BFSG: Welche elektronischen Medien müssen barrierefrei sein?

BFSG: Welche elektronischen Medien müssen barrierefrei sein?
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Beitrag vom: 18.02.2025
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "BFSG: Verpflichtende Barrierefreiheit von Online-Shops ab Juni 2025"

Ab dem 29.06.2025 müssen unter anderem „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ in Deutschland barrierefrei sein. Doch welche Medien fallen darunter?

Der Begriff der "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr"

§ 1 Abs. 3 Nr. 5 des deutschen Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) erklärt ab dem 29.06.2025 die Barrierefreiheit bei „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ für verpflichtend.

Definiert wird dieser generische Begriff in § 2 Nr. 26 BFSG.

Danach sind „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“

Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.

Maßgebliche Merkmale einer solchen Dienstleistung sind also die beiden folgenden:

  • Das Medium muss auf den elektronischen Abschluss eines Vertrages hinwirken und
  • Das Medium muss sich (auch) an Verbraucher richten.

Daraus folgt bereits, dass elektronische Medien, die ausschließlich für Unternehmer (B2B) angeboten und/oder bereitgestellt werden, vom BFSG nicht betroffen sind.

Welche Waren oder Dienstleistungen über das Medium konkret angeboten werden, ist dahingegen nicht relevant.

Eine weitere Auslegungshilfe bietet die amtliche Gesetzesbegründung zum BFSG.

Auf deren Seite 65 ist ausgeführt, dass als „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ nur solche Medien erfasst sind, durch die den Verbrauchern die Angebote vorgestellt werden sowie Buchungen und Zahlungen getätigt werden können.

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Ausnahmeprivileg für Kleinstunternehmen

Bevor diverse elektronische Medien bezüglich der Anwendbarkeit des BFSG bewertet werden, ist zunächst auf das Kleinstunternehmerprivileg einzugehen.

Unter bestimmten persönlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen müssen Unternehmen die Barrierefreiheitsanforderungen nämlich für „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ nicht erfüllen und sind insoweit insgesamt vom BFSG befreit.

Dieses Privileg gilt gemäß § 3 Abs. 3 i.V.m. § 2 Nr. 17 BFSG für Kleinstunternehmen, die

  • weniger als 10 Personen beschäftigen und
  • entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.

Welche elektronischen Medien sind vom BFSG erfasst?

1. Online-Shops?

Online-Shops, über die Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, sind das Paradebeispiel der „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“.

Sie müssen ab dem 28.06.2025 zwingend barrierefrei sein.

Details dazu, welche Anforderungen an die Barrierefreiheit im Online-Shop gelten und wie sie umzusetzen sind, stellen wir in diesem Leitfaden bereit.

Betroffen von den Anforderungen sind nicht nur Produktübersichts- und Detailseiten, sondern die Shop-Domain mit allen nativen verkaufsfördernden Inhalten als solches.

Barrierefrei müssen also auch eingebundene Produktbilder, Produktvideos sowie Werbebanner und Werbe-Popups sein.

2. Websites ohne Bestellfunktion?

Websites ohne Bestellfunktion, die nur der Präsentation eines Unternehmens oder seiner Leistungen dienen, sind vom BFSG nicht erfasst.

Derlei Websites fehlt es am entscheidenden Merkmal der elektronischen Direkterwerbsmöglichkeit von Waren oder Dienstleistungen.

3. Blogs ohne Bestellfunktion?

Auch Blogs, verstanden als Sammlung von Beiträgen und weiteren redaktionellen Inhalten, fehlt die entscheidende Komponente einer elektronischen Bestellfunktion mit der Folge, dass sie nicht unter das BFSG fallen.

4. Websites mit Cookie-Paywall?

Eine Besonderheit gilt für Websites mit sogenannten „Pur-Abo-Modellen“, auf denen sich der Betreiber den Verzicht auf Cookies und Trackingmaßnahmen per Abo bezahlen lässt.

Hier ist bezüglich der Anwendbarkeit des BFSG zu trennen:

Die bloß redaktionellen Seitenbestandteile müssen nicht barrierefrei sein.

Die Paywall inkl. primärem Auswahlinterface sowie der Abo-Bestellprozess sind aber barrierefrei zu gestalten.

5. Shop-Blog-Hybriden?

Ähnliches gilt auch für Domains, die sowohl redaktionelle Bereiche als auch Shop-Funktionen kombinieren.

Auch hier ist vor dem Hintergrund der Barrierefreiheitspflichten zu trennen.

Domainbereiche, die rein informatorischen oder redaktionellen Inhalt haben (etwa: ein abgetrennter Blog, der auf einer eigenen Unterseite geführt wird), müssen nicht barrierefrei sein.

Alle Seiten, die aber auf einen elektronischen Vertragsschluss mit Verbrauchern hinwirken (etwa: Produktübersichts-, Produktdetailseiten und der Checkout-Bereich) müssen barrierefrei sein.

6. Websites mit Terminbuchungsfunktion?

Im Dienstleistungsbereich sind Websites üblich, auf denen Nutzer über eine entsprechende Funktionalität Termine ohne Zahlungspflicht reservieren können und die Zahlung erst später bei oder nach Terminantritt tätigen.

Während die redaktionellen Seitenbereiche, die der Vorstellung von Unternehmen und Leistungen dienen, nicht barrierefrei sein müssen, sind das konkrete Terminvereinbarungs-Interface und der Buchungsprozess zwingend barrierefrei zu gestalten.

7. Online-Bezahlvorgänge?

Unabhängig vom Ursprungsmedium der Vertragsanbahnung, das gegebenenfalls selbst barrierefrei sein muss, gelten die Barrierefreiheitspflichten stets für Online-Bezahlvorgänge und -checkouts gegenüber Verbrauchern.

Dies ist insbesondere auch dann relevant, wenn ein Unternehmer den eigentlichen Checkout von seiner Internetpräsenz ausgelagert hat und dafür ein Drittanbietersystem (etwa: CopeCart) nutzt.

8. Helpcenter und Support-Bereiche?

Helpcenter und Support-Bereiche auf Websites und im Online-Shop müssen nicht barrierefrei sein.

Sie zielen nicht auf den Abschluss von Verbraucherverträgen ab.

9. Cookie-Consent-Tools?

Cookie-Consent-Tools zeilen nicht auf den Abschluss von Verbraucherverträgen ab, sondern ermöglichen ein Cookie-Einwilligungsmanagement zur gesetzlich geforderten selbstbestimmten Nutzung eines Web-Auftritts.

Sie gelten daher nicht als „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ und müssen nicht zwingend barrierefrei sein.

10. Newsletter und Marketing-Emails?

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, auch E-Mail-Newsletter und sonstige E-Mail-Marketing-Kommunikation müsse künftig barrierefrei sein.

Das ist falsch.

Marketing-E-Mails dienen zwar der Verkaufsförderung und stellen elektronische Werbung dar. Mit ihnen werden also Angebote vorgestellt.

Allerdings sind Marketing-E-Mails als in sich abgeschlossenes Medium zu betrachten und unterfallen, da über sie selbst keine direkten Bestellungen oder Bezahlungen möglich sind, nicht dem BFSG.

11. Bestellbestätigungen und Rechnungen?

Auch Bestelleingangs- und Auftragsbestätigungsmails sowie Rechnungen müssen nicht barrierefrei sein, weil keinen Vertragsschluss durch entsprechende Funktionen ermöglichen, sondern vielmehr erst nach Vertragsschluss zur Dokumentation eines bereits erfolgten Geschäftsvorgangs versendet werden.

12. Auftritte auf Online-Marktplätzen?

Marktplatzauftritte von Unternehmern, auf denen sie ihre Angebote präsentieren und mittels Funktionen des Marktplatzbetreibers Verträge mit Verbrauchern schließen können, müssen künftig barrierefrei sein.

Die Pflichten zur Umsetzung der Barrierefreiheit treffen aber nicht den Marktplatz-Händler, sondern den Marktplatzbetreiber.

Dieser hat durch entsprechende technische Maßnahmen seinen Händlern barrierefreie Verkaufsauftritte zu ermöglichen.

Dem Marktplatz-Händler fehlen dafür rein denklogisch die informationstechnologischen Einwirkungsmöglichkeiten.

13. Apps?

Apps sind als „mobile Anwendungen“ ausdrücklich vom Begriff der „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ erfasst, sofern sie dem Abschluss von Verbraucherverträgen dienen und Bestellungen und Zahlungen ermöglichen.

Apps, die einen Online-Shop mobil spiegeln, müssen daher in all ihren nativen Elementen barrierefrei sein.

Besteht eine App aus einem Buchungs- und Bezahlbereich einerseits (etwa: Interface für In-App-Käufe oder Upgrades) und anderen Funktionen andererseits, müssen nur die Elemente der App barrierefrei sein, über die Verträge geschlossen und Buchungen und Zahlungen getätigt werden können.

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Bildquelle: Nuttapong punna / Shutterstock.com

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1 Kommentar

S
Sabine K 18.02.2025, 20:52 Uhr
Pagarella@web.de
sind mit 10 Personen zehn Köpfe oder 10 Vollzeitbeschäftigte gemeint?

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