Inhalt und Geltungsbereich des neuen Datenschutzrechts – Teil 1 der Serie zur DSGVO
Der erste Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei zur EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gibt einen ersten Überblick über den neuen Rechtsakt und behandelt dessen Gegenstand und Anwendungsbereich. Zu welchem Zweck wurde die DSGVO erlassen und wie setzt sie sich inhaltlich zusammen? Wen und was betrifft sie und ab wann ist sie zwingend zu befolgen? Nachstehend erhalten Sie Antworten auf diese und weitere Fragen.
I. Anwendung, Zweck und Systematik der EU-Datenschutzgrundverordnung
Unter der Zielsetzung, einerseits den Auswirkungen der rapiden technologischen Entwicklung sowie der Globalisierung auf das Ausmaß der Erhebung und des Austauschs personenbezogener Daten Rechnung zu tragen und andererseits die teilweise stark divergierenden datenschutzrechtlichen Vorgaben der einzelnen Mitgliedsstaaten auf ein homogenes und angemessen hohes Niveau zu heben, ist nach einem ungewöhnlich langwierigen Gesetzgebungsverfahren am 04. Mai 2016 die „Europäischen Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr“ (kurz: EU-Datenschutzgrundverordnung/DSGVO) im offiziellen Amtsblatt der Europäischen Union verkündet worden.
Nachdem über Jahre hinweg versucht wurde, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den eingebrachten Belangen von Datenschutzexperten, Wirtschaftsvertretern, Technologiespezialisten und Beauftragten der einzelnen Mitgliedsstaaten herzustellen, entstand ein selbst für europäische Verhältnisse außerordentlich komplexer Rechtsakt, der mit 173 Erwägungsgründen und 99 Artikeln einen effektiven Rahmen für den angemessenen Schutz personenbezogener Daten einerseits und die möglichst belastungs- und auflagenmoderate Datennutzung und -verarbeitung durch erhebende Stellen andererseits bilden sollte.
Obwohl die EU-Datenschutzgrundverordnung bereits durch die amtliche Verkündung in Kraft trat, gilt sie unmittelbar erst ab dem dem 25. Mai 2018 und ist hinsichtlich ihrer Regelungen somit erst ab diesem Zeitpunkt verbindlich. Online-Händlern bleibt insofern eine zweijährige Übergangsfrist, die zwar lang bemessen erscheint, allerdings in Anbetracht der vorzunehmenden informationstechnologischen, vertraglichen und informatorischen Umgestaltungen zur Einhaltung der neuen Vorgaben in vielen Fällen auch notwendig sein dürfte.
Das durch die Verordnung angestrebte einheitlich hohe Schutzniveau in Prozessen der Datenerhebung, -speicherung, -verarbeitung und -übertragung im Einklang mit den Interessen der Verantwortlichen an einer rechtssicheren, rechtmäßigen und weitgehend ungehinderten Nutzung personenbezogener Daten spiegelt sich maßgeblich in der Systematik der Verordnung wieder.
In einem ersten Kapitel werden in den Artikeln 1-4 Anwendungsbereich und Begrifflichkeiten eingegrenzt und erläutert, woraufhin in Kapitel 2 die wesentlichen zu berücksichtigenden datenschutzrechtlichen Grundsätze ebenso postuliert werden wie die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer jeglichen Datenverarbeitung. Anders als im derzeitig geltenden Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), in welchem die einzelnen Erlaubnistatbestände über den Vorschriftenkatalog verstreut sind, werden in der EU-Grundverordnung die verschiedenen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gesammelt angeführt.
Besondere Berücksichtigung finden hierbei auch die Belange Minderjähriger und die Schutzwürdigkeit sog. sensibler persönlicher Daten wie z.B. die ethnische Herkunft, die religiöse oder weltanschauliche Auffassung und die sexuelle Orientierung.
