GPSR: Gelten die neuen Vorgaben auch für digitale Inhalte?

GPSR: Gelten die neuen Vorgaben auch für digitale Inhalte?
19.11.2024 | Lesezeit: 6 min

Ab dem 13.12.2024 müssen Onlinehändler die neuen Vorgaben der ab dann geltenden Produktsicherheitsverordnung (GPSR) beachten. Doch was ist mit digitalen Inhalten, sind diese überhaupt von der GPSR erfasst?

Worum geht es heute?

Die neuen Vorgaben der GPSR verunsichern und beschäftigen derzeit fast alle Online-Händler. Die GPSR führt dazu, dass für nahezu jedes Produkt bereits online neue Informationspflichten zu erfüllen sind, etwa die Angabe des Herstellers mit Anschrift und elektronischer Adresse oder die Angabe der in der EU für das Produkt verantwortlichen Person mit Anschrift und elektronischer Adresse, wenn der Hersteller nicht in der EU sitzt.

Betroffen sind bis auf wenige Ausnahmen (wie etwa Lebensmittel, Arzneimittel, Futtermittel, Antiquitäten) nahezu alle Produkte, die (auch) von Verbrauchern verwendet werden können.

Detaillierte Informationen zu den Händlerpflichten nach der kommenden GPSR finden Sie in diesem Beitrag

Wer physische Produkte verkauft, wird also im Normalfall um die neuen Informationspflichten nach der GPSR nicht umhin kommen.

Doch wie sieht es aus, wenn der Händler digitale Inhalte verkauft?

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Sind digitale Inhalte von der GPSR erfasst?

Zunächst muss geklärt werden, was überhaupt „digitale Inhalte“ sind. Danach gilt es zu prüfen, ob solche digitalen Inhalte vom sachlichen Anwendungsbereich der GPSR erfasst werden. Nur dann würden die neuen Online-Informationspflichten Art. 19 GPSR auch für digitale Inhalte gelten.

Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Wichtig ist, dass keine Verkörperung erfolgt.

Typische Beispiele für solche digitalen Inhalte sind Audiodateien, Grafikdateien, Bilddateien, Videodateien (z.B. in den Formaten MP3, JPEG oder MP4), Ebooks, Anleitungen oder Muster in elektronischer Form, etwa als PDF.

Nicht als digitaler Inhalt in diesem Sinn gelten diese Daten, wenn Sie verkörpert angeboten werden, als etwa die Audiodateien auf einer Audio-CD.

Ebenfalls nicht als digitaler Inhalt in diesem Sinn gelten digitale Elemente, die zum Betrieb eines physischen Produktes notwendig sind und mit einem solchen Produkt zur Verfügung gestellt werden.

Wird etwa ein Navigationsgerät angeboten, auf welchen Kartenmaterial in digitaler Form vorhanden ist, handelt es sich nicht etwa um einen digitalen Inhalt, sondern um ein physisches Produkt mit digitalen Elementen.

In diesem Beitrag soll es nur um die „rein“ digitalen Inhalten wie etwa Audio-, Grafik, Bild- und Videodateien oder Ebooks gehen.

Über die Jahre haben sich ganz neue Märkte für solche digitale Märkte etabliert, so dass zehntausende von Händlern mit dem Verkauf (auch) von digitalen Inhalten gute Geschäfte machen dürften.

Was gilt?

Was gilt nun in Sachen digitale Inhalte und GPSR? Müssen Online-Händler beim Verkauf digitaler Inhalte also die neuen Vorgaben der GPSR beachten?

Dies wäre der Fall, wenn digitale Inhalte in den sachlichen Anwendungsbereich der GPSR fallen.

Art. 2 Abs. 1 S. 1 GPSR regelt zunächst, dass die Verordnung für in Verkehr gebrachte oder auf dem Markt bereitgestellte Produkte insoweit gilt, als es im Rahmen des Unionsrechts keine spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird. Art. 2 Abs 1. S.2 und Abs. 2 definieren sodann Produktarten, die teilweise bzw. ganz vom Anwendungsbereich der GPSR ausgenommen sind, wie etwa Lebensmittel.

Digitale Inhalte finden sich nicht unter den Bereichsausnahmen.

Allerdings regelt Art. 2 Abs. 1 S. 1 GPSR die Anwendung der GPSR (nur) für „Produkte“. Demnach gilt es zu bestimmen, ob digitale Inhalte Produkte im Sinne der GPSR sein können.

