Müssen Händler ihre Waren in andere EU-Mitgliedstaaten liefern?

Müssen Händler ihre Waren in andere EU-Mitgliedstaaten liefern?
Stand: 24.10.2022 4 min 2

In der Vergangenheit ist eine Pflicht von Händlern zur Lieferung ihrer Waren in sämtliche EU-Mitgliedstaaten immer wieder diskutiert worden. Entschieden wurde in dieser Frage schließlich durch Verabschiedung der EU-Anti-Geoblocking-Verordnung. Der seit dem 03.12.2018 geltende Rechtsakt bringt für EU-Händler zwar einen Kontrahierungszwang mit sich. Wird dadurch aber auch eine EU-weite Lieferpflichten begründet?

I. Binnenmarkt total?

Bereits vor einigen Jahren gab es eine größere Diskussion darüber, ob Händlern in der EU gesetzlich vorgeschrieben werden sollte, ihre Waren in der gesamten EU zu verkaufen (die IT-Recht Kanzlei berichtete darüber). Nur dann wäre der EU-Binnenmarkt wirklich vollendet, wie es die Europäische Union anstrebt. Betroffen wären davon nicht jedoch nur große, sondern auch mittlere und kleine Webshop-Betreiber. Viele dürfte dies überfordern, wenn man alleine schon an die unterschiedlichen Umsatzsteuer- und Verbraucherschutzgesetze denkt.

In der Frage des EU-weiten Warenverkaufs wurde schließlich durch Verabschiedung der EU-Anti-Geoblocking-Verordnung (VO (EU) Nr. 2018/302), die seit dem 03.12.2018 europaweit gilt, ein zweispuriges Modell eingeführt:

Die Verordnung verpflichtet Händler zwar, Kunden EU-weit Vertragsschlüsse zu ermöglichen. EU-weite Lieferungen müssen sie aber nicht anbieten.

Banner Unlimited Paket

II. Beschränkungen des Liefergebiets bleiben möglich

Die Anti-Geoblocking-Verordnung verbietet es Händlern nicht, Lieferungen in andere EU-Länder grundsätzlich auszuschließen, also das Liefergebiet z.B. auf Deutschland zu beschränken bzw. nur in manche EU-Länder zu liefern.

Kauft ein EU-Ausländer bei einem deutschen Händler (was dieser seit dem 03.12.2018 ja grundsätzlich ermöglichen muss), der nur nach Deutschland versendet, muss der Käufer die Ware selbst beim Händler abholen (dies aber auch nur, wenn der Händler grundsätzlich Selbstabholung anbietet) oder eben eine deutsche Zustelladresse benennen.

Jedoch gilt auch in Bezug auf die Lieferung der Ware ein Diskriminierungsverbot dahingehend, dass der Verkäufer im Rahmen des von ihm definierten Liefergebiets Inländer und EU-Ausländer gleich behandeln muss (also etwa, dass die Versandkosten für eine Lieferung nach Deutschland für deutsche Käufer nicht niedriger sein dürfen als für Käufer aus dem EU-Ausland, die eine Lieferung nach Deutschland wünschen).

Hierzu ein paar Beispiele:

IT-Recht Kanzlei

Exklusiv-Inhalt für Mandanten

Noch kein Mandant?

Ihre Vorteile im Überblick
  • Wissensvorsprung
    Zugriff auf exklusive Beiträge, Muster und Leitfäden
  • Schutz vor Abmahnungen
    Professionelle Rechtstexte – ständig aktualisiert
  • Monatlich kündbar
    Schutzpakete mit flexibler Laufzeit
Laptop
Ab
5,90 €
mtl.

Hat der Händler sein Liefergebiet beschränkt und liegt die Lieferadresse eines EU-Kunden außerhalb dieses Gebiets, hat der Kunde keinen Anspruch auf Lieferung in sein Land. Auch muss der Händler für die Angabe der Versandadresse das Interface seines Shops nicht für alle europäischen Länder und Postleitzahlen öffnen, sondern kann dieses gemäß seines Liefergebietes limitieren.

Der Kunde ist gehalten, eine Lieferadresse im festgelegten Liefergebiet des Händlers zu benennen oder alternativ eine Abholung in einem stationären Geschäft des Händlers zu wählen (sofern der Händler letzteres anbietet).

