Darf Marktplatzbetreiber Händler-Angebote sperren, die sich nicht an Rabattaktion beteiligen?
Darf der Betreiber eines Online-Marktplatzes Angebote eines Händlers auf dem Marktplatz vorübergehend aussetzen, wenn er sich nicht an einer von dem Marktplatzbetreiber geplanten Rabattaktion beteiligt?
Inhaltsverzeichnis
I. Verstoß gegen vertragliche Grundsätze
Die Vorgehensweise könnte gegen vertragliche Grundsätze verstoßen. Zwar kann der Marktplatzbetreiber für den Handel auf seinem Marktplatz bestimmte Verhaltensregeln vorgeben, an die sich jeder Nutzer des Marktplatzes zu halten hat. Allerdings müssen diese Verhaltensregeln ihrerseits wirksam sein, damit der Marktplatzbetreiber sich hierauf berufen kann.
1) Nutzungsbedingungen des Marktplatzbetreibers
Solche Verhaltensregeln ergeben sich üblicherweise aus „Nutzungsbedingungen“ oder „Richtlinien“, die der Marktplatzbetreiber bei Abschluss seiner Nutzungsverträge mit den Nutzern verwendet. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB unterliegen, sofern für den Nutzungsvertrag deutsches Recht Anwendung findet.
Praxistipp: Fordert der Marktplatzbetreiber vom Händler ein bestimmtes Verhalten auf dem Marktplatz ein, sollte der Händler zunächst prüfen, ob dies mit den Nutzungsbedingungen übereinstimmt, denen er bei Abschluss des Nutzungsvertrages ggf. zugestimmt hat.
a) Problem: Anwendbares Recht
Ergibt sich aus dem Inhalt der Nutzungsbedingungen, dass der Marktplatzbetreiber vom Händler ein bestimmtes Verhalten auf dem Marktplatz einfordern kann, so bedeutet dies aber noch nicht, dass sich der Marktplatzbetreiber auch tatsächlich hierauf berufen kann. Dies würde nämlich voraussetzen, dass es sich hierbei um eine wirksame Regelung handelt, die einer gerichtlichen Kontrolle im Streitfall standhält.
Ob es sich um eine wirksame Regelung handelt, beurteilt sich nach dem im konkreten Fall anzuwenden Landesrecht. Auch hierzu können die Nutzungsbedingungen des Marktplatzbetreibers eine Regelung enthalten, die ihrerseits wirksam sein muss. Gerade bei Online-Marktplätzen, die ihren Geschäftssitz nicht in Deutschland, sondern im Ausland haben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Nutzungsbedingungen für solche Streitfälle die Anwendbarkeit einer ausländischen Rechtsordnung vorsehen, was gerade bei Verträgen zwischen Unternehmern (B2B) durchaus üblich und grundsätzlich auch möglich ist.
Selbst wenn die Nutzungsbedingungen des Marktplatzes hierfür keine besondere Regelung enthalten, so könnte man nicht ohne Weiteres von der Geltung deutschen Rechts ausgehen, sofern der Marktplatzbetreiber seinen Geschäftssitz im Ausland hat. Auch in diesem Fall müsste auf Grundlage der Regelungen zum internationalen Privatrecht zunächst einmal ermittelt werden, welche Rechtsordnung für die zugrundeliegende Streitigkeit zur Anwendung kommt.
b) Wirksamkeitskontrolle (nach deutschem Recht)
Enthalten die Nutzungsbedingungen des Marktplatzbetreibers eine Regelung zum streitigen Sachverhalt und ist hierauf deutsches Recht anwendbar, so muss die betreffende Regelung einer Wirksamkeitskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB unterzogen werden.
Da es sich sowohl beim Marktplatzbetreiber als auch beim Händler jeweils um einen Unternehmer handelt, ist insoweit die Regelung des § 310 Abs. 1 BGB zu beachten. Dieser regelt auszugsweise Folgendes:
"§ 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen."
