Werbung mit Verzicht auf Geschmacksverstärker wie Glutamat für Bio-Produkte verboten?

Werbung mit Verzicht auf Geschmacksverstärker wie Glutamat für Bio-Produkte verboten?
29.06.2016 | Lesezeit: 7 min

Ökologische Erzeugnisse sind bei ihrer Herstellung und Aufbereitung bestimmten gesetzlichen Standards unterworfen, die eine besondere Natürlichkeit und Reinheit gewährleisten und so im Interesse einer gesundheitsbewussten Ernährung eine Unterscheidung von herkömmlichen industriellen Produkten ermöglichen sollen. Gerade bei verarbeiteten Lebensmitteln sind Händler zur Steigerung der Werbewirksamkeit ihrer Angebote allerdings geneigt, neben der Bio-Eigenschaft zusätzlich den Verzicht auf bestimmte Zusatzstoffe – meist Geschmacksverstärker wie Glutamat – hervorzuheben. Doch ist dies wettbewerbsrechtlich zulässig oder handelt es hierbei für Bio-Produkte vielmehr um eine verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten? Aufschluss gibt der folgende Beitrag.

I. Inhaltliche Mindeststandards für verarbeitete Öko-Lebensmittelmittel und verbotene Verzichtsangaben

Verarbeitete Erzeugnisse, die anders als rein landwirtschaftliche Ernteprodukte bis zu ihrer Marktbereitstellung weitere Aufbereitungsprozesse erfahren, dürfen als „biologisch“ nur dann bezeichnet werden, wenn ihre Herstellung allen Anforderungen der europäischen Öko-Verordnung Nr. 834/2007 gerecht wird. Insbesondere stellt diese Verbote für bestimmte Inhaltsstoffe auf, welche die ökologische Qualität des Endprodukts beeinträchtigen könnten.

1.) Verbotene und zugelassene Zusatzstoffe

Neben den allgemeinen Produktionsanforderungen aus Art. 4 der Öko-Verordnung greifen für verarbeitete Bio-Produkte besondere qualitative Mindestvoraussetzungen, die Art. 19 spezialgesetzlich niederschreibt.

Für die Öko-Eigenschaft des Erzeugnisses maßgeblich ist nach Art. 19 Abs. 2 lit b. demnach vor allem, dass diesem keine Zusatz-, Aroma- und Verarbeitungshilfsstoffe zugefügt werden, die nicht vorher durch die Europäische Kommission gesondert zugelassen wurden.

Für sämtliche Zusatzsubstanzen, die das Erzeugnis nicht aufgrund seiner originären inhaltlichen Zusammensetzung bereits aufweist, existiert mithin ein gesetzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, von dessen Beachtung die Bio-Eigenschaft abhängig gemacht wird.

Grundsätzlich ist der Einsatz von ergänzenden Stoffen in Bio-Produkten also untersagt. Allerdings existiert für bestimmte Arten von ökologischen Erzeugnissen eine gesetzgeberische Sondergenehmigung für gewisse Zusatzstoffe, die unter Beachtung der jeweiligen Anwendungsvorgaben in zulässiger Weise beigegeben werden dürfen, ohne dass dies dem Produkt seine biologische Herkunft abspricht.

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a) Erlaubte Zusatzstoffe nach VO (EU) Nr. 344/2011

Die produktbezogenen Erlaubnistatbestände für Zusatzstoffe ergehen aus Anhang VIII der zur Basis-EU-Öko-Verordnung erlassenen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 344/2011. Gestattet sind für die jeweils angegebene Produktklasse und ausschließlich (falls angegeben) für die spezifisch genannten Einzelprodukte folgende Zusatzstoffe:

1
2

b) Verbotene Zusatzstoffe

Weil die EU-Durchführungsverordnung Nr. 344/2011 die für Bio-Erzeugnisse zugelassenen Zusatzstoffe abschließend aufzählt, folgt im Umkehrschluss ein generelles Verbot für alle ergänzenden Substanzen, die im Erlaubniskatalog nicht genannt werden.

Insbesondere dürfen demnach sämtliche Farbstoffe, Süßstoffe, Stabilisatoren und (künstliche) Geschmacksverstärker (somit auch Glutamat) in keinem ökologischen Erzeugnis zum Einsatz gelangen.

2.) Unlautere Verzichtswerbung für verbotene Zusatzstoffe

Im Bereich der für Öko-Erzeugnisse grundsätzlich nicht zugelassenen ergänzenden Substanzen überschreitet ein werbend hervorgehobener Verzicht auf deren Einsatz regelmäßig die Grenzen der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit.

Wird nämlich mit einer Eigenschaft (hier dem Nichtvorhandensein bestimmter Zusatzstoffe im Endprodukt) geworben, die das Produkt aufgrund gesetzlicher Regelungen ohnehin aufzuweisen verpflichtet ist, suggeriert die Werbung dem Verbraucher als rechtlichem Laien eine besondere Produktqualität, die tatsächlich alle Produkten derselben Kategorie ebenso anhaften muss.

Bei der Hervorhebung des Verzichts auf in Bio-Produkten ohnehin verbotene Zusatzstoffe wird also eine gesetzlich vorgegebene Selbstverständlichkeit mit der Folge angepriesen, dass der Verbraucher von einem besonderen ernährungspolitischen Auftrag des Herstellers oder Händlers ausgeht und dem beworbenen Bio-Erzeugnis ein ungerechtfertigtes Alleinstellungsmerkmal zuordnet. Dem ökologisch hergestellten Produkt wird also ein positives Image zuteil, nach welchem der Verbraucher seine Kaufentscheidung gegebenenfalls auszurichten geneigt ist, obwohl dieses Image zwangsweise allen Bio-Produkten gleichermaßen anhaften muss. Die Freiheit von verbotenen Zusatzstoffen ist ausweislich des Art. 19 Abs. 2 lit. b der Öko-Verordnung nämlich zwingende Voraussetzung dafür, dass das Produkt überhaupt als „ökologisch“ gekennzeichnet werden darf.

Tipp: Die Werbung mit dem Verzicht auf bestimmte Zutaten und Inhaltsstoffe wird allgemein als „Clean Labelling“ bezeichnet. Die Zulässigkeit dieses Verfahrens und dessen rechtliche Grenzen speziell für Lebensmittel hat die IT-Recht Kanzlei in einem detaillierten Beitrag zusammengetragen und mit vielen Beispielen veranschaulicht.

Die marketingwirksame Erklärung von Händlern, das angebotene Bio-Produkt sei frei von Zusatzstoffen, deren Einsatz bei der biologischen Erzeugung schon von Gesetzes wegen untersagt ist, ist stets als unlautere Werbung mit Selbstverständlichkeiten im Sinne des §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG zu qualifizieren und sollte aus diesem Grund unbedingt unterlassen werden.

Irreführende Selbstverständlichkeiten in diesem Sinne stellen insbesondere Verzichtsangaben für Geschmacksverstärker wie Glutamat, aber auch für Farb- und Süßstoffe dar.

Demgegenüber ist es dem Händler wettbewerbsrechtlich aber nicht verwehrt, das Nichtvorhandensein von speziell zugelassenen Zusatzstoffen in den angebotenen Öko-Erzeugnissen werbend hervorzuheben, sofern diese die Ergänzungssubstanz den Anwendungsvorgaben aus Anhang VIII der VO Nr. 344/2011 entsprechend grundsätzlich aufweisen dürfen.

II. Besonderheit für glutamathaltiges Hefeextrakt

Den obigen Feststellungen folgend muss die Verzichtserklärung für Glutamat bei der Bewerbung von Bio-Erzeugnissen stets als irreführende Werbung mit einer gesetzlich vorgegebenen Selbstverständlichkeit gewertet werden.

Dies hindert allerdings nicht daran, das jeweilige Produkt werbewirksam in rechtlich zulässiger Weise von geschmacksverstärkenden Beisätzen freizuzeichnen.

Eine Ausnahme von der verbotenen Werbung mit Selbstverständlichkeiten existiert nämlich für sogenanntes „Hefeextrakt“, das von Natur aus einen hohen Anteil am geschmacksverstärkenden Wirkstoff „Glutaminsäure“ enthält und als Inhaltsstoff in Bio-Produkten grundsätzlich zugelassen ist.

1.) Umgehung des Glutamatverbots durch Hefeextrakt

Weil es sich bei Hefeextrakt nicht um einen Zusatzstoff, sondern um einen regulären Inhaltsstoff handelt, war dessen Einsatz in Bio-Produkten bislang keiner besonderen Einschränkung unterworfen. Um den Geschmack ihrer Erzeugnisse zu intensivieren, konnten Hersteller also ohne weiteres den verbotenen Einsatz von Glutamat durch das Beifügen von glutaminsäurehaltigem Hefeextrakt umgehen, ohne zu riskieren, dass dies die gesetzlich normierte Bio-Qualität aushebeln würde.

Zwar wurde mit der Durchführungsverordnung Nr. 344/2011 der rechtliche Status von Hefe und Hefeextrakt zum 31.12.2013 hin zu einer „Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs“ mit der Folge geändert, dass die Bio-Eigenschaft des Endprodukts nunmehr nur dann gewahrt bleibt, wenn das beigesetzte Hefeextrakt selbst biologischen Ursprungs ist.

Allerdings dürfen, um den Schwierigkeiten und dem Kostenaufwand bei der Herstellung rein biologischer Hefeerzeugnisse Rechnung zu tragen, gemäß Art. 46a der Durchführungsverordnung auch in Bio-Hefeextrakt weiterhin bis zu 5% des Substrats nicht ökologischen Ursprungs sein.

2.) Auswirkungen auf die Verzichtswerbung

Auch wenn Hefeextrakt einen hohen Anteil an geschmacksverstärkender Glutaminsäure aufweist und deshalb als Substitut zu reinem Glutamat in gleich effektiver Weise im Enderzeugnis wirken kann, ist dessen Verwendung in aufbereitenden Bio-Produkten bislang gesetzlich gestattet. Ein ökologisches Erzeugnis büßt seinen besonderen Status also nicht dadurch ein, dass ihm Hefeextrakt beigesetzt worden ist, sofern dieses zu 95% selbst aus ökologischer Herstellung stammt.

Aufgrund der allgemeinen Zulassung des geschmacksintensivierenden Würzstoffes auch bei Öko-Erzeugnissen fällt – anders als beim verbotenen Glutamat – die Erklärung eines Herstellers oder Händlers, das Produkt sei „frei von (geschmacksverstärkendem) Hefeextrakt“ nicht unter das Verbot der Werbung mit Selbstverständlichkeiten, sondern ist vielmehr grundsätzlich unbedenklich.

Ob der Verwendung des Hefesubstrats überlässt der Gesetzgeber den Erzeugern nämlich weiterhin die Entscheidungsfreiheit, sodass die werbende Hervorhebung eines Hefeextrakt-Verzichts dem jeweiligen Produkt tatsächlich eine Naturbelassenheit zuspricht, die Ausdruck eines autonomen Herstellerermessens ist und gerade nicht gesetzlich oktroyiert wurde.

Freilich ist für die Zulässigkeit der Werbung mit dem Verzicht auf Hefeextrakt im Bio-Produkt auf materieller Ebene aber zusätzlich zu fordern, dass diesem tatsächlich keinerlei entsprechendes Substrat beigesetzt wurde und es überdies auch keine Spuren des Extrakts enthält.

III. Fazit

Zur Gewährleistung der Reinheit und Natürlichkeit von biologischen Erzeugnissen hat der europäische Gesetzgeber eine Reihe von strengen produktionsregulierenden und inhaltsstofflichen Vorgaben erlassen, die sich mittelbar auf die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von werbenden Verzichtserklärungen für bestimmte Zutaten, insbesondere für Zusatzstoffe, auswirken können.

Weil Zusatzstoffe in Bio-Produkten nur in engen Grenzen und nach Maßgabe eines speziell kodifizierten Katalogs zugelassen werden, darüber hinaus aber grundsätzlich gesetzlich verboten sind, erfüllen Angaben, mit denen das Nichtvorhandensein von Farb- und Süßstoffen sowie Geschmacksverstärkern wie Glutamat im Öko-Erzeugnis hervorgehoben werden, stets den Tatbestand einer irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten nach §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.

Will der Händler die Naturbelassenheit eines biologischen Produkts durch den Verzicht auf Geschmacksverstärker gesondert bewerben, darf er dies zwar nicht unter Bezugnahme auf Glutamat tun. Allerdings ist es – sofern durch die konkrete stoffliche Zusammensetzung tatsächlich gedeckt – zulässig, ein Bio-Produkt werbend vom Einsatz des grundsätzlich zugelassenen und wirkungsähnlichen „Hefeextraktes“ freizuzeichnen. Bezüglich dieses Inhaltsstoffs überlässt der Gesetzgeber dem Erzeuger nämlich weiterhin die Entscheidungsprärogative. Während Angaben mit dem Wortlaut „Frei von Geschmacksverstärkern“ oder „Ohne Glutamatzusatz“ also verboten sind, darf mit der Erklärung „Ohne Hefeextrakt“ rechtmäßig geworben werden.

Bei weiteren Fragen zum Werberecht für ökologische Lebensmittel und zu rechtskonformen Umsetzung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften steht Ihnen die IT-Recht Kanzlei gern persönlich zur Verfügung.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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