Überschneidung von Widerruf und Versand: Wer trägt die Rücksendekosten?

Überschneidung von Widerruf und Versand: Wer trägt die Rücksendekosten?
11.11.2024 | Lesezeit: 7 min

Logistikprozesse sind oft komplex. Widerruft ein Kunde seine Bestellung kurzfristig, lässt sich der Versand der Ware oft nicht mehr aufhalten. Wer trägt dann die Kosten für die Rücksendung der Ware? Diese Frage klären wir in diesem Beitrag - inklusive hilfreicher Reaktionsmuster für unsere Mandanten.

Die Ausgangslage: Warenversand trotz umgehenden Verbraucherwiderrufs

Nicht selten bemerken Verbraucher im unmittelbaren Nachgang einer Online-Bestellung einen Fehler oder eine Fehleinschätzung, die sie von ihrem Kaufwillen Abstand nehmen lässt und zu einem spontanen Widerruf verleitet.

Immerhin steht Verbrauchern dieses Recht im E-Commerce grundsätzlich zu, und zwar bereits ab Vertragsschluss und nicht erst nach Lieferung.

Nicht selten reagieren Händler auf eingehende Bestellungen aber ebenfalls unmittelbar durch Versandvorbereitungen, die von einer Lageraussonderung über die Verpackung bis hin zur Aufgabe beim Transportunternehmen regelmäßig mehrstufig gestaffelt sind und umso komplexer werden, je mehr Akteure (etwa: Fulfillment-Dienstleister oder Dropshipping-Lieferanten) in den Versandprozess eingegliedert sind.

So kann es zu Konstellationen kommen, in denen ein Verbraucher umgehend nach der Bestellung seinen Widerruf erklärt, der Händler aber den Versand bereits nicht mehr mit zumutbaren Bemühungen aufhalten kann.

In der Folge wird die Ware trotz vorherigen Widerrufs an den Verbraucher versendet, obwohl er von seiner Bestellung eigentlich bereits Abstand genommen hat.

Erreicht die Ware dann den Verbraucher, muss er sie für eine widerrufsbedingte Kaufpreisrückerstattung an den Händler zurückführen, entweder durch eigene Aufgabe zur Rücksendung oder durch Retoure per Annahmeverweigerung.

Hierfür hat er nach gesetzlichem Leitbild nach § 357 Abs. 5 BGB grundsätzlich die Rücksendekosten zu tragen.

Doch ist dies vorliegend gerecht? Immerhin hat der Händler die Ware versendet, obgleich ihm vor Aufgabe an das Transportunternehmen der Widerruf bereits zugegangen war.

Viele Verbraucher sehen hier den Händler zur Tragung der Rücksendekosten verpflichtet.

Was gilt rechtlich und ist gegebenenfalls nach bestimmten Zeitabständen zwischen Widerruf und Versandaufgabe zu differenzieren?

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Die Lösung: zeitlicher Abstand maßgeblich

Wer zur Tragung widerrufsbedingter Rücksendekosten bei Überschneidung von Widerruf und Versand verpflichtet ist, hängt maßgeblich davon ab, von wem sie bei wertender Betrachtung veranlasst wurden.

Der Verbraucher hat die Versandvorbereitungen und die Aufgabe beim Transportunternehmen durch seine Bestellung ausgelöst. Er hat aber vernünftigerweise keinen Einblick in die logistische Organisation des Händlers und dessen dafür eingerichtete Prozesse. Selbst bei schnell nachfolgendem Widerruf kann er sich auf die Rechtzeitigkeit also bei wertender Betrachtung nicht verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn der Händler kurze Lieferzeiten angibt.

Der Händler andererseits muss als Unternehmer für eine professionelle Geschäftsführung einstehen und hat während seiner Geschäftszeiten eingehende Erklärungen grundsätzlich gewissenhaft zur Kenntnis zu nehmen und in angemessenem Zeitraum zu bearbeiten.
Ein Verbraucher muss sich also darauf verlassen können, dass der Händler eine zugegangene Widerrufserklärung zeitnah umsetzt und etwaige Vertragsabwicklungsmaßnahmen umgehend beendet.

Dieses Spannungsverhältnis ist im Lichte des entscheidenden Veranlasserprinzips nun über den zeitlichen Abstand zu lösen, der zwischen

  • Zugang der Widerrufsbelehrung beim Händler einerseits und
  • Aufgabe der Sendung beim Transportunternehmen andererseits

liegt.

Liegt der Zugang der Widerrufserklärung zeitlich so kurz vor dem geplanten Versand, dass dieser nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit verhältnismäßigem Aufwand nicht mehr gestoppt werden kann, müssen widerrufsbedingte Rücksendekosten vom Verbraucher getragen werden. Sie sind dann maßgeblich seiner Veranlassungssphäre zuzuordnen.

Als Faustregel lässt sich aufstellen:

Geht eine Widerrufserklärung später als 18:00 Uhr am Tag vor dem geplanten Versand zu, ist ein Aufhalten des Versandes für den Händler regelmäßig nicht mehr möglich. Der Verbraucher trägt widerrufsbedingte Rücksendekosten.

Geht eine Widerrufserklärung früher als 18:00 Uhr am Versand-Vortag zu, sollte dem Händler ein Stop des Versandprozesses zumutbar möglich sein. Wird dennoch versendet, sind widerrufsbedingte Rücksendekosten überwiegend als vom Händler veranlasst zu sehen und von diesem zu tragen.

Beweisfragen im Streitfalle

Kommt es über die Rechtzeitigkeit des Zugangs der Widerrufserklärung zum Streit, muss der Verbraucher darlegen, die Widerrufserklärung mit ausreichendem Abstand (3 Tage oder mehr) vor der Zustellversuch abgegeben zu haben.

Will sich der Händler im Lichte der Kostentragungspflicht für Rücksendekosten entlasten, muss er sekundär belegen, dass die Widerrufserklärung später als 18:00 des Vortages der Versandaufgabe zugegangen ist.

Da nur der Händler über die maßgeblichen Informationen zum Zugangs- und Versandzeitpunkt verfügt, muss er seine Behauptung durch Darlegung der zeitlichen Differenz anhand eines Zugangsvermerks (bzgl. der Widerrufserklärung) und eines Einlieferungsbelegs (bzgl. des Versandes) beweisen können.

Muster: Zurückweisung der Übernahme von Rücksendekosten bei Überschneidung von Widerruf und Versand

Für Fälle, in denen ein Verbraucher bei Überschneidung von Widerruf und Versand wegen zu geringen Zeitabstands zu Unrecht die Tragung der Rücksendekosten verweigert, stellen wir Mandanten nachfolgend rechtskonforme Reaktionsmuster bereit.

1.) Verbraucher hat Rücksendekosten gezahlt, Händler lehnt Erstattung ab

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2.) Verbraucher hat Annahme verweigert, Händler verrechnet Retourkosten mit Kaufpreisrückerstattung

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Fazit

Überschneiden sich eine Verbraucherwiderrufserklärung und der Versand der Ware, ist fraglich, wer die Rücksendekosten der (eigentlich ungewollten) Sendung zu tragen hat.

Rechtlich ist die Kostentragungspflicht nach dem Schwerpunkt der Kostenveranlassung und mithin nach dem zeitlichen Abstand zwischen Zugang der Widerrufsbelehrung und Sendungsaufgabe beim Transportunternehmen zu bestimmen.

Als Faustregel gilt, dass ein Verbraucher die Kosten der Rücksendung zu tragen hat, wenn sein Widerruf später als 18 Uhr am Versendungsvortag zugeht.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle:
natatravel

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