Wendet man die vorgenannte Vorschrift auf den oben beschriebenen Sachverhalt an, so spricht Einiges dafür, dass eine Regelung, wonach der Marktplatzbetreiber berechtigt ist, den Händler vorübergehend mit seinen Angeboten vom Marktplatz auszuschließen, wenn dieser sich nicht an einer vom Marktplatzbetreiber geplanten Rabattaktion beteiligt, unwirksam ist, da sie den Händler unter Berücksichtigung der Gesamtumstände unangemessen benachteiligt. Dies muss jedenfalls für den Fall gelten, dass die Angebote des Händlers für den betreffenden Zeitraum vollständig ausgeblendet werden, ohne dass dieser hierfür eine angemessene Kompensation erhält. Zwar kann der Marktplatzbetreiber sich ggf. darauf berufen, dass er hierdurch Chancengleichheit für alle Händler auf dem Marktplatz schaffen möchte. Allerdings greift er hierdurch in erheblichem Maße in die Preisgestaltungsfreiheit der Händler ein und beraubt sie für den Fall, dass diese sich nicht an der Aktion beteiligen, der Möglichkeit, überhaupt Umsatz über den Marktplatz zu generieren.
c) Nichtigkeitskontrolle nach der P2B-Verordnung
Geht es um die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einseitiger Maßnahmen von Marktplatzbetreibern gegenüber den Nutzern des Online-Marktplatzes, muss man seit dem 12.07.2020 auch die gesetzlichen Vorgaben der Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-Verordnung) berücksichtigen.
Mit dieser Verordnung soll zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beigetragen werden, indem Vorschriften festgelegt werden, mit denen sichergestellt wird, dass für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und Nutzer mit Unternehmenswebsite im Hinblick auf Suchmaschinen eine angemessene Transparenz, Fairness und wirksame Abhilfemöglichkeiten geschaffen werden.
Die Verordnung gilt für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, unabhängig vom Niederlassungsort oder Sitz der Anbieter dieser Dienste und unabhängig vom ansonsten anzuwendenden Recht, die gewerblichen Nutzern und Nutzern mit Unternehmenswebsite bereitgestellt bzw. zur Bereitstellung angeboten werden, die ihre Niederlassung oder ihren Wohnsitz in der Europäischen Union haben und die über diese Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen Waren oder Dienstleistungen in der Europäischen Union befindlichen Verbrauchern anbieten.
In Artikel 3 enthält die Verordnung besondere Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Marktplatzbetreibern. Danach müssen die AGB u. a. die Gründe benennen, bei deren Vorliegen entschieden werden kann, die Bereitstellung ihrer Online-Vermittlungsdienste für gewerbliche Nutzer vollständig oder teilweise auszusetzen oder zu beenden oder sie in irgendeiner anderen Art einzuschränken (Art. 3 Abs. 1 lit. c).
Allgemeine Geschäftsbedingungen oder darin enthaltene Einzelbestimmungen, die den Anforderungen des Artikel 3 Abs. 1 nicht genügen, sind nach Art. 3 Abs. 3 nichtig.
2) Sonstige vertragliche Grundlagen
Beruft sich der Marktplatzbetreiber bei seiner Vorgehensweise nicht auf seine Nutzungsbedingungen, da diese hierzu keine Regelung enthalten oder wurden bei Vertragsschluss überhaupt keine Nutzungsbedingungen vereinbart, stellt sich die Frage, ob sich der Marktplatzbetreiber auf eine andere rechtliche Grundlage stützen kann.
Denkbar wäre etwa eine Art „Hausrecht“, welches dem Marktplatzbetreiber bestimmte Befugnisse zur Regelung seines Marktplatzes gewährt um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Dabei sind jedoch die Interessen aller Parteien zu berücksichtigen, insbesondere auch diejenigen der Händler, die Ihre Waren auf dem Marktplatz zum Verkauf anbieten. Könnte der Marktplatzbetreiber insoweit nach Belieben schalten und walten, wären dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Auch insoweit müssen die gesetzlichen Vorgaben der P2B-Verordnung berücksichtigt werden, wenn der Händler seinen Sitz innerhalb der EU hat. Artikel 4 der Verordnung enthält Regelungen zu Einschränkung, Aussetzung und Beendigung des Dienstes durch den Marktplatzbetreiber.
Danach gilt u. a.:
"Beschließt ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, die Bereitstellung seiner Online-Vermittlungsdienste für einen bestimmten gewerblichen Nutzer in Bezug auf einzelne von diesem gewerblichen Nutzer angebotene Waren oder Dienstleistungen einzuschränken oder auszusetzen, so übermittelt er dem betroffenen gewerblichen Nutzer vor oder gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Aussetzung oder Einschränkung auf einem dauerhaften Datenträger eine Begründung dieser Entscheidung."
