Französische alternative Streitbeilegung – Geltung für den Online-Händler mit Sitz in Deutschland bei Vertrieb von Waren nach Frankreich

Französische alternative Streitbeilegung – Geltung für den Online-Händler mit Sitz in Deutschland bei Vertrieb von Waren nach Frankreich
23.01.2017 | Lesezeit: 9 min

Die neuen europäischen Regeln zur alternativen Streitbeilegung bürden dem Online-Händler neue Pflichten auf. Die entsprechende Richtlinie ist mittlerweile durch die EU-Mitgliedstaaten umgesetzt worden. Die Regeln der französischen Streitbeilegung weichen allerdings in einem wichtigen Punkt von den entsprechenden deutschen Bestimmungen ab. Nach deutschem Recht ist die Teilnahme an Streitverfahren grundsätzlich freiwillig. Der Online-Händler muss den Verbraucher nur dann auf alternative Streitbeilegungsverfahren hinweisen, wenn er zur Teilnahme an solchen Verfahren verpflichtet ist oder hierzu bereit ist. Die französischen Bestimmungen verpflichten den Online-Händler in jedem Fall zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren.

(Vorbemerkung: Im Folgenden ist nur von B2C-Vertragsverhältnissen die Rede. Der Begriff „Kunde“ bezieht sich daher immer auf einen Verbraucher.)

1. Gilt französisches Streitbeilegungsrecht für den Online-Händler mit Sitz in Deutschland, der nur unter anderem Waren nach Frankreich liefert?

Nein.

Für diesen Online-Händler gilt nur deutsches Recht. Er muss sich daher nur an die deutschen Bestimmungen zu Streitbeilegungsverfahren halten (zum deutschen Streitbeilegungsrecht s. Beitrag der IT-Recht Kanzlei)

2. Gilt französisches Streitbeilegungsrecht für den Online-Händler mit Niederlassung in Frankreich?

Ja

Der Online-Händler mit Sitz in Deutschland, der Waren oder Dienstleistungen in Frankreich über eine dortige Niederlassung vertreibt, ist den französischen Bestimmungen zum Streitbeilegungsverfahren wie jeder in Frankreich ansässige Online-Händler unterworfen. Für ihn gilt also französisches Streitbeilegungsrecht.

Was bedeutet das für ihn?

1

Verpflichtung des Online-Händlers, seinem Kunden bei Streitigkeiten die kostenlose Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren zu ermöglichen

Er ist zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren verpflichtet.

Diese Verpflichtung ergibt sich aus Artikel L612-1 des französischen Verbrauchergesetzes (Code de la Consommation).

Article L612-1 Code de la consommation
Tout consommateur a le droit de recourir gratuitement à un médiateur de la consommation en vue de la résolution amiable du litige qui l'oppose à un professionnel. A cet effet, le professionnel garantit au consommateur le recours effectif à un dispositif de médiation de la consommation.

Exkurs: Art. 13 der hier zuständige EU-Richtlinie 2013/11/EU zur alternativen Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten sieht zwar lediglich die freiwillige Information der Verbraucher durch Online-Händler zum Streitbeilegungsverfahren vor, es sei denn der Online-Händler hat sich zu einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet. Art. 1 der Richtlinie stellt aber klar, dass in nationalen Rechtsvorschriften auch die verbindliche Teilnahme an solchen Verfahren festgeschrieben werden kann. Der französische Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Voraussetzung für die Anrufung einer Streitschlichtungsstelle

Der Kunde muss vor Anrufung der Streitschlichtungsstelle versucht haben, die Streitigkeit mit dem Verkäufer durch eine schriftliche Beschwerde gerichtet an den Verkäufer zu lösen. Falls eine Einigung mit dem Verkäufer nicht möglich ist, muss der Verbraucher die Streitschlichtungsstelle innerhalb eines Jahres nach Einlegung der schriftlichen Beschwerde beim Verkäufer anrufen.

Article L612-2 Code de la Consommation

Un litige ne peut être examiné par le médiateur de la consommation lorsque
1° Le consommateur ne justifie pas avoir tenté, au préalable, de résoudre son litige directement auprès du professionnel par une réclamation écrite selon les modalités prévues, le cas échéant, dans le contrat ;
2° La demande est manifestement infondée ou abusive ;
3° Le litige a été précédemment examiné ou est en cours d'examen par un autre médiateur ou par un tribunal ;
4° Le consommateur a introduit sa demande auprès du médiateur dans un délai supérieur à un an à compter de sa réclamation écrite auprès du professionnel ;
5° Le litige n'entre pas dans son champ de compétence.

