Achtung Abmahnung: unzulässiger Ausschluss des Verbraucher-Widerrufsrechts
Eine uns aktuell vorliegende Abmahnung hat den unzulässigen Ausschluss des 14-tägigen Widerrufsrechts eines Verbrauchers zum Gegenstand. Dieses kann nämlich nur in einigen gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden. Im Folgenden zeigen wir, in welchen Fällen und auf welche Art ein zulässiger Ausschluss möglich ist.
Inhaltsverzeichnis
- Was war Anlass der Abmahnung?
- Grundsätzliches zum Ausschluss des Widerrufsrechts
- Wie ist die Abmahnung rechtlich zu bewerten?
- Praxisempfehlung - Vorgehensweise bei bestehendem bzw. ausgeschlossenem Widerrufsrecht
- 1. Belehrung bei bestehendem Widerrufsrecht:
- 2. Belehrung bei nicht bestehendem Widerrufsrecht:
- Fazit
- Sie haben eine Abmahnung erhalten - so reagieren Sie richtig!
Was war Anlass der Abmahnung?
In einer aktuellen Abmahnung wurde der unzulässige Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB bemängelt.
Der abgemahnte Händler bot in seinem Online-Shop u.a. Wohnraumteppiche an. Für diese Produkte schloss er das Widerrufsrecht von Verbrauchern wie folgt aus:
"Ausschluss bzw. vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts
Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Dies bedeutet, dass Wohnraumteppiche nicht unter Widerrufsrecht fallen, da diese immer individuell hergestellt werden."
Der Hinweis auf das ausgeschlossene Widerrufsrecht war erneut nach Auswahl des betreffenden Wohnmobilherstellers, des Modells, dessen Baujahr und einer bestimmten Farbe angegeben.
Grundsätzliches zum Ausschluss des Widerrufsrechts
Bestimmte Verträge sehen ein zeitlich begrenztes Widerrufsrecht für Verbraucher vor. Dies ist der Fall bei Verträgen, die nur über Fernkommunikationsmittel (E-Mail, Telefon oder Internet) oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden (§ 312g Abs. 1 BGB) .
Grundsätzlich gilt daher: Tätigt ein Verbraucher bei einem Online-Händler eine Bestellung (Fernabsatzvertrag), besitzt er ein 14-tägiges Widerrufsrecht.
Erklärt der Verbraucher (definiert in § 13 BGB) sein Widerrufsrecht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen gegenüber dem Unternehmer (definiert in § 14 BGB) , sind beide Parteien nicht mehr an den Vertrag gebunden.
Die Frist ist bereits gewahrt, wenn die Widerrufserklärung innerhalb der 14 Tage abgesendet wird. Sie beginnt jedoch nicht zu laufen, solange der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat (s.u. III.).
Dabei ist die Ausübung des Widerrufsrechts an keine Form gebunden. Sie kann ebenso mündlich, per Telefon oder E-Mail erfolgen.
Bei Erklärung des Widerrufs haben die Parteien die jeweils erhaltenen Leistungen spätestens nach 14 Tagen zurück zu gewähren. Hat der Verbraucher den Kaufpreis bereits entrichtet, muss der Unternehmer ihm diesen zurückerstatten.
Dagegen muss der Verbraucher die empfangene Ware an den Unternehmer zurücksenden. Dabei hat der Verbraucher selbst die Rücksendungskosten zu tragen, wenn er hierüber ordnungsgemäß vor Vertragsschluss vom Unternehmer informiert wurde (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB) .
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht jedoch nicht ausnahmslos. In einigen Situationen muss der Händler vor einer unzumutbaren Rückabwicklung des Vertrages geschützt werden. Ebenso ist in diesen Fällen das für den Verbraucher bestehende Missbrauchspotenzial einzugrenzen.
§ 312g Abs. 2 BGB bestimmt 13 Fälle, in denen das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist bzw. vorzeitig erlischt. Der effektive Verbraucherschutz gebietet jedoch, die Ausnahmen eng auszulegen und die Fälle des Ausschlusses so weit wie möglich zu begrenzen.
