OLG Hamm: Generelles Vertriebsverbot für Fahrzeugteile ohne amtliches Prüfzeichen?
Bestimmte Fahrzeugteile müssen in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt (z.B. Frontschutzsysteme, § 22a StVZO) und dementsprechend mit einem amtlichen Prüfzeichen versehen sein. Nur, was gilt, wenn ein Fahrzeugteil entgegen § 23 StVG kein solches Prüfzeichen aufweist? Darf dieses überhaupt noch angeboten bzw. vertrieben werden, etwa mit dem Hinweis "nicht für den Straßenverkehr zugelassen"? Das OLG Hamm entschied kürzlich, dass der bloße Hinweis auf die Untauglichkeit des Fahrzeugteils für den öffentlichen Straßenverkehr, dieses von der Bauartgenehmigungspflicht gerade nicht freistellen könne.
Im Einzelnen:
Der Wortlaut des § 23 I StVG spricht bereits für ein totales Vertriebsverbot von Fahrzeugteilen (i.S.d. § 22a StVZO) ohne amtliches Prüfzeichen:
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig Fahrzeugteile, die in einer vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigten Bauart ausgeführt sein müssen, gewerbsmäßig feilbietet , obwohl sie nicht mit einem amtlich vorgeschriebenen und zugeteilten Prüfzeichen gekennzeichnet sind.
Das Kraftfahrt-Bundesamt teilte in seiner Entscheidung Nr. 07-02 mit, dass es nicht ausreiche, beim Anbieten von Fahrzeugteilen ohne Prüfzeichen (konkret ging es um Gasentladungs-Lichtquellen) Hinweise wie "...nicht für den Straßenverkehr zugelassen und entspricht nicht der StVZO" oder ähnliche Formulierungen für das Feilbieten zu gebrauchen. § 23 StVG entfalle lediglich für solche Teile, die ihrer Bauart nach objektiv nur für nicht am öffentlichen Verkehr teilnehmende Fahrzeuge bestimmt und geeignet sind. Es komme demnach gerade nicht auf die subjektive Verwendung im Einzelfall an (so auch: Schleswig VRS 74, 55; OLG Hamm VerkMitt. 1968 Nr. 31). So führe allein die abstrakte Geeignetheit eines Fahrzeugteils im Straßenverkehr eingesetzt zu werden dazu, dass das Fahrzeugteil nur angeboten und vertrieben werden darf, wenn es mit einem amtlich vorgeschriebenen und zugeteilten Prüfzeichen gekennzeichnet ist.
Das OLG Hamm hat in dem Zusammenhang mit Beschluss vom 25.09.2012 (Az. I-4 W 72/12) entschieden:
(...) Denn für das Verbot des Feilbietens ist ausschließlich die objektive Verwendungsmöglichkeit entscheidend, unerheblich ist hingegen wozu der Verwender das Fahrzeugteil im Einzelfall benutzen will (OLG Schleswig VRS, 74, 55; OLG Hamm VerkMitt. 1968 Nr. 31). Dementsprechend reichen beim Anbieten von Fahrzeugteilen ohne Prüfzeichen selbst Hinweise wie "... nicht für den Straßenverkehr zugelassen und entspricht nicht der STVZO" oder ähnliche Formulierungen prinzipiell nicht aus (so auch das Kraftfahrbundesamt in der im Informationssystem Typengenehmigungsverfahren abgedruckten Entscheidung Nr. 07-02).
Daher gilt: Zumindest nach (derzeitiger) Ansicht des OLG Hamm, kann der bloße Hinweis auf die Untauglichkeit des Fahrzeugteils für den öffentlichen Straßenverkehr dieses von der Bauartgenehmigungspflicht gerade nicht freistellen.
