Der alte Müll und das Meer: Auch bei Recycling-Produkten kann die Herkunftsangabe entscheidend sein
Umweltschutz ist ein wichtiges Thema – und erfreut sich derzeit auch einer gewissen Beliebtheit beim Verbraucher. Da ist es aus werbewirtschaftlicher Sicht natürlich naheliegend, auch mit eher banalen Alltagsgegenständen das gute Gewissen des Verbrauchers zu stimulieren. Das kann aus Sicht des Lauterkeitsrechts allerdings auch gehörig schiefgehen, wie ein aktuelles Urteil des OLG Stuttgart (Urt. v. 25.10.2018, Az. 2 U 48/18) zeigt: Ein Anbieter von Spülmitteln hatte in einem Werbevideo behauptet, seine Spülmittelflaschen bestünden zu fünfzig Prozent aus Plastikabfällen, die aus dem Meer angespült worden waren – nur leider konnte er dies nicht nachhaltig belegen.
In besagtem Werbevideo wurde insgesamt der Eindruck erweckt, das Recyclat, aus dem die Spülmittelflaschen zur Hälfte bestehen, werde tatsächlich direkt aus dem Ozean gefischt oder zumindest am Strand eingesammelt, nachdem es vom Meer dort angespült wurde. Tatsächlich wurde der Müll jedoch auch an anderen küstennahen Gewässern eingesammelt, und er war auch nicht unbedingt aus dem Meer dorthin gelangt, sondern teilweise wohl auch direkt dort entsorgt worden. Die Werbeaussage war jedoch vom Verbraucher so zu verstehen, dass die Hälfte des Gewichtsanteils der Flaschen aus Plastikabfällen gewonnen worden sei, die bereits das Meer erreicht hatten. Hiermit könnte dem Hersteller natürlich ein Wettbewerbsvorteil vor allem bei Verbrauchern mit hoher Sensibilität für Umweltschutz zukommen.
Ein Wettbewerber sah hierin eine Täuschung des Verbrauchers: „Plastikmüll aus dem Meer" stamme nach Auffassung des Verbrauchers eben direkt aus dem Meer, und nicht von Stränden, Kanälen und Teichen in Meeresnähe. Der Wirtsinn sei dahingehend eindeutig – und Recyclat in der Flasche erfülle diesen Wortsinn nicht.
Bei der gerichtlichen Überprüfung seiner Werbeaussage ruderte der Hersteller dann bereits ein wenig zurück: Der fragliche Plastikmüll sei an der Guanabara-Bucht (Brasilien) gesammelt worden, von wo er allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Tidenhub und Wind ins Meer gelangt wäre, hätte nicht die Sammlung dies verhindert.
Diesem präventiven Ansatz erteilte das Gericht jedoch eine Absage und stellte auf den Wortsinn ab (Oberlandesgericht Stuttgart, Urt. v. 25.10.2018, Az. 2 U 48/18):
"Der Wortsinn, der für die Ermittlung des Verbraucherverständnisses von zentraler Bedeutung ist […], ist eindeutig in dem Sinne, dass Meeresplastik oder Plastikmüll aus dem Meer nur solches Plastik ist, das unmittelbar dem Meer entnommen wird. Daran, dass es Plastikmüll sein könnte, der sich zuvor im Meer befunden hatte, aber wieder an Land gespült worden sei, denkt der Durchschnittsverbraucher bei dieser Anpreisung nicht. Schon gar nicht erwartet er, dass es sich um Müll handele, der das Meer noch nicht erreicht hatte. […] Die sonstigen Umstände führen den Verbraucher hier nicht zu einem abweichenden Verständnis. Die Verhältnisse in und an einer Meeresbucht an der Küste Brasiliens kennt der Durchschnittsverbraucher nicht. Er war dort noch nie und kennt sie auch nicht aus Berichten; ein Sonderwissen über sie ist nur bei einem kleinen, lauterkeitsrechtlich zu vernachlässigenden Teil der Verbraucher vorhanden."
Zudem sei davon auszugehen, dass ein Großteil der Verbraucher tatsächlich Wert darauf lege, dass das recycelte Plastik dem Meer entnommen und nicht am Strand aufgesammelt worden sei:
"Darauf, ob es von dort ins Meer gelangt wäre und ob dies alsbald zu erwarten gewesen wäre, kommt es dabei nicht an. Denn Plastik, das noch nie im Meer war, ist kein Plastik aus dem Meer. […] Denn für den Verbraucher macht es einen Unterschied, ob Plastik aus dem Meer gefischt oder zumindest Plastik verwendet wiederverwertet wird, das schon im Meer war oder ob eine Säuberung von Stränden stattfindet, die aufgrund des Verhaltens der örtlichen Bevölkerung und unzureichenden Vorgehens der dortigen Behörden verschmutzt sind. Denn der Verbraucher geht aufgrund zahlreicher Medienberichte der vergangenen Jahre davon aus, dass Plastik im Meer unmittelbar die dortige Tierwelt bedrohe und unter Umständen über die Nahrungskette wieder bei ihm selbst oder bei anderen Menschen ankommen könne. Außerdem gibt es, wenn das Plastik erst einmal ins Meer gelangt ist, anders als an Flüssen, Küsten und Stränden, aus der Sicht des Verbrauchers niemanden mehr, der für die Entsorgung zuständig ist."
Abfall mit Herkunft? Wie man sieht, kann die Herkunft nicht nur bei erlesenen Nahrungs- und Genussmitteln eine Rolle spielen, sondern auch bei banalen Alltagsgegenständen und – in diesem speziellen Fall – bei Wertstoffen. Wie der Name „Wert“-Stoff bereits aussagt, spielt bei nachhaltigem Denken auch die fachgerechte Entsorgung und Wiederverwertung von Abfällen eine wichtige Rolle. Im vorliegenden Fall wurde durch die Sammlung und Wiederverwertung der Plastikabfälle aus Brasilien vermutlich auch tatsächlich ein wertvoller Beitrag für die Umwelt geleistet.
Wie so oft im Werberecht kommt es jedoch auf ein präzises Wording an: Wer beispielsweise Wein mit der Bezeichnung „aus Bordeaux“ bewirbt, erzeugt beim Verbraucher bestimmte Vorstellungen und Ansprüche und sollte daher auch einen Wein anbieten, der im Bordelais kultiviert und ausgebaut wurde – und keine Weine aus Trauben verschiedener Herkunft, die in der Nähe von Bordeaux in Flaschen gefüllt wurden. Ob der Wein qualitativ hochwertig ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Im vorliegenden Fall ist es ganz ähnlich: Wird dem Verbraucher durch die Herkunftsbezeichnung „aus dem Meer“ suggeriert, er könne mit dem Kauf einer Flasche Spülmittel einen Beitrag zur aktiven Reinigung unserer verschmutzten Ozeane leisten, entsteht sofort ein Konflikt mit dem Lauterkeitsrecht. Dabei ist es unerheblich, ob irgendein anderer Beitrag zum Umweltschutz geleistet wird oder nicht. Wer also mit edlem Abfall wirbt, sollte die noble Herkunft seiner Recyclate auch nachweisen können.
Folgerichtig wurde hier die Werbung mit dem streitgegenständlichen Wording untersagt.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
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