Zitatrecht: Wann ist Werbung mit fremden Zitaten zulässig?
Fremde Zitate bekannter Persönlichkeiten werden im Internet oft und gerne unter dem vermeintlichen Deckmantel der Zitierfreiheit verwendet. Doch Vorsicht: Das Gesetz lässt die Verwendung fremder Zitate nur unter engen Voraussetzungen zu. Liegen diese nicht vor, begeht der Zitierende eine Urheberrechtsverletzung, die schnell richtig teuer werden kann. In welchem Umfang das Urheberrecht die Werbung mit fremden Zitaten zulässt, erfahren Sie im Folgenden.
Inhaltsverzeichnis
A. Grundsätzlich: Verwendung von Zitaten nur mit Einverständnis des Urhebers
Das Urheberrecht schützt geistige und künstlerische Leistungen, wie Gemälde, Skulpturen, Theaterinszenierungen, Fotografien und Texte. Nicht jedes Werk ist jedoch urheberrechtlich geschützt. Entscheidend ist, dass das Werk eine gewisse „Schöpfungshöhe“ aufweist. § 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) erfordert insoweit, dass das Werk eine persönliche geistige Schöpfung des Urhebers sein muss. Das bedeutet, dass das Werk ein gewisses Maß an Individualität aufweisen muss. Dabei wird die Messlatte jedoch sehr niedrig angesetzt, es gilt der sogenannte „Schutz der kleinen Münze“.
Für Texte bedeutet dies: Auch ein Textteil wie etwa ein kurzes Zitat einer bekannten Persönlichkeit kann urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn es etwas Eigentümliches, Individuelles aufweist. Dies ist bei einfachen, allgemeingültigen Sätzen wie „Das Wetter ist heute schön“ nicht der Fall. Aber sobald in einem Text bzw. Textteil eine schöpferische Leistung des Urhebers zutage tritt, unterliegt er dem Schutz des UrhG.
Dann gilt: Nur der Urheber darf grundsätzlich bestimmen, ob er das Werk wirtschaftlich verwertet, indem er es vervielfältigt (§ 16 UrhG), verbreitet (§ 17 UrhG) oder der Öffentlichkeit zugänglich macht (§ 19a UrhG) . Dritte dürfen das Werk des Urhebers grundsätzlich erst dann wirtschaftlich nutzen, wenn der Urheber ihnen ein Nutzungsrecht (in der Praxis oft auch „Lizenz“ genannt) an dem Werk übertragen hat (§ 31 UrhG) .
Nutzen Dritte das Werk ohne Einverständnis des Urhebers, stehen dem Urheber gegen den Rechteverletzer verschiedene Ansprüche zu. Er kann unter anderem einen
• Beseitigungsanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG)
• Unterlassungsanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG)
• Schadensersatz- (§ 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG) und Auskunftsanspruch
geltend machen.
B. Ausnahme: Zitatrecht
§ 51 UrhG macht vom grundsätzlichen Erfordernis der Einwilligung des Urhebers eine Ausnahme. Unter den dort genannten Voraussetzungen können Zitate auch ohne Einverständnis des Urhebers verwendet werden.
Das bedeutet: Dritte können ein fremdes Zitat einer berühmten Person etwa auf ihrer Webseite oder ihren Social Media Kanälen posten, ohne dass sie dafür im Vorhinein eine Lizenz des Urhebers benötigen.
Doch welche Voraussetzungen müssen für das lizenzfreie Zitieren konkret vorliegen?
I. Zitat: Was ist das überhaupt?
Die Definition des Begriffs „Zitat“ ist gar nicht so einfach, wie es der erste Blick vermuten lässt. Juristen definieren „Zitat“ teilweise als „Übernahme eines fremden Werkes oder Werkteils in ein neues Werk“ (Waldenberger in: Möhring/Nicolini, UrhG 2000, § 51 Rn. 1). Problematisch an dieser Definition ist jedoch der fehlende Aspekt der Erkennbarkeit der Übernahme. Denn ist nicht zu erkennen, dass der übernommene Textteil aus fremder Feder stammt, liegt schon kein Zitat, sondern vielmehr ein Plagiat vor. Richtigerweise ist das Zitat daher „die erkennbare Übernahme anderen Gedankenguts“ (Bisges, GRUR 2009, 730). Dementsprechend ist auch ein Hyperlink kein Zitat, da dabei kein fremdes Gedankengut übernommen wird.
