Streiten jetzt attraktiver? Gesetzentwurf soll Verbraucherstreitbeilegung fördern

Streiten jetzt attraktiver? Gesetzentwurf soll Verbraucherstreitbeilegung fördern
30.10.2024 | Lesezeit: 6 min

Gestritten wird zwischen Unternehmer und Verbraucher seit jeher. Ein Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz plant nun die Verbraucherstreitbeilegung zu entbürokratisieren und attraktiver zu gestalten. Was konkret vorgesehen ist und inwieweit Online-Händler hiervon betroffen sind, lesen Sie im folgenden Beitrag.

I. Was ist der Anlass des Gesetzesentwurfs?

Die Verbraucherstreitbeilegung ist eine der elementar wichtigsten Formen der einvernehmlichen Konfliktlösung in Deutschland. Sie gewährt aufgeschlossenen Parteien die Chance, Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern einfach, schnell und kostengünstig zu klären. Gerade solche außergerichtlichen Schlichtungsstellen können eine attraktive und leicht zugängliche Alternative zur staatlichen Rechtsdurchsetzung sein.

Daher beabsichtigt der Gesetzesentwurf des BMJ in erster Linie, die Teilnahmebereitschaft von Unternehmern an Schlichtungsverfahren zu stärken* und so die Verbraucherstreitbeilegung als Alternative zur gerichtlichen Verfolgung weiter zu unterstützen, was wiederum auch Verbrauchern zu Gute kommen wird.

Darüber hinaus soll der Zugang zur Verbraucherstreitbeilegung vereinfacht und das Verfahren insgesamt durch Entbürokratisierung zugunsten von Unternehmern und Verbraucherschlichtungsstellen optimiert werden.

Der aktuelle Regierungsentwurf kann bei Interesse hier eingesehen werden.

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II. Was ist im Einzelnen geplant?

Diese Zielverfolgung verspricht eine begrüßenswerte Neuerung. Doch was sieht der Gesetzesentwurf konkret im Einzelnen vor?

  • Keine Kostentragung bei vollständigem Obsiegen in Verfahren vor der USS: Gewinnt der Unternehmer in einem Verfahren der Universalschlichtungsstelle des Bundes (USS) umfänglich, soll ihn keine Kostenlast mehr treffen. Für den Verbraucher sind Schlichtungsverfahren weiterhin grundsätzlich kostenfrei.
  • Keine gesetzliche Teilnahmefiktion mehr in Verfahren vor der USS: Bisher setzte für den Unternehmer eine kostenauslösende Teilnahmefiktion ein, sollte er auf einen von der USS übermittelten Schlichtungsantrag schweigen. Zur Stärkung der Teilnahmebereitschaft von Unternehmern soll diese zukünftig abgeschafft werden. Zugleich würde der im Vergleich zur bisher geringen Annahmequote der Schlichtungsvorschläge hohe Bürokratieaufwand für die betroffenen Verfahren reduziert werden.
  • Reduzierung und Konkretisierung der Informationspflichten gegenüber Verbrauchern: Als weitere Erleichterung sollen die Informationspflichten gegenüber Verbrauchern vereinfacht werden. Zunächst erübrigt sich die allgemeine Pflicht eines Unternehmers, auf seiner Webseite und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu informieren, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Die Informationspflicht über die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle trifft nur den Unternehmer, der sich zur Teilnahme an der Verbraucherschlichtung verpflichtet hat bzw. gesetzlich dazu verpflichtet ist. Zudem ist die Angabepflicht einer zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle bei aus einem Verbrauchervertrag entstandenen Streitigkeiten für nicht teilnahmebereite Unternehmer hinfällig.
  • Erweiterung der Lotsenfunktion der USS: Ein weiteres Ziel bildet der vereinfachte Zugang zur Schlichtung für Verbraucher wie Unternehmer. Hierzu soll die Lotsenfunktion der USS erweitert werden: Gesetzlich abgesichert unterstützt die USS als unparteiische Stelle beide Parteien hinsichtlich allgemeiner Auskünfte zur Schlichtung bzw. zu den jeweils zuständigen Schlichtungsstellen.
  • Entlastung der Schlichtungsstellen: Schließlich sollen auch die Verbraucherschlichtungsstellen entlastet werden. Sie müssen eine Bescheinigung über einen erfolgslosen Einigungsversuch (§ 15a Abs. 3 Satz 3 ZPOEG) nur noch auf Antrag anfertigen. Zudem wird eine klare Frist für die Aufbewahrung der Verfahrensakten der Schlichtungsverfahren festgelegt.

Kurzum erwarten uns: Weniger und klarere Informationspflichten, leichterer Zugang zum Verfahren sowie geringere Kosten und Bürokratieaufwand.

III. Inwiefern sind Online-Händler vom Gesetzesentwurf betroffen?

Was bedeuten nun die geplanten Änderungen durch den Gesetzesentwurf für Online-Händler?

2016 rief die EU-Kommission eine Online-Plattform (https://ec.europa.eu/odr) ins Leben, auf der Unternehmer und Verbraucher wechselseitige Streitigkeiten angeben und im Zuge eines Online-Schlichtungsverfahrens beilegen können.

Online-Händler wurden dazu verpflichtet, mithilfe eines anklickbaren Links an einer leicht zugänglichen Stelle auf die OS-Plattform zur Online-Streitbeilegung hinzuweisen.