Lesetipp: Sie möchten sich ausführlicher über die einzelnen Ausnahmefälle des Widerrufsrechts informieren? In diesem Beitrag beleuchten wir die relevantesten Ausschlusstatbestände und die hierzu bislang erfolgte Rechtsprechung näher.
Wie ist die Abmahnung rechtlich zu bewerten?
Der Ausschluss nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB für kundenspezifische Ware greift allerdings erst, wenn das Produkt auf individuelle Bestellung des Verbrauchers hergestellt wird.
Denn eine solch individualisierte Ware ist nach dem Widerruf regelmäßig nicht mehr verkäuflich. Der Ausschluss des Widerrufsrechts schützt daher den Unternehmer davor, auf dem Produkt sitzen zu bleiben.
Für einen solchen Ausschluss reichen jedoch folgende Umstände nicht aus:
- der Unternehmer hat die Ware nicht vorrätig verfügbar.
- der Verbraucher kann gewisse Eigenschaften der Ware aus bereitgestellten Listen des Unternehmers aussuchen. Vielmehr muss die Ware speziell auf die Wünsche und Anliegen des Verbrauchers zugeschnitten sein.
- der Unternehmer produziert ein Standardprodukt erst aufgrund der Bestellung des Verbrauchers. Dabei ist auch unerheblich, ob der Unternehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter die Ware anfertigt.
Die Auswahl des Fahrzeugmodells, des Baujahrs und der Farbe des betreffenden Wohnraumteppichs reichen daher nicht für die Anfertigung einer kundenspezifischen Ware nach § 312g Abs. 2 Nr.1 BGB aus. Es liegen gerade nicht Produkte vor, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.
Vielmehr sind Standardwaren gegeben, die ggf. erst nach Bestellung des Verbrauchers angefertigt werden. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers ist hier unzulässig.
Der unzulässige Ausschluss des Widerrufsrechts ist wettbewerbswidrig (§§ 3a, 5 UWG) . Dem Händler können Unterlassungs- und ggf. Schadensersatzansprüche drohen (§§ 8, 9 UWG) .
Praxisempfehlung - Vorgehensweise bei bestehendem bzw. ausgeschlossenem Widerrufsrecht
Unabhängig vom im Einzelfall ggf. einschlägigen Ausnahmetatbestand sollten Unternehmer grundsätzlich folgende Punkte im Hinblick auf ein bestehendes bzw. ausgeschlossenes Widerrufsrecht beachten:
1. Belehrung bei bestehendem Widerrufsrecht:
Besitzt der Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB, ist der Händler dazu verpflichtet, ihn hierüber zu informieren (Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB) . Unternehmer müssen Verbraucher ordnungsgemäß über das bestehende Widerrufsrecht belehren. Dabei ist u.a. die Übernahme der Rücksendungskosten durch den Verbraucher zu berücksichtigen.
Für die ordnungsgemäße Unterrichtung können Händler der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB ein gesetzliches Muster hierzu zu entnehmen.
2. Belehrung bei nicht bestehendem Widerrufsrecht:
Greift einer der in § 312g Abs. 2 BGB aufgezählten Ausnahmetatbestände, ist ebenso an eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers über den Ausschluss bzw. das vorzeitige Erlöschen zu denken (§ 246a § 1 Abs. 3 EGBGB) .
Steht dem Verbraucher kein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1, 2, 5 und 7 bis 13 BGB zu, hat der Unternehmer ihn darüber zu informieren, dass er seine Willenserklärung nicht widerrufen kann. In diesen Fällen trifft Händler ebenfalls die Pflicht, den Verbraucher über den Umstand zu belehren, dass er ausnahmsweise kein Widerrufsrecht besitzt.
Erlöscht das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 2 Nr. 3, 4 und 6 BGB vorzeitig, muss der Unternehmer ihn über die Umstände informieren, unter denen er das Widerrufsrecht verliert.
Dies wirft die Frage auf, in welcher Form über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht zu belehren ist.
Das Gesetz bestimmt insoweit eine besondere Informationspflicht. Es trifft aber keine Aussagen darüber, in welcher Form und mit welchem Inhalt diese genau erfüllt werden kann.
Jedenfalls die formalen Voraussetzungen werden in Art. 246a § 4 EGBGB konkretisiert: Dieser sieht vor, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen vor Abgabe dessen Vertragserklärung in einer klaren, verständlichen und an das verwendete Fernkommunikationsmittel angepassten Weise bereitstellt.
Der besonderen Informationspflicht könnte auf folgenden Wegen nachgekommen werden:
a) Vollständige Widerrufsbelehrung
Zunächst erscheint es paradox, einen Verbraucher mitunter über ein Widerrufsrecht zu unterrichten, nur um es daraufhin direkt wieder auszuschließen. Eine vollständige Widerrufsbelehrung ist dennoch geeignet, die vorgeschriebene Informationspflicht ordnungsgemäß umzusetzen. Ausschlaggebend ist, dass sie einen entsprechenden Hinweis zum Ausschluss des Widerrufsrechts aufweist. Sonst könnte der Unternehmer nicht hierauf gegenüber dem Verbraucher verweisen.
b) Isolierter Hinweis zum Ausschluss des Widerrufsrechts
Alternativ besteht die Möglichkeit isoliert auf den Ausschluss des Widerrufsrechts für den konkreten Fall hinzuweisen (z.B. in einer separaten Klausel der AGB).
Eine Musterformulierung eines solchen Hinweises stellt die IT-Recht Kanzlei ihren Mandanten kostenlos in diesem Beitrag zur Verfügung.
Empfehlung: Mit Blick auf die möglichen rechtlichen Risiken ist die Lösung vorzuziehen, die eine vollständige Widerrufsbelehrung bereitstellt, inklusive eines zutreffenden Hinweises zum Ausschluss des Widerrufsrechts für den konkreten Fall. Wählt der Händler nämlich lediglich den separaten Hinweis auf den vorliegenden Ausschluss des Widerrufsrechts, muss er sich vollkommen sicher sein, dass sein Sortiment nur Artikel anbietet, die vom gesetzlichen Widerrufsrecht ausgenommen sind.
Bei einer zusätzlichen vollständigen Widerrufsbelehrung dagegen wäre der Unternehmer auch im Falle eines unzulässigen Ausschlusses des Widerrufsrechts seinen Informationspflichten ordnungsgemäß nachgekommen. Die Kombinationslösung aus umfassender Widerrufsbelehrung und isolierten Ausschluss-Hinweis gewährleistet daher die nötige Absicherung für jeden Fall.
Fazit
Online-Händler haben Vorsicht beim Umgang mit dem 14-tägigen Widerrufsrecht eines Verbrauchers walten zu lassen. Zur Vorbeugung einer Abmahnung müssen sie sicherstellen, dass der beabsichtige Ausschluss des Widerrufsrechts tatsächlich unter einen der in § 312g Abs. 2 BGB aufgeführten Ausnahmetatbestände fällt.
Im Hinblick auf den relevanten Fall der kundenspezifischen Ware nach § 312g Abs. 2 Nr.1 BGB muss es sich um ein auf die individuelle Bestellung des Verbrauchers hin angefertigtes Produkt handeln. Die Auswahl bestimmter Eigenschaften der Waren aus bereitgestellten Listen des Unternehmers oder die Anfertigung von Standardwaren nach Bestellung des Verbrauchers genügen hierfür nicht.
Bei bestehendem wie ausgeschlossenem Widerrufsrecht hat der Händler stets die ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht zu beachten (Art. 246a § 1 Abs. 3, § 4 EGBGB) .
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Sie haben eine Abmahnung erhalten - so reagieren Sie richtig!
Lassen Sie die Abmahnung trotz der regelmäßig kurzen Fristen anwaltlich von einem Spezialisten überprüfen – in diesen Abmahnungen geht es oft um hohe Zahlungsforderungen, hier sollte der Betroffene nicht vorschnell handeln. Auch die vorformulierte Unterlassungserklärung ist in den uns vorliegenden Fällen fast immer einseitig und zudem gefährlich vorformuliert und sollte in dieser Form nicht abgegeben werden!
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