Anhand der erforderlichen Begründung könnte der Händler dann auch die Rechtmäßigkeit der Maßnahme prüfen. Im vorliegenden Fall dürfte man dabei unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die (vorübergehende) Sperrung der Angebote des Händlers unverhältnismäßig ist, da die geplante Rabattaktion des Marktplatzbetreibers unabhängig davon stattfinden könnte, indem sie auf die Angebote anderer Händler beschränkt wird.
II. Wettbewerbsverstoß
Daneben könnte das Verhalten des Marktplatzbetreibers auch wettbewerbswidrig sein.
Insoweit kommt insbesondere ein Verstoß gegen den Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 4 UWG in Betracht. Danach handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert.
Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern in diesem Sinne setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die zusätzlich zu der mit jedem Wettbewerb verbundenen Beeinträchtigung weitere Unlauterkeitsmerkmale aufweist, damit von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann (BGH, Urt. v. 7.10.2009, I ZR 150/07, Tz. 12 – Rufumleitung).
Wird der Händler mit seinen Angeboten für die Dauer der Rabattaktion vollständig vom Marktplatz ausgeschlossen, so ist hierin eine gezielte Behinderung zu sehen. Sofern der Marktplatzbetreiber selbst auch als Verkäufer auf dem Marktplatz agiert, ist er selbst Mitbewerber des Händlers. Eine gezielte Behinderung in diesem Sinne kommt aber auch dann in Betracht, wenn der Marktplatzbetreiber selbst nicht Mitbewerber des betroffenen Händlers ist:
Bei den mitbewerberbezogenen Verhaltensnormen des § 4 Nr. 7-10 (alt) UWG handelt es sich um Normen, die den Schutz eines Unternehmens vor bestimmten Maßnahmen des Behinderungswettbewerbs bezwecken; daher kann eine unlautere Behinderung auch dann eintreten, wenn der betroffene Unternehmer nicht auf demselben relevanten Markt tätig ist wie der handelnde Unternehmer (OLG Hamburg, Beschl. v. 5.6.2014, 3 W 64/14, Tz. 8).
Es besteht auch das weiter erforderliche (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. In den Fällen des – hier in Rede stehenden – Behinderungswettbewerbs liegt ein solches Wettbewerbsverhältnis schon dann vor, wenn die „konkrete geschäftliche Handlung objektiv geeignet und darauf gerichtet sei, den Absatz des Handelnden zum Nachteil des Absatzes eines anderen Unternehmers zu fördern“. Es kommt danach in diesen Fällen nicht darauf an, ob sich die Parteien an dieselben Abnehmerkreise wenden. Würde man dies auch für den Behinderungswettbewerb voraussetzen, so wären Eingriffe eines Marktteilnehmers aus einer ganz anderen Branche nicht zu erfassen, obwohl sie sich in gleichem Maße behindernd auswirken können wie solche von Mitbewerbern aus derselben Branche (OLG Köln, Urt. v. 10.2.2012, 6 U 187/11).
Anders als bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einzelner AGB-Regelungen des Marktplatzbetreibers ist bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht deutsches Recht anwendbar, wenn der Verstoß (auch) in Deutschland verwirklicht wurde.
Zudem ist in solchen Fällen gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UWG auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Hat der von der gezielten Behinderung betroffene Händler seinen Sitz in Deutschland, so wird diese auch in Deutschland begangen, da er (vorübergehend) nicht mehr über den Online-Marktplatz verkaufen kann.
III. Fazit
Betreiber von Online-Marktplätzen dürfen Angebote Ihrer Nutzer nicht ohne Weiteres einschränken, aussetzen oder beenden, auch nicht im Rahmen einer Rabattaktion, an der sich ein Händler nicht beteiligen möchte. Eine solche Befugnis kann für den oben beschriebenen Sachverhalt weder aus ggf. vom Marktplatzbetreiber verwendeten AGB noch aus sonstigen vertraglichen Grundsätzen hergeleitet werden. Hat der Händler seinen Sitz in der EU, sind bei solchen Maßnahmen des Marktplatzbetreibers immer auch die gesetzlichen Vorgaben der P2B-Verordnung zu berücksichtigen. Daneben kommt auch ein wettbewerbswidriges Verhalten des Marktplatzbetreibers in Betracht, da es sich insoweit um eine gezielte Behinderung des betroffenen Händlers handeln könnte.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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