Liefert der Händler an die vom Kunden genannte Lieferadresse bzw. an den Abholort, so ist der Kunde ab diesem Zeitpunkt für den Transport zu seinem Wohnsitz allein verantwortlich.

Beispiel: Ein belgischer Kunde möchte einen Kühlschrank auf der deutschen Internetseite eines Händlers kaufen, der nur an Adressen in Deutschland liefert. Wenn der belgische Kunde die Ware in den Räumlichkeiten des Anbieters abholen möchte oder an irgendeiner anderen deutschen Lieferadresse, die der Anbieter beliefert, darf der Anbieter diesen Kunden nicht aufgrund seiner belgischen Staatsangehörigkeit diskriminieren oder weil er in Belgien lebt oder dort seine Niederlassung hat. Der belgische Kunde kann den deutschen Anbieter jedoch nicht dazu verpflichten, die Ware nach Belgien zu liefern.

III. Fazit

Auch unter Geltung der EU-Antigeoblocking-Verordnung (VO (EU) Nr. 2018/302) bleibt es Online-Händlern weiterhin gestattet, Ihr Liefergebiet eigenständig zu definieren und selbst zu entscheiden, welche EU-Länder Sie beliefern wollen.

Die Verordnung verpflichtet Händler zwar dazu, Vertragsschlüsse mit Kunden EU-weit zuzulassen. Einen Anspruch auf Lieferung auch in das Zielland des Kunden wird damit aber nicht automatisch begründet. Vielmehr muss der Kunde, sofern der Versand nicht angeboten wird, entweder eine Lieferadresse im Liefergebiet des Händlers oder - sofern vom Händler angeboten - die Selbstabholung wählen.

Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle: M. Abuaasy / shutterstock.com

Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

2 Kommentare

T
Thomas Hueber 24.10.2022
EU Verkauf unterbunden
Ich wollte gerade ein Fahrzeug in Frankreich kaufen, mit Selbstabholung. Händler verweigert den Verkauf, man habe den Verkauf für Export (sic) untersagt. Ist so was rechtens?
J
Johanna 24.10.2022
Was ist mit herunterladbaren Waren?
Was ist wenn meine Kunden ihre Käufe herunterladen können. Dann kann ich ja keinen Kauf in die EU umgehen. Ich bin Kleinunternehmerin und führe somit keine MwSt. ab.

Beiträge zum Thema

Januar 2025: Umweltbundesamt legt Abgabe für Einwegkunststofffond fest
(23.12.2024, 15:47 Uhr)
Januar 2025: Umweltbundesamt legt Abgabe für Einwegkunststofffond fest
reCAPTCHA: Rechtliche Anforderungen + DSGVO-freundliche Alternative
(20.12.2024, 11:17 Uhr)
reCAPTCHA: Rechtliche Anforderungen + DSGVO-freundliche Alternative
Händler erhält nicht verkehrsfähige Ware: Was tun?
(20.12.2024, 07:45 Uhr)
Händler erhält nicht verkehrsfähige Ware: Was tun?
Ab 30.12.2025: EU-Pflichten für entwaldungsfreie Agrarprodukte
(19.12.2024, 13:31 Uhr)
Ab 30.12.2025: EU-Pflichten für entwaldungsfreie Agrarprodukte
Hinweispflichten: Vertrieb von Ersatzteilen für Gasanlagen
(18.12.2024, 10:07 Uhr)
Hinweispflichten: Vertrieb von Ersatzteilen für Gasanlagen
2025 - Änderungen für Händler: ein Überblick
(18.12.2024, 07:43 Uhr)
2025 - Änderungen für Händler: ein Überblick
Kommentar
verfassen
Ihre Meinung zu unserem Beitrag.
* mit Sternchen gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder

Vielen Dank für Ihren Kommentar

Wir werden diesen nach einer kurzen Prüfung
so schnell wie möglich freigeben.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Ihr Kommentar konnte nicht gespeichert werden!

Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie uns:
IT-Recht Kanzlei
Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller
Alter Messeplatz 2
Tel.: +49 (0)89 / 130 1433-0
Fax: +49 (0)89 / 130 1433-60
E-Mail: info@it-recht-kanzlei.de
© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei