Die große Unbekannte: Die Berechtigungsanfrage
Die Berechtigungsanfragen häufen sich in letzter Zeit. Viele Händler wissen damit nicht so recht umzugehen und halten derartige Anfragen bereits für eine Abmahnung. Doch eine Abmahnung ist es eben gerade nicht – und letztlich sogar eine gute Chance eine solche zu umgehen. Wir haben uns in diesem Beitrag mal näher mit dem Phänomen Berechtigungsanfrage auseinandergesetzt….
1. Berechtigungsanfrage vs. Abmahnung
Im gewerblichen Rechtsschutz ist es nicht unüblich, dass ein Rechteinhaber von einer möglichen Schutzrechtsverletzung Kenntnis erlangt, aber den potentiellen Verletzer nicht gleich abmahnen will.
Über dessen Gründe mag man nur spekulieren können - denkbar ist, dass die Verletzungshandlung nicht ganz eindeutig ist oder Zweifel am Bestand des eigenen Schutzrechts bestehen. Diese Vorsicht ist nicht ganz unbegründet: Denn bei unberechtigten unbedachten Schutzrechtsabmahnungen bestehen Schadensersatzansprüche des Abgemahnten.
Daher ist durchaus nachvollziehbar, wenn das scharfe Schwert der Abmahnung in diesem Bereich nicht sofort gezogen wird. Und eben eine Berechtigungsanfrage zur Klärung der Sach- und Rechtslage vorgeschoben wird. Denn während die Berechtigungsanfrage eine Einladung an die Gegenseite darstellt, in einen Gedankenaustausch über die Frage der Verletzung und des Rechtsbestandes einzutreten, setzt die Schutzrechtsverwarnung zumindest voraus, dass ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren ausgesprochen wird (LG Mannheim, Urteil vom 23.02.2007, Az. 7 O 276/06).
Übrigens: Nicht in allen Rechtsbereichen ist mit einer Berechtigungsanfrage zu rechnen - Berechtigungsanfragen werden meist eingesetzt im
- Markenrecht
- Design-/Geschmacksmusterrecht
- Patent-/Gebrauchsmusterrecht
2. Ziel einer Berechtigungsanfrage
Die Motive einer Berechtigungsanfrage haben wir bereits erläutert – kommen wir nun zum Inhalt einer solchen:
Mit der Berechtigungsanfrage wird aufgefordert, zu dem vermeintlichen Rechtsverstoß Stellung zu beziehen. Der Adressat wird mit der möglichen Rechtsverletzung konfrontiert und aufgefordert sich zu äußern, warum er sich zur Zeichennutzung (im Falle des Markenrechts etwa) berechtigt fühlt. Mit dieser Auskunft will der Rechteinhaber erreichen, besser beurteilen zu können, ob das vorgeworfene Verhalten tatsächlich eine Schutzrechtsverletzung ist oder eben nicht.
So kommt es etwa im Markenrecht immer wieder vor, dass der angefragte Adressat ggf. eine Markenlizenz vorweisen kann oder anders nachweisen kann, dass die Markennutzung berechtigt erfolgte – in dem Fall hat die Berechtigungsanfrage Ihr Ziel erreicht. Der Sachverhalt konnte aufgeklärt und die Sache erledigt somit erledigt werden
Stellt sich die Situation nach der Berechtigungsanfrage dagegen so dar, dass eine Schutzrechtsverletzung anzunehmen ist, dann kann der Rechteinhaber den Dritten auf Unterlassung, Schadensersatz etc. in Anspruch nehmen. Dies erfolgt dann meisten in einer nachgeschalteten Schutzrechtabmahnung mit entsprechender Kostenfolge.
3. Berechtigungsanfrage: Form und Inhalt
Es gibt keine gesetzlichen Formvorgaben für die Gestaltung einer Berechtigungsanfrage. Sie kann also sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen – aus Beweiszwecken geschieht dies in der Praxis natürlich schriftlich.
Die Berechtigungsanfrage beinhaltet regelmäßig
- Bestand des eigenen Schutzrechts
- Sachverhalt zur möglichen Verletzung
- Vermutung einer Rechtsverletzung
Bei letzterem Punkt ist zu empfehlen klarzustellen, dass nur bei Vorliegen des Vorwurfes nach Auffassung des Rechteinhabers eine Rechtsverletzung vorliegt.
Ob eine Abmahnung oder "bloß" eine Berechtigungsanfrage vorliegt, ist vornehmlich daran festzumachen, ob an den Adressaten des Schreibens ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren gerichtet wird (BGH, GRUR 2011, 995). Kann einem Schreiben des Schutzrechtsinhabers an den vermeintlichen Verletzer ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren nicht entnommen werden, liegt regelmäßig lediglich eine Berechtigungsanfrage vor, die einen Anspruch des Adressaten auf Schadenersatz aus dem Aspekt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht begründen kann (LG Mannheim, Urteil vom 23.02.2007, Az. 7 O 276/06).
Es kommt auf die Gesamtumstände aus der verständigen Sicht des Empfängerhorizonts an (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2014, Az. I-2 U 90/13). Hierauf ist also bei Verfassen einer Berechtigungsanfrage dringend Wert zu legen. Es genügt gerade nicht einfach nur die Betitelung des Schreibens als Berechtigungsanfrage – es muss auch inhaltlich zum Ausdruck kommen, dass es nur um einen Gedankenaustausch geht – denn ansonsten rutscht der Verfasser in die Abmahnung – und damit u.a. eben auch in einen Schadensersatzanspruch bei fehlender Berechtigung.
Und Übrigens: Es kommt nicht nur auf die Überschrift an - mitunter entscheidet bei dieser Abgrenzung Berechtigungsanfrage oder Abmahnung auch das Ende eines solchen Schreibens:
Regelmäßig endet die Berechtigungsanfrage mit der Aufforderung binnen einer angemessenen Frist mitzuteilen, aus welchen Gründen er sich für berechtigt hält, das Schutzrecht nicht beachten zu müssen. Gerade nicht erwähnt werden sollte an dieser Stelle die Drohung mit gerichtlichen Schritten bei fehlender oder zu später Reaktion. Denn ein solcher Hinweis ist grds. Pflichtangabe bei einer Abmahnung. Auch wenn das bei Auslegung noch nicht zwingend zur Falle werden muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012, Az. I-2 U 1/12), raten wir sicherheitshalber und zur Vermeidung von Angrenzungsproblemen dazu, dies wegzulassen.
4. Die Kosten
Dieser Punkt ist natürlich heiß diskutiert: Was kostet denn so eine Berechtigungsanfrage? Hier kommt der Unterschied zur Abmahnung nochmal deutlich zum Tragen: Während die Berechtigungsanfrage grds. keine Kostenerstattungspflicht auslöst, verursacht die Abmahnung sehr wohl Kosten – und im Bereich Marken und Patente sogar erhebliche Kosten, da die Regelstreitwerte hier sehr hoch sind (etwa Markenrecht: 50.000 EUR aufwärts).
5. Die richtige Reaktion
Es gibt 2 denkbare Szenarien im Falle einer Berechtigungsanfrage:
1. Der Vorwurf trifft zu (das ist erfahrungsgemäß sehr oft der Fall): Dann sollte der Adressat kooperieren. Und sich ggf. überlegen, ob die Abgabe einer vorbeugenden strafbewehrte Unterlassungserklärung sinnvoll ist. Nachteil: Die vorgeworfene Handlung ist zur Vermeidung einer Vertragsstrafe umgehend einzustellen. Und auch in Zukunft muss man mit mit der Tatsache einer drohenden Vertragsstrafe als Händler leben können.
Vorteil: Durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung gibt der Adressat dem Abmahner keinen Raum mehr für eine kostenpflichte Abmahnung.
Aber Achtung: Schadensersatz
Selbst wenn sich der Adressat für die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung entschieden und damit mögliche Abmahnkosten umgangen hat, besteht weiter ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz.
Denn der Verletzer von etwa Markenrechten muss nicht nur die Verletzungshandlung unterlassen, Auskunft erteilen oder rechtsverletzende Ware vernichten – nein er muss zusätzlich auch Schadensersatz leisten. Der Schadensersatz kann aufgrund von 3 Methoden
berechnet werden:
1. Herausgabe des Verletzergewinns
2. Erstattung entgangener Gewinn oder
3. Fiktiver Lizenzschaden:
Tipp: In der Praxis wird meist nach der Herausgabe des Verletzergewinns verlangt oder die Berechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gewählt - denn letztere ist die einzige Berechnungsmethode, mit der ein Schaden fiktiv berechnet werden kann.
Auf was es dabei ankommt, erklären wir in diesem Beitrag.
2. Der Vorwurf trifft nicht zu: Dann sollte der Adressat in einem Reaktionsschreiben sachlich und ausführlich darlegen, warum der Vorwurf nicht zutrifft - hierzu sind ggf. auch entsprechende Unterlagen vorzulegen. Weitere Massnahmen sind dann nicht erforderlich. Anzuraten wäre noch, dass in dem Reaktionsschreiben der Absender aufgefordert wird, zu bestätigen, dass die Angelegenheit damit beendet ist. Damit dann wieder in aller Ruhe und mit gutem Gewissen weiterverkauft werden kann.
Fazit: Chance und Risiko
Die Berechtigungsanfrage ist zuerst einmal ein Chance – denn oftmals ist an den vage in den Raum gestellten Vorwürfen was dran. Und dann hat der Adressat die Möglichkeit hier schnell zu reagieren und durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung möglicherweise sogar ein teure kostenpflichtige Abmahnung zu umgehen.
Die Berechtigungsanfrage an sich möglich löst noch keinen Kostenerstattung aus. Was bleibt ist das Risiko eines Schadensersatzanspruches.
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