Ist der Kaufpreis bei Widerruf erst nach Erhalt der Retoure zu erstatten?
Im Online-Handel steht Verbrauchern bei Verträgen zur Lieferung von Waren grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Im Falle des Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Dabei scheinen viele Online-Händler davon auszugehen, dass der Kaufpreis dem Verbraucher erst erstattet werden muss, nachdem der Händler die Retoure erhalten hat. Ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist, klären wir im folgenden Beitrag.
1. Gesetzliche Regelung zur Rückzahlungspflicht
Insoweit regeln §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB, dass die empfangenen Leistungen unverzüglich, spätestens aber nach 14 Tagen zurückzugewähren sind. Dabei knüpft der Fristbeginn nach § 355 Abs. 3 BGB an den Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer an.
Allerdings kann der Unternehmer gemäß § 357 Abs. 4 BGB bei einem Verbrauchsgüterkauf die Rückzahlung verweigern (Zurückbehaltungsrecht), bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren beim Verbraucher abzuholen.
Aus der vorgenannten Regelung ergibt sich, dass die Rückzahlungspflicht des Unternehmers im Falle des Widerrufs bereits dann entsteht, wenn der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Hierzu kann es ausreichen, wenn der Verbraucher dem Händler einen Einlieferbeleg des von ihm gewählten Transportdienstleisters für die Rücksendung vorlegt. Das Transportrisiko für die Rücksendung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vom Verbraucher, sondern vom Unternehmer getragen werden.
Die Rückzahlungsfrist kann nicht wirksam durch Vereinbarung zwischen den Parteien zugunsten des Unternehmers verlängert werden, da dies den Verbraucher unangemessen benachteiligen würde.
2. Rückzahlungspflicht schließt auch Hinsendekosten ein
Neben dem Kaufpreis muss der Händler grundsätzlich auch die Hinsendekosten erstatten, sofern solche berechnet wurden.
Insoweit regelt § 357 Abs. 2 BGB ausdrücklich, dass der Unternehmer im Falle des Widerrufs auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren muss. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat. Hat der Verbraucher also etwa den teureren Expressversand gewählt, anstatt des günstigeren angebotenen Standardversandes, so muss der Unternehmer im Falle des Widerrufs nur die Kosten für die günstigste von ihm angebotene Versandart erstatten und der Differenzbetrag geht zu Lasten des Verbrauchers.
3. Rechtsfolgen bei verspäteter Rückzahlung
Hat der Verbraucher sein Widerrufsrecht form- und fristgerecht ausgeübt, so muss der Unternehmer ihm den ggf. bereits gezahlten Kaufpreis und die ggf. bereits gezahlten Versandkosten spätestens innerhalb von 14 Tagen zurückzahlen, es sei denn, der Unternehmer kann sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen (siehe oben).
Für die Rückzahlung muss der Unternehmer gemäß § 357 Abs. 3 BGB dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart und dem Verbraucher entstehen dadurch keine (Zahlungs-)Kosten.
Zahlt der Unternehmer nicht fristgerecht, so kommt er mit Fristablauf gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Verzug, ohne dass es hierzu einer Mahnung des Verbrauchers bedarf. Ab diesem Zeitpunkt haftet der Unternehmer dem Verbraucher für einen evtl. Verzugsschaden. Beauftragt der Verbraucher etwa nach Verzugseintritt einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung seiner Forderung, so muss der Unternehmer auch die dem Verbraucher hierdurch entstehenden gesetzlichen Gebühren erstatten.
Neben dem oben bereits erwähnten Fall, dass sich der Unternehmer auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann, kommt der Unternehmer auch dann nicht in Verzug, wenn die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat, beispielsweise wenn das Bankkonto des Verbrauchers gesperrt ist oder nicht mehr existiert und der Verbraucher den Unternehmer nicht hierüber in Kenntnis gesetzt hat.
4. Ansprüche bei beschädigter Retoure
Stellt sich nach Zugang der Retoure beim Händler heraus, dass die Ware vom Verbraucher beschädigt wurde, so steht dem Händler ggf. ein Wertersatzanspruch gegen den Verbraucher zu:
Gemäß § 357a Abs. 1 BGB hat der Verbraucher Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn
- der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und
- der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat.
Nähere Einzelheiten zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Wertersatzes beleuchten wir in diesem Beitrag.
Hat der Händler den Kaufpreis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an den Verbraucher zurückgezahlt, so kann er seine Wertersatzforderung gegen die Rückzahlungsforderung des Verbrauchers aufrechnen und muss dem Verbraucher dann nur noch den Differenzbetrag erstatten. Andernfalls muss er den Wertersatzanspruch gesondert geltend machen.
5. Fazit
Macht der Verbraucher bei einem Vertrag zur Lieferung von Waren im Online-Handel von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch, sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Für den Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers reicht es grundsätzlich aus, dass er gegenüber dem Händler einen geeigneten Rücksendenachweis erbracht hat. Das Transportrisiko für die Rücksendung ist vom Händler zu tragen.
Hat der Verbraucher die Ware vor der Rücksendung beschädigt, so kann der Händler ggf. einen Wertersatzanspruch gegen den Verbraucher geltend machen, den er mit dem Rückzahlungsanspruch „verrechnen“ kann, sofern er den Kaufpreis (ggf. einschließlich der Hinsendekosten) noch nicht erstattet hat.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
CalypsoArt
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1 Kommentar
Der Kunde muss im Zweifel den Nachweis erbringen, dass er die WAREN (und nicht nur irgendeinen Karton) zurückgeschickt hat. Ein Versandbeleg eines Transportunternehmens sagt ja nicht aus, was tatsächlich im Karton liegt.
Die ganze Fragestellung ist in der Praxis völlig unnötig. Entweder der Kunde sendet zügig zurück und erhält nach Rücksendung sein Geld oder die Ware kommt nicht innerhalb 14 Tagen zurück und dann ist man ohnehin im Konflikt mit dem Kunden.