Wettbewerbsbeschränkungen: im Rahmen des Kartellverbots (3.Teil der Serie zu selektiven Vertriebssystemen)
Im 3. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei "Selektive Vertriebssysteme" wird auf die einzelnen Wettbewerbsbeschränkungen des Kartellverbots in § 1 GWB und Art. 101 AEUV eingegangen. Darunter können auch die selektiven Vertriebsvereinbarungen fallen.
Inhaltsverzeichnis
Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt bei einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs vor, also bei einer Beeinträchtigung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit als Anbieter oder Nachfrager. Die Beeinträchtigung muss sich auf wettbewerbsrelevante Handlungen beziehen wie z.B. Preise, Abnehmer, Absatzgebiete, Absatzmenge, Werbung, Qualität oder Sortiment. Es reicht aber schon aus, wenn die Entschlussfreiheit nach kaufmännischer Vernunft zu handeln beeinflusst wird. Auch sind die Fälle erfasst, in denen der Betroffene zwar an sich frei ist anders zu handeln, ihn aber dadurch wirtschaftliche Nachteile treffen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn ein Händler zwar frei ist, den vom Hersteller aufgestellten Mindestpreis nicht einzuhalten; der Hersteller aber als Konsequenz diesen Händler nicht mehr beliefern würde.
In Art. 101 AEUV werden einige Regelbeispiele in nicht abschließender Weise aufgelistet, die einen Verstoß darstellen:
- die Festsetzung der Preise und Geschäftsbedingungen
- die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder Investitionen
- die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen
- die Diskriminierung von Handelspartnern
- die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung zusätzliche Leistungen abzunehmen
Entsprechend der früheren Aufteilung im deutschen Kartellrecht kann zwischen Inhaltsbindungen und Abschlussbindungen unterschieden werden.
Auf die (Un-) Zulässigkeit der einzelnen Bindungen wird im Teil 7 der Serie der IT-Recht Kanzlei eingegangen.
A. Inhaltsbindungen
Inhaltsbindungen liegen vor, wenn im Erstvertrag (der erste Vertrag, den die zwei Unternehmen abschließen, um die Handlungsfreiheit eines beteiligten Unternehmens beschränken) Festlegungen über den Inhalt des Zweitvertrages getroffen werden (Gestaltung von Preisen oder Geschäftsbedingungen), den das gebunden Unternehmen mit einem Dritten schließt. Jeder Abnehmer soll selbst entscheiden können, zu welchem Preis er die angekaufte Ware weiterverkaufen will. Anders herum soll jeder Lieferant die Freiheit haben, mit anderen Abnehmern andere Preise aushandeln zu können, als er es mit den bisherigen Abnehmern getan hat.
I. Preisvorgaben
1. Preisbindung
Hier schreibt der Anbieter seinem Abnehmer einen Festpreis oder Mindestpreis vor.
2. Höchstpreisbindung
Eine Höchstpreisbindung ist gegeben, wenn ein Lieferant / Hersteller seinen Käufer / Händler dazu verpflichtet, beim Weiterverkauf eine bestimmte Preisobergrenze nicht zu überschreiten.
3. Preisempfehlungen
Preisempfehlungen sind in ihrer Wirkung rein unverbindliche Empfehlungen. Heute muss die Preisempfehlung nicht mehr als „Unverbindlich“ bezeichnet sein.
4. Meistbegünstigungsklauseln
Hier gilt das Preisbindungsverbot auch zu Lasten des Lieferanten. Es kann zwischen echten und unechten Meistbegünstigungsklauseln unterschieden werden.
Bei den echten Meistbegünstigungsklauseln verpflichtet sich der Hersteller / Händler gegenüber dem Vertragspartner Dritten keine günstigeren Konditionen einzuräumen als dem Vertragspartner.
Eine unechte Meistbegünstigungsklausel liegt dagegen vor, wenn ein Hersteller sich gegenüber dem Vertragspartner / Abnehmer verpflichtet, ihm die günstigsten, gleich günstige oder keine ungünstigeren Konditionen einzuräumen, als er anderen Abnehmern einräumt.
B. Abschlussbeschränkungen
Die gebundene Partei des Erstvertrages wird nicht hinsichtlich des Inhalts des Zweitvertrages beschränkt, sondern darin „Ob“ sie einen Zweitvertrag schließen darf.
I. Verwendungsbeschränkung
Dies ist die Beschränkung der Freiheit der Verwendung gelieferter Waren. Beispiele hierfür wären die Pflicht des Abnehmers die gelieferte Maschine nur mit bestimmten Ersatzteilen oder Betriebsstoffe zu versorgen oder auch die gelieferte Maschine nicht zur Produktion bestimmter Produkte zu verwenden.
II. Ausschließlichkeitsbindungen
Ausschließlichkeitsbindungen können in verschiedenen Arten auftauchen. Das gebundene Unternehmen, der Abnehmer, bezieht Waren vom bindenden Unternehmen, dem Hersteller, und verpflichtet sich konkurrierende Waren nicht von Dritten zu beziehen. Oder das gebundene Unternehmen, der Hersteller, gibt Waren an das bindende Unternehmen, den Abnehmer, und verpflichtet sich andere (konkurrierende) Waren und Dienstleistungen nicht an Dritte abzugeben. Weitere Unterfälle sind Alleinbezugsverträge, Markenzwang und Bedarfsdeckungsverpflichtungen.
a. Markenzwang
Beispielsweise verpflichtet sich beim Markenzwang der Abnehmer dazu, ein bestimmtes Produkt nur bei einem Anbieter zu kaufen. Auch zählen Vereinbarungen oder Anreizregelungen (Rabatte, Auflagen) die den Abnehmer dazu bringen, mehr als 80% seines Bedarfes an einem bestimmten Markt nur bei einem Anbieter zu decken dazu. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Vereinbarung darauf zielt, dass er nur bei dem Anbieter kauft. Es genügt, dass er keine konkurrierenden oder eigenen Produkte verkauft.
b. Alleinvertrieb
Beim Alleinvertriebsvertrag räumt der Anbieter einem Händler das alleinige Verkaufsrecht über ein Produkt für ein bestimmtes Gebiet ein. Dabei verpflichtet er sich, anderen abnehmenden Händlern, es nicht zu gestatten in das bestimmte Gebiet aktiv zu verkaufen. Oft wird noch ein Verbot des aktiven Verkaufs des Händlers in andere Gebiete vereinbart, die der Anbieter anderen Händlern zum alleinigen Verkauf zugewiesen hat.
c. Kundenbeschränkung
Bei Kundenbeschränkungsvereinbarungen räumt der Anbieter einem Händler das alleinige Verkaufsrecht über ein Produkt für eine bestimmte Kundengruppe ein. Dabei verpflichtet er sich, anderen abnehmenden Händlern, es nicht zu gestatten an diese Kundengruppe aktiv zu verkaufen. Oft wird noch ein Verbot des aktiven Verkaufs des Händlers an andere Kundengruppen vereinbart, die der Anbieter anderen Händlern zum alleinigen Verkauf zugewiesen hat.
III. Vertriebsbindungen
Bei Vertriebsbindungen wird einer der Vertragspartner verpflichtet (gebunden), die ihm gelieferten Waren nur an ganz bestimmte Dritte abzugeben. Diese Bindungen werden in der Regel vereinbart, um sogenannte „selektive Vertriebssysteme“ aufzubauen. In einem selektiven Vertriebssystem sucht sich der Hersteller eines Produktes aus, welche Händler sein Produkt verkaufen dürfen. Denn er möchte, dass nur die Händler, die bestimmte Voraussetzungen beim Verkauf erfüllen, sein Produkt verkaufen können. Nach der Definition des Art. 1 Abs. I lit. e Vertikal-GVO sind selektive Vertriebssysteme solche Vertriebssysteme, in denen sich der Anbieter (z.B. Hersteller) verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind.
1. Qualitative Vertriebsbindungen
Hierbei werden an den Händler qualitative Anforderungen gestellt. Zum Beispiel müsste er ein über das Produkt geschultes Personal haben.
2. Quantitative Vertriebsbindungen
Bei quantitativen Vertriebsvereinbarungen wird (zudem) die Anzahl der Händler begrenzt. Qualitative Vertriebsvereinbarungen sind jedoch nicht zulässig und werden auch nicht freigestellt.
3. Sprunglieferungsverbot
Beim Sprunglieferungsverbot ist es hingegen verboten, beim Verkauf eine Wirtschaftsstufe zu überspringen. Hier darf zum Beispiel ein Großhändler nicht direkt an einen Verbraucher liefern.
4. Fachhandelsbindung
Bei einer Fachhandelsbindung darf nur an Händler geliefert werden, die Fachhändler sind. An Nichtfachhändler zu liefern ist verboten.
5. Querlieferungsverbot
Das Querlieferungsverbot untersagt das Liefern an einen Händler derselben Wirtschaftsstufe. Ein Großhändler darf beispielsweise nicht an einen anderen Großhändler liefern.
IV. Koppelungsbindungen
Eine Koppelungsbindung ist entsprechend des Art. 101 Abs. 1 lit. e AEUV die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen abnehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. Auch wenn dieser Tatbestand nicht in § 1 GWB aufgenommen wurde, gilt das Verbot der Koppelungsbindung auch im GWB. Anders wie sonst, werden hier Erst- und Zweitvertrag zwischen denselben Parteien geschlossen. Gemäß der Vereinbarung muss das gebundene Unternehmen (Abnehmer) nicht nur die Hauptware, sondern auch weitere Waren / Dienstleistungen beziehen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Hauptware stehen. Ein Beispiel wäre es, wenn der Abnehmer einer Maschine auch Nachfolgemodelle abnehmen muss.
V. Lizenzverträge
Der Inhaber gewerblicher Schutzrechte kann diese Rechte übertragen oder durch Lizenzvertrag Dritten die Benutzung gestatten. Geschieht dies mit Einschränkungen gelten hierfür ebenso § 1 GWB / Art. 101 Abs. 1 AEUV. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Gruppenfreistellungsverordnung über Technologietransfer-Vereinbarungen (VO 772/2004) zu.
Auf die (Un-) Zulässigkeit der einzelnen Bindungen wird im Teil 7 der Serie der IT-Recht Kanzlei eingegangen.
Im 4.Teil der Serie wird auf die Ausnahmen der Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen des Kartellverbots gemäß § 1 GWB und Art. 101 AEUV eingegangen.
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