PAngV und Grundpreisangaben: Wesentliche Informationen für den Verbraucher
Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Preisangabenverordnung"
Grundpreisangaben nach der PAngV sind laut Oberlandesgericht Hamm eine „wesentliche Angabe“ für den Verbraucher. Wie das Gericht in einem aktuellen Urteil ausführt, ist eine Abmahnung wegen unterbliebener Grundpreisangaben schon deshalb berechtigt, weil der Händler gesetzlich verpflichtet ist, dem Verbraucher diese Information zur Verfügung zu stellen; insoweit kann nicht von einer Bagatelle ausgegangen werden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2012, Az. I-4 U 70/11).
Dem Urteil lag ein Angebot aus einem Webshop zugrunde, in dem eine Flüssigkeit in der 200-ml-Flasche zu € 8,95 feilgeboten wurde. Eine Grundpreisangabe (€ 4,48 je 100 ml) erfolgte nicht. Dieselbe Flüssigkeit konnte im Webshop auch in einer 100-ml-Flasche gekauft werden, dann jedoch zu € 6,45.
Es lässt sich nun trefflich darüber streiten, ob in der fehlenden Grundpreisangab für 200 ml ein ernstzunehmender Wettbewerbsverstoß zu erkennen ist oder lediglich eine Bagatelle – schließlich sollte jeder, der einen PC bedienen kann, auch in der Lage sein, die Zahl „8,95“ zu halbieren. Damit wäre in Sekundenschnelle den Grundpreis für 100 ml errechnet.
Leider ist das OLG Hamm da anderer Ansicht – schließlich, so die Richter, stellt die Preisangaben-Verordnung (PAngV) eine wichtige Marktverhaltensregel dar (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2012, Az. I-4 U 70/11; mit weiteren Nachweisen):
„Die Bestimmung des § 2 PAngV stellt unzweifelhaft eine Marktverhaltensregelung dar. Sie ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Sie soll insbesondere durch die geforderte Grundpreisangabe Preisvergleichsmöglichkeiten für die Verbraucher erleichtern. Die Vorschrift ist zudem eine Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG, so dass sich auch aus europarechtlicher Sicht keine Bedenken im Hinblick auf eine Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG ergeben.“
Und mit dieser Regelung ist auch davon auszugehen, dass eine unterlassene Grundpreisangabe keine Bagatelle (mehr) darstellt:
„Ein solcher Wettbewerbsverstoß beeinträchtigt die Interessen der Verbraucher zwangsläufig auch spürbar. Der Senat hat das zwar in früheren Fällen […] verneint, weil die Preisklarheit nur in unerheblichem Umfang berührt ist, wenn sich der Grundpreis durch eine einfache Rechenoperation […] ermitteln ließe. Die Annahme einer Bagatelle in solchen Fällen ist aber wegen der entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht (mehr) möglich. Bei der Pflicht zur Angabe des Grundpreises geht es nämlich um eine Information, die dem Verbraucher aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Verordnung nicht vorenthalten werden darf. Art. 3 Abs. 4 der den Verbraucherschutz bei Preisangaben regelnden Richtlinie 98/6/EG schreibt vor, dass bei dem Angebot solcher Ware neben dem Endpreis auch der Grundpreis pro Maßeinheit angegeben werden muss. Fehlt die Angabe des Grundpreises völlig, ist eine solche Rechtsverletzung immer wesentlich […]. Es kommt hinzu, dass die Verletzung der Informationspflicht zugleich eine Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs.2, 4 UWG darstellt. Es geht nämlich bei der Grundpreisangabe auch um eine Information im Sinne des § 5a Abs. 4 UWG. Wird im Zusammenhang damit eine Aufklärungspflicht verletzt, so folgt aus dem Zusammenspiel von § 5a mit seinen Absätzen 2, 3 und 4 UWG, dass dem Verbraucher eine Information vorenthalten wurde, die als wesentlich gilt. Das führt nicht nur zur Annahme einer Fehlvorstellung des dadurch unzureichend informierten Verbrauchers. Neben dem Rechtsbruch ergibt sich daraus eine relevante Irreführung […]. Es steht aufgrund der gesetzlichen Vermutung dann aber auch fest, dass diese Rechtsverletzung wesentlich ist. Eine Information, deren Fehlen per se zu einer Irreführung der Verbraucher führt, muss zugleich die Interessen der Marktteilnehmer und insbesondere der Verbraucher auch spürbar beeinträchtigen. Für die Annahme einer Bagatelle und eine Verneinung eines spürbaren Wettbewerbsverstoßes im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG bleibt somit kein Raum mehr.“
Noch einmal kurz zusammengefasst: Die Grundpreisangabe wird auf EU-Ebene als „wesentliche Information“ für den Verbraucher vorgeschrieben. Dies wird in der PAngV umgesetzt. Daraus folgt jedoch auch, dass die Grundpreisangabe nicht unterlassen werden darf – falls doch, stellt dies eine Irreführung des Verbrauchers durch Vorenthaltung wesentlicher Informationen im Sinne des UWG dar.
Das wirkt jetzt natürlich ziemlich albern, schließlich sollte jeder halbwegs zurechnungsfähige Verbraucher im geschilderten Fall in der Lage sein, den Grundpreis selbst auszurechnen – notfalls mit dem Taschenrechner, der zweifelsohne in seinem Internet-Endgerät vorhanden sein wird. Doch leider hat der EU-Normgeber es offensichtlich vorgezogen, vom Bild eines zurechnungsfähigen Verbrauchers abzurücken und den Händlern ein Maximum an Aufklärungspflichten aufzuerlegen. Insofern kann dem OLG Hamm für diese Entscheidung nicht einmal ein Vorwurf gemacht werden. Es sei daher e-Tradern erneut und dringend angeraten, sich mit der Preisangaben-Verordnung auseinanderzusetzen und in Webshops alle Preise korrekt darzustellen. Nähere Informationen dazu finden sich auf unserer großen Info-Seite zur PAngV.
Etwas amüsanter wirkt das Urteil übrigens, wenn man weiß dass es sich bei dieser Flüssigkeit um Gleitgel gehandelt hat. Und wann liest man in einer Urteilsbegründung schon Sätze wie: „Neben den zwei austauschbaren flüssigen Waren haben beide Parteien auch Handschellen angeboten, und zwar die Klägerin über ihren Shop und der Beklagte über eBay.“
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