Verletzt der Unternehmer diese Informationspflicht, besteht Abmahngefahr.

Sie möchten sichergehen, auf die Online-Streitbeilegungsplattform ordnungsgemäß verlinkt zu haben? In unserem Beitrag Dauerbrenner OS-Verlinkung: Handlungsanleitung zur Umsetzung der Informationspflicht zur Online-Streitbeilegung haben wir alles Wissenswerte zusammengetragen!

Seit 2017 trifft Unternehmer darüber hinaus die Pflicht darüber zu informieren, ob sie zur Teilnahme an einem solchen Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet bzw. zumindest bereit sind.

Aber: Der Online-Händler ist typischerweise zu einer Teilnahme weder gesetzlich verpflichtet noch (freiwillig) bereit. Folglich informiert die Mehrheit des Online-Handels ihre Kunden dahingehend, dass sie an einem Verbraucherstreitbeilegungsverfahren weder teilnehmen wollen noch müssen.

Daher soll der Gesetzesentwurf des BMJ in dieser Hinsicht folgende Veränderungen für Online-Händler bewirken:

Die Pflicht, auf die OS-Plattform) der EU-Kommission hinzuweisen und diese zu verlinken, bestünde nach dem neuen Gesetz zwar nach wie vor. Denn diese Pflicht gilt unabhängig von einer erklärten Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren.

Geplant ist: eine Reduzierung der Informationspflichten

Die Informationspflichten für Unternehmen sollen vereinfacht werden:

  • Zum einen wird die bisherige Pflicht aufgehoben, auf der Webseite und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzugeben, dass keine Bereitschaft und keine Verpflichtung zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren besteht. Gemäß europarechtlichen Vorgaben muss nämlich nur für den Fall informiert werden, wenn der Online-Händler verpflichtet ist oder sich verpflichtet hat, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Eine Mitteilung zur Bereitschaft oder fehlenden Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle ist nicht gesetzlich gefordert. Hinzu kommt, dass die Informationspflicht zur Benennung der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle künftig nur für Unternehmen gelten soll, die sich zur Teilnahme an der Verbraucherschlichtung verpflichtet haben oder gesetzlich dazu verpflichtet sind.
  • Zum anderen entfällt für Unternehmen, die nicht an Streitbeilegungsverfahren teilnehmen wollen, die Pflicht, nach dem Entstehen einer Streitigkeit die zuständige Schlichtungsstelle gegenüber dem Verbraucher anzugeben.

Durch diese reduzierten und konkretisierten Hinweispflichten wird das diesbezügliche Abmahnrisiko für Online-Händler erheblich gesenkt!

Darüber hinaus würde Online-Händlern im Falle eines Streitbeilegungsverfahrens der Rücken dahingehend gestärkt, dass sie bei umfänglich erfolgreichem Prozessausgang im Verfahren der USS keine Kostenlast bzw. bei Schweigen auf einen Schlichtungsantrag der USS keine kostenlösende Teilnahmefiktion mehr trifft. Außerdem können sie bei der USS als neutraler Stelle allgemeine Auskünfte zur Schlichtung einholen.

Benötigt der Online-Händler eine Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch nach § 15a Abs. 3 Satz 3 ZPOEG, muss er zukünftig bei der Verbraucherschlichtungsstelle einen entsprechenden Antrag stellen.

IV. Fazit

Die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Online-Händlern und Verbrauchern könnte sich zukünftig einfacher gestalten. Ein Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz strebt die Entbürokratisierung und Unterstützung der Verbraucherstreitbeilegung an.

Zur Stärkung der Teilnahmebereitschaft von Unternehmern an Schlichtungsverfahren sind u.a. ein Kostenwegfall bei vollständigem Obsiegen, die Aufhebung der gesetzlichen Teilnahmefiktion und vor allem die Reduzierung bzw. Konkretisierung der Informationspflichten gegenüber Verbrauchern geplant.

Zwar müssten Online-Händler zukünftig nach wie vor mittels eines anklickbaren Links an einer leicht zugänglichen Stelle auf die OS-Plattform zur Online-Streitbeilegung hinweisen. Allerdings wäre es nicht mehr erforderlich anzugeben, dass keine Bereitschaft und keine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren besteht, die diesbezügliche Informationspflicht soll entfallen.
Wir werden unsere Leser hier auf dem Laufenden halten und weiter über das Gesetzgebungsvorhaben berichten.

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Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle:
Andrii Yalanskyi

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1 Kommentar

C
CF 04.11.2024, 08:03 Uhr
Auch nicht hilfreicher
Hallo,
wo ist dann die Entlastung? Wenn ich zwar den Link zur OS-Plattform der EU angeben muss? Nur weil dann der Hinweis-Satz darunter entfällt, dass man nicht bereit ist teilzunehmen? Dann würden sich die Kunden schlimmstenfalls an die Plattform wenden und wir nicht reagieren - was bei der Plattformstelle dann nur sinnlosen Verwaltungsaufwand erzeugt, den wir mit Steuergeldern bezahlen? Dann kann man doch besser den Text stehen lassen, dass man nicht bereit ist. So wissen zumindest alle woran sie sind...
Oder wo genau entstehen hier die großen Einsparungen?

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