(Historie: So weit wollte das LG Bochum Anfang 2012 übrigens noch nicht gehen. Es führte in seinem Urteil vom 14.02.2012, Az. 12 O 238/11 aus: "Gemäß § 22 a Abs. 2 StVZO dürfen derartige Fahrzeugteile zur Verwendung im Geltungsbereich dieser Verordnung nur angeboten werden, wenn sie mit einem amtlich vorgeschriebenen und zugeteilten Prüfzeichen gekennzeichnet sind. Ein derartiges Prüfzeichen haben die von dem Verfügungsbeklagten angebotenen Hauptscheinwerferlampen unstreitig nicht. Darauf weist der Verfügungsbeklagte im weiteren Verlauf seines Angebotes auch hin. Dieser Hinweis ist jedoch unzureichend. Das Angebot findet sich bei eBay in der allgemeinen Rubrik für Autoersatzteile. Auch nach der deutlich herausgestellten Überschrift muss der potentielle Kunde zunächst davon ausgehen, ein Ersatzteil für den normalen Autobetrieb zu erwerben. Nach der Gestaltung des Angebots ist es auch ohne weiteres möglich, dass der Kunde unmittelbar auf den Button "Sofort-Kaufen" klickt, ohne die weiteren Hinweise noch zur Kenntnis zu nehmen. Bei der Regelung in § 22 a Abs. 2 StVZO handelt es sich um eine Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Denn die Kennzeichnungspflichten bestehen gerade auch zum Schutz der Verbraucher vor nicht amtlich genehmigten und damit potentiell gefährlichen Fahrzeugteilen." )
Hinweis : Umfangreiche Hintergrundinformationen zum rechtssicheren Verkauf von PKW-Fahrzeugteilen erhalten Sie hier.
Aber Achtung: Welche Fahrzeugteile benötigen generell keine Bauartgenehmigung?
Dazu gehören insbesondere:
- Alle nicht in § 22a StVZO aufgeführten Fahrzeugteile.
- Fahrzeugteile, die objektiv nach ihrer Bauart ausschließlich für nicht am öffentlichen Verkehr teilnehmende Fahrzeuge bestimmt und geeignet sind: Achtung: Es kommt hierbei nicht auf die subjektive Verwendungsbestimmung, sondern auf die objektive Verwendungsmöglichkeit an (vgl. OLG Hamm VerkMitt. 1968 Nr. 31).
- Fahrzeugteile, die zur Erprobung im Straßenverkehr verwendet werden; Erforderlich ist jedoch in dem Fall, dass der Fahrzeugführer eine entsprechende amtliche Bescheinigung mit sich führt (§22a Abs.3 Nr.1 StVZO).
- Teile mit „Etwa-Wirkung“: Fahrzeugteile, die im Ausland hergestellt und dann in die Bundesrepublik importiert worden sind, sofern sie jedoch in ihrer Wirkung etwa bauartgenehmigten Einrichtungen entsprechen und als solche auch erkennbar sind (§22a Abs.3 Nr.2 StVZO). Davon ausgenommen sind lichttechnische Einrichtungen an Fahrrädern und Lichtquellen für Scheinwerfer. Wie und wann eine solche „Etwa-Wirkung“ nachgewiesen kann, wird im „Merkblatt für die Begutachtung von Fahrzeugen nach §21 StVZO und über mögliche Ausnahmen nach §70 StVZO“ beschrieben (VkBl. 1998, 1314). Eine Ausnahmegenehmigung kann beispielsweise vorliegen, wenn die Umrüstkosten unzumutbar sind. Dabei ist das Verhältnis von Umrüstungskosten und Fahrzeugwert zu beachten. (Quelle: FAKomm/VerkehrsR Rebler, § 22a StVZO, Rn. 14).
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3 Kommentare
Ich hatte gerade noch den Katlog des italienischen Marktführes für genau die angesprochenen Produkte in den Fingern, da taucht quasi nirgendwo ein E-Prüfzeichen an den Produkten auf, wieso dürfen die Sachen in Italien denn legal vertrieben werden, in Deutschland aber nicht? Und was passiert, wenn ein italienischer Händler die Sachen über oder durch die Alpen nach Deutschland verkauft?
Was mich wundert - und auch nicht - der Gesetzgeber braucht immer um Wahnsinn zu stoppen 10 Jahre - der selbe Gesetzgeber kann aber ganz flott werden wenn es darum geht - 10 Millionen in Kröten Tunneln zu versenken - und die blöden Kröten lassen sich trotzdem weiter auf der Landstrasse niederwalzen.
Aber bei gefühltem Unrecht - und das Abmahnwahn ist sogar gelebt-gefühltes Unrecht, zumindest in der Mehrzahl der Fälle ( subj. gefühlt ) - hat dann nach ellenlangen Debatten die 100€ Regel rausgebracht - und kein Richter hält sich an das GESETZ, denn dann sind ja die Gerichtskosten auf Taschengeld Niveau.
Deshalb mal eine allgemeine Frage an die Kanzlei: ist jemals damit zu rechnen, das sich der Abmahn-Trend wieder zurück entwickelt oder sogar wieder verschwindet ?
Und, kriegt ihr als Götter in Schwarz nicht selber das Kotzen, wenn die Amtskleidung so mit Dreck beworfen wird ? Man kann den guten Anwälten ja kein Blaulicht auf den Kopf setzen, nur das man die besser erkennt...