gewerbliche Käufer, wenn er diese ohne schuldhaftes Zögern veranlasst.
Die zumutbare Zeitspanne variiert je nach Menge, Komplexität und Art der Ware. Als Richtwert können 1-2 Tage gelten (so das OLG Koblenz, 24.06.2004 – Az. 2 U 39/04).
Weist der Käufer nicht selbst die erforderliche Sachkunde zur Überprüfung der Ware auf, so kann er im Rahmen seiner Untersuchungspflicht je nach Art der Ware und Branchenüblichkeit auch verpflichtet sein, einen Sachkundigen hinzuziehen.
2. Die Rügepflicht
Hat sich bei der verpflichtenden Untersuchung ein Mangel gezeigt, so ist der gewerbliche Käufer nach § 377 Abs. 1 HGB verpflichtet, diesen Mangel gegenüber dem gewerblichen Verkäufer unverzüglich anzuzeigen.
Je nach Art des Mangels gelten hierbei unterschiedliche Richtlinien für die Unverzüglichkeit:
- Ist der Mangel offenkundig, also auch ohne Untersuchung für den Käufer ersichtlich, muss er diesen sofort und ohne vorherige weitere Überprüfung dem Verkäufer anzeigen
- Ist der Mangel erst durch eine ordnungsgemäße Untersuchung erkennbar, muss dieser unverzüglich im Anschluss an die Untersuchung gegenüber dem Verkäufer angezeigt werden. Maßgeblich für die Bewertung ist der ordnungsgemäße Geschäftsgang, wobei als Höchstwert wiederum Fristen von 1-2 Geschäftstagen zugelassen werden (OLG Brandenburg, Urt. v. 12.12.2012 – Az. 7 U 102/11, das ein Wochenende ausdrücklich von der Beurteilung der Rechtzeitigkeit ausnahm)
- Handelt es sich aber um einen verborgenen Mangel, der auch bei ordnungsgemäßer Untersuchung nicht erkennbar zu Tage getreten ist, so reicht es für die Rechtzeitigkeit aus, wenn der Käufer zwischen der Mangelentdeckung und der Anzeige keine unnötige Zeit verstreichen lässt, § 377 Abs. 3 HGB
Weil der Käufer für die Rechtzeitigkeit von Untersuchung und Mangelrüge stets beweisbelastet ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 04.01.2012 – Az. 5 U 980/11) und eine erfolgreiche Inanspruchnahme des gewerblichen Verkäufers mithin davon abhängt, ob ihm dieser Beweis gelingt, hat sich in der Praxis die sogenannte "Verdachtsrüge" etabliert.
Diese wird für den Fall zugelassen, dass der Käufer einen begründeten Mängelverdacht hegt, durch eine zusätzliche Untersuchung aber riskiert, sich dem Vorwurf der fehlenden Rechtzeitigkeit der Mängelrüge auszusetzen.
Die Verdachtsrüge wird deshalb zugelassen, weil die Rechtsfolge des Ausschlusses der Gewährleistungsrechte allein an die nicht unverzügliche oder gänzlich fehlende Mängelanzeige, nicht aber an die dafür erforderliche Untersuchung geknüpft wird (BGH, Urteil vom 29. September 1955 – Az. II ZR 210/54).
Dropshipping:
Auch in Dropshipping-Konstellationen, in denen ein Händler beim Lieferanten ein Produkt kauft und dieses an einen Dritten versenden lässt, ist § 377 HGB zu beachten – und zwar selbst dann, wenn der Endkunde Nichtkaufmann ist (BGH, Urteil vom 24.01.1990 - VIII ZR 22/89). Die Mängelrügen müssen grundsätzlich entlang der Kaufvertragsverhältnisse erfolgen, so dass der Endkunde den Händler und dieser seinerseits den Lieferanten von Mängeln unterrichten muss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.7.2016 – 12 U 31/16).
3. Die Mängelanzeige, § 377 Abs. 4 HGB
Der gewerbliche Verkäufer setzt seine aus § 377 Abs. 1 HGB resultierende Rügepflicht um, indem er dem Verkäufer den Mangel unverzüglich anzeigt. Es genügt gemäß § 377 Abs.4 HGB die rechtzeitige Absendung der Mängelanzeige, wobei es für die Wirksamkeit nach überwiegender Ansicht gleichwohl auf einen Zugang beim Verkäufer nach § 130 Abs. 1 BGB analog ankommt.
Die Mängelanzeige ist an keine bestimmte Form gebunden, kann also sowohl mündlich per Telefon als auch schriftlich oder in Textform elektronisch per Mail oder Fax ergehen.
Ein bestimmtes Formerfordernis für die Mängelanzeige kann in AGB wirksam vereinbart werden und ist dann zwingend einzuhalten.
Erforderlich ist aber, dass sie den Verkäufer über die Art und den Umfang des Mangels aufklärt, damit dieser die Beanstandung prüfen, dem Mangel gegebenenfalls abhelfen und Beweise sichern kann.
Rechtsfolge: Gewährleistungsausschluss bei verspäteter oder fehlender Mängelanzeige
Hat es der gewerbliche Käufer unterlassen, dem Verkäufer einen später geltend gemachten Mangel, der infolge einer ordnungsgemäßen Untersuchung zu Tage getreten wäre, rechtzeitig anzuzeigen, so gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt.
Mit der Genehmigungsfiktion verliert der gewerbliche Käufer sämtliche gewährleistungsrechtlichen, ihm eigentlich aus §437 BGB zustehenden Ansprüche gegen den Verkäufer. Er kann sich bei verspäteter oder unterlassener Anzeige erkennbarer Mängel dann nicht mehr auf sein Recht auf Nacherfüllung und auch nicht auf Sekundärrechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) berufen.
Zu beachten ist, dass der gesetzliche Haftungsausschluss bei unterbliebener rechtzeitiger Anzeige nur für den nicht gerügten Mangel, nicht aber für das Produkt als solches gilt.
Weist das Produkt mehrere Mängel auf und hat der Käufer einen davon rechtzeitig gerügt, so kann er sämtliche auf diesen Mangel zurückzuführende Schäden ausgleichen lassen, selbst wenn er eine andere Fehlerhaftigkeit desselben Produkts nicht rechtzeitig gerügt hat.
Der Gewährleistungsausschluss gilt ferner nur für solche Mängel, die im Rahmen einer Untersuchung auch tatsächlich erkennbar waren oder gewesen wären, § 377 Abs. 2 HGB. Sogenannte verdeckte Mängel, die bei einer Prüfung des Produkts nicht zu Tage treten (können), sind vom Ausschluss nicht umfasst. An die Stelle tritt dann die Pflicht, den Mangel nach seiner Entdeckung unverzüglich anzuzeigen, § 377 Abs. 3 HGB. Anderenfalls verliert der Käufer auch in Ansehung des ursprünglich verdeckten Mangels seine Gewährleistungsrechte.
Schließlich kommen die Genehmigungsfiktion und mithin der Gewährleistungsausschluss dann nicht zum Tragen, wenn der gewerbliche Verkäufer die Mangelhaftigkeit arglistig verschwiegen hat, also im Wissen um die Verletzung seiner Pflicht zur mangelfreien Leistung geliefert hat, § 377 Abs. 5 HGB.
Auch für den Lieferantenregress bei der Rückabwicklung von Verbrauchergeschäften aufgrund von Sachmängeln ist § 377 HGB zu beachten. Hier kann eine verspätete Mängelanzeige ebenso zum Ausschluss sämtlicher Rechte gegen den Lieferanten führen, § 445a Abs. 4 BGB.
Letztlich ist für die Haftung des gewerblichen Verkäufers von essentieller Bedeutung, dass ein Verstoß des Käufers gegen § 377 HGB nur dessen Gewährleistungsrechte auszuschließen vermag. Ansprüche aus Deliktsrecht, etwa auf Grundlage der deliktischen Produkthaftung, oder nach dem ProdHaftG können weiterhin geltend gemacht werden, selbst wenn sie auf dem Mangel beruhen (BGH, Urteil vom 16.09.1987 - Az. VIII ZR 334/86).
Muster: Gewährleistungsablehnung bei verspäteter oder fehlender Mängelanzeige
Das nachstehende Muster kann gegenüber gewerblichen Käufern (auch Kleingewerbetreibenden) verwendet werden, die nachträglich einen Mangel am Kaufgegenstand geltend machen, diesen aber nicht im Wege einer verpflichtenden Untersuchung unverzüglich angezeigt haben.
Die unterlassene/verspätete Anzeige führt hier zum Verlust der Gewährleistungsrechte.
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