Dem allgemeinen Wortlaut nach ließen sich bei einem weitem Begriffsverständnis auch digitale Inhalte noch unter den Begriff „Produkt“ fassen.

Die GPSR sieht in ihrem Art. 3 Nr. 1 eine Legaldefinition für das „Produkt“ vor:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

„Produkt“ jeden Gegenstand, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Gegenständen entgeltlich oder unentgeltlich — auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung — geliefert oder bereitgestellt wird und für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt wird, selbst wenn er nicht für diese bestimmt ist.“

Der Produktbegriff der GPSR stellt auf die Gegenständlichkeit des Produkts ab und setzt damit eine gewisse Körperlichkeit des Produkts voraus. Diese ist bei rein digitalen Inhalten aber gerade nicht gegeben, da diese unkörperlich sind.

Auch aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung lässt sich eine Gesetzesauslegung dahingehend rechtfertigten, dass sich der EU-Gesetzgeber ganz bewusst dafür entschieden hat, rein digitalen Inhalten eine Produktqualität im Sinne des Art. 3 Nr. 1 GPSR abzusprechen.

Denn diese sind Gegenstand einer anderweitig regelnde, eigenständigen Harmonisierungsrechtsvorschrift (Cyber Resilience Act). Zudem stieß ein zwischenzeitlicher Kompromissvorschlag der Ratspräsidentschaft, der eine Einbeziehung digitaler Inhalte in den Anwendungsbereich der GPSR vorgesehen hatte, auf Ablehnung.

Gegenüber rein digitalen Inhalten (wie etwa Ebooks) unterfallen digitale Elemente, die zum Betrieb eines körperlichen Produkts benötigt werden und auf diesem vorhanden sind, wie etwa Embedded Software/ Firmware regelmäßig dem Produktbegriff des Art. 3 Nr. 1 GPSR und damit dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung.

Selbiges gilt natürlich auch für Daten, die auf einem Datenträger verkörpert geliefert werden, wie die eingangs erwähnte Audio-CD.

Fazit:

Damit lässt sich festhalten, dass rein digitale Inhalte in aller Regel nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der GPSR unterfallen dürften.

Egal ob man diese als „digitale Inhalte“ oder „digitale Produkte“ bezeichnen will: Die von Art. 3 Nr. 1 GPSR aufgestellte Produktqualität erreichen diese mit guten Argumenten nicht.

Wie so oft in Sachen GPSR: Es handelt sich um eine „brandneue“ Regelung, die frühestens ab Mitte Dezember 2024 Gerichte und vollziehende Behörden beschäftigen dürfte.

Bis dahin haben wir es mit Europarecht in der Theorie zu tun, das auch dieses Mal leider nicht besonders gelungen zu sein scheint und daher in der Praxis bei dessen Vollzug noch viele Fragen aufwerfen dürfte.
Von daher: Es kann sich in Sachen Auslegung der GPSR noch Vieles ändern.

Zunächst einmal ist das jedoch eine gute Nachricht für Anbieter von digitalen Inhalten. Der „Informationswahnsinn“ des Art. 19 GPSR dürfte diesen erspart bleiben.

Sie fühlen sich unsicher in Sachen GPSR / Produktsicherheitsverordnung und wünschen sich eine anwaltliche Beratung und Prüfung in Bezug auf die neuen Online-Kennzeichnungspflichten nach der GPSR?

Sofern Sie unser Unlimited-Paket beauftragen, können wir Sie in Bezug auf die produktsicherheitsrechtlichen Pflichtinformationen im Fernabsatz nach Art. 19 GPSR wie folgt beraten:

Gerne begutachten wir bei bis zu drei von Ihnen vorbereiteten Angeboten auf Ihren Zuruf hin die Umsetzung der Onlineinformationspflichten nach der GPSR durch Prüfung des Vorhandenseins von

- der Angabe des Herstellers des Produktes in den Produktangeboten mit Namen, eingetragenem Handelsnamen oder eingetragener Handelsmarke sowie der Postanschrift und einer elektronischen Adresse

- der Angabe der verantwortlichen Person in den Produktangeboten, wenn der angegebene Hersteller gemäß der Angabe nicht in der Europäischen Union niedergelassen ist, mit Namen, Postanschrift und einer elektronischen Adresse

- der Darstellung mindestens einer Abbildung des Produktes zu dessen Identifizierung in den Produktangeboten,

- Angaben zur Art des Produktes in den Produktangeboten,

- Angaben sonstiger Produktidentifikatoren, soweit erforderlich, in den Produktangeboten

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Bildquelle:
UnderhilStudio/Shutterstock.com

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