Le consommateur est informé par le médiateur, dans un délai de trois semaines à compter de la réception de son dossier, du rejet de sa demande de médiation

Zuständige Streitschlichtungsstelle für den Online-Händler nach französischem Recht

Der Online-Händler muss eine Streitschlichtungsstelle benennen. Er hat dabei in der Praxis folgende Wahlmöglichkeiten:

- Er kann einen durch die Commission d’évaluation de de contrôle de la médiation de la consommation (CECM) zugelassene Streitschlichtungsstelle benennen. Voraussetzung ist allerdings, dass er mit dieser Streitschlichtungsstelle eine entsprechende Vereinbarung geschlossen hat. Die Liste der durch die CECM zugelassenen Streitschlichtungsstellen ist noch im Aufbau.

- Er kann als Streitschlichtungsstelle den französischen Dachverband für Online-Händler (Féderation e-commerce et vente à distance) benennen. Voraussetzung ist allerdings, dass er diesem Dachverband beigetreten ist.

Informationspflichten des Online-Händlers zum Streitbeilegungsverfahren

a) Der Online-Händler muss seinem Kunden die Adresse der zuständigen Streitschlichtungsstelle mitteilen. Er muss dieser Mitteilungspflicht sowohl auf seiner Webseite, auf Bestellscheinen wie in seinen AGB nachkommen. Es muss auch über die Webseite der Streitschlichtungsstelle informieren.

Article L616-1 Code de la consommation

Tout professionnel communique au consommateur, selon des modalités fixées par décret en Conseil d'Etat, les coordonnées du ou des médiateurs compétents dont il relève.

Le professionnel est également tenu de fournir cette même information au consommateur, dès lors qu'un litige n'a pas pu être réglé dans le cadre d'une réclamation préalable directement introduite auprès de ses services.

Article R616-1 Code de la consommation

En application de l'article L. 616-1, le professionnel communique au consommateur les coordonnées du ou des médiateurs de la consommation dont il relève, en inscrivant ces informations de manière visible et lisible sur son site internet, sur ses conditions générales de vente ou de service, sur ses bons de commande ou, en l'absence de tels supports, par tout autre moyen approprié. Il y mentionne également l'adresse du site internet du ou de ces médiateurs.

b) Im Übrigen muss (wie nach deutschem Recht auch) der Online-Händler den Kunden darüber unterrichten, dass die EU-Kommission im Internet unter dem Link https://ec.europa.eu/consumers/odr eine Plattform zur Online-Streitbeilegung bereitstellt.

Article L616-2 Code de la consommation

Le cas échéant, il informe en outre le consommateur des dispositions prises pour mettre en œuvre l'article 14 du règlement (UE) n° 524/2013 du Parlement européen et du Conseil du 21 mai 2013 relatif au règlement en ligne des litiges de consommation et modifiant le règlement (CEE) n° 2006/2004 et la directive n° 2009/22/CE (règlement relatif au RLLC).

Empfehlung der IT-Recht Kanzlei

Angesichts der noch im Aufbau befindlichen Liste der zugelassenen Streitschlichtungsstellen scheint es zurzeit in der Praxis am einfachsten zu sein, als Online-Händler in Frankreich dem französischen Dachverband für Online-Händler beizutreten und diesen Dachverband als Streitschlichtungsstelle zu benennen.

3. Gilt französisches Streitbeilegungsrecht für den Online-Händler mit Sitz in Deutschland, der seine Webseite auf den Vertrieb in Frankreich ausrichtet?

Ja, aber es gelten zum Teil Sondervorschriften.

Französische Bestimmungen zum Streitbeilegungsverfahren (als Teil des Verbraucherschutzrechts) gelten für den Online-Händler mit Sitz in Deutschland nur, wenn er bei Direktvertrieb von Waren und Dienstleistungen in Frankreich dem französischen Verbraucherrecht unterworfen ist.

Die IT-Recht Kanzlei hat zur Frage der Geltung französischen Rechts für den Online-Händler mit Sitz in Deutschland in einem umfangreichen Beitrag Stellung genommen. Demnach gilt im Ergebnis dann französisches Recht (auch bei entgegenstehender Rechtswahlklausel in den AGB), wenn die Webseite des Online-Händlers in Deutschland auf Frankreich ausgerichtet ist. Ein wichtiges Indiz hierfür ist eine Webseite, die sich in französischer Sprache an Kunden in Frankreich richtet.

Für einen solchen Händler gilt folgendes:

Verpflichtende Teilnahme des Online-Händlers an einem Streitbeilegungsverfahren

Hier gelten die o.g. Aussagen. Der Online-Händler muss dem französischen Kunden die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren ermöglichen. Die Anrufung einer Streitschlichtungsstelle ist allerdings wie ausgeführt erst nach gescheiterter Einigung mit dem Online-Händler mit Sitz in Deutschland möglich.