In einem dritten Kapitel formuliert der europäische Gesetzgeber zunächst allgemeine Transparenzgrundsätze (Art. 12) und geht sodann auf spezifische informatorische Pflichten der Verantwortlichen ein (Art. 13 und 14), denen Rechte der von der Datenverarbeitung betroffenen gegenübergestellt werden (Art. 15 – 22). Auffällig ist, dass zum Zwecke des angestrebten Interessenausgleichs für jede Berechtigung bestimmte Ausnahmekonstellationen angeführt werden, in denen die Betroffenenrechte eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können.
In Kapitel 4 legt der Verordnungsgeber sodann die allgemeinen Verantwortlichkeiten der Datenerheber fest und stellt spezifische Anforderungen und Grundsätze für die Konstellationen der gemeinsamen Verantwortlichkeit (Art. 26), der Verantwortlichenvertretung bei Sitz des Verantwortlichen im EU-Ausland (Art. 27) und der Auftragsdatenverarbeitung auf (Art. 28).
Daneben werden bestimmte Dokumentations- und Meldepflichten der Verantwortlichen formuliert (Art. 30, 33, 35) und die Stellung und Pflichten zur Benennung von Datenschutzbeauftragten konkretisiert (Art. 37ff.)
Ein fünftes Kapitel regelt die Grundsätze und rechtlichen Anforderungen der Übermittlung von personenbezogenen Daten an Drittländer und internationale Organisationen (Art. 44 – 50), während in Kapitel 6 und 7 die Stellung und die Funktionsweise sowie die Leitlinien einer Zusammenarbeit der einzurichtenden datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden niedergeschrieben sind (Art. 51 – 76).
Das achte Kapitel thematisiert die gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsbehelfe und Mittel der Betroffenen bei Verstößen gegen die Datenschutzvorgaben der Verordnung und stellt scharfe Haftungsmaßstäbe (Art. 82) und Sanktionen (Art. 83 und 84) für Verantwortliche auf.
In den drei letzten Kapiteln ergehen schließlich Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen (Informationsfreiheit, Arbeitsverhältnisse, Forschung etc.) und Schlussbestimmungen.
II. Geltungsbereich der DSGVO
Um die Auswirkungen des neuen Datenschutzrechtsakts auf den Online-Handel zielgerichtet und sinnhaft bestimmten zu können, ist die Berücksichtigung des Anwendungsbereichs der DGSVO unumgänglich.
Auch wenn die maßgeblichen Grenzziehungen (Geltungsausschluss für familiäre Zwecke, für behördliche präventive und repressive Zwecke etc.) die Anwendung der Verordnung für den Online-Handel unberührt lassen, ergibt sich eine wesentliche Einschränkung aus Erwägungsgrund 14. Dieser beschränkt das Pflichtprogramm der DSGVO nämlich ausschließlich auf Fälle der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von natürlichen Personen.
Personenbezogene Daten von juristischen Personen und von als juristische Personen gegründeten Unternehmen unterliegen den neuen datenschutzrechtlichen Vorgaben gerade nicht. Online-Händler, die ausschließlich im B2B-Bereich tätig sind und sich bei ihren Handelstätigkeiten nur Personengesellschaften gegenübersehen, haben die neuartigen Pflichten also nicht zu beachten.
In räumlicher Hinsicht hält die DSGVO dahingegen aber eine Erweiterung bereit. Unbeachtlich für ihre Anwendung soll es nunmehr nämlich sein, dass die Datenverarbeitung außerhalb der Union erfolgt, solange nur der Verantwortliche oder ein Auftragsverarbeiter seine Niederlassung in der EU hat, Art. 3 Abs. 1.
Gleichsam findet die DSGVO in allen Fällen Anwendung auch für außereuropäische Verarbeiter (im Einzugsgebiet souveräner Drittstaaten), sofern sie Daten von EU-Bürgern erheben oder verarbeiten und die Verarbeitung – wie im E-Commerce regelmäßig – im Zusammenhang mit dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen steht, Art. 3 Abs. 2 lit. a.
Damit wird erstmals auch Verantwortlichen aus Drittländern unmittelbar die Beachtung der europäischen Vorgaben aufgezwängt, sofern sie zu Zwecken des Produktabsatzes an EU-Bürger herantreten und vom Ausland aus deren persönliche Daten erheben.
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