II. Sinn und Zweck des Zitatrechts
Die Zitierfreiheit dient der Gewährleistung einer freien geistigen Auseinandersetzung mit fremden Gedanken im Interesse der allgemeinen kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2011, I ZR 212/10; Schulz in: BeckOK 2017, § 51 UrhG Rn. 1). Dahinter steht der Gedanke, dass ein Urheber auf den geistigen und kulturellen Leistungen seiner Vorgänger aufbaut und es dem Vorgänger deshalb zumutbar ist, einen verhältnismäßig geringfügigen Eingriff in seine Verwertungsrechte hinzunehmen (Raue/Hegemann in: Hoeren/Sieber/Holznagel Multimedia-Recht 2017 Teil 7.3 Rn. 77).
III. Voraussetzungen des Zitatrechts
Nach § 51 Satz 1 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.
§ 51 Satz 2 UrhG konkretisiert die Generalklausel aus Satz 1 und zählt beispielhaft auf, wann eine Nutzung fremder Zitate von der Zitierfreiheit gedeckt wird. Danach ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats insbesondere zulässig, wenn
• einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
• Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
• einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Da die Werbung mit Zitaten in der Regel nicht den Beispielen des § 51 Satz 2 UrhG unterfällt, werden die Ausführungen im Folgenden auf die Generalklausel nach § 51 Satz 1 UrhG beschränkt. Danach darf nur zitiert werden, wenn es sich bei dem Zitat um ein veröffentlichtes Werk handelt (1.) und ein Zitatzweck erfüllt wird (2). Zudem muss das zitierende Werk selbst eine persönlich geistige Schöpfung hervorbringen (3.). Schließlich muss das Zitat kenntlich gemacht (4.) und darf nicht verändert werden (5.).
1. Veröffentlichtes Werk
Es muss sich bei dem Zitat zunächst um ein veröffentlichtes Werk handeln, erst dann ist es zitierfähig. Das zitierte Werk muss zudem noch urheberrechtlichen Schutz genießen. Dies ist nicht der Fall, wenn die urheberrechtlichen Schutzfristen abgelaufen sind. Gemäß § 64 UrhG erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers. Nach Ablauf der Schutzdauer werden die Werke gemeinfrei, das heißt, sie können von jedermann (auch ohne Zustimmung der Erben) verwendet werden. Das Zitat eines verstorbenen Prominenten darf somit 70 Jahre nach seinem Tod grundsätzlich von jedem Webseiten-Betreiber verwendet werden.
2. Zitatzweck
Das Übernehmen urheberrechtlich geschützter Zitate ist nur zulässig, wenn das Zitat einen „Zitatzweck“ erfüllt. Wie ein solcher genau aussieht, legt das Gesetz nicht fest. Einen Hinweis gibt jedoch die Umschreibung in § 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG. Danach können einzelne Werke in selbständige wissenschaftliche Werke „zur Erläuterung des Inhalts“ aufgenommen werden.
Das bedeutet: Grundsätzlich ist die Übernahme eines fremden Zitats nur zulässig, wenn es als Beleg für eine vertretene Meinung, zum besseren Verständnis der eigenen Auffassung oder sonst zur Begründung oder Vertiefung des Dargelegten dient. Der BGH hat dazu entschieden, dass es deshalb nicht ausreiche, dass die Zitate in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt werden; vielmehr müsse eine innere Verbindung mit den eigenen Gedanken hergestellt werden (BGH, Urteil vom 20.12.2007, I ZR 42/05, vgl. auch BGH, Urteil vom 30.11.2011, I ZR 212/1).
An einer solchen inneren Verbindung fehlt es regelmäßig, wenn sich das zitierende Werk nicht näher mit dem eingefügten fremden Werk auseinandersetzt, sondern es bspw. nur zur Illustration verwendet (BGH, Urteil vom 30.11.2011, I ZR 212/1). Nicht von der Zitierfreiheit erfasst wird daher, wenn ein Zitat nur um seiner selbst willen, etwa zur Ausschmückung einer Webseite verwendet wird. Ebenfalls kein die Nutzung von Zitaten rechtfertigender Zweck stellt zudem die reine Bewerbung von Produkten dar (OLG München, Urteil vom 27.11.2014, 29 U 1004/14; LG München Urteil vom 12.02.2014, 21 O 7543/12).
Ein Beispiel dazu aus der Rechtsprechung: Ein Buch-Händler warb auf seiner Shop-Seite für die von ihm vertriebenen Bücher mit Buch-Rezensionen aus einer Tageszeitung. Diese mahnte den Händler ab, da er keine Lizenz zur Verwendung der Rezensionen erworben hatte. Das LG München stellte sich mit Urteil vom 12.02.2014 (21 O 7543/12) auf die Seite der Tageszeitung.
Es entschied:
"Grundsätzlich setzt ein Zitatzweck im Sinne von § 51 UrhG voraus, dass das zitierte Werk zur Erläuterung des Inhalts eines aufnehmenden Werkes des Zitierenden verwandt wird. Der Zweck des Zitats ergibt sich aus dessen Wesen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass dem eigenen Werk erkennbar fremde Werke oder Werkteile hinzugefügt werden (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 51, Rn. 2).
Vorliegend fehlt es aber an einem solchen Belegcharakter der Rezensionsauszüge, da diese nicht zur Erläuterung des Inhalts eines aufnehmenden Werkes der Beklagten verwandt werden, sondern ausschließlich zum Zwecke der Werbung für die von ihr vertriebenen Bücher auf ihre Internetseite gestellt wurden. Eine geistig-kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Rezensionsauszüge oder eine innere Verbindung des Textes mit einem eigenen Text der Beklagten fehlt aufgrund des rein werblichen Charakters der Webseite, die ausschließlich dem Verkauf der Bücher dient."
Daraus folgt: Der notwendige Zitatzweck ist häufig der Knackpunkt bei der Werbung mit fremden Zitaten berühmter Persönlichkeiten. Denn: Nur weil das Zitat „so schön“ oder für das angebotene Produkt „so treffend“ ist, wird aus der unzulässigen Kopie eines fremden Werks noch lange kein zulässiges Zitat. Vielmehr muss sich derjenige, der das Zitat verwenden möchte, inhaltlich mit dem Zitat auseinandersetzen. Auch kurze Kommentierungen des Zitat-Verwenders dürften insoweit regelmäßig nicht genügen (Sievers, GRUR-Prax 2012, 229, 231). Erst recht reicht es dementsprechend nicht aus, wenn das Zitat „für sich“ sprechen soll, also ohne jegliche Kommentierung des Zitierenden verwendet wird. Das Zitat muss die eigene Aussage vielmehr untermauern. Fehlt eine solche Belegfunktion, ist das Zitat nicht von der Zitierfreiheit gedeckt und darf nicht ohne Einverständnis des Urhebers genutzt werden. Wird es trotz fehlender Lizenz zu Werbezwecken genutzt, begeht der Zitierende eine Urheberrechtsverletzung.
3. Zitierendes Werk ist selbst persönliche geistige Schöpfung
Das zitierende Werk muss selbst eine persönlich geistige Schöpfung darstellen, also selbst urheberrechtlichen Schutz genießen. Hintergrund dieser Voraussetzung ist, dass nur derjenige, der selbst persönliche geistige Schöpfungen hervorbringt, in den Genuss der Zitierfreiheit kommen soll. Wird also mit Zitaten geworben, muss die Werbung ein gewisses Maß an Individualität aufweisen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Messlatte sehr niedrig angesetzt wird. Schon ein geringes Maß an Individualität genügt, damit das zitierende Werk selbst urheberrechtlichen Schutz genießt.
4. Kenntlichmachung und Quellenangabe
Bereits die Definition eines Zitats erfordert, dass das fremde Gedankengut als solches kenntlich gemacht werden muss. Es muss deutlich werden, dass das Werk nicht aus „eigener“, sondern aus „fremder Feder“ stammt. Dies kann bspw. durch „Anführungszeichen“ oder sonstige graphische Hervorhebung (bspw. Kursiv- oder Fettdruck, Absatz etc.) geschehen. Daneben erfordert ein zulässiges Zitat nach § 63 UrhG auch eine vollständige Quellenangabe. Da § 63 UrhG eine „deutliche“ Angabe fordert, muss ggf. auch der Verlag angegeben werden, in dem das Werk erschienen ist (Raue/Hegemann in: Hoeren/Sieber/Holznagel Multimedia-Recht 2017, 7.3. Rn. 86).
5. Veränderungsverbot
Das Werk muss grundsätzlich unverändert übernommen werden, es gilt das sogenannte Veränderungsverbot. Wird das Werk geändert, kann man sich auf die Zitierfreiheit nicht berufen.
C. Empfehlung der IT-Recht Kanzlei
Die Werbung mit fremden Zitaten erfordert aus urheberrechtlicher Sicht besonderes Fingerspitzengefühl. Ein lizenzfreies Zitieren ist nur zulässig, wenn das Zitat die engen Voraussetzungen des § 51 UrhG erfüllt. Eine Quellenangabe ist dabei keinesfalls ausreichend. Die meisten Zitate, die zu Werbezwecken eingesetzt werden, werden an ihrem fehlenden Zitatzweck scheitern. Denn: Shop-Betreiber, die mit Zitaten werben wollen, müssen sich auch inhaltlich mit diesen auseinandersetzen. Kurze Kommentierungen genügen hierfür nicht. Erst recht nicht von der Zitierfreiheit gedeckt ist deshalb ein Zitat, das „für sich sprechen“ soll, also losgelöst von jeglichen Kommentierungen des Zitat-Verwenders gepostet werden soll.
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