Zuständige Streitschlichtungsstelle

Bei grenzüberschreitenden Vertrieb in Frankreich von Waren und Dienstleistungen eines Online-Händlers mit Sitz in Deutschland gelten Sondervorschriften für die zuständige Streitschlichtungsstelle.

Laut französischem Verbraucherschutzgesetz wird in diesem Fall die Frage der zuständigen Streitschlichtungsstelle durch die „Commission d’évaluation et de contrôle de la médiation de la consommation (CECM)“ geregelt. Die Webseite dieser Kommission verweist wiederrum auf die Adresse des europäischen Verbraucherzentrums Frankreich (Centre européen des consommateurs France), die alle Hinweise für die grenzüberschreitende Verbraucherstreitbeilegung bereithält.

Article L616-3 Code de la Consommation
En cas de litige transfrontalier, tout consommateur bénéficie, selon des modalités fixées par décret en Conseil d'Etat, de l'assistance et des informations nécessaires pour être orienté vers l'entité de règlement extrajudiciaire des litiges de consommation compétente dans un autre Etat membre

Article R616-2 Code de la Consommation
Le site internet de la commission d'évaluation et de contrôle de la médiation de la consommation comporte toutes informations utiles pour le consommateur en cas de litige de consommation transfrontalier. Il fournit notamment les coordonnées du Centre européen des consommateurs France et des indications relatives aux modalités de l'assistance dont les consommateurs peuvent bénéficier en vue du règlement extrajudiciaire de tels litiges.

Informationspflichten hinsichtlich zuständiger Streitschlichtungsstelle

Der Online-Händler mit Sitz in Deutschland erfüllt nach Meinung der IT-Recht Kanzlei seine Informationspflichten zum Streitbeilegungsverfahren gegenüber einem französischen Kunden gemäß der Sondervorschrift des Artikel R616-3 Code de la consommation dann, wenn er auf die Webseite der CECM verweist, die alle weiteren Hinweise zur grenzüberschreitenden Verbraucherstreitbeilegung und die für den französischen Kunden zuständige Streitschlichtungsstelle bereithält.

Wenn der französische Kunde die von der CECM und dem Centre européen des consommateurs France genannte zuständige Streitschlichtungsstelle für grenzüberschreitende Streitigkeiten anruft, dann muss sich der Online-Händler mit Sitz in Deutschland an einem solchen Streitschlichtungsverfahren beteiligen. Dies gilt auch dann, wenn er nach deutschem Recht nicht verpflichtet wäre, an einem solchen Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen.

Exkurs: Der Verweis auf eine französische Streitschlichtungsstelle wäre hier nicht möglich, da dies voraussetzt, dass der Online-Händler in Frankreich niedergelassen ist. Darum wurde die Sondervorschrift des Artikel R616-3 in das französische Verbraucherschutzgesetz eingeführt. In der Realität ist es allerdings für einen französischen Verbraucher schwierig, auf Grund der oben beschriebenen Rechtslage bei grenzüberschreitenden Kauf eines Artikels bei einem Online-Händler mit Sitz in Deutschland dir für ihn zuständige Streitschlichtungsstelle zu finden. Die Webseite der CECM verweist nicht auf die Webseite des „Centre Européen des Consommateurs France“. Die Webseite dieses Zentrums verweist nicht – wie eigentlich zu erwarten wäre- auf eine Liste der zuständigen Streitschlichtungsstellen, die im Fall einer grenzüberschreitenden deutsch-französischen Online-Streitigkeit angerufen werden können. Diese Unzulänglichkeiten brauchen aber nicht den Online-Händler mit Sitz in Deutschland zu interessieren.

4. Empfehlung der IT-Recht Kanzlei

Der Online-Händler mit Sitz in Deutschland, der Waren oder Dienstleistungen in Frankreich direkt vertreibt, sollte sich hier an den Wortlaut des französischen Verbraucherschutzgesetzes halten und wegen der zuständigen Streitschlichtungsstelle auf die Webseite der CECM verweisen. Ein solcher Hinweis sollte sich auch auf der Webseite des Online-Händlers und ggfs. auf seinen Bestellscheinen finden.

Die IT-Recht Kanzlei berücksichtigt dies selbstverständlich bereits bei ihren französischen Rechtstexten für folgende Präsenzen:

  • Amazon
  • Cdiscount.com
  • DaWanda
  • eBay
  • Etsy
  • Online-Shop
  • Online-Shop - B2B
  • PriceMinister.com
  • Printkataloge
  • Rue-du-Commerce

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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1 Kommentar

J
Julia Kull 26.01.2017, 09:30 Uhr
Rechtsanwältin
Lieber Herr Kollege Keller,

super Artikel und sehr hilfreich! Lange nichts voneinander gehört! Viele Grüße aus Berlin,

Julia Kull

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