Ausschluss vom Widerrufsrecht aus Hygienegründen wegen Coronavirus?
Die IT-Recht Kanzlei erreichen aktuell vermehrt Anfragen von Händlern, ob aufgrund des grassierenden Coronavirus ein weitergehender Ausschluss bestimmter Waren vom gesetzlichen Widerrufsrecht in Betracht kommt. Dem gehen wir im folgenden Beitrag gerne einmal nach.
Worum geht es?
Das Coronavirus ist derzeit in aller Munde. Ein Großteil der Bevölkerung ist aufgrund der fortschreitenden Ausbreitung des Virus in Sachen Hygiene besonders sensibilisiert.
So wird neuerdings gerne auf das Händeschütteln verzichtet, Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken finden reißenden Absatz und fast jedermann überlegt, bevor er Dinge anfasst, die auch dem Zugriff Dritter unterliegen.
Kurzum: Käuferseitig ist das Interesse größer denn je, vollkommen unbenutzte Ware zu erhalten, die zuvor noch nicht in den Händen Dritter war.
In die gleiche Richtung geht dementsprechend das Interesse der Internethändler, da sich Retourenware – zumindest in sensiblen Bereichen – aktuell noch schlechter absetzen lässt, als dies bereits generell der Fall ist.
Hintergrund des Ganzen dürfte eine gewisse Verunsicherung dahingehend sein, dass einmal ausgepackte Artikel insbesondere in sensiblen Bereichen wie bei Lebensmitteln oder Bekleidung ein höheres Risiko für eine „Verseuchung“ mit dem Corona-Virus aufweisen.
Viele Händler fragen sich daher derzeit, ob sich durch die bedrohliche Lage aufgrund des Coronavirus in Sachen Ausnahmen vom gesetzlichen Widerrufsrecht Änderungen zu ihren Gunsten ergeben.
Alles beim Alten
Zunächst bleibt festzuhalten, dass sich durch die aktuelle, gesundheitlich bedrohliche Situation durch das Coronavirus an den rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts generell nichts ändert.
Nur weil seitens des Händlers oder seitens des Käufers die Befürchtung besteht, ein bereits ausgepacktes oder kurz „in Betrieb“ genommenes Produkt könne durch das neuartige Virus „verseucht“ worden sein, führt dies nicht dazu, dass sich ein weitergehender Ausschluss vom grundsätzlich bestehenden Widerrufsrecht des Verbraucher ergibt.
Insoweit gibt es für Händler hier leider keine positiven Nachrichten dahingehend, dass nun ein Ausschluss des Widerrufsrecht leichter möglich ist als vor Auftreten des Corona-Virus.
Und wie sieht es bei Hygieneartikeln aktuell aus?
Ein hinsichtlich der Verbrauchererwartungen ganz sensibles Sortiment stellen Hygieneartikel dar.
Werden solche Waren einmal benutzt, lassen diese sich in der Regel nicht mehr verkaufen und müssen meist der Entsorgung zugeführt werden. Bei bestimmten Artikeln führt bereits das Öffnen der Verpackung zu einem „Vertrauensverlust“, der in die Unverkäuflichkeit der Ware mündet.
Diesen Umstand hat der Gesetzgeber beim Verbraucherwiderrufsrecht berücksichtigt.
Nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB besteht das Widerrufsrecht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
Betroffene Produktgruppen sind vor allem freiverkäufliche Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetik- und Hygieneartikel, wie etwa Tabletten, Kondome, Kontaktlinsen oder Tampons. Voraussetzung für das Nichtbestehen des Widerrufsrechts ist dabei aber jeweils, dass die Ware durch eine eindeutig als solche erkennbare Versiegelung bei der Lieferung an den Verbraucher geschützt ist (eine gewöhnliche Verkaufsverpackung erfüllt diese Voraussetzung gerade nicht) und diese Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
In Bezug auf das derzeit grassierende Coronavirus dürfte bei kontaminierten Hygieneartikeln in der Tat ein theoretisches Infektionsrisiko bestehen.
Dieser Umstand führt jedoch rechtlich auch bei Hygieneartikeln nicht zu einer Ausweitung des Ausnahmetatbestands vom gesetzlichen Widerrufsrecht.
Dies ist auch gar nicht erforderlich, da der Händler die Rücksendung solcher, möglicherweise kontaminierter Hygieneartikel dadurch verhindern kann, indem er für eine entsprechende Versiegelung der Ware sorgt, so dass bei Bruch der Versiegelung kein Widerrufsrecht besteht – Coronavirus hin, Coronavirus her.
Da Hygieneartikel meist bereits vom Hersteller in einer Verpackung geliefert werden, die eine Kontamination zumindest sehr unwahrscheinlich macht, ist bei einer zusätzlichen Versiegelung der Verpackung bei ungebrochenem Siegel das Risiko einer Kontamination der eigentlichen Ware mit dem Coronavirus wohl sehr überschaubar.
Zu den Voraussetzungen für den Entfall des Widerrufsrechts bei Hygieneartikeln informieren wir Sie gerne an dieser Stelle.
Welche Ausnahmen vom gesetzlichen Widerrufsrecht gibt es eigentlich?
Vom Verbraucherwiderrufsrecht im Fernabsatz gibt es eine ganze Menge an Ausnahmen.
Diesen ist aber eines gemein: Sie werden von den Gerichten jeweils sehr restriktiv ausgelegt, d.h. die Händler haben in Grenzfällen in aller Regel das Nachsehen und müssen den Widerruf akzeptieren.
Eine Übersicht der Ausnahmen haben wir hier für Sie erstellt.
Fazit
So sehr, wie das Coronavirus derzeit den Alltag und die Wirtschaft beeinträchtigt, im Bereich des Widerrufsrechts hat es juristisch keine Auswirkungen.
Es kommt durch die neue Gefahr bzw. durch die neue Sensibilisierung der Verbraucher in Sachen Hygiene nicht zu einer Erweiterung der Ausnahmen vom Widerrufsrecht.
Dies bedeutet, dass die Angst der Verbraucher vor nicht mehr „jungfräulichen“ Waren voll zu Lasten der Händler geht: Zum einen dürften sich einmal bereits retournierte Waren selbst in Sonderverkäufen aktuell noch schlechter absetzen lassen als dies für gewöhnlich bereits der Fall ist. Zum anderen ist damit zu rechnen, dass Verbraucher vermehrt von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen werden, wenn nur leise Zweifel an der Unversehrtheit der gelieferten Ware aufkommen.
Im Zusammenspiel mit „Hamsterkäufen“ auch im Onlinehandel sowie Parallelbestellungen wegen langer Lieferzeiten derzeit stark nachgefragter Artikel ist von einem Anstieg der Retourenquoten auszugehen.
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6 Kommentare
Kann mir jemand weiter helfen?
Nun möchte er aber die Ware zurück senden, mit Verweis darauf, er habe sich in der Größe geirrt. Soweit alles kein Problem.
Als abschließenden Satz schreibt Kunde in seiner Nachricht Zitat: " Wir liegen hier alle mit Corona flach."
Wir haben grundsätzlich kein Problem mit einem Widerruf. Aber in diesem Fall bestätigt der Kunde selber, dass die Ware mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit belastet sein dürfte, da er ja alles schon ausgepackt hat. Papier und Leder lassen sich nun mal nicht bzw. nicht ohne bleibende Veränderung desinfizieren und wieder guten Gewissens in Umlauf bringen.
Die Masken steckten in einer einfachen verschweißten Plastiktüte ohne jeden Hinweis darauf, dass man sie beim Öffnen nicht mehr zurücksenden kann.
Kann sich der Verkäufer einfach weigern, die Produkte zurückzunehmen? Was kann man in dem Fall tun? Der Streitwert ist so gering, dass ein Gang zu Anwalt wohl nicht lohnt.
Viele Grüße
Thomas