Prüfrecht des Verbrauchers im online-Spirituosenhandel: Die Flasche mit sieben Siegeln

Prüfrecht des Verbrauchers im online-Spirituosenhandel: Die Flasche mit sieben Siegeln
von Mag. iur Christoph Engel
25.11.2010 | Lesezeit: 3 min

Wie weit darf ein Verbraucher, der im Versandhandel einen antiken Cognac erworben hat, bei der Prüfung des Inhalts gehen, ohne sein Widerrufsrecht zu verwirken? Mit diesem Problem hatten sich Amtsgericht und Landgericht Potsdam zu befassen; am Rande ging es dabei auch um die Frage, ob der Cognac zum Zwecke der Prüfung entkorkt und probiert werden darf.

Der Fall

Ein Verbraucher bestellte bei einem Spirituosenhändler online einen antiken Cognac des Jahrgangs 1919. Dieser wurde zunächst in einem Fass gelagert und im Jahre 1978 in eine Flasche umgefüllt; diese wurde verkorkt und mit Wachs versiegelt. Der Händler schlug die Flasche schließlich noch in Cellophan ein und verschloss diese Hülle mit einem handelsüblichen Geschenkband.

Der Käufer entfernte diese Cellophan-Hülle und beschädigte das Wachssiegel; anschließend berief er sich fristgerecht auf sein Widerrufsrecht. Der Händler vertrat jedoch die Ansicht, durch die Entfernung des Cellophans, spätestens jedoch mit Bruch des Siegels habe der Verbraucher bei diesem Einzelstück sein Recht auf Widerruf verwirkt. Die Sache landete schließlich vor Gericht.

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Erste Instanz

In der ersten Instanz unterlag der Händler; nach Auffassung des Gerichts (vgl. Urteil vom 17.02.2010, Az. 31 C 209/09) seien alkoholische Getränke zwar grundsätzlich verderblich; es handele sich dabei aber nicht um schnell verderbliche Waren im Sinne des § 312 s Abs. 4 Nr. 1 BGB. Schnell verderblich in diesem Zusammenhang seien lediglich Waren, die unter Berücksichtigung der Rückabwicklungszeit noch während dieser oder alsbald danach verderben. Davon könne man bei einem – ohnehin fast 100 Jahre alten – Cognac jedoch nicht ausgehen. Auch sei es nicht zu beanstanden, dass der Käufer das Cellophan und das Siegel beschädigt habe, schließlich habe er ein Recht auf Prüfung der Ware:

„[…] denn gem. §§ 346 Abs. 2 Nr. 3, 357 Abs. 3 BGB hat der Kläger Verschlechterungen nicht zu vertreten soweit diese durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstanden sind. Zur bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme gehört gem. § 357 Abs. 3 BGB jedenfalls die notwendige Prüfung einer Ware. Zumindest die Farbe und der Geruch des Cognacs müssen für den Käufer nachprüfbar sein. Dies setzt jedoch eine Entfernung der Cellophanhülle sowie die Herausahme des Korkens voraus, sodass es sich insoweit um eine zulässige Prüfung der Sache handelt.“

Gegen dieses Urteil legte der Händler Berufung ein.

Zweite Instanz

Auch vor dem Landgericht Potsdam (vgl. Urteil vom 27.10.2010, Az. 13 S 33/10) unterlag der Händler schließlich, da im konkreten Streitfall die Flasche ja gerade nicht entkorkt worden war, sondern nur Cellophan und Wachskapsel beschädigt waren. Dennoch ist das Urteil recht interessant, da die Richter im Vergleich zur Vorinstanz hinsichtlich des Entkorkens der Flasche ein wenig zurückruderten:

„Dahinstehen kann, ob […] das Prüfungsrecht des Verbrauchers gem. § 357 Abs. 3 BGB so weit geht, dass er eine solitäre Cognacflasche des Jahrgangs 1919 zum Zwecke der Überprüfung auch entkorken darf, was lebensnah wohl zu verneinen wäre.“

Ansonsten wurde die Rechtsprechung der Vorinstanz bestätigt; der Verbraucher durfte von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen, der Händler hatte die Flasche zurückzunehmen und die Kosten zu erstatten.

Kommentar

Zwei Gerichte, zwei Entscheidungen – welche Ansicht sich hinsichtlich des Entkorkens durchsetzt, bleibt abzuwarten. Bei einer realistischen Betrachtung wird wohl der höheren Instanz zu folgen sein.
Die magische Grenze hinsichtlich des Widerrufsrechts scheint beim Handel mit erlesenen Spirituosen also der Korken zu sein. Das Wachssiegel darf zumindest beschädigt werden – was durchaus Sinn macht, da der einwandfreie Zustand des Korkens bei alkoholischen Getränken ein äußerst wichtiges Qualitätskriterium ist, das durch die Wachskapsel hindurch nicht geprüft werden kann.

Sonstige Verpackungen, Versiegelungen und ähnliche Vorrichtungen, die vom Verkäufer selbst angebracht worden sind, dürfen grundsätzlich entfernt werden, soweit dies zur Überprüfung der Ware notwendig ist.

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1 Kommentar

U
Ulrich Hosse 02.12.2010, 00:01 Uhr
Armes Deutschland
Deutschlands Spirituosenhandel tut mir leid... Solche weltfremden Richter im eigenen Land der Dichter und Denker lassen es wohl nur zu solche Qualitätsspirituosen aus früheren Epochen nur aus dem Ausland zu verkaufen und die kassieren dann die Verkaufssteuern... Vielen Dank.

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