Dünne Beweislage: Werbung mit Gewichtsreduzierung muss wegen Gesundheitsbezug wissenschaftlich nachgewiesen werden
Hier hat die Werbung für eine Abnehmprodukt ihr Fett wegbekommen: Es ging um die Bewerbung von Aktiv-Kapseln, die angeblich zur Gewichtsreduktion beitragen. Das LG Aschaffenburg (Urteil vom 24.07.2018, Az. 1 HK O 16/18) hat entschieden, dass die Werbung mit einer Gewichtsabnahme als Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben einzustufen ist – mit der Konsequenz, dass die Vorschriften der Health Claims Verordnung (HCVO) anzuwenden sind und die Wirkung einer Gewichtsabnahme durch Einnahme eines bestimmten Produkts wissenschaftlich nachgewiesen sein muss.
Inhaltsverzeichnis
Fettnäpfchen Werbung: Ist Abnehmen gesund?
Abnehmprodukte haben in Zeiten des Überflusses großen Zulauf – daher wird gerne mit Abnehmerfolgen für Produkte geworben. So auch vorliegend. Es ging um die Bewerbung von Aktiv Kapseln. Diese wurden über den Verkaufssender „Home Shopping Europe“ (HSE) mit folgenden Aussagen beworben:
„… Aktiv spezifisch … Für die Hüfte und die Taille! Sie wollen wieder ’ne Form haben? Dann sind Sie mit 2 Kapseln genau richtig. Enthält Morisil, ’nen Studien geprüfter Naturstoff. Und was macht der? Der bringt die Form zurück“,
„Das gibt die Form. Das reduziert die Taille, und zwar bis zu 7 Zentimeter … In einer Placebo-Doppelblind-Studie nachgewiesen … 7 Zentimeter! Hüfte, 6 Zentimeter! Alles weniger!“,
„Mit 7 Zentimeter weniger, da haben wa heute Morgen fast 2 Kleidergrößen weniger“,
„Das ist der Former für Hüfte und Taille. Und das ist „nen Studien geprüfter Inhaltsstoff. Morosil heißt der. Wird aus den Moro-Blutorangen gewonnen …“,
„… 12 Wochen 3,8 Kilo weniger!“,
„Taillenumfang, 7 Zentimeter weniger! 12 Wochen, 7 Zentimeter weniger.“,
„Hüftumfang, 6 Zentimeter weniger!“,
„Arbeitet der Fetteinlagerung und der Gewichtszunahme entgegen“,
„Das sind Ergebnisse … es ist ’ne Placebo-Doppelblind-Studie“,
„Placebo-Gruppe … Und jetzt schauen Sie nach 12 Wochen Körpergewicht minus 0,41 Kilogramm. Also nix. Hier 3,8 Kilogramm in der Morosil-Gruppe“,
„Taillenumfang in der … Placebogruppe 0,8 cm, also nix. Und 7 Zentimeter in der Morosil-Gruppe“,
„Und Hüftumfang … 0,7 Zentimeter… und minus … 6 Zentimeter weniger“,
„Das sind bis zu zwei Konfektionsgrößen“,
„Und der Naturstoff zeigt ganz einfach, dass er funktioniert, dass der Hüftumfang reduziert wird, der Taillenumfang reduziert wird, dass bis zu 2 Konfektionsgrößen kleiner die Menschen nachher tragen“,
„Und schauen Sie sich mal an, wie viel Studien da gemacht wurden! … Das sind Unmengen an Studien, damit Sie auch ’ne gewisse Sicherheit haben, wenn Sie hier zu xy 3 Aktiv, zugreifen. 24 Studien …. Sie nehmen 2 Kapseln am Tag mit Wasser“,
„Und Ihre Taille freut sich, weil, da kommt die Form zurück“,
„Aber schöner ist es, unanstrengend wieder Taille und Hüfte zu erhalten, nämlich mit 2 Kapseln am Tag“,
„xy Aktiv ist sehr … spezifisch … in der Kombination werden Sie wieder eine Taille bekommen. Sie werden wieder eine Hüfte bekommen. Sie werden wieder ’ne Form bekommen … sie kommt zurück“,
Einem Wettbewerbsverein missfielen diese Werbeaussagen und es wurde abgemahnt und geklagt.
Nach Ansicht der Kläger handele es sich bei diesen Äußerungen um gesundheitsbezogene Angaben, da es sich nicht auf eine bloße Auslobung dahingehend beschränke, dass die Einnahme des umworbenen Mittels rein kosmetisch wirke. Nach Artikel 10 Abs. 1 HCVO seien gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht gemäß Artikel 13 HCVO zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen seien.
Fett weg: Werbeaussagen enthalten gesundheitsbezogene Angaben
Das LG Aschaffenburg hat hier dem Kläger Recht zugesprochen und angenommen, dass die aufgeführten Werbeaussagen gesundheitsbezogene Angaben enthalten.
Nach Artikel 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten (sofern sie nicht gemäß Artikel 13 HCVO zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen sind). Gesundheitsbezogene Angaben sind alle Angaben mit denen erklärt suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht, so das Gericht.
