OS-Plattform: Abschaltung zum 20.07.2025

OS-Plattform: Abschaltung zum 20.07.2025
Stand: 15.01.2025 7 min 2

In der Praxis seit jeher „tot“ und nun auch formell am Ende: Am 20.07.2025 wird die Online-Streitschlichtungsplattform der EU-Kommission stillgelegt. Dies hat Auswirkungen auf jeden Online-Händler.

Worum geht es?

Alte Hasen im E-Commerce können sich vermutlich noch gut an den Januar 2016 erinnern, genauer gesagt an den 09.01.2016.

Der 09.01.2016 war Stichtag für eine neue Informationspflicht, die alle Online-Händler erfasste, welche innerhalb der EU (auch) an Verbraucher verkaufen:

Durch die ODR-Verordnung (EU) 524/2013 waren diese ab diesem Tag verpflichtet, über die neue Plattform zur Online-Streitbeilegung der EU-Kommission („OS-Plattform“) zu informieren und in ihren Impressen mittels eines anklickbaren Links auf diese Plattform zu verlinken sowie ihre Email-Adresse anzugeben.

Intendierte Funktion der OS-Plattform war bzw. ist (noch), in erster Linie als Anlaufstelle für Verbraucher zu dienen, die Probleme mit dem Händler bei einer Bestellung im Internet haben.

Der Verbraucher kann über den formellen Weg der OS-Plattform ein Formular auf der Webseite der OS-Plattform ausfüllen, somit Kontakt mit dem Händler aufnehmen und diesen auf das bestehende Problem hinweisen und dazu auffordern, eine Lösung herbeizuführen.

Es soll so der Versuch unternommen werden, die Streitigkeit „online“ beizulegen, ohne den Rechtsweg bemühen zu müssen.

Auch kann eine externe Streitbeilegungsstelle eingeschaltet werden, um zwischen den Parteien zu vermitteln.

Problem an der Sache: Die Plattform war zu diesem Stichtag noch gar nicht fertig und auch der zutreffende Link zu dieser konnte nur durch „Herumspielen“ auf der Informationsseite der EU herausgefunden werden.

Aber nicht nur der Start der OS-Plattform war missraten.

In der Praxis zeigte sich schon bald, dass die neue Plattform überhaupt nicht angenommen wird. Verbraucher haben die neue Möglichkeit, online eine Streitschlichtung bei Problemen mit einem Händler einzuleiten, nur höchst selten genutzt.

Kam es zur Einleitung eines solchen Online-Schlichtungsverfahrens, so verlief dieses nur in den seltensten Fällen positiv für den Antragsteller.

Denn Online-Händler sind grundsätzlich nicht verpflichtet, sich auf ein solches Online-Streitschlichtungsverfahren einzulassen. Wer das nicht wollte, der musste also auch nicht. Anscheinend wollten die meisten Händler auch nicht, schon wegen der anfallenden Gebühren.

Banner Starter Paket

Steilvorlage für Massenabmahner

Während der eigentliche Zweck der OS-Plattform mehr oder weniger verpuffte, zeigte sich schnell eine ganz besondere Nebenwirkung:

Massenabmahner hatten sehr schnell erkannt, dass zigtausende Händler von der neuen Informationspflicht entweder gar nichts mitbekommen hatten und daher nicht zur neuen OS-Plattform informierten bzw. nicht auf diese verlinkten. Eine große Anzahl von Händlern hatte zudem nicht auf dem Schirm, dass der Link auf die OS-Plattform zwingend ein anklickbarer Link sein muss.

Wer also nur die Internetadresse der OS-Plattform in seinem Impressum nannte, ohne den Link (etwa durch HTML-Code) anklickbar auszugestalten, der kam seinen neuen gesetzlichen Pflichten nicht nach und war somit stark abmahngefährdet.

Gerade auf Verkaufsplattformen, bei mobiloptimieren Seitendarstellungen und in Verkaufs-Apps war es zu Anfang schwer oder gar unmöglich, den Link auf die OS-Plattform als anklickbaren Link zu hinterlegen.

Hintergrund war meist, dass Verkaufsplattformen das aktive „Rausverlinken“ zur Vermeidung von Provisionsumgehung restriktiv technisch unterbunden hatten.

Mit anderen Worten: Selbst wenn der Händler informiert und auf Zack war, hatte er in vielen Fällen technisch gar keine Möglichkeit, einen anklickbaren Link zu hinterlegen.

Es kam zu eine wahren Abmahnwelle wegen der OS-Plattform, die bereits im Januar 2016 startete und sich über Jahre zog, sowohl von Mitbewerberseite als auch durch Verbände.

Unter Juristen ging schon bald der Scherz um, dass es wohl mehr Abmahnungen wegen fehlender Informationen zur OS-Plattform geben wird, als jemals Schlichtungsverfahren über die OS-Plattform durchgeführt werden.

Über die Jahre hat die IT-Recht Kanzlei eine vierstellige Zahl von Abmahnungen bearbeitet, bei denen (auch) eine fehlende bzw. fehlerhafte Information über die OS-Plattform vorgeworfen wurde.

So dürfte die OS-Plattform über die Jahre sicherlich zu Abmahnungen im höheren fünfstelligen Bereich geführt haben.

Folgeproblem: Zehntausende Online-Händler dürften eine Unterlassungserklärung als „Leiche im Keller“ haben, mit der diese vertragsstrafenbewehrt versprochen haben, künftig immer einen anklickbaren Link auf die OS-Plattform vorzuhalten.

Über die Jahre kam es auch immer wieder zu Ausfällen der Webseite der OS-Plattform und zu Weiterleitungsproblemen bei bestimmten Linkvarianten auf die offizielle Webseite.

EU-Kommission zieht die Reißleine

Dass die OS-Plattform ein absoluter Rohrkrepierer ist, ist nun quasi amtlich: Mit der EU-Verordnung 2024/3228 wird die VO (EU) 524/2013 zum 20.07.2025 aufgehoben.

Mit Wirkung ebenfalls zum 20.07.2025 wird auch der Betrieb der OS-Plattform selbst eingestellt werden. Zudem werden ab diesem Tage alle Informationen, einschließlich personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Fällen, auf der OS-Plattform gelöscht werden.

Bereits ab dem 20.03.2025 können zudem keine neuen Beschwerden mehr auf der OS-Plattform eingereicht werden.

Das leidige Thema „OS-Plattform“ ist damit ab dem 20.07.2025 Geschichte!

Zu Begründung wird in der EU-Verordnung 2024/3228 ausgeführt, dass die OS-Plattform kaum genutzt wurde:

„Allerdings nutzt nur eine Minderheit der Besucher die OS-Plattform, um eine Beschwerde einzureichen, und nur 2 % dieser Beschwerden erhalten eine positive Antwort von Unternehmern, sodass ihr Antrag an eine auf der OS-Plattform aufgeführte AS-Stelle weitergeleitet werden kann. Insgesamt entspricht dies etwa 200 Fällen pro Jahr in der gesamten Union.“

Die Aufhebung der ODR-VO und Abschaltung der OS-Plattform ist in erster Linie eine gute Nachricht für den Online-Handel, führt aber zugleich zu Handlungsbedarf für quasi jeden Online-Händler.

Händler müssen handeln

Da die ODR-Verordnung mit Wirkung vom 20.07.2025 aufgehoben und am gleichen Tag auch der Betrieb der OS-Plattform eingestellt werden wird, sollten Online-Händler alle Hinweise auf die OS-Plattform zum Ablauf des 19.07.2025 von Ihren Webseiten und der geschäftlichen Kommunikation entfernen.

Dies betrifft in erster Linie

  • Impressen
  • AGB
  • Email-Signaturen
  • Angaben z.B. im Footer der Webseite

im Rahmen aller Internetauftritte (also nicht nur im eigenen Onlineshop, sondern auch bei Aktivitäten auf Verkaufsplattformen wie Amazon, eBay, etsy usw.).

Hintergrund ist, dass es als irreführend angesehen werden könnte, Verbraucher zum Zwecke der Nutzung einer angeblichen Streitbeilegungsmöglichkeit auf die – dann gar nicht mehr existente – OS-Plattform zu verweisen. Dies könnte zu Abmahnungen führen.

Die Hinweise nach der ADR-Richtlinie, also ob man bereit bzw. verpflichtet ist, an alternativer Streitbeilegung – alternate dispute resolution – ADR – teilzunehmen, bleiben von der Aufhebung der ODR-VO und der OS-Plattform unberührt.

Diese Hinweise müssen also auch nach dem 19.07.2025 noch dargestellt werden.

Update-Service-Mandanten der IT-Recht Kanzlei erhalten angepasste Rechtstexte

Sind Sie bereits Update-Service-Mandant der IT-Recht Kanzlei?

Dann stellen wir Ihnen selbstverständlich bis spätestens zum 19.07.2025 entsprechend angepasste Rechtstexte (Impressum und AGB) zur Verfügung, die keinen Hinweis auf die OS-Plattform mehr enthalten.

Bis zum 19.07.2025 sollten Sie wie gewohnt auf die OS-Plattform hinweisen.

Sie möchten in Sachen Rechtstexte stets auf dem aktuellen Stand bleiben, so dass Sie keine neuen rechtlichen Anforderungen an die Rechtstexte verpassen und dadurch Abmahnungen und Probleme mit Ihren Kunden dauerhafte effektiv vermeiden können?

Gerne sichern wir auch Sie, wie bereits über 80.000 andere Unternehmen, mit unseren abmahnsicheren Rechtstexten inklusive Update-Service dauerhaft vor rechtlichen Bedrohungen ab.

Beauftragen Sie dazu einfach das von Ihnen gewünschte Schutzpaket der IT-Recht Kanzlei!

Aufgepasst, wenn Unterlassungserklärung im Bestand!

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Thema dann, wenn in der Vergangenheit bereits einmal eine Unterlassungserklärung hinsichtlich der Informationspflichten nach der ODR-VO zur OS-Plattform abgegeben worden ist.

In diesem Fall muss vor einer Entfernung der Informationen zur OS-Plattform regelmäßig die Unterlassungserklärung aufgrund der gesetzlichen Änderungen mit Wirkung zum 20.07.2025 gekündigt werden.

Andernfalls droht die Inanspruchnahme auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus vertraglichen Gesichtspunkten, da der vertragliche Unterlassungsanspruch unabhängig von dem Entfall der gesetzlichen Informationspflicht zum 20.07.2025 weiter fortbestehen kann.

Fazit

Die Abschaffung der in der Praxis mehr oder weniger sinnlosen OS-Plattform ist zu begrüßen.

Händler müssen allerdings auf der Hut sein, und Informationen zur OS-Plattform bis zum 20.07.2025 von ihren Webseiten und Angeboten entfernen, da andernfalls eine Irreführung droht.

So wie seinerzeit bei Einführung der OS-Plattform Abmahnungen folgten, könnte dies nun bei deren Abschaltung auch wieder der Fall sein.

Leider handelt es sich hierbei um eine „Terminsache“, da bis zum 19.07.2025 noch informiert werden sollte und die Informationen zur OS-Plattform ab dem 20.07.2025 (einem Sonntag) entfallen müssen.

Die IT-Recht Kanzlei wird Update-Service-Mandanten rechtzeitig mit weiteren Informationen zum Ablauf versorgen und – wie gewohnt – diesen rechtzeitig angepasste Rechtstexte zur Verfügung stellen.

Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle: ESB Professional / shutterstock.com

Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

2 Kommentare

I
IT-Recht Kanzlei 16.01.2025, 13:59 Uhr
Antwort auf Kommentar von CF
Guten Tag,

sicherlich beziehen Sie sich auf den 20.03.2025?

Da die Informationspflichten nach der ODR-VO zwischen dem 20.03. und 19.07.2025 weiterhin bestehen und auch die Webseite der OS-Plattform grundsätzlich in diesem Zeitraum weiterhin erreichbar sein wird, sehen wir derzeit in der bisherigen Form des Hinweises auf das Bestehen der OS-Plattform kein rechtliches Problem.
C
CF 16.01.2025, 12:57 Uhr
Wichtige Rückfrage
Hallo, gemäß der Änderungsverordnung nimmt die OS-Plattform ab dem 20.05.2024 schon keine neuen Fälle mehr an. Muss in diesem Fall nicht der Standard-Text entsprechend angepasst werden?
In etwa so: "Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie hier finden https://ec.europa.eu/consumers/odr/. Gemäß Verordnung xxx wird diese zum 20.07.2024 eingestellt. Das Einreichen von Fällen ist gemäß Verordnung nur bis zum 19.05.2024 möglich."

Beiträge zum Thema

Streiten jetzt attraktiver? Gesetzentwurf soll Verbraucherstreitbeilegung fördern
(24.10.2024, 22:28 Uhr)
Streiten jetzt attraktiver? Gesetzentwurf soll Verbraucherstreitbeilegung fördern
OS-Plattform der EU-Kommission: Dringender Reformbedarf
(17.04.2024, 16:13 Uhr)
OS-Plattform der EU-Kommission: Dringender Reformbedarf
Alternative Streitbeilegung: Ist die OS-Plattform bald Geschichte?
(15.11.2023, 15:41 Uhr)
Alternative Streitbeilegung: Ist die OS-Plattform bald Geschichte?
Verkaufen via Shpock+: Wenn der Link auf die OS-Plattform nur klickbar wäre…
(09.08.2021, 14:50 Uhr)
Verkaufen via Shpock+: Wenn der Link auf die OS-Plattform nur klickbar wäre…
Die EU-Kommission bekommt es nicht hin: OS-Plattform erneut „offline“ und nicht erreichbar!
(17.05.2020, 21:45 Uhr)
Die EU-Kommission bekommt es nicht hin: OS-Plattform erneut „offline“ und nicht erreichbar!
Keine Streitbeilegungsbereitschaft: Link auf OS-Plattform dennoch nötig?
(22.04.2020, 11:40 Uhr)
Keine Streitbeilegungsbereitschaft: Link auf OS-Plattform dennoch nötig?
Kommentar
verfassen
Ihre Meinung zu unserem Beitrag.
* mit Sternchen gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder
Vielen Dank für Ihren Kommentar

Wir werden diesen nach einer kurzen Prüfung
so schnell wie möglich freigeben.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Ihr Kommentar konnte nicht gespeichert werden!

Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie uns:
IT-Recht Kanzlei
Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller
Alter Messeplatz 2
Tel.: +49 (0)89 / 130 1433-0
Fax: +49 (0)89 / 130 1433-60
E-Mail: info@it-recht-kanzlei.de
© 2004-2025 · IT-Recht Kanzlei