Und weiter:
„Gesundheitsbezogene Angaben erfassen dabei jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (vgl. BGH Urteil vom 26.2.2014, 1 ZR 178/12). Maßgeblich ist dabei, wie die fragliche Angabe vom Verbraucher verstanden wird, wobei auf das Verständnis des normal informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist. Dabei ist vom Gesamteindruck des Werbemittels auszugehen. Aus den Artikeln 13 und 14 der HCVO ergibt sich dass gesundheitsbezogene Angaben sich jedenfalls auf die Förderung bestimmter Funktionen des Körpers beziehen. Unter Körperfunktion versteht man alle physiologisch erfassbaren Prozesse des menschlichen Körpers (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2016 – 13 U 91/16). Gemäß Artikel 12 b HCVO ist eine gesundheitsbezogene Angabe nicht zulässig, wenn sie Angaben zur Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme enthält.“
Das Gericht ging davon aus, dass es sich bei den hier herausgestellten „Abnehmerfolgen“ um gesundheitsbezogene Angaben handelt. Denn die Reduktion von Körpergewicht hat nicht nur ästhetische Hintergründe, sondern vor allem bei bestehenden Übergewicht auch gesundheitliche Auswirkungen – die Richter hierzu weiter:
„Die Schlankheit ist zwar nicht nur ein Merkmal der Gesundheit, sondern wie die Beklagte zu Recht angibt auch ein Merkmal des Erscheinungsbildes. Insbesondere junge Menschen, die Lebensmittel zur Gewichtsabnahme kaufen und verzehren, denken dabei wenig oder gar nicht an ihre Gesundheit, sondern wollen ein attraktives Erscheinungsbild gewinnen. Aber auch nach dieser Auffassung sind entsprechende Angaben gerade nicht aus dem Anwendungsbereich des Artikels 10 HCVO auszunehmen. Mit der Einbeziehung aller Angaben über eine Gewichtsabnahme in den Anwendungsbereichen des Artikels 13 HCVO (vgl. Abs. 1 c) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er solche Angaben grundsätzlich verbieten wolle.“
Nach Artikel 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben allerdings, wie oben erwähnt, nur dann verboten, sofern sie nicht gemäß Artikel 13 HCVO zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen sind. Im Gesetz heißt es hierzu:
Art. 13 HCVO:
„Andere gesundheitsbezogene Angaben als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos
(1) In der in Absatz 3 vorgesehenen Liste enthaltene gesundheitsbezogene Angaben, die
a) die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen,
b) die psychischen Funktionen oder Verhaltensfunktionen, oder
c) unbeschadet der Richtlinie 96/8/EG die schlank machenden oder gewichtskontrollierenden Eigenschaften des Lebensmittels oder die Verringerung des Hungergefühls oder ein verstärktes Sättigungsgefühl oder eine verringerte Energieaufnahme durch den Verzehr des Lebensmittels
beschreiben oder darauf verweisen, dürfen gemacht werden, ohne dem in den Artikeln 15 bis 18 genannten Zulassungsverfahren zu unterliegen, wenn sie
i) sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und
ii) vom durchschnittlichen Verbraucher richtig verstanden werden.
(2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens am 31. Januar 2008 Listen von Angaben gemäß Absatz 1 zusammen mit den für sie geltenden Bedingungen und mit Hinweisen auf die entsprechende wissenschaftliche Absicherung.
(3) Nach Anhörung der Behörde verabschiedet die Kommission nach dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Verfahren spätestens am 31. Januar 2010 eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben gemäß Absatz 1 sowie alle erforderlichen Bedingungen für die Verwendung dieser Angaben.
(4) Änderungen an der Liste nach Absatz 3, die auf allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, werden nach Anhörung der Behörde auf eigene Initiative der Kommission oder auf Antrag eines Mitgliedstaats nach dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Verfahren verabschiedet.
(5) Weitere Angaben, die auf neuen wissenschaftlichen Daten beruhen und/oder einen Antrag auf den Schutz geschützter Daten enthalten, werden nach dem Verfahren der Artikel 15 bis 18 in die in Absatz 3 genannte Liste aufgenommen.
Weder das streitgegenständliche Produkt noch der Wirkstoff, ein Blutorangenextrakt, wurden in die Liste des Art. 13 aufgenommen, so das Gericht. Daher kann sich die Beklagte nicht auf diese Ausnahme berufen.
Nachweis der Wirksamkeit erforderlich
Gem. Artikel 5 Abs. 1 a HCVO ist für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben der Nachweis der ernährungsphysiologischen Wirksamkeit anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise zu führen – bedeutet: Die Werbeaussage ist nur dann zulässig, wenn die behauptete wissenschaftliche Wirkung anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse bereits zu dem Zeitpunkt nachgewiesen ist, in dem die Angabe gemacht wird. Derjenige, der mit gesundheitsbezogenen Wirkungen eines Produkts wirbt, hat darzulegen und zu beweisen, dass die beworbenen Wirkungen wissenschaftlich belegt sind (BGH GRUR 2002, 182; OLG Zweibrücken, v. Beschluss vom 16.3.2010, 4 U 146/09).
Und wann ist eine Wirkung allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnis? Schwer zu sagen: Welche Nachweise hier anzulegen sind hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab - wenn mit Aussagen über die menschliche Gesundheit geworben wird, legt die Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen an. Legt man also die strengen Massstäbe der Arzneimittelwerbvung an, so ist "eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit adäquater statistischer Auswertung, die durch die Veröffentlichungin den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist“ (BGH, Urteil v. 06.02.2013 - I ZR 62/11), erforderlich. Ob alleine und wirklich diese strengen Anforderungen auch bei Abnehmpillen anzulegen sind, kann aber von Fall zu all und Gericht zu Gericht ggf. unterschiedlich beurteilt werden.
Wer mehr wissen will: Wir haben in diesem ausführlichen Beitrag alle rechtlichen Probleme rund um die Health-Claim-Verordnung